Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Mai 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 46/99

(BPatG: Beschluss v. 24.05.2000, Az.: 28 W (pat) 46/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 vom 12. Juni 1998 und vom 14. Dezember 1998 hinsichtlich der Waren "Lab und Labessenz" aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antrag der Widersprechenden auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.

G r ü n d e I.

Die Bezeichnung RENCO ist für die Waren Milch und Milchprodukte, Speiseöle und -fette; Butter, Käse, Käsezubereitungen, Käsepulver, Lab und Labessenz, Joghurt, Kasein und Kaseinate als Nahrungsmittel, Butterklar, Quark, Butterschmalz, Sahne, Milchpulver und Milchfette als Nahrungsmitteleingetragen.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke 2901059 BENCO eingetragen für die Waren Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse sowie hieraus fertig zubereitete Speisen; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Kaffeeweißer auf Eiweiß- oder Pflanzenbasis; Milch, Kondensmilch und Milchpulver für Nahrungszwecke; Milchprodukte, Milchcremespeisen und Dessertspeisen aus Milchprodukten; Milchgetränke; Kaffee, Kaffee-Ersatzmittel, Tee und Kräutertee; Kakao; Schokolade, Schokoladewaren, Bonbons, Schokolade in Riegelform, auch mit Milch-, Reis-, Getreide- und Kakaobestandteilen sowie mit Candy-Creme und Zuckerwaren; Kaffeegetränke, Getränke aus Kaffee-Ersatzmitteln, Teegetränke, Kakaogetränke, koffeinhaltige, teehaltige und kakaohaltige Getränke; kakaohaltige und schokoladehaltige Getränkepulver; Trinkschokolade; Nuß-Nougat-Creme, Kakao- und Nußpasten; Brausepulver, Brausetabletten und Kaubonbons, die Vitamine und Spurenelemente enthalten; Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel), Nudeln, Makkaroni und andere Teigwaren, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Hefe, Backpulver, Speisesalz, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze; Zucker, Fruchtzucker, Invertzucker, Traubenzucker für Nahrungszwecke und Honig; Mehl, Grieß, Leinsamen und Stärke für Nahrungszwecke, Trockenfrüchte; Speiseeis, Speiseeispulver; fertige Backmischungen; alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Fruchtgetränke, Fruchtteegetränke, Fruchtsaftgetränke, Obstsäfte und Gemüsesäfte; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer; Fruchtsirupe, Schokolade-Sirupe und andere alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von Getränken; isotonische Getränke; zuckerhaltige Getränkepulver zur Herstellung von alkoholfreien und isotonischen Getränken; sämtliche vorgenannten Waren, soweit möglich, auch in Instantform.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluß vom 12. Juni 1998 die Löschung der Marke wegen des Widerspruchs aufgrund schriftbildlicher Verwechslungsgefahr angeordnet und die Erinnerung mit Beschluß vom 14. Dezember 1998 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie trägt vor, da sich kurze zweisilbige Markenwörter gegenüberstünden, beeinflußten Abweichungen stärker die Annahme der Markenunähnlichkeit, denn diese blieben besser und genauer in Erinnerung. Dies sei insbesondere der Fall bei den beiden im klanglichen Eindruck sich deutlich unterscheidenden Anfangskonsonanten "B" und "R". Im übrigen fänden Wortanfänge sowieso stärkere Beachtung. Trotz vorliegender Warenidentität bzw nur sehr entfernter Warenähnlichkeit hinsichtlich der Waren "Speiseöle" und "Gewürzen" und der nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke könne keine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr angenommen werden.

Sie beantragt daherdie Aufhebung der Beschlüsse und die Zurückweisung des Widerspruchs.

Die Widersprechende hingegen beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hilfsweise:

der Markeninhaberin die Kosten der mündlichen Verhandlung aufzuerlegen.

Sie trägt in der mündlichen Verhandlung vor, daß sich die Warenidentität bzw die große Warennähe bereits daraus ergebe, daß die von den sich gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren derselben Klasse innerhalb der Nizzaer Klassifikation angehören und deshalb auch die Ware "Lab" bzw "Labessenz" mit Milchprodukten ähnlich sei. Darüber hinaus sei es auch zunehmend im Bereich der Milchprodukte, so zB bei Joghurt üblich geworden, zusätzliche dem Joghurt beigefügte Substanzen, wie besondere Kulturen etc. für die Endverbraucher kennzeichenmäßig herauszustellen.

