Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2001
Aktenzeichen: 8 W (pat) 38/99

(BPatG: Beschluss v. 20.02.2001, Az.: 8 W (pat) 38/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 29 D des Patentamts vom 2. Dezember 1997 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zur Herstellung einer Lagerbuchse als gerollte Metall/Kunststoff-Verbundbuchse Anmeldetag: 20. April 1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung Seiten 3 bis 7, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung 3 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 5, eingegangen am 20. April 1996.

Gründe

I Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer gerollten Metall/Kunststoff-Verbundbuchse" ist am 20. April 1996 beim Patentamt eingegangen.

Nach einer Erwiderung auf den Erstbescheid hat die Prüfungsstelle für Klasse B 29 D die Anmeldung im Anschluss an eine Anhörung am 2. Dezember 1997 zurückgewiesen, weil ihr Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die zugestellte Begründung des Beschlusses trägt das Datum 22. März 1999. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Zur Begründung trägt sie vor, schon die Tatsache, dass die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses erst 16 Monate nach der Verkündung ergangen sei, begründe eine Aufhebung desselben. Außerdem meint sie, dass der Anmeldungsgegenstand neu sei und der Stand der Technik den Fachmann nicht zu der erfindungsgemäßen optimalen Folge der Verfahrensschritte angeregt habe.

Zum Stand der Technik sind die folgenden Entgegenhaltungen im Verfahren:

US 3 008 779 DE-GM 1 904 625 FR-PS 1 342 927 EP 0 635 106 B1 Prospekt der Wieland-Werke AG, Ulm "VBK Kunststoffverbundbuchsen für Gleitlager", 1991 Prospekt der GLACIER-IHG Gleitlager GmbH & Co., Heilbronn "HL- wartungsfreie Gleitlager", ohne Datumsangabe Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau 14. Auflage 1981, S. 954, 955.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin unter anderem eine neue Fassung des Patentanspruchs 1 vorgelegt. Dieser lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Lagerbuchse als gerollte Metall/Kunststoff-Verbundbuchse mit den aufeinanderfolgenden Verfahrensschritten:

a) Herstellen eines Metallträgers (2) durch Rundformen einer auf Länge L und Breite B zugeschnittenen, gelochten Platine (5), wobei sich die Löcher (4) konisch zur Metallträgermitte hin verformenb) Ausspritzen des Metallträgers (2) mit Kunststoff in einer Spritzgieß- oder Spritzpreßform (6), wobei eine innere Laufschicht (3) ausgebildet und der Kunststoff formschlüssig in den konisch verformten Löchern (4) gehalten wird."

Damit sollen aufgabengemäß die Haftung zwischen Kunststoff und Metallhülse verbessert, die Herstellung der Verbundbuchse kostengünstiger realisiert und gleichzeitig teure Nachbearbeitungsschritte wie z.B. das Kalibrieren auf Fertigmaß bzw. das Anbringen von weiteren Konstruktionsmerkmalen, wie Fugen, Dichtlippen, Nuten etc. kostengünstig in den normalen Fertigungsablauf integriert werden (s. S. 4, Abs. 1 der Beschreibung).

Dem Patentanspruch 1 sind die ebenfalls in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 2 bis 5 untergeordnet, zu deren Inhalt auf die Akte verwiesen wird.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, der nunmehr beanspruchte Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei patentfähig und beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 D des Patentamts vom 2. Dezember 1997 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung, Seiten 3 bis 7, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, eingegangen am 20. April 1996.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Anmeldungsgegenstand ist patentfähig.

Er betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Lagerbuchse als gerollte Metall/ Kunststoff-Verbundbuchse mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1. Das Besondere an dem erfindungsgemäßen Verfahren liegt darin, dass sich durch das Rollen der Platine die zuvor gestanzten Löcher konisch verformen und der Kunststoff nach dem Aushärten und Schwinden in den verformten Löchern besonders gut gehalten wird.

