Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 350/02

(BPatG: Beschluss v. 14.07.2004, Az.: 7 W (pat) 350/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 14. Juli 2004 (Aktenzeichen 7 W (pat) 350/02) entschieden, das Patent (mit der Bezeichnung "Ventileinheit") aufrechtzuerhalten, jedoch mit bestimmten Einschränkungen. Das Patent umfasst die Patentansprüche 1 bis 5 sowie die Beschreibung und die Figuren 1 bis 3, wie sie in der am 27. Februar 2004 eingegangenen, handschriftlich geänderten Patentschrift 198 40 703 C2 enthalten sind.

Der Einspruch gegen das Patent wurde am 15. Oktober 2002 mit eingereichten Gründen erhoben. Die Einsprechende beruft sich auf verschiedene Druckschriften und weist zudem auf offenkundige Vorbenutzung einer Ventilinsel hin. Der Berichterstatter des Patentinhabers äußerte in einer Zwischenverfügung seine vorläufige Auffassung, dass der Einspruch begründet sein könnte.

Der Patentinhaber reichte daraufhin einen geänderten Anspruchstext mit angepasster Beschreibung und Zeichnung ein. Er stimmt zu, dass die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung dem Stand der Technik zuzuordnen ist. Der Patentinhaber vertritt jedoch die Auffassung, dass keine der vorgebrachten Entgegenhaltungen den Fachmann dazu angeregt hätten, den geltenden Patentanspruch zu erfinden.

Das Patentgericht entscheidet, dass der Einspruch teilweise begründet ist und das Patent in seiner geänderten Form als patentfähige Erfindung anzusehen ist. Der geltende Patentanspruch 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die vorgebrachten Entgegenhaltungen bieten dem Fachmann keine Anregungen für die im Patentanspruch beschriebene Lösung.

Die Patentansprüche 2 bis 5 des geltenden Patents sind auf weitere Ausgestaltungen der Ventileinheit gerichtet und werden von der patentfähigen Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 getragen.

Insgesamt ist das Patent also in seiner eingeschränkten Form gültig und wird aufrechterhalten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 14.07.2004, Az: 7 W (pat) 350/02


Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 5 und Beschreibung Spalte 1, Zeile 1, bis Spalte 5, Zeile 11, sowie mit Figuren 1 bis 3 gemäß der am 27. Februar 2004 eingegangenen, handschriftlich geänderten Patentschrift 198 40 703 C2.

Gründe

I Gegen die am 18. Juli 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 198 40 703 mit der Bezeichnung "Ventileinheit" ist am 15. Oktober 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende auf die auf der Titelseite der Streitpatentschrift angegebenen Druckschriften 1. DE 44 13 657 C1 2. DE 43 43 958 A1 3. DE 41 43 274 A1 4. Nachtrag zum Katalog "Knowhow in Pneumatik" Mannesmann Rexroth, Nr. 885890256-0/6.96, S. 6.315-6.321 sowie auf folgende Unterlagen hingewiesen:

5. DE 198 01 234 A1 6. DE 197 06 636 A1 7. US 5 617 898.

Sie hat ferner die offenkundige Vorbenutzung einer Ventilinsel Typ CPA 14-VI der FESTO AG & Co gemäß Anlagen-Konvolut D8.1 bis D8.8 zum Einspruchsschriftsatz geltend gemacht. D8.1 betrifft die Druckschrift 8. "Der Pneumatic-Katalog", 33. Aufl., Ausgabe 97/98, Seiten 6.1/20-1 bis 6.1/20-11, der FESTO AG & Co, Esslingen Mit Schreiben vom 18. September 2003 erklärt die Einsprechende die Zurücknahme ihres Einspruchs.

In einer Zwischenverfügung des Senats vom 19. Januar 2004 hat der Berichterstatter der Patentinhaberin seine vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass sich der Einspruch als begründet erweisen könnte.

Hierauf hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 eine neue Anspruchsfassung sowie eine daran angepasste Beschreibung und Zeichnung (Figuren 1 bis 3) eingereicht. In dem Schriftsatz stellt sie unstreitig, dass der Gegenstand der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung (Ventilinsel Typ CPA 14 der Festo AG gemäß FESTO Pneumatic-Katalog) dem hier zu berücksichtigenden Stand der Technik zuzurechnen ist.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass keine der im Verfahren aufgezeigten Entgegenhaltungen dem Fachmann - in Übereinstimmung mit dem Senat sieht sie als hier zuständig einen Maschinenbauingenieur für Fluidtechnik mit Spezialkenntnissen auf dem Gebiet der Ventilansteuertechnik an - eine Anregung zur Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 habe geben können.

Sie beantragt sinngemäß, das Patent 198 40 703 auf der Grundlage der von ihr handschriftlich geänderten Patentschrift 198 40 703 C2, eingegangen am 27. Februar 2004, beschränkt aufrechtzuerhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Ventileinheit, bestehend aus mehreren über gegenüberliegende Anschlußflächen aneinanderreihbaren elektromagnetischen Ventilen, die für die Druckmittelversorgung mindestens eines an einer seitlichen Stirnfläche eines jeden Ventils angeordneten Arbeitsanschlusses mindestens einen im wesentlichen senkrecht zur Anschlußfläche angeordneten Druckmittelkanalabschnitt aufweisen, wobei miteinander korrespondierende Druckmittelkanalabschnitte benachbarter Ventile durch die Aneinanderreihung zu je einem allen Ventilen gemeinsamen Druckmittelkanal druckmittelschlüssig verbunden sind, der/die endseitig durch je ein Abschlußelement druckdicht verschlossen ist bzw. sind, wobei zur elektrischen Anbindung der Ventile an eine übergeordnete Steuerung eine von Ventil zu Ventil durchgeschleifte elektrische Verbindung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die durchgeschleifte elektrische Verbindung über elektrische Kontaktelemente an den gegenüberliegenden Anschlußflächen benachbarter Ventile herstellbar ist, wobei die elektrischen Kontaktelemente zumindest einer Anschlußfläche im wesentlichen senkrecht zur Anschlussfläche bewegbar und durch Andrückmittel aneinanderpreßbar sind, die als über mindestens einen Andrückhebel verfahrbare Kontaktelemente ausgestaltet sind, derart, daß die Kontaktelemente im entspannten Zustand eingefahren und im gespannten Zustand ausgefahren positioniert sind."

