Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. November 2003
Aktenzeichen: I-20 U 67/03

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 25.11.2003, Az.: I-20 U 67/03)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Beklagte bezeichnet sich auf Briefbögen als "Zahnarzt im Stadttor". Als "Stadttor" wird in Düsseldorf ein modernes Gebäude bezeichnet, in dem auch die nordrheinwestfälische Staatskanzlei untergebracht ist. Dies hält die Klägerin, die für den Beklagten zuständige Zahnärztekammer, wegen Verstoßes gegen § 19 der Berufsordnung (BO) für berufs- und wettbewerbswidrig. Das Landgericht hat die Bezeichnung als unzulässige reklamehafte Anpreisung angesehen und den Beklagten antragsgemäß verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung bestimmten Briefbögen den Zusatz

"Zahnarzt im Stadttor"

zu führen.

Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Er hält die Klägerin nicht für befugt, nach den Vorschriften des UWG gegen Kammerangehörige vorzugehen, vielmehr habe sie sich auf die Mittel des Heilberufsgesetzes zu beschränken. Zudem sei der Zusatz nicht berufs- und wettbewerbswidrig. Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

I.

Auf die Frage, ob die Klägerin klagebefugt ist, kommt es in diesem Rechtsstreit nicht an (s. aber Urteil des Senats vom heutigen Tage im Verfahren 20 U 63/03).

II.

Entgegen der vom Landgericht geteilten Auffassung der Klägerin hat sich der Beklagte nicht berufswidrig verhalten.

1.

Allerdings dürfen bei wörtlichem Verständnis des § 19 BO auf Briefbögen lediglich die in § 18 Abs. 1 BO genannten Angaben aufgedruckt werden. Dazu zählt der Zusatz "Zahnarzt im Stadttor" nicht. Auch dann, wenn man den als abschließend angesehenen Verweis auf § 18 Abs. 1 BO erweiternd dahingehend auffasst, dass er zumindest die in einem Schreiben weiteren üblichen Angaben (z.B. Praxisadresse) zulässt (die bei wörtlicher Auslegung auf Briefbögen nicht zulässig wären), wäre der hier streitige Zusatz von § 19 BO nicht gedeckt, weil der Beklagte als Adresse die weitere Angabe "Am Stadttor 1, 40219 Düsseldorf" - von der Klägerin unbeanstandet - benutzt.

2.

Der Verstoß gegen §§ 18, 19 BO führt aber nicht zur Berufswidrigkeit der Verwendung des Begriffs auf Briefbögen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2000, 2734 - Werbung für eine Zahnklinik; NJW 2000, 1635 - Sponsoring; NJW 2001, 1331 - Implantalogie; NJW 2002, 1331 - Spezialisten; NJW 2002, 3091 - Tierarztwerbung; NJW 2003, 2818 - Klinikwerbung; zuletzt Beschlüsse vom 26.08.2003 - 1 BvR 1003/02 und vom 26.09.2003 - 1 BvR 1608/02) und des Bundesgerichtshofs (zuletzt GRUR 2003, 798) können lediglich die berufswidrige Werbung, nicht jedoch interessengerechte und sachangemessene Informationen verboten werden, die keinen Irrtum erregen. Werbeverbote und -beschränkungen sollen eine Verfälschung des (zahn-)ärztlichen Berufsbildes verhindern, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind (vgl. BVerfG NJW 2000, 2734 - Werbung für eine Zahnklinik; BVerfG NJW 2001, 2788 - Implantologie; BVerfG NJW 2002, 1331 - Spezialisten; BVerfG NJW 2002, 3091 - Tierarztwerbung), wobei allerdings aus dem benutzten Medium nicht von vornherein auf "gewerbliche Werbemethoden" geschlossen werden darf (vgl. BVerfG NJW 2002, 3091 - Tierarztwerbung; BVerfG Beschluss vom 26.09.2003 - 1 BvR 1608/02; BGH GRUR 2003, 798 unter II.3.a)). Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von wirtschaftlichen Interessen, sondern von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt.

b) Danach ist nicht zu erkennen, gegen welche Gemeinwohlbelange die Verwendung des Begriffs "Zahnarzt im Stadttor" auf Briefbögen verstoßen könnte. Dies gilt jedenfalls für die vom Beklagten tatsächlich benutzte Form; für eine Benutzung in einer anderen Form fehlte es an einer Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr.

