Verwaltungsgericht Göttingen:
Urteil vom 21. November 2012
Aktenzeichen: 1 A 45/12

(VG Göttingen: Urteil v. 21.11.2012, Az.: 1 A 45/12)

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister.

Im September 1997 war dem Kläger die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen nach dem Rechtsberatungsgesetz erteilt worden. Nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) wurde der Kläger am 30.03.2009 im Rechtsdienstleistungsregister als Inkassodienstleister sowie als registrierter Erlaubnisinhaber registriert. Die Registrierung wurde mit der Auflage erteilt, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. In der Mitteilung der Registrierung wies der Beklagte darauf hin, dass er sich insbesondere im Hinblick auf ein anhängiges Zwangsversteigerungsverfahren den Widerruf der Registrierung vorbehalte. Erstmals im Juli 2009 hörte der Beklagte den Kläger zu einem Widerruf der Registrierung an. Ein Widerruf erfolgte zunächst nicht. Die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Gläubigerin, der Sparkasse M., beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf über 400.000 Euro. Die Gläubigerin hoffte auf eine vergleichsweise Regelung.

Nach Durchführung einer Geschäftsprüfung und Bekanntwerden eines weiteren Zwangsversteigerungsverfahrens forderte der Beklagte den Kläger im Mai und Juli 2011 auf, seine gegenwärtige finanzielle Situation durch eine Gegenüberstellung von Schulden, Vermögen und Einnahmen darzustellen. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 kam der Kläger dieser Aufforderung nach, ohne die genaue Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse M. darzulegen. Er verwies darauf, dass er noch in Verhandlungen mit der Sparkasse zu einer Umschuldung sei. Als weitere Verbindlichkeiten nannte er einen Restbetrag in Höhe von 11.848,41 Euro aus seinem Gebot in einem Zwangsversteigerungsverfahren für das Wohn- und Geschäftshaus in E., N.. Außerdem bestände eine Darlehnsvereinbarung mit seiner Schwester O. P. über 200.000 Euro. Gegenüber dem Finanzamt Northeim beständen aus früheren gemeinsamen Steuerveranlagungen mit seiner ehemaligen Frau Rückstände von 15.000 Euro sowie 3.500 Euro Grunderwerbssteuer. Daneben führte er kleinere Verbindlichkeiten aus einem Leasingvertrag und einer ärztlichen Behandlung auf. Den Verbindlichkeiten stellte er sein Vermögen gegenüber, nämlich das Eigentum an seinem Privatgrundstück in E., D., für das ein gerichtliches Wertgutachten über 250.000 Euro besteht, und seinen Miteigentumsanteil an dem Wohn- und Geschäftshaus in E., N., für das ein Verkehrswert in Höhe von 140.000 Euro ermittelt wurde. Außerdem habe er ein Paket von 1.200 rechtskräftigen Schuldtiteln im Nominalwert von 5 Mio. DM erworben, deren Realisierung kontinuierlich laufe. Bisher habe er daraus knapp 100.000 Euro aus Raten- und Abschlusszahlungen verwirklichen können. Außerdem verfüge er über zahlreiche Forderungen gegenüber verschiedenen Firmen und Privatpersonen, deren Realisierbarkeit allerdings ungewiss sei. Sein gesamtes Vermögen, einschließlich Hausrat etc., sowie seine Einnahmen seien an seine Schwester sicherungsübereignet bzw. abgetreten. Sie ständen ihm aber z.B. für Umschuldungen und zur persönlichen Nutzung unbefristet zur Verfügung. Aus seiner Inkassotätigkeit erziele er kaum noch Einnahmen. Die laufenden Kosten seines B. seien allerdings gedeckt. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus dem Gehalt, das er von seinen Unternehmen beziehe. Die monatliche Höhe bezifferte er mit durchschnittlich 2.600 Euro plus Kindergeld für seine vier Kinder. Aus der Vermietung des Wohn- und Geschäftshauses in E., N., erhalte er insgesamt monatlich 909,50 Euro Miete vom Landkreis F. für drei Wohnungsmietparteien. Mit der Firma Schlecker sei eine Miethöhe von netto 2.000 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer vereinbart.

