Bundespatentgericht:
Urteil vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 2 Ni 26/02

(BPatG: Urteil v. 20.11.2003, Az.: 2 Ni 26/02)

Tenor

1. Das deutsche Patent 36 39 669 wird in folgendem Umfang teilweise für nichtig erklärt:

Patentansprüche 1 bis 7, Patentanspruch 8, soweit er über folgende Fassung hinausgeht:

"Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Scheibe (5) durchsichtig ist, wobei die Ausnehmung (4) derart groß ist, daß ein größerer Raum um das zu prüfende Geräteelement herum nur von der Scheibe abgedeckt wird, so daß der Betrachter nicht nur die Löcher, sondern auch die zu messenden Geräteelemente in der Schließstellung und in der Prüfstellung beobachten kann."

Patentanspruch 9, außer in seinem Rückbezug auf Patentanspruch 8 in seiner vorstehend beschränkten Fassung.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 36 39 669 (Streitpatent), das am 20. November 1986 angemeldet worden ist und ein Niederspannungs-Hochleistungs-Sicherungsschaltgerät mit Fensteranordnung betrifft. Das Streitpatent umfasst 10 Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

1. NH-Sicherungsschaltgerät, dessen eines Wandungsteil (z.B. 3) ein Loch (8, 9; 8') aufweist für den Zugang eines Werkzeuges (14) an ein spannungsführendes Geräteelement (z. B. Grifflasche 2), dadurch gekennzeichnet, daß das Loch (8, 9; 8') in einer Scheibe (5) vorgesehen ist, die im Abstand (a) von dem Geräteelement (2) über einer Ausnehmung (4) in dem Wandungsteil (3) zwischen einer Schließstellung (Fig. 1, 2; 5, 6) und einer Prüfstellung (Fig. 3, 4; 7, 8) beweglich derart geführt ist, daß das Loch (8, 9; 8') in der Schließstellung der Scheibe (5) von einem Gehäuseteil (z. B. Quersteg 6; 6') geschlossen ist und sich in der Prüfstellung der Scheibe(5) offen über dem Geräteelement (2) befindet.

2. Schaltgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in der länglichen Scheibe (5) zwei Löcher (8, 9) im Abstand (b) voneinander angeordnet sind, der gleich ist dem Abstand zweier Geräteelemente (2) voneinander, wobei das eine Loch (9) in der Schließstellung der Scheibe (5) von einem Rahmenteil (7) und das andere von einem Quersteg (6) abgedeckt ist (Fig. 1 bis 4).

3. Schaltgerät nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Scheibe (5) von Rahmenteilen (7) des Wandungsteils (3) auf dessen dem Geräteelement (2) zugewandter Seite und dem Quersteg (6) geführt ist (Fig. 1 bis 4).

4. Schaltgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Abstand (c) zwischen dem Loch (8') und der vom Loch am weitesten entfernt angeordneten Kante (13) der Scheibe (5) kleiner ist als der Abstand zweier Geräteelemente (2) voneinander (Fig. 5 bis 8).

5. Schaltgerät nach Anspruch 1 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Scheibe (5) von Rahmenteilen (7) des Wandteiles (3) auf dessen dem Geräteelement (2) gegenüberliegender Seite geführt und von am Wandungsteil (3) befestigten Scheibenhaltern (17) beweglich gehalten ist (Fig. 5 bis 8).

6. Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Länge (L) der länglichen Scheiben (5) größer als der Abstand zweier Geräteelemente (2) voneinander ist.

7. Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß auf der Oberfläche (15) der Scheibe (5) Riffelungen (16) angebracht sind.

8. Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Scheibe (5) durchsichtig ist.

9. Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß an der Scheibe (5) und/oder den mit der Scheibe (5) in Gleitberührung gelangenden Wandungsteilen (z.B. 7) mindestens eine Rastnase (18) oder Aufnahme für diese angebracht sind.

10. Schaltgerät nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Scheibe (5) in Bewegungsrichtung plombierend mit einem Sicherungssteg (20) versehen ist, der längs einer Sollbruchstelle (21) aus der Ebene der Scheibe (5) herausbiegbar und/oder entfernbar ist.

Mit ihrer zunächst gegen die Patentansprüche 1, 5, 8 und 9 gerichteten Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre Klage auf das gesamte Patent erweitert; auch insoweit liege eine erfinderische Leistung nicht vor.