1. Alle Merkmale des in Anspruch 1 beanspruchten Verfahrens sind den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere dem Anspruch 1 und der Beschreibung S. 6, Abs 3 als zum Anmeldungsgegenstand gehörend zu entnehmen. Dabei kommt es ohne weiteres erkennbar nicht auf eine bestimmte Reihenfolge der Schritte zur Herstellung der Platine an, wichtig ist vielmehr nur, dass der Kunststoff auf den aus einer gelochten und zugeschnittenen Platine gebildeten Metallträger nach dessen Rundformen aufgespritzt wird.

2. Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach Anspruch 1 ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt alle darin beanspruchten Merkmale.

Bei dem aus der US 3 008 779 bekannten Verfahren zur Herstellung einer Lagerbuchse wird ein Metallträger durch Rundformen einer auf Länge und Breite zugeschnittenen Platine hergestellt, der dann mit Kunststoff ausgespritzt wird, wobei sich eine innere Laufschicht ausbildet (s. Sp. 2, Z. 26 bis 52).

Davon unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren durch das Lochen der Platine und das durch das Rundformen entstehende konische Verformen der Löcher, in denen der aufgetragene Kunststoff formschlüssig gehalten wird.

Die nach Aussage der Anmelderin vorbekannte undatierte Kurzinformation der Fa. Glacier "HL- wartungsfreie Gleitlager" beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Gleitlagern, bei dem PTFE-Material unter Druck mechanisch in einem perforierten Metallrücken verankert wird (s. die zweite Prospektseite mittlere Spalte). Der so entstandene Verbund wird dann zu Buchsen gerollt, wie dem Bild auf der Titelseite entnommen werden kann.

Davon unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren dadurch, dass der Metallträger erst nach seinem Rundformen mit Kunststoff ausgespritzt wird, so dass als Wirkung davon der Kunststoff in den zuvor verformten Löchern erstarrt und schwindet und dort formschlüssig gehalten wird.

In dem Prospekt "Wieland VBK Kunststoff-Verbundbuchsen" wird die Herstellung von Dreistofflagern mit einem ungelochten Metallträgerband beschrieben, von dem sich das beanspruchte Verfahren dadurch unterscheidet, dass der Kunststoff in durch das Rundformen verformten Löchern formschlüssig gehalten wird.

Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Lagerbuchsen beschreibt die EP 0 635 106 B1. Dabei wird gemäß dem Anspruch 1 (Sp. 9, Z. 8 bis 50) zuerst die Gleitschicht aus Polymermaterial durch Spritzgieß- oder Spritzpreßprozesse auf einen Kern aufgetragen und anschließend von einem äußeren Träger ebenfalls aus Kunststoff ummantelt und innig damit verbunden. Dabei sind in der Gleitschicht Längsfugen 7 vorgesehen, die sich mit dem Trägermaterial füllen und so für eine Verankerung zwischen Gleitschicht und Träger sorgen.

Davon unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren dadurch, dass der Kunststoff der Gleitschicht auf einen gelochten Metallträger gespritzt wird und in den durch ein Rundformen dieses Trägers verformten Löchern formschlüssig gehalten wird.

Die übrigen Druckschriften des Standes der Technik befassen sich nicht mit der Herstellung von Lagerbuchsen und können schon deshalb die Neuheit des Patentgegenstands nicht in Frage stellen.

3. Das beanspruchte Verfahren beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Bei dem dem Anmeldungsgegenstand am nächsten liegenden Verfahren gemäß US 3 008 779 wird bei der Rundverformung des Metallträgers ein längsgerichteter Spalt ("gap" a in Fig. 3) freigelassen, in den die Kunststoffmasse für die Laufschicht auf unterschiedliche Weise (s. Fig. 3, 5 und 7) eindringt. Neben dieser Verankerung sind auch noch Umfangsnuten ("grooves" 15 Fig. 2) an der Innenseite des Metallträgers vorgesehen. So ist die Laufschicht sicher mit dem Träger verankert.

Der Fachmann, ein mit der einschlägigen Kunststoff-Verbundtechnologie vertrauter Maschinenbauingenieur, erhält aus dieser Lösung keine Anregungen, sich anderen Befestigungsmöglichkeiten der Laufschicht im Träger zuzuwenden. Die erfindungsgemäße Verankerung der Laufschicht in Löchern, die sich aufgrund der Biegung des Metallträgers verformen, ist dadurch weder vorgezeichnet noch nahegelegt.