Den Kostenantrag begründet sie damit, daß es nicht einer sorgfältigen Verfahrensführung entspreche, wenn im Verfahren vor dem DPMA nichts vorgetragen werde, im Beschwerdeverfahren mehrmals um Terminsverlegung gebeten werde, erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung ein untaugliches Vergleichsangebot gemacht werde und zur mündlichen Verhandlung ohne Ankündigung an die Gegenpartei niemand erscheine.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur insoweit gem § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG begründet und die Aufhebung der Beschlüsse des DPMA veranlaßt, als die im Warenverzeichnis der Markeninhaberin beanspruchten Waren "Lab und Labessenz" mit den Waren der Widersprechenden unähnlich sind. Hinsichtlich der übrigen identischen, bzw ähnlichen Waren war die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hängt nach der genannten Bestimmung von den sich wechselseitig bedingenden Faktoren der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marken erfaßten Waren, der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Markenähnlichkeit ab (EuGH Lloyd/Loints MarkenR 1999, 236).

2. Hinsichtlich der Warenähnlichkeit zwischen den im Warenverzeichnis der Widersprechenden aufgeführten Milchprodukten einerseits, sowie "Kasein" und "Lab", "Labessenz" der Markeninhaberin andererseits, ergibt die Prüfung, daß diese weder in ihrer Beschaffenheit, noch in ihrem Verwendungszweck oder in einander ergänzender Weise, noch wegen einer Begegnungsmöglichkeit auf den Vertriebswegen als aus demselben Unternehmen stammend gelten können (EuGH GRUR 98, 922 - Canon). Sie sind unähnlich miteinander.

Lab ist ein Enzym, das entweder aus dem Verdauungssaft, dh aus dem Magen von Kälbern, Zicklein und anderen jungen Wiederkäuern gewonnen wird und das in flüssiger Form oder als Pulver auf den Markt kommt, oder es ist aus Pflanzen, wie Distelblüten, Labkraut und Feigenbaumsaft gewonnen. Darüber hinaus gibt es mikrobielles Lab, das als sog Labaustauschstoff im Labor gewonnen wird, allerdings gem §§ 20 Abs 1, 22 KäseVO der behördlichen Genehmigung zu seiner Herstellung bedarf (Lebensmittellexikon, Täufel/Ternes/Tunger/Zobel, Hamburg 1993). Es wird nur bei der Herstellung von sog Labkäse, im Gegensatz zu Frischkäse, eingesetzt. Es wird der nach Erhitzung abgekühlten Milch hinzugefügt und aufgrund der Reaktion mit dem in der Milch vorhandenen Kasein erzielt man die Gerinnung der Milch, bei der dann ein schnittfester Bruch (im Gegensatz zu Frischkäse) entstehen kann (Ridgway, Käse, das Handbuch für Genießer, Köln 1999; Alles Käse! Nantet ua, monte Dumont, Köln 1998; Französischer Käse, Hodgsons, München 1999).

Kasein hingegen ist Milcheiweiß, das sich in der Milch weiblicher Säugetiere in großen Mengen findet und spontan unter Säureeinwirkung die Milch zum Gerinnen bringt, woraus dann sog Frischkäse produziert werden kann.

Daraus folgt bereits, daß weder in der Beschaffenheit noch in der Gewinnungsart von "Lab" und "Milchprodukten, bzw Kasein" derartige Übereinstimmungen bestehen, daß daraus auf einen gemeinsamen Herkunftsbetrieb geschlossen werden könnte. Die Käsereien beziehen ihr zur Käseproduktion notwendiges Lab aus den aufgrund der Gewinnungsart schon völlig anders strukturierten lebensmittelchemischen Betrieben. Darüber hinaus begegnen sich die Waren auch nicht auf den Vertriebswegen, insbes wenden sie sich nicht an dieselbe Abnehmergruppe. Es sind nämlich die weiterverarbeitenden Käsereien von den Endabnehmern von Käse zu unterscheiden. Ein Durchschnittsverbraucher kann sich in der Regel Lab nur in der Apotheke zur Weiterverarbeitung besorgen, wohingegen er alle entscheidungserheblichen Produkte der Widersprechenden in jedem Supermarkt als Endprodukt erwerben kann. Es handelt sich damit um Waren verschiedener Fertigungsstufen.

Es ist ständige Rechtsprechung, zwischen Halbfabrikaten und Endprodukten keine Warenähnlichkeit anzunehmen (Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 53). Der Ausnahmefall einer begleitenden Marke liegt hier jedoch nicht vor. Die Marke des Halbfabrikats "Lab" erscheint in diesem Warenbereich nicht mit auf der Endware. Der Verkehr legt hier auf die Herkunft des Halbfabrikats keinen Wert. Beim Marktauftritt der Waren ist es nicht üblich geworden, wie zB im Bereich der Stoffe und der Bekleidung. Der Senat konnte sich anhand der üblichen täglichen Werbung für Käse in Prospekten davon überzeugen, daß auf keiner Ware der Hersteller des Labs mitangegeben ist. Im übrigen sind, unabhängig davon, daß Lab bei Joghurt und Frischkäse keinen Einsatz findet, die Zusätze bei Joghurt auf Bakterien bezogen und benennen diese bei ihrem jeweiligen Fachbegriff, nicht jedoch ist ein Markenname für die Bakterien aufgeführt. Über die alltägliche Werbung für industriell gefertigte Lebensmittel hinaus, ließ sich aber auch bei Durchsicht einschlägiger gehobener Literatur zur Käseherstellung (aaO) keine einzige Fundstelle belegen, die den Markennamen des Labs mitaufgeführt hätte, obwohl es sich dabei um detaillierte Anweisungen und Rezepte für die anspruchsvolle Käseherstellung handelte.