Sie beruft sich hierzu auf folgende Druckschriften bzw. Unterlagen:

K3 DE 28 24 208 A1 K4 DE 25 44 251 A1 K5 DE-OS 1929 504 K6 DE-PS 161619 K7 US-PS 3 215 303 K8 Merkmalsanalyse K9 DE-GM 1 778 670 K10 Bolz, Einführung in DIN VDE 0660 Teil 500, VDE-Verlag 1986 (Auszug)

K11 Schreiben VDE-Verlag vom 14. Juni 2002 mit Anlagen K12 DIN 57 659 / VDE 0659/ 3.80 (geltend ab 1. März 1980), Seiten 1 bis 6 K13 DE 85 19 135.3 U1 K14 DE-GM 1 880 351 K15 Firmendruckschrift Klöckner-Moeller "Industrie-Elektronik, Schaltgeräte, Systeme,..." `85 (S 1, 13/1 bis 13/11, 15/41, 15/55)

K16 Abbildungen (Fotos) 1 bis 9 von installierten Schienensystemen K17 DE-PS 1 058 597 K18 Firmendruckschrift "Barduct Busbar Systems", S. 8-15 K19 /1+2 Firmendruckschrift Klöckner-Moeller, Schienenverteiler-Systeme, Liste 37, 4/79, S. 40, 50 K19/3 Aufstellungsanweisung Klöckner-Moeller BD-System K19/4 Technische Zeichnung 3 Z 371-100.24 vom 31.VIII.73 K19/5 Technische Zeichnung 3 Z 371-100.28 vom 18.IX.73 K20 GB 2 189 091 A K21 Patentklassifikation, Siebte Ausgabe, gültig ab 1. Januar 2000, Carl Heymanns Verlag K21A Firmendruckschrift "Key Dates in the Barduct History"

K22 Auftragsbuch Fa Barduct 1. April 1986 - 7. Juli 1986 K23 DIN 57 660 / VDE 0660 Teil 500/11.84 "Schaltgeräte - Niederspannung-Schaltgerätekombinationen", Seiten 1,2,3,6,13,39 Sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Die Unteransprüche wiesen eine eigenständige erfinderische Qualität auf, insbesondere die Ansprüche 2, 4, 5 und 8 bis 10. Hilfsweise verteidigt sie Anspruch 5 mit der Einfügung "in Vertiefungen" nach dem Wort "Rahmenteilen (7)" und mit der Hinzufügung an seinem Ende "so daß die Oberfläche der Scheibe bündig mit der Oberfläche des Wandteils (3) gelagert ist" gegenüber der erteilten Fassung.

Anspruch 8 verteidigt sie hilfsweise in der aus Ziffer 1 des Tenors ersichtlichen Fassung.

Im parallelen Verletzungsverfahren wurde die Klägerin mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Januar 2003 zu Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verurteilt (Anlage B1).

Gründe

Die Klage, mit der der in § 22 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und teilweise begründet. Die Beklagte hat der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Erweiterung der Klage nicht widersprochen, wobei diese auch als sachdienlich anzusehen ist (vgl Busse, PatG 5. Aufl, § 83 Rdnr 7,8).

1. Patentgegenstand Das Streitpatent betrifft ein NH-Sicherungsschaltgerät, dessen eines Wandungsteil ein Loch aufweist für den Zugang eines Werkzeuges an ein spannungsführendes Geräteelement (Oberbegriff des Patentanspruchs 1).

In der Streitpatentschrift ist dazu angegeben, dass bekannte Sicherungseinsätze für solche Schaltgeräte an ihren Enden Grifflaschen tragen, die oft aus Metall bestehen und im Betrieb im eingeschalteten Zustand Spannung führen (Sp 1 Z 22 bis 26).

Dem Bedürfnis, in besonderen Anwendungsfällen im Betrieb und im geschlossenen Zustand des Schaltgerätes mit einem Werkzeug an die unter Spannung stehenden Grifflaschen heranzukommen, um das Potential einer Grifflasche oder die Spannung zwischen zwei Grifflaschen prüfen zu können, stehen Sicherheitsvorschriften solcher Schaltgeräte entgegen, nach denen ein Zugang zu spannungsführenden Teilen im Betrieb verhindert werden soll (Sp 1 Z 27 bis 39 der PS), wobei entsprechend den Anforderungen am vorgesehenen Einbauort eine jeweilige Schutzklasse eingehalten werden muss.

Die Schutzklasse von Schaltgeräten ist - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - von Land zu Land unterschiedlich, so dass bei den bisher bekannten Sicherungsschaltgeräten Ausführungsformen mit und ohne Loch bereitgehalten werden mussten mit der Folge erhöhter Kosten durch Produktion und Lagerhaltung.