Auch der übrige Stand der Technik gibt dazu keine Anregungen.

Zwar werden bei den "Glacier"-Lagerbuchsen bereits gelochte Metallträger verformt, aber die Verankerung der Laufschicht erfolgt dort dennoch anders. Dort wird nämlich der Metallträger zusammen mit der bereits aufgebrachten Kunststoffschicht verformt, was zur Folge hat, dass die bereits in den Löchern befindlichen Kunststoffpfropfen sich von den beim Rollen verformenden Lochrändern ablösen können. Ein solches Ablösen ist bei dem erfindungsgemäßen Verfahren dadurch, dass erst nach der Verformung der Löcher der Metallträger mit Kunststoff beschichtet wird und der Kunststoff damit erst in den bereits konisch verformten Löchern erstarren und schrumpfen kann, nicht zu erwarten. Die Glacier-Druckschrift gibt dem Fachmann schon deshalb keine Anregungen, die vorgesehene Reihenfolge der Beschichtung zu ändern, weil er sich damit einem gänzlich anderen Beschichtungsverfahren (Spritzverfahren) zuzuwenden hätte.

Auch die bei dem Verfahren nach der FR-PS 1 342 927 (s. insbes. Fig. 1) verwendete Befestigungsart der Dekorschicht 3 an einem Träger 2 mittels Ausnehmungen 4, in denen der Kunststoff aushärtet, regt den Fachmann nicht zur erfindungsgemäßen Vorgehensweise an. Dort müssen nämlich die gegebenenfalls konischen Ausnehmungen aufwendig in den nicht verformbaren Trägerkunststoff eingebracht werden, während erfindungsgemäß durch das Rundformen eines Metallträgers aus einer üblichen zylindrischen Lochstanzung gewissermaßen von selbst konische Löcher werden, in denen der aufzubringende Kunststoff aushärtet.

Das im DE GM 1 904 625 gezeigte Beschichtungsverfahren für einen Hohlkörper beschreibt zwar eine Verklammerung des innen in dem Hohlkörper aufgebrachten Kunststoffs mittels am Umfang verteilter vertiefter Löcher (Fig. 3 und 5), durch die der Kunststoff nach außen dringen kann (s. auch den dortigen Anspruch 1). Diese Lösung vermag aber schon deshalb den Fachmann nicht zu der erfindungsgemäßen Lösung anzuregen, weil dort der Metallträger nicht durch das Rundformen einer flächigen Platine rundverformt, sondern vielmehr als Gefäß tiefgezogen o.dgl. wird und sicher daher keine konischen Löcher ausbilden können.

Auch die übrigen Entgegenhaltungen vermitteln dem Fachmann keine weitergehenden Anregungen in Richtung auf die beanspruchte Vorgehensweise, denn sie zeigen keine Lagerbuchsenherstellungsverfahren, bei denen Metallträger zu Buchsen eingerollt und dann innen mit Kunststoff ausgespritzt werden.

Die beanspruchte Lehre ist dem Fachmann mithin weder durch den Stand der Technik nahegelegt worden, noch hat sie sich ihm mangels eines vergleichbaren ähnlichen Vorbildes aufgrund einfacher fachlicher Überlegungen erschlossen.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.

Auch die Unteransprüche sind gewährbar, da sie auf zweckmäßige Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet sind.

III Das patentamtliche Verfahren, das zu dem mit dieser Entscheidung aufgehobenen Zurückweisungsbeschluss geführt hat, leidet an einem wesentlichen Mangel. Ein im Anschluß an eine Anhörung verkündeter Beschluß ist anschließend mit gleichem Datum schriftlich zu begründen, wobei wegen des Zusammenhangs mit der Anhörung diese Begründung alsbald zu erfolgen hat. Die Zustellung der Begründung der Zurückweisung erst nach mehr als 15 Monaten stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Da die Sache entscheidungsreif war, hat der Senat aber davon abgesehen, sie gemäß § 79 Abs 3 Satz 2 PatG ohne Sachentscheidung zurückzuverweisen.

Kowalski Dr. C. Maier Viereck Dehne Ko






BPatG:
Beschluss v. 20.02.2001
Az: 8 W (pat) 38/99


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