Zum Wortlaut der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 1 bis 5 wird auf die handschriftlich geänderte Patentschrift verwiesen.

Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, eine kompakt aufgebaute Ventileinheit zu schaffen, bei der die für eine elektrische Verbindung zu montierenden Einzelteile minimal sind und bei der der Montage- bzw. Demontageaufwand gering ist (Patentschrift Sp 2 Z 12 bis 16).

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG, eingeführt durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7, durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden. Gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 PatG war das Einspruchsverfahren auch nach Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortzuführen.

2. Der zulässige Einspruch ist insoweit begründet, als er zu einer Beschränkung des erteilten Patentgegenstandes geführt hat.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der geltenden Fassung der Patentansprüche eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

3.1 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind aus den erteilten Ansprüchen 1 und 4 hervorgegangen. Die Merkmale der geltenden Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen sachlich denen der erteilten Ansprüche 5 bis 8.

3.2 Die Ventileinheit nach Patentanspruch 1 ist neu. In keiner der Entgegenhaltungen ist eine Ventileinheit mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 beschrieben. Insbesondere ist im entgegengehaltenen Stand der Technik kein Mechanismus beschrieben, bei dem zum Durchschleifen einer elektrischen Verbindung von Ventil zu Ventil über mindestens einen Andrückhebel ein elektrisches Kontaktelement eines Ventils gegen ein elektrisches Kontaktelement eines benachbarten Ventils preßbar und damit aus einem entspannten bzw. eingefahrenen Zustand in einen gespannten bzw. ausgefahrenen Zustand überführbar ist. Aufgrund der in der Streitpatentschrift vorgenommenen begrifflichen Trennung von elektrischem Kontaktelement einerseits und Andrückhebel andererseits ist jeweils von separaten Bauteilen auszugehen. Anderes findet in der Streitpatentschrift und den ursprünglichen Unterlagen auch keine Stütze.

3.3 Die Ventileinheit nach Patentanspruchs 1 ist auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu werten, da der entgegengehaltene Stand der Technik dem Fachmann keine Anregungen vermittelt, die elektrische Verbindung der Kontakte benachbarter Ventile mittels eines separaten Andrück- bzw. Spannhebels zu realisieren, und sich diese Lösung auch nicht ohne weitergehende Überlegungen dem Fachmann im Rahmen seines fachlichen Wissens und Könnens anbietet.

Die zumindest gattungsähnlichen Ventileinheiten nach den älteren Anmeldungen gemäß der nachveröffentlichten DE 198 01 234 A1 (s Fig 2 und zugehörige Beschreibung) und der nachveröffentlichten DE 197 06 636 A1 (s Fig 7 und zugehörige Beschreibung), bei denen zur Durchschleifung der elektrischen Verbindung der Ventile selbstfedernde Kontakte vorgesehen sind, durch die beim Anbau der Ventile ein Anpressen der Kontakte benachbarter Ventile bewirkt wird, müssen bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben.

Die Ventileinheiten vom Typ Ventilinsel CPA gemäß Festo Pneumatic-Katalog (Entgegenhaltung 8, ua Seite 6.1/20-5), deren offenkundige Vorbenutzung nicht mehr bestritten ist, gleicht in ihrem Aufbau im wesentlichen der Ventileinheit nach der nachveröffentlichten DE 197 06 636 A1. Auch hier erfolgt das Aneinanderpressen der Kontaktelemente allein aufgrund der Eigenfederung der Metallkontakte am elektrischen Verkettungsmodul 2. Eine Anregung für einen separaten Andrückhebel im Sinne der Lehre des geltenden Anspruchs 1 kann der Fachmann einer derartigen Ventilinsel nicht entnehmen.

Gleiches gilt für die Ventileinheit nach der US 5 617 898, bei der das elektrische Durchschleifen der Ventilansteuerung ebenfalls durch eigenfedernde Kontakte - hier gebildet aus einem elektrisch leitenden Gummisubstrat (rubber contactor; Bezugszeichen 220a - erzeugt wird (vgl Fig 6 und zugehörige Beschreibung).

Die übrigen entgegengehaltenen Druckschriften waren bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden. Ihre Lehren kommen der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 nicht näher als die vorstehend berücksichtigten Entgegenhaltungen.

3.4 Die geltenden Patentansprüche 2 bis 5 sind auf weitere Ausgestaltungen der Ventileinheit nach Patentanspruch 1 gerichtet. Die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände wird von der der Ventileinheit nach Patentanspruch 1 mitgetragen.

Tödte Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 14.07.2004
Az: 7 W (pat) 350/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/04d3e5e46936/BPatG_Beschluss_vom_14-Juli-2004_Az_7-W-pat-350-02




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