Ausgehend von den Unzulänglichkeiten bekannter NH-Sicherungsschaltegeräte gibt die Patentschrift als Aufgabe der Erfindung an, ein NH-Sicherungsschaltgerät zu schaffen, welches zwar mindestens ein Loch in einem Wandungsteil aufweist, so dass eine Prüfung durch Zugang an spannungsführende Elemente möglich ist, dennoch aber gleichzeitig die Bedingungen der Schutzklasse gewährleistet sind (Sp 1 Z 56 bis 61 der PS).

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in seinem gemäß Hauptantrag verteidigten erteilten Patentanspruch 1 (mit einer von der Klägerin gemäß Anlage K8 zum Klageschriftsatz vom 15. August 2002 eingeführten gegliederten Fassung, welche durch die im Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Bezugsziffern ergänzt ist) einen Gegenstand vor mit den folgenden Merkmalen:

"1. NH-Sicherungsschaltgerät 2. Ein Wandungsteil (zB 3) des Gerätes weist ein Loch (8,9;8') für den Zugang eines Werkzeugs (14) an ein spannungsführendes Geräteelement (zB Grifflasche 2) auf.

3. Das Loch (8,9;8') ist in einer Scheibe (5) vorgesehen.

4. Die Scheibe (5) ist im Abstand (a) von dem Geräteelement (2) über einer Ausnehmung (4) in dem Wandungsteil (3) beweglich geführt.

a) Die Scheibe (5) ist zwischen einer Schließstellung und einer Prüfstellung beweglich geführt.

b) Das Loch (8,9;8') ist in der Schließstellung der Scheibe (5) von einem Gehäuseteil (6,6') geschlossen.

c) das Loch (8,9;8') befindet sich in der Prüfstellung der Scheibe (5) offen über dem Geräteelement (2)."

1. Zur Lehre des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 8 nach Hilfsantrag Der erteilte Patentanspruch 1 ist an mehreren Stellen aus sich heraus nicht verständlich. Um die dem Fachmann - hier nach Auffassung des Senats ein qualifizierter Elektrotechniker mit Berufserfahrungen bei der Konstruktion und dem Betrieb von Betriebsmitteln aller Art für Niederspannung, insbesondere NH-Sicherungsschaltgeräten, der die zuständigen Normen und Sicherheitsvorschriften kennt und bei seiner Arbeit beachtet - durch diesen Anspruch gegebene Lehre deutlich zu ermitteln, ist er unter Heranziehung der Patentbeschreibung auszulegen (BGH Bl 66, 76 (II3b aa) Ferromagnetischer Körper).

Hinsichtlich der einander widersprechenden Angaben im Merkmal 2 (Loch ist im Wandungsteil vorgesehen) und in den Merkmalen 3 und 4 (Loch ist in einer über dem Wandungsteil beweglich geführten Scheibe vorgesehen) entnimmt der Fachmann der Streitpatentschrift (Fig 1,2,5,6 und 8 iVm Sp 5 Z 41 bis 45 und Sp 6 Z 11 bis 17) die Lehre, dass das Wandungsteil gemäß Merkmal 2 einen Zugang für ein Werkzeug ermöglicht, indem das in einer gemäß Merkmal 4 über einer Ausnehmung im Wandungsteil beweglich geführten Scheibe vorgesehene Loch (Merkmal 3) in der Prüfstellung offen über dem Geräteelement steht (Merkmal 4c).

Hinsichtlich des Begriffs "Scheibe" in den Merkmalen 3 bis 4c entnimmt der Fachmann schon dem erteilten Patentanspruch 8 in Verbindung mit dem Patentanspruch 1, dass es sich dabei um die in der Mechanik bzw. dem Maschinenbau gebräuchliche allgemeine Bezeichnung für eine Platte (dh ein flächiges Bauteil) handelt, das zwar wie eine Fensterscheibe durchsichtig sein kann (Anspr 8), aber nicht muss (Anspr 1).

Die Angabe im Merkmal 4, dass die Scheibe über der Ausnehmung beweglich geführt sein soll, beschränkt den Patentgegenstand aus den bereits im Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Düsseldorf zur Sache 4a O 453/01 (Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 28. Oktober 2003, S 12 Abs 3 Z 9 bis S 13 Abs 3) genannten Gründen nicht auf die den Figuren 5 bis 8a der Streitpatentschrift offenbarte Anordnung einer auf der Gerätevorderseite angeordneten Scheibe.

Vielmehr versteht der Fachmann im Licht der Patentbeschreibung darunