Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 8. Juni 2006
Aktenzeichen: Not 1/06

(OLG Schleswig: Beschluss v. 08.06.2006, Az.: Not 1/06)

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wegen der Anweisung des Antragsgegners vom 27. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 10.000,--€.

Gründe

I.

Der 1965 geborene Antragsteller ist seit Ende 2003 Notar mit dem Amtssitz in A.

Mit Schreiben vom 28.02.2005 informierte der Antragsteller den Antragsgegner über die Absicht des Vereins der Haus- und Grundeigentümer A., ihn während der Jahreshauptversammlung vom 19.04.2005 zum Vorsitzenden des Vereins zu wählen. Die Tätigkeit sei ehrenamtlich. Die Aufgabe des Vereins bestehe im Wesentlichen in der Betreuung der Mitglieder in Fragen zu ihren Haus- und Grundstücksangelegenheiten. Der Verein sei berechtigt, diese Beratung für die Mitglieder durchzuführen. Sie habe bisher in den privaten Räumlichkeiten des scheidenden Vorsitzenden stattgefunden, der für diese Tätigkeit seine Räume in Zukunft aber nicht zur Verfügung stellen könne. Er, der Antragsteller, habe sich bereit erklärt, für diese Beratung im Bedarfsfall sein Büro zur Verfügung zu stellen. Dafür lasse er für den Verein eine eigene Telefonleitung schalten. Die Beratung würde im Wesentlichen durch einen Verbandsjuristen des Grundeigentümerverbandes Schleswig-Holstein, aber auch durch die Vorstandsmitglieder des Vereins - darunter ihn selbst - durchgeführt. Der Antragsteller bat um rechtzeitige Stellungnahme, ob aus Sicht des Antragsgegners im Hinblick auf die Amtsstellung als Notar Bedenken bestünden.

Der Antragsgegner antwortete mit Schreiben vom 08.03.2005 und teilte mit, eine Genehmigung für die beabsichtigte Beratungstätigkeit in der Eigenschaft als Vereinsvorsitzender sei nur erforderlich, wenn der Antragsteller dafür eine Vergütung erhalten werde. Unabhängig davon begegne aber die beabsichtigte Nutzung der Kanzleiräumlichkeiten als Geschäftsstelle des Vereins Bedenken unter dem Gesichtspunkt der von dem Antragsteller nach § 14 BNotO einzuhaltenden Unabhängigkeit sowie auch einer nach derselben Vorschrift unzulässigen Werbung. Die Einrichtung der Geschäftsstelle und die Durchführung der Mitgliederberatung in den Praxisräumen dürfte den Eindruck einer besonderen Nähe sowie den Anschein einer Interessenverbindung zwischen dem Antragsteller als Anwaltsnotar und dem Hauseigentümerverein hervorrufen und mit § 14 BNotO nicht vereinbar sein.

Auf der Internetseite der Haus- und Grund Eigentümerschutz-Gemeinschaft A. wird der Antragsteller inzwischen unter Nennung seiner Berufsbezeichnung Rechtsanwalt und Notar als 1. Vorsitzender vorgestellt. Dort heißt es zur Mitgliederberatung, die wöchentlichen Sprechstunden fänden am Mittwoch 17:00 - 18:00 Uhr im Büro des 1. Vorsitzenden statt. Auch als Geschäftsstelle wird dort das Büro des Antragstellers angegeben.

Der Antragsgegner wandte sich wegen dieses Vorganges an die Schleswig-Holsteinische Notarkammer und bat um eine Stellungnahme. Unter dem 06.07.2005 teilte die Schleswig-Holsteinische Notarkammer mit, es sei dort bekannt, dass etliche Anwaltsnotare im Lande zugleich die Funktion des Vorsitzenden eines örtlichen Haus- und Grundeigentümervereins inne hätten. Dieser Umstand sei allerdings nach Auffassung des Kammervorstandes unter Beachtung der bereits von dem Antragsgegner zitierten BGH-Entscheidung (NJW 1989, 78 ff.) nicht geeignet, von vornherein eine Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars anzunehmen. Sofern der betroffene Notar im Falle der Unterhaltung der Geschäftsstelle des örtlichen Haus- und Grundeigentümervereins in seinen Kanzleiräumen notarielle Tätigkeit und Beratung der Vereinsmitglieder strikt voneinander trenne, dürfte die bisherige Praxis tolerabel sein und rege der Kammervorstand an - solange keine Beschwerden von Kollegen oder Dritten vorliegen würden - die bisherige Praxis auch weiterhin zu tolerieren.