Von dem Vorwurf des Betruges im Zusammenhang mit der Ersteigerung des Wohn- und Geschäftshauses in E., Q., wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des AG M. vom 27.10.2010 (X Ds XX Js XX/XX) freigesprochen. In den Entscheidungsgründen beurteilte das Gericht das Geschäftsgebaren des Klägers im Zusammenhang mit der Finanzierung des Objekts als €finanzielles Harakiri€, verneinte aber ein betrügerisches Handeln.

Mit Schreiben vom 30.08.2011 hörte der Beklagte den Kläger erneut zu einem Widerruf der Registrierung gemäß § 14 Nr. 1 RDG an und forderte ihn zugleich auf, eine aktuelle Vermögensaufstellung vorzulegen. Daraufhin teilte der Kläger mit, dass er auf seine Registrierung als Inkassodienstleister nicht freiwillig verzichten werde und seine Vermögensverhältnisse keinesfalls als ungeordnet anzusehen seien. Eine Vermögensaufstellung legte er nicht vor.

Mit Bescheid vom 30.11.2011, zugestellt am 05.12.2011, widerrief der Beklagte gemäß §§ 14 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 2 RDG die Registrierung des Klägers im Rechtsdienstleistungsregister. Den Widerruf begründete der Beklagte mit zwei Zwangsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht M. und einem Insolvenzverfahren beim Amtsgericht F., an denen der Kläger als Schuldner bzw. als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beteiligt sei. In einem Zwangsversteigerungsverfahren (Aktenzeichen XX K XX/XX) habe die Gläubigerin versucht gegen den Kläger als Schuldner eine Hauptforderung in Höhe von 11.848,41 Euro durchzusetzen. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 01.08.2011 habe das Amtsgericht M. der Firma R. S. T. UG, deren Geschäftsführer der Kläger ist, in einem Versteigerungstermin das Grundstück zugeschlagen und die Gläubigerin befriedigt. Das zweite Zwangsversteigerungsverfahren (Aktenzeichen 10 K 14/07) betreibe die Sparkasse M. gegen den Kläger und seine geschiedene Ehefrau. Im Juli 2011 beständen einschließlich Zinsforderungen Verbindlichkeiten in Höhe von 768.672,10 Euro. Die Zwangsversteigerung betreffe das gemeinsame Hausgrundstück in E., D.. Am 17.05.2011 habe der Kläger den Eigentumsanteil seiner Ehefrau ersteigert. Mit Beschluss vom 06.09.2011 habe das Amtsgericht F. (Aktenzeichen XX IN XX/XX) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma U. V. -W. & X. GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Kläger sei, wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Außerdem hätten der Kläger und seine geschiedene Ehefrau im September 2007 mit der Schwester des Klägers, Frau O. P., eine Darlehnsvereinbarung in Höhe von 200.000 Euro abgeschlossen. In der Vereinbarung heiße es u. a.:

€€Außerdem treten Y. und Z. C. ihre sämtlichen Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung sowie etwa gewährten öffentlichen Leistungen an O. P. ab €

Allerdings verpflichten sich Y. und Z. C., ihr Vermögen und ihre Einkünfte zugunsten von O. P. vor dem Zugriff Dritter zu schützen und bei etwaigen Pfändungsversuchen jeglicher Art unverzüglich diese Vereinbarung vorzulegen.€

Im Rahmen einer Geschäftsprüfung sei darüber hinaus festgestellt worden, dass der Kläger private Abbuchungen von seinem Treuhandkonto und private Einzahlungen auf das Konto vorgenommen habe. Außerdem sei das Treuhandkonto auch für Buchungen der inzwischen insolventen Firma U. genutzt worden. Aus diesen gesamten Umständen ergebe sich, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers ungeordnet seien. Aufgrund der Höhe der Verbindlichkeiten sei nicht abzusehen, dass er seine finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit ordnen könne. Aufgrund der ungeordneten Vermögensverhältnisse ergebe sich eine konkrete Gefahr für die Rechtsuchenden, die der Kläger nicht widerlegt habe.