Angesichts dieser Warensituation war eine Warenähnlichkeit zu verneinen und die Beschlüsse des DPMA insoweit aufzuheben.

3. Identisch bzw unbedenklich ähnlich sind jedoch alle Milchwaren und aus Milchprodukten gewonnenen beanspruchten Waren der sich gegenüberstehenden Warenverzeichnisse.

4. Hinsichtlich der weiteren Waren "Speiseöle und -fette" und "Gewürze" wird in ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts entfernte Warenähnlichkeit angenommen (32 W (pat) 233/95; 32 W (pat) 201/98 und 28 W (pat) 241/95). Der Senat sieht angesichts der häufigen gemeinsamen Werbung für beide Produkte in ein- und derselben Anzeige vom selben Hersteller keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung, insbes da sich beide Waren nicht nur bei der Zubereitung von Speisen ergänzen, sondern auch noch zur Herstellung von Saucen verwendet werden und es auch Öle mit Gewürzkräuterzusätzen gibt (BGH GRUR 99, 496 - Tiffany).

4.1. Des weiteren ist bei der vorliegenden Warenidentität bzw -ähnlichkeit von Bedeutung, wie die Marken nach ihrem Gesamteindruck auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren wirken. Dabei ist hier von einem durchschnittlich informierten und verständigen Publikum auszugehen, dessen Grad an Aufmerksamkeit beim Kauf der Waren aufgrund ihrer relativen Geringwertigkeit einerseits, jedoch wegen der zunehmenden Bedeutung der Qualität der Nahrungsmittel im allgemeinen andererseits, als insgesamt normal angesehen werden kann (BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND). Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daß der Durchschnittsverbraucher selten die Möglichkeit hat, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, und er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muß, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (BGH aaO). Das bedeutet, daß bei der hier auch nur als durchschnittlich anzunehmenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der von der Markeninhaberin zu fordernde Abstand hinsichtlich der identischen Waren groß und hinsichtlich der übrigen ähnlichen Waren deutlich sein muß.

4.2. Dieser Anforderung wird die Marke jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht für die übrigen Waren außer Lab und Labessenz nicht mehr gerecht, denn die beiden Anfangsbuchstaben sind in Versalien geschrieben - wie eingetragen - bis auf den unteren Bestandteil des "B" als -Wölbung und des "R" als Strich" hochgradig ähnlich (vgl 25 W (pat) 92/99 BALNEOTOP/BALNEODOR zu P und R). Dies sind aber keine im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dominierenden und die Abweichungen voneinander bestimmenden Bestandteile der Marken. Sie sind derart geringfügig, daß sie nicht geeignet sind, die Aufmerksamkeit der Verbraucher, selbst als Anfangsbuchstaben der Markenwörter, auf sich zu ziehen. Im übrigen handelt es sich hier auch nicht um Kurzwörter, bei denen diese Frage uU anders zu beurteilen wäre, denn beide Marken bestehen aus je zwei Silben, mit insgesamt 5 Buchstaben. Daher sind die Beschlüsse der Markenstelle rechtmäßig und die Beschwerde der Markeninhaberin insoweit erfolglos.

5. Der Kostenantrag der Widersprechenden war zurückzuweisen, da es gem § 71 MarkenG nicht der Billigkeit entspricht, der Markeninhaberin die Kosten aufzuerlegen. Zum einen ist in der Terminsverlegung aufgrund der Veränderung in der Vertreterbestellung keine pflicht- oder sorgfaltswidrige Verfahrensführung zu erkennen. Zum anderen war die Beschwerde auch nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet, wie sich aus dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens von alleine ergibt. Darüber hinaus hat die Widersprechende auch in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit genutzt, um ausreichend zur Sache vorzutragen und damit auf die Entscheidungsfindung des Senats Einfluß zu nehmen. Dies war auch nicht von vornherein als überflüssig anzusehen. Daß die Vertreterin der Markeninhaberin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, ist kein grob zum Schaden der Gegnerin gereichendes Verhalten. Denn verhandelt werden kann grundsätzlich auch ohne Anwesenheit der Parteien werden gem § 75 Abs 2 MarkenG. Insofern war auch der Hilfsantrag zurückzuweisen.

Grabrucker Martens Schwarz-Angele Fa/Hu






BPatG:
Beschluss v. 24.05.2000
Az: 28 W (pat) 46/99


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