Der Antragsgegner wandte sich in dieser Angelegenheit auch an das Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein. Von dort wurde in einem Rundschreiben an die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts und die Präsidenten der Landgerichte vom 17.08.2005 mitgeteilt, die von Anwaltsnotaren in ihren Geschäftsräumen für Mitglieder eines Haus- und Grundeigentümervereins durchgeführte Rechtsberatung werde nicht als amtspflichtwidrige Werbung angesehen. Dagegen sei die Unterhaltung einer gemeinsamen Geschäftsstelle mit dem Haus- und Grundeigentümerverein bereits nach § 9 Abs. 2 BNotO unzulässig, darüber hinaus auch nach § 14 Abs. 3 BNotO. Notare seien nämlich von sich aus gehalten, jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit hervorrufen könne. Solcher Anschein werde durch die Geschäftsstelle in den Räumen eines Notars erzeugt, zumal die Haus- und Grundeigentümer-Schutzgemeinschaft Schleswig-Holstein als Dachverband in ihrem Internetauftritt die Interessenwahrnehmung ihrer Mitglieder auch besonders hervorhebe.

Der Präsident des Landgerichts Kiel nahm unter dem 05.09.2005 dahingehend Stellung, dass er die Rechtsauffassung des Ministeriums teile. Es bleibe unbenommen, dass der Anwaltsnotar in seinen Räumlichkeiten Mitglieder eines Haus- und Grundeigentümervereines beraten dürfe, so lange nicht der Eindruck entstehe, dass die Geschäftsräume des Notars mit denen des Vereins gleichzusetzen seien. Auch der Präsident des Landgerichts Itzehoe teilt unter dem 25.08.2005 mit, dass die Rechtsauffassung des Ministeriums in dem Erlass vom 17.08.2005 geteilt werde. Schließlich teilte die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts dem Ministerium auf die genannte Anfrage unter dem 19.09.2005 mit, der in dem Erlass wiedergegebenen Auffassung, dass die Unterhaltung einer gemeinsamen Geschäftsstelle eines Anwaltsnotars mit dem Haus- und Grundeigentümerverein nach § 9 Abs. 2 BNotO und auch nach § 14 Abs. 3 BNotO unzulässig sei, schließe sie sich ohne jegliche Einschränkung an.

Der Präsident des Landgerichts Flensburg übersandte eine Stellungnahme der dortigen drei richterlichen Notarprüfer vom 30.08.2005. Die drei Notarprüfer teilten mit, sie neigten zu einer Tolerierung der bisherigen Praxis zur Frage der Unterhaltung einer gemeinsamen Geschäftsstelle von Notaren mit dem Haus- und Grundeigentümerverband. Ratio legis des § 9 BNotO sei nach ihrer Auffassung, dass die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars - auch im Sinne des § 14 BNotO - nicht beeinträchtigt werde. So lange diese Voraussetzungen erfüllt seien und auch keine diesbezüglichen Beschwerden Dritter vorliegen würden, bestehe kein Handlungsbedarf.

Das Ministerium verwies in einem Schreiben an die Präsidenten der Landgerichte, die Präsidentin des Oberlandesgerichts und den Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer vom 29.11.2005 darauf, es sei aus den Gründen des Bezugserlasses vom 17.08.2005 nicht vertretbar, die bisherige Praxis der gemeinsamen Geschäftsräume weiter zu tolerieren, weshalb gebeten werde, den betroffenen Notaren des jeweiligen Geschäftsbereiches aufzugeben, diese Praxis binnen eines Jahres einzustellen. Die Übergangsfrist solle den betroffenen Ortsvereinen ermöglichen, in angemessener Zeit nach einer geeigneten anderen Unterbringung für ihre Geschäftsstelle zu suchen. Nach einer Internetrecherche würden sechs Notare im Bezirk des Landgerichts Flensburg, jeweils ein Notar im Bezirk des Landgerichts Itzehoe und des Landgerichts Kiel sowie fünf Notare im Bezirk des Landgerichts Lübeck - darunter der Antragsteller - möglicherweise gemeinsame Geschäftsräume mit den jeweiligen Ortsvereinen unterhalten.

Mit Verfügung vom 27.12.2005 verwies der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller auf die genannten Ausführungen des Ministeriums für Justiz, Arbeit und Europa und die Stellungnahmen der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, der Präsidenten der Landgerichte und der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer. Das Ministerium vertrete die auch von dem Antragsgegner geteilte Auffassung, dass die Unterhaltung einer gemeinsamen Geschäftsstelle mit dem Haus- und Grundbesitzerverein bereits nach § 9 Abs. 2 BNotO unzulässig sei, weil der Verein nicht zu den aufgezählten Berufsträgern gehöre, mit denen die gemeinsame Unterhaltung von Geschäftsräumen erlaubt sei. Darüber hinaus sei dies aber auch nach § 14 Abs. 3 BNotO unzulässig, weil der Notar gehalten sei, von sich aus jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeuge, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit. Ein solcher Anschein werde aber beim rechtssuchenden Publikum erzeugt, wenn sich in den Geschäftsräumen eines Notars auch die Geschäftsstelle des örtlichen Haus- und Grundeigentümervereins befinde. In Übereinstimmung mit dem Ministerium solle den betroffenen Ortsvereinen allerdings eine Übergangsfrist gewährt werden, um nach angemessenen Räumlichkeiten für die Geschäftsstelle suchen zu können. Der Antragsgegner wies den Antragsteller deshalb gemäß den §§ 92, 93, 111 BNotO an, binnen eines Jahres nach Zugang der Verfügung die Unterhaltung der Geschäftsstelle des Haus- und Grundbesitzervereines A. e.V. in den Kanzleiräumen des Antragstellers zu beenden. Er teilte zudem klarstellend mit, dass Bedenken gegenüber der Tätigkeit als Vereinsvorsitzender sowie gegenüber der Rechtsberatung von Vereinsmitgliedern nicht bestehen würden.

Gegen diese ihm am 30.12.2005 zugestellte Verfügung hat der Antragsteller am 30.01.2006 bei dem Notarverwaltungssenat Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingereicht.

Der Antragsteller macht geltend, aus der Verfügung des Antragsgegners ergebe sich, dass es landesweit bislang geübte Praxis gewesen sei, dass Rechtsanwälte und Notare die Geschäftsstelle für den Haus- und Grundbesitzerverein in ihrem Kanzleiräumen betrieben hätten.

Dies sei zunächst nicht nach § 9 Abs. 2 BNotO unzulässig, denn diese Vorschrift sei nur einschlägig für Verbindungen zur gemeinsamen Berufsausübung. Eine Verbindung auf beruflicher Ebene bestehe im vorliegenden Fall nicht, weil die Vereinstätigkeit des Antragstellers ehrenamtlich ausgeübt werde. Die Ansiedlung der Geschäftsstelle in den Kanzleiräumen diene lediglich dazu, die Ausübung des Ehrenamtes zu erleichtern. Von daher sei die genannte Norm nicht einschlägig. Ein erheblicher Teil der Geschäftsführung, wie Mitgliederverwaltung und Einziehung der Beiträge, werde im Übrigen nicht in den Kanzleiräumen durchgeführt.

Eine Unzulässigkeit ergebe sich auch nicht aus § 14 Abs. 3 BNotO. In dem Bescheid werde lediglich behauptet, dass durch die Geschäftsstelle der Anschein einer Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt würde. Eine Begründung finde sich dort nicht. Tatsächlich gebe auch der Antragsgegner in seiner Verfügung an, dass das ehrenamtliche Engagement nicht unterbunden werden solle. Der Antragsteller dürfe seine Tätigkeit weiterhin ausüben. Ihm werde lediglich verboten, dies in seinen eigenen Büroräumen zu vollziehen. Es könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit sich in Bezug auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes ein Unterschied ergebe, wenn die Tätigkeit als Vereinsvorsitzender in einer anderen Geschäftsstelle, die der Verein angemietet habe, durchgeführt werde. Es müsse darauf hingewiesen werden, dass der Antragsgegner und die gesamte Justizverwaltung über Jahrzehnte diesen Eindruck der Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit offensichtlich nicht gehabt hätten.

Der Antragsteller beantragt,

die Anweisung vom 27.12.2005, Az.: VI 4684, aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Der Antragsgegner erwidert:

Bereits der BGH habe in seiner Entscheidung in NJW 1989, 3281 ff., deutlich gemacht, dass von einer nach § 14 Abs. 3 BNotO unzulässigen Werbung auszugehen sei, wenn der Notar eine werbungsträchtige Beziehung zwischen Notarberuf und Vereinstätigkeit herstelle, indem er die Geschäftsstelle des Vereins in den Räumen seiner Anwalts- und Notarkanzlei unterhalte. Zu verweisen sei auch darauf, dass der Antragsteller schon vor seiner möglicherweise bevorstehenden Wahl zum 1. Vorsitzenden mit Schreiben vom 08.03.2005 auf die nach den §§ 14 Abs. 1, 3 BNotO unzulässige Unterhaltung einer Geschäftsstelle des Vereins in seinen Kanzleiräumen hingewiesen worden sei. Dem Notar sei deshalb bei Verlegung der Geschäftsstelle in seine Kanzleiräume im Laufe des Jahres 2005 bewusst gewesen, nach Auffassung der für ihn zuständigen Dienstaufsicht gegen Berufsrecht zu verstoßen. Er könne deshalb ein schutzwürdiges Vertrauen nicht in Anspruch nehmen.

II.

Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller wendet sich gegen eine Weisung des Antragsgegners, die dieser als Aufsichtsbehörde nach § 92 Ziff. 1 BNotO im Rahmen seiner Befugnisse nach § 93 BNotO erteilt hat. Eine solche Weisung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 111 BNotO und kann deshalb von dem betroffenen Antragsteller nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BNotO mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. Die Monatsfrist des § 111 Abs. 2 BNotO ist gewahrt.

Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Bei der hier fraglichen Weisung des Antragsgegners, binnen eines Jahres nach Zugang der Verfügung die Unterhaltung der Geschäftsstelle des Haus- und Grundbesitzervereins A. e.V. in seinen Kanzleiräumen zu beenden, handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, den der Antragsteller mit seinem Anfechtungsantrag angreift. Mit diesem Antrag hätte er nach § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO dann Erfolg, wenn der Bescheid ihn in seinen Rechten beeinträchtigt, weil er rechtswidrig ist. Der Bescheid ist jedoch nicht rechtswidrig.

Nach gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann die zuständige Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Aufgaben und unter Beachtung der sachlichen Unabhängigkeit des Notars diesem aus begründetem Anlass im Einzelfall Weisungen erteilen, die er befolgen muss - unbeschadet seines Rechtes, dagegen nach § 111 BNotO vorzugehen (etwa BGH NJW 1989, 3281 ff.; BGH DNotZ 1990, 436 f.; Schippel/Lemke, BNotO, 7. Aufl. 2000, § 93 Rn. 6; Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO, 2. Aufl. 2004, § 93 Rn. 4; offengelassen in BVerfG NJW 2006,359). Es entspricht dem Wesen der in den §§ 92, 93 BNotO eingeräumten Aufsichtsbefugnis und damit auch der bestehenden Aufsichtspflicht, im Einzelfall bei gesetzeswidrigem Verhalten auch Weisungen erteilen zu können, wobei sich aus den weiteren Bestimmungen der BNotO - etwa hier den §§ 9, 14, 28, 29 - konkret durch den Gesetzgeber geregelt ergibt, welche Anforderungen an die Berufsausübung des Notars zu stellen sind.

Dem Antragsteller ist darin Recht zu geben, dass die Weisung des Antragsgegners nicht rechtmäßig auf § 9 Abs. 2 BNotO gestützt werden kann, weil diese spezielle Norm für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Die Norm regelt die Fälle der Verbindung von Anwaltsnotaren mit Mitgliedern anderer Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung. Unter Beruf - im Sinne von Art. 12 GG - ist jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (etwa BVerfGE 105, 252, 256). Ein anderes Berufs-Verständnis liegt § 9 BNotO nicht zugrunde, vielmehr handelt es sich gerade um eine Norm, die die grundrechtlich gesicherte Berufsausübungsfreiheit der Notare - bzw. in Abs. 2 der Anwaltsnotare - im Einzelnen regeln soll. Die Tätigkeit des Antragstellers als 1. Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins A. e.V. ist aber eine ehrenamtliche Tätigkeit, eine Vergütung erhält er nicht. In einem entsprechenden Fall, wo der dortige Antragsteller 1. Vorsitzender des örtlichen Haus- und Grundbesitzervereins war, hat auch der BGH in NJW 1989, 3281 ff. ausdrücklich davon gesprochen, dass es sich um eine €außerberufliche Tätigkeit für einen Verein€ handele, weil der Haus- und Grundbesitzerverein kein wirtschaftliches, auf Erwerb ausgerichtetes Unternehmen sei. Letzteres ergibt sich auch hier aus der Vereinssatzung.

Rechtsgrundlage für die angegriffene Weisung ist aber der von dem Antragsgegner zutreffend genannte § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO, wonach der Notar auch außerhalb seines Amtes jedes Verhalten zu vermeiden hat, das den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit.

Der Bundesgerichtshof musste Ende 1988 in der bereits zitierten Entscheidung eine Fallgestaltung klären, wo die Aufsichtsbehörde den antragstellenden Notar angewiesen hatte, seine Tätigkeit im Vorstand des Haus- und Grundbesitzervereines einzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war noch das grundsätzliche Werbeverbot für Notare gemäß § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Richtlinien für die Berufsausübung der Notare in Kraft. Der Bundesgerichtshof hat seinerzeit ausgeführt, dass zwar gegen die Fortgeltung des Werbeverbotes für Notare keine Bedenken bestehen würden, andererseits aber ein unzulässiges Werben nicht allein deswegen angenommen werden dürfe, weil die Ausübung eines Grundrechts durch einen Notar einen gewissen Werbeeffekt haben könne. Angesichts dieser Abgrenzung hat er dann weiter darauf hingewiesen, die bloße Möglichkeit, dass die Mitwirkung im Vorstand des Haus- und Grundbesitzervereines gewisse Werbeeffekte für einen Notar haben könne, rechtfertige die Untersagung einer solchen Mitwirkung nicht. In Abgrenzung dazu ist in der genannten Entscheidung allerdings ausgeführt, als unzulässige Werbung wäre es z. B. zu werten, wenn der Notar eine werbungsträchtige Beziehung zwischen Notarberuf und Vereinstätigkeit herstelle, indem er die Geschäftsstelle des Vereins in den Räumen seiner Anwalts- und Notarkanzlei unterhalte (auch insoweit zustimmend Kleine-Cosack, EWiR Art. 12 GG 1/89, 477).

Mit dem Reformgesetz von 1998 hat der Gesetzgeber jedoch das zuvor geltende strikte Werbeverbot für Notare eingeschränkt, indem der neugefasste § 29 Abs. 1 BNotO dem Notar (nur) jegliches gewerbliche Verhalten, insbesondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung, untersagt. Das Bundesverfassungsgericht hebt in seiner jüngeren Rechtsprechung hervor, dass zu den durch Art. 12. Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Handlungen auch die berufliche Außendarstellung des Notars einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste zählt. Es hält § 29 Abs. 1 BNotO für verfassungsgemäß, legt die Vorschrift jedoch dahin aus, dass sie allein die dem öffentlichen Amt des Notars widersprechende Werbung untersage. Gerechtfertigt sei das Verbot als flankierende Sicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung der Notare. Damit sei die Unparteilichkeit oder Gewissenhaftigkeit auch des Anwaltsnotars angesprochen (BVerfG DNotZ 2005, 931, 932; vgl. auch BVerfG NJW 2006, 359 f. und BGH DNotZ 2006, 72).

Auch das neugefasste, eingeschränkte Werbeverbot wird mithin vom Bundesverfassungsgericht schwerpunktmäßig unter dem Gesichtspunkt der Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit des Notars interpretiert. Richtigerweise kommt eine Untersagung der Unterhaltung einer Geschäftsstelle des Haus- und Grundbesitzervereins in den Räumen des Anwaltsnotars deshalb nicht primär unter dem Aspekt des Werbeverbotes in Betracht, sondern nur und insoweit, als bei dieser Konstellation die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Anwaltsnotars berührt sein könnte. Dabei ist zu bedenken, dass die Bedeutung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notars gerade auch durch das Reformgesetz von 1998 in einer Vielzahl von Vorschriften der BNotO ihren Niederschlag gefunden hat, etwa in den §§ 9 Abs. 3, 14 Abs. 3, 28 BNotO. Gerade auch die Unabhängigkeit zählt zu den prägenden Wesensmerkmalen des Notaramtes. Sie bedeutet die Freiheit von Interessenbindungen, welche die Unparteilichkeit gefährden könnten (vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl. 2003, § 28 Rn. 2). Das hat der Antragsgegner im Kern aber nicht verkannt und eine zutreffende Entscheidung getroffen.

Bemerkenswert ist, dass der Notar nach § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO bereits jedes Verhalten zu vermeiden hat, das nur den €Anschein€ der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt. Die zu § 14 ergangenen Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer sehen ergänzend vor, dass weitere berufliche Tätigkeiten des Notars sowie genehmigungsfreie oder genehmigte Nebentätigkeiten seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gefährden dürfen.

Angesichts dieser Vorschriften und unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1988 hat der Antragsgegner bereits mit seiner Verfügung an den Antragsteller vom 08.03.2005 - vor dessen Wahl zum Vereinsvorsitzenden - deutlich werden lassen, dass gegen eine Tätigkeit des Antragstellers als Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümervereins A. e.V. keine Bedenken bestünden. Das Ministerium hat darüber hinaus in seinem internen Schreiben vom 17.08.2005 in Übereinstimmung mit dem aufgelockerten Werbungsverbot für Notare nach § 29 Abs. 1 BNotO erkannt, dass in einer in den Geschäftsräumen des Notars für die Mitglieder eines Haus- und Grundeigentümervereins durchgeführten Rechtsberatung keine amtspflichtwidrige Werbung liegt.

Bei der Unterhaltung einer Geschäftsstelle des Haus- und Grundeigentümervereins in den Amtsräumen des Notars verhält es sich nach Auffassung des Senats allerdings anders und ist die durch § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO gesetzte Grenze überschritten, wie der Antragsgegner und auch das Ministerium richtig gesehen haben.

Stellt ein rechtsuchender Bürger am Eingang zu den Büroräumlichkeiten eines Notars fest, dass hier zugleich die Geschäftsstelle des Haus- und Grundbesitzervereins geführt wird, liegt es nicht fern für ihn anzunehmen, dass der Notar vornehmlich auch und gerade die Interessen der Vereinsmitglieder fördern möchte, wie er dies durch die äußerliche Verquickung seines Büros mit der Geschäftsstelle anzeigt. Ersichtlich hat der Vereinszweck eine deutliche Nähe zu der Tätigkeit eines Notars. Es ist nämlich gerade Aufgabe des Vereins nach § 2 der Satzung, die örtlichen Belange des Haus-, Wohnungs- und Grundeigentums wahrzunehmen. Noch deutlicher formuliert der Dachverband in seinem Internetauftritt, es sei Vereinsaufgabe, die Mitglieder bei dem Erhalt ihres Eigentums und der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen. Wendet sich ein Rechtsuchender etwa in einer Angelegenheit an den Notar, bei der auf der anderen Seite ein Mitglied des genannten Vereins steht, dann liegt es nicht fern, dass für ihn der Anschein fehlender Unparteilichkeit entstehen kann. Insoweit hilft der Verweis auf das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG nicht weiter. Nach dieser Norm darf ein Notar an einer Beurkundung nicht mitwirken, wenn es um Angelegenheiten einer Person geht, für die er außerhalb seiner Amtstätigkeit in derselben Angelegenheit bereits tätig war. Es muss aber gerade nicht so sein, dass der Notar in einer Angelegenheit wie der oben beschriebenen das betreffende Vereinsmitglied bereits zuvor beraten hat und deshalb dem genannten Mitwirkungsverbot unterliegt.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung zu bedenken gegeben, dass der Schwerpunkt der Beratungstätigkeit des Vereins gegenüber den Mitgliedern auf dem Gebiet des Mietrechts liege und insoweit der anwaltliche, nicht aber der notarielle Tätigkeitsbereich berührt sei. Das ändert aber nichts daran, dass auch dem Notarbereich unterfallende Geschäfte der Mitglieder (Grundstückveräußerungen, erbrechtliche Geschäfte u.a.) nicht fern liegen und ersichtlich regelmäßig anfallen können, erst recht angesichts der Größenordnung von etwa 500 Mitgliedern, wie sie der Antragsteller für seinen Verein benannt hat.

Nicht überzeugend ist das Argument des Antragstellers, es liege im Hinblick auf einen etwaigen Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit nicht anders, wenn die Geschäftsstelle des Vereins nicht in seinen Büroräumen, die er als Rechtsanwalt und Notar unterhalte, sondern in anderen Räumlichkeiten eingerichtet werde. Hier scheint dem Senat gerade aus der Sicht eines dritten Rechtsuchenden durchaus ein deutlicher Unterschied vorzuliegen. Denn durch die Trennung der Büros einerseits des Notars in dieser Funktion und andererseits des Haus- und Grundbesitzervereins wird doch deutlich, dass der Notar, der zugleich eine maßgebliche Funktion in dem Verein wahrnimmt, keine Verquickung der ihn in seinen beiden Tätigkeiten jeweils treffenden Aufgaben vornehmen will und sich in seiner Amtsstellung als Notar auch nach außen erkennbar vielmehr strikt unabhängig und unparteilich verhalten möchte, selbst wenn dies im Arbeitsablauf weniger praktisch erscheint.

Angesichts dieser Überlegungen überzeugt den Senat auch das Argument des Antragstellers nicht, derartige gemeinsame Räumlichkeiten von Notar und Haus- und Grundeigentümerverein seien jahrelang toleriert worden und es fehle an konkreten Beschwerden. Fehlende Beschwerden lassen nicht den positiven Schluss zu, dass bei den Rechtssuchenden der Anschein der Parteilichkeit und Abhängigkeit angesichts dieser räumlichen Verquickung der Funktionen nicht entstehen könne. Insoweit ist immerhin zu bedenken, dass der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung schon Ende 1988 deutlich die Unvereinbarkeit einer derartigen Praxis mit der Rechtslage herausgestellt hat. Auch hat der Antragsgegner dem Antragsteller diese Rechtslage bereits vor seiner Wahl zum Vorsitzenden mit der Verfügung vom 08.03.2005 deutlich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH mitgeteilt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 111 Abs. 4 S. 2 BNotO, 201 Abs.1, 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 S. 2 KostO.






OLG Schleswig:
Beschluss v. 08.06.2006
Az: Not 1/06


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