Am 04.01.2012 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung führt er an, dass kein Zwangsversteigerungsverfahren mehr anhängig sei. Sein Miteigentumsanteil am Grundstück N. in E. sei am 06.07.2011 tatsächlich versteigert und die Gläubigerin befriedigt worden. Das Verfahren sei erledigt. Das Zwangsversteigerungsverfahren zum Grundstück D. in E. sei mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 17.05. vorläufig und am 17.11.2011 endgültig eingestellt worden, nachdem die Sparkasse M. keinen neuen Antrag gestellt habe. Das Insolvenzverfahren betreffe nicht ihn persönlich, sondern eine selbstständige Firma, und rechtfertige nicht den Widerruf seiner Registrierung. Seine Vereinbarung von September 2007 mit seiner Schwester sei ein keinesfalls unübliches Darlehnsgeschäft. Die Vereinbarung stelle auch einen Schutz seiner Inkassotätigkeit dar, da er mit ihr jeden Zugriff auf Fremdgelder abwehren könne. Im Übrigen würden Vollstreckungsmaßnahmen aus der Vereinbarung tatsächlich niemals erfolgen. Die Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse M. belaufe sich nach einem Schreiben der Sparkasse vom 30.12.2009 gegenüber dem Beklagten auf rund 480.000 Euro und sei deshalb geringer als vom Beklagten angegeben. Er strebe weiterhin eine einvernehmliche Lösung mit der Sparkasse M. an. Im Hinblick auf sein Eigentum am Grundstück D. bestehe keine Überschuldung. Das Verhältnis zwischen Immobilienvermögen und Immobiliendarlehn sei geordnet. Außerdem sei er weder im Schuldnerverzeichnis eingetragen, noch seien in den letzten Monaten persönlich gegen ihn Schuldtitel erwirkt worden. In seiner bisher 15-jährigen Tätigkeit als Inkassodienstleister habe es niemals eine konkrete Gefährdung von Mandantengeldern gegeben. Er sei deshalb nicht als unzuverlässig anzusehen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 30.11.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den angefochtenen Bescheid. Darüber hinaus trägt er vor, dass entgegen der Auffassung des Klägers seine Verbindlichkeiten und sein Vermögen nicht ausgeglichen seien. Soweit der Kläger insoweit das Wohn- und Geschäftshaus in E., N., mit berücksichtige, sei darauf hinzuweisen, dass er nicht mehr Eigentümer dieses Hauses und es deshalb nicht mehr seinem Vermögen zuzurechnen sei. Den Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Sparkasse M. in Höhe von mindestens 480.000 Euro zuzüglich 260.000 Euro aus dem Darlehnsvertrag mit seiner Schwester Frau O. P. beliefen sich auf gut 740.000,00 Euro, denen der Verkehrswert des Wohnhauses in E., D., mit 250.000 Euro gegenüberstehe. Angesichts dieser Höhe der Verbindlichkeiten und der vereinbarten Abtretung aller Einnahmen des Klägers an seine Schwester sei nicht erkennbar, wie der Kläger seine Vermögenssituation verbessern könne. Alle von ihm erwähnten Versuche, sich mit der Sparkasse M. zu einigen, seien gescheitert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Zwangsversteigerungsakten des Amtsgerichts M. zu den Aktenzeichen XX K XX/XX und XX K XX/XX sowie die Insolvenzakten des Amtsgerichts F. zum Aktenzeichen XX IN XX/XX, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid vom 30.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Präsident des Landgerichts ist nach § 32 Satz 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) für den Widerruf zuständig.

Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Registrierung des Klägers ist § 14 Nr. 1 RDG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 2 RDG. Danach widerruft die zuständige Behörde die Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister unbeschadet des § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz oder entsprechender landesrechtlicher Vorschriften, wenn begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die registrierte Person die erforderliche Eignung oder Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn einer der in § 12 Abs. 1 Nr. 1 RDG genannten Gründe nachträglich eintritt. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 b RDG ist Voraussetzung für die Registrierung die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit, die in der Regel fehlt, wenn die Vermögensverhältnisse der Person ungeordnet sind. Gemäß Abs. 2 sind die Vermögensverhältnisse einer Person in der Regel dann ungeordnet, wenn über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder sie in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 915 der Zivilprozessordnung) eingetragen ist. Ungeordnete Vermögensverhältnisse liegen nicht vor, wenn im Fall der Insolvenzeröffnung die Gläubigerversammlung einer Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage eines Insolvenzplanes zugestimmt und das Gericht den Plan bestätigt hat, oder wenn die Vermögensinteressen der Rechtsuchenden aus anderen Gründen nicht konkret gefährdet sind. Die Vorschriften sind insbesondere den §§ 7 Nr. 9, 14 Abs. 2 Nr. 7 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nachgebildet (s. Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/3655, S. 68). Deshalb kann die zu den Vorschriften der BRAO ergangene Rechtsprechung zur Auslegung herangezogen werden. Ein Vermögensverfall (= ungeordnete Vermögensverhältnisse) ist danach gegeben, wenn der Betroffene in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (ständige Rechtsprechung, s. allein BGH, Beschluss vom 21.03.2011 - AnwZ (B) 97/09 -, juris mit weiteren Nachweisen).

Soweit über das Vermögen des Rechtsdienstleisters das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, wird vermutet, dass die Vermögensverhältnisse der Person ungeordnet sind (§ 12 Abs. 2 Satz 1 RDG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Über das Vermögen des Klägers ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet und er ist nicht in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Soweit über die Firma U. V. -W. & X. GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Kläger war, ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war, begründet dies nicht die gesetzliche Vermutung. Es handelt sich nämlich um eine selbstständige Firma, so dass das Insolvenzverfahren nicht dem Kläger persönlich zuzurechnen ist.

Aber es liegen ausreichende Beweisanzeichen dafür vor, dass sich der Kläger bei Erlass des Widerrufsbescheids, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit (vgl. BGH Beschluss vom 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10 -, juris = NJW 2011, 3234 f.; VG Berlin Urteil vom 25.08.2011 - 1 K 5.10 -, juris), in ungeordneten Vermögensverhältnissen befand. Mit Schreiben vom 06.06.2011 hat die Sparkasse M. in dem Zwangsversteigerungsverfahren XX K XX/XX Verbindlichkeiten in Höhe von 773.863,40 Euro angemeldet. Auf diese Forderungen ist die Sparkasse M. aus der Zwangsversteigerung des Wohnhauses in E., D., in Höhe von insgesamt 83.597,98 Euro befriedigt worden. Die genauen Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Sparkasse M. im November 2011 sind zwar nicht bekannt, denn der Kläger ist entsprechenden Aufforderungen zur Darstellung seiner Vermögensverhältnisse durch den Beklagten (und im Gerichtsverfahren durch das Gericht) nicht nachgekommen. Die Verbindlichkeiten dürften aber zwischen 480.000 Euro, die der Kläger selbst genannt hat, und den knapp 770.000,00 Euro, die der Beklagte dem Widerruf zugrunde gelegt hat, liegen. Nach Mitteilung der Sparkasse M. vom 28.08.2012 leistet der Kläger nämlich weiterhin keine Zahlungen auf die Forderungen. Bei der weiteren rechtlichen Betrachtung geht das Gericht von den zugestandenen Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse M. von mindestens 480.000 Euro aus. In diesem Zusammenhang spricht es auch gegen den Kläger, dass er selbst in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die genaue Höhe der Verbindlichkeiten zu benennen und dies mit fehlenden Mitteilungen der Sparkasse begründete. Dies ist wenig glaubhaft. Es ist nämlich gängige Praxis, dass Banken den Schuldner jährlich über den Stand seines Darlehenskontos informieren. Vielmehr ist zu vermuten, dass der Kläger die wahre Höhe der Verbindlichkeiten verschweigen will.

Hinzu kommt das Darlehen der Schwester des Klägers, Frau O. P., in Höhe von 200.000 Euro plus Zinsen seit 2007. Damit belaufen sich die Verbindlichkeiten des Klägers auf über 680.000 Euro. Demgegenüber steht das Eigentum an seinem Privathaus in E., D., für das ein Verkehrswert in Höhe von 250.000 Euro ermittelt wurde. Seine Verbindlichkeiten sind damit durch sein Immobilienvermögen lediglich zu einem guten Drittel abgedeckt. Soweit der Kläger das Haus in E., N., in seine Vermögensbilanz mit einbezieht, ist dies nicht berücksichtigungsfähig, denn das Haus steht im Eigentum der R. S. T. UG und nicht des Klägers.

Der Kläger verfügt auch über keine Einnahmen, die in absehbarer Zeit zu einer deutlichen Reduzierung der Verbindlichkeiten führen würden. Er erhält nach eigenen Angaben 2.600 Euro monatlich aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seiner Unternehmen. Dieser Betrag ist zum einen für seinen eigenen und den Unterhalt seiner vier Kinder erforderlich und steht damit für die Abzahlung seiner Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung. Darüber hinaus hat er seine gesamten Einnahmen an seine Schwester zur Absicherung des Darlehens abgetreten, so dass sie auch aus diesem Grund nicht zur Tilgung der Verbindlichkeiten beitragen können. Soweit der Kläger auf seine erworbenen 1.200 Schuldtitel im Nominalwert von ca. 5 Mio. DM verweist, trägt dies ebenfalls nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse bei. Denn nach seinem eigenen Vortrag reichen die daraus realisierten Einnahmen gerade aus, seinen Bürobetrieb zu finanzieren. Da der Kläger seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt, sind zwei Zwangsversteigerungsverfahren erfolgt, an denen er als Schuldner beteiligt war. Seine finanziell enge Lage besteht bereits seit Beginn seiner Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister, ohne dass es dem Kläger gelungen ist, sie nachhaltig zu konsolidieren. Umschuldungsvereinbarungen mit der Sparkasse M. sind trotz mehrjährigen Gesprächen nicht zustande gekommen. Diese Gesichtspunkte führen in ihrer Gesamtheit dazu, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers ungeordnet sind.

Die Feststellung der ungeordneten Vermögensverhältnisse begründet grundsätzlich die Annahme der konkreten Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden. Der BGH hat dazu zu der vergleichbaren Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO in seinem Beschluss vom 18.10.2010 - AnwZ (B) 21/10 -, juris) ausgeführt:

€..Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, m.w.N.). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht gegeben war, liegen nicht vor€

Besondere Umstände, insbesondere ausreichende arbeitsvertragliche Beschränkungen und Sicherungsvorkehrungen, welche die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts ausnahmsweise schon vor Abschluss des andauernden Insolvenzverfahrens nicht mehr zu befürchten war, lagen nicht vor. Sie waren insbesondere nicht deshalb gegeben, weil der Antragsteller mit Wirkung vom 21. Dezember 2008 als Partner aus der Anwaltsgesellschaft A. und Partner ausschied und seither aufgrund eines unbefristeten Anstellungsvertrages vom 17. Dezember 2008 anwaltlich für diese Kanzlei tätig ist. Hierzu gilt:

(1) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden kann nach der Rechtsprechung des Senats in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein, wenn der Rechtsanwalt die zum Schutz der Interessen der Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen trifft und (vertrags-) rechtlich und tatsächlich sicherstellt, dass diese Vorkehrungen auch eingehalten werden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925; Beschluss vom 9. November 2009, AnwZ (B) 87/08; Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08). Das setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, 560; Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08), der nach der Organisation der Sozietät (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2008, AnwZ (B) 67/07, aaO), dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2007, AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67) und den getroffenen vertraglichen und tatsächlichen Vorkehrungen einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtsuchenden erwarten lässt (BGH, Beschluss vom 9. November 2009, AnwZ (B) 87/08; Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist in den Blick zu nehmen, dass schon nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO der Widerruf der Zulassung die Regel und die Annahme einer trotz des Vermögensverfalls nicht gegebenen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden die Ausnahme ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924). Der Vermögensverfall des Anwalts lässt befürchten, dass entweder der Anwalt selbst oder aber dessen Gläubiger auf Gelder der Mandanten zugreifen. Ziel der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist es, dieser Gefahr vorzubeugen. Daran hat sich die Rechtsanwendung zu orientieren. Von einem Widerruf der Zulassung eines in Vermögensverfall geratenen Anwalts kann folglich nur dann abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Grundlage einer solchen Prognose kann nicht nur der Abschluss eines - unter Umständen den einschlägigen Senatsentscheidungen nachgebildeten - Anstellungsvertrages sein. Vielmehr entscheidet eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände darüber, ob die Gefährdung der Rechtsuchenden hinreichend sicher ausgeschlossen ist. Dies wird angesichts der für eine Gefährdung streitenden Vermutung nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen; die Feststellungslast trifft den Rechtsanwalt (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08)€€

Diesen Grundsätzen schließt sich das Gericht an und überträgt sie auf die vergleichbare Vorschrift des § 12 Abs. 2 RDG. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die dem Gericht eine sichere Prognose ermöglichen, dass sich in seinem Fall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines B. verbunden sind, nicht realisieren werden. Bereits seit mehreren Jahren führt der Kläger immer wieder an, mit der Sparkasse M. eine Umschuldung zu erreichen, ohne dass dies zum Erfolg führte. Die Vereinbarung mit seiner Schwester zur Abtretung seines gesamten Vermögens und aller Einnahmen steht einer solchen Prognose ebenfalls entgegen, da sich der Kläger insoweit in einer absoluten Abhängigkeit von seiner Schwester befindet. Seine hohen Verbindlichkeiten haben ihn nicht davon abgehalten weitere riskante finanzielle Geschäfte zu machen, wie das AG M. in seinem Urteil vom 27.10.2010 (X Ds XX Js XX/XX) feststellte. Damit hat er die Vermögensinteressen Dritter gefährdet. Soweit der Kläger vorträgt, in der Vergangenheit habe es in Bezug auf seine Inkassotätigkeit keinerlei Beschwerden gegeben, begründet dies ebenfalls keine sichere Prognose, denn es handelte sich um das normale, zu verlangende Verhalten eines Rechtsdienstleisters. Im Übrigen ist bei der Geschäftsprüfung im Jahr 2010 festgestellt worden, dass von seinem Treuhandkonto sowohl private Abbuchungen als auch Zahlungsverkehr der inzwischen insolventen Firma U. erfolgt waren und somit eine Vermischung seiner Inkassotätigkeit mit dem privaten Zahlungsverkehr stattgefunden hatte. Der Auflage seiner Registrierung, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen, ist der Kläger nicht nachgekommen. Seine Inkassotätigkeit hat er deshalb entgegen seinem Vortrag nicht beanstandungsfrei ausgeübt.

Der Widerruf der Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister ist nach alledem rechtmäßig. Mildere Mittel, die Gefährdung der Rechtsuchenden zu vermeiden, bestehen nicht. Der Kläger führt seine Inkassotätigkeit als Alleinunternehmer durch und es ist für den Beklagten unzumutbar, ständig zu kontrollieren, ob es tatsächlich zu einem Fehlverhalten gegenüber seinen Mandanten und deren konkreter Gefährdung kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Göttingen:
Urteil v. 21.11.2012
Az: 1 A 45/12


Link zum Urteil:
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