Welcher Gemeinwohlbelang die Untersagung der schlagwortartigen Information über den Ort der Berufsausübung auf Briefbögen rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Sie ist weder "marktschreierisch" (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.07.2003 - 1 BvR 2115/02) noch übermäßig anpreisend (vgl. BGH GRUR 2003, 798).

Der Angabe fehlt es nicht an einem Informationsgehalt. Sie weist den Patienten kurz und knapp darauf hin, wo sich die Praxis befindet. Die Angabe befindet sich allerdings nicht im Adressenfeld und wird ähnlich einer Etablissementbezeichnung geführt. Auch vermag der Begriff - worauf das Landgericht hinweist - weitergehende positive Assoziationen zu wecken, weil der angegebene Ort im Raume Düsseldorf bekannt ist. Das allein macht die Angabe jedoch nicht unzulässig. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 26.08.2003 - 1 BvR 1003/02 unter II.2.b)bb)(1)(b)) und des Bundesgerichtshofs (GRUR 2003, 798 unter II.3.b)) versteht das "Sachlichkeitsgebot" nicht in der Weise, dass nur "nüchterne Praxisdaten" mitgeteilt werden dürften oder dass Werbesprüche von vornherein unzulässig wären. Vielmehr ist auch bei ihnen in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Untersagung vor dem Hintergrund einerseits des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und andererseits der mit der Werbebeschränkung verbundenen Gemeinwohlbelange andererseits sich rechtfertigen lässt. Derart assoziative Ortsangaben sind nicht Gewerbetreibenden vorbehalten. Abgesehen davon, dass sie im Gesundheitsbereich bei Apotheken seit langem üblich sind, kommen sie inzwischen auch bei sogenannten "Ärztehäusern" vor. Auch bei der öffentlichen Hand kommen Hinweise auf als repräsentativ angesehene Gebäude vor, ohne dass dies beim Publikum "zu Zweifeln an der verantwortlichen Aufgabenerfüllung" (BVerfG NJW 1997, 2510 zu Logos) geführt hätte. Selbst wenn die Angabe als "vor allem auf die Akquisition von Patienten gerichtet" angesehen werden sollte, wäre sie nicht schon aus diesem Grunde unzulässig (vgl. BVerfG Beschluss vom 26.09.2003 - 1 BvR 1608/02 unter II.2.b)bb)).

Hinzu kommt, dass die streitige Bezeichnung auf dem vom Beklagten verwandten Briefbogen lediglich in optisch zurückhaltender Form geführt wird. Sie wird weder durch eine besondere Schriftgröße noch durch farbliche Unterlegung o.ä. hervorgehoben. Insgesamt ist die Angabe wesentlich zurückhaltender als die Aussagen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26.09.2003 (1 BvR 1608/02) für eine Zeitungsanzeige als zulässig angesehen hat.

Gegen eine unzulässige Herausstellung des Beklagten spricht des Weiteren, dass Schreiben des (Zahn-)Arztes den Patienten erst dann erreichen, wenn er bereits einen Vertrag mit ihm abgeschlossen hat (z.B. Rechnung, Mitteilung über Befund) oder er zumindest in Kontakt mit ihm getreten ist (z.B. Kostenvoranschlag). In jedem Falle hat der Patient die Praxis des Beklagten bereits zuvor aufgesucht.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht ersichtlich, § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 15.000,00 Euro

Sch. F.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 25.11.2003
Az: I-20 U 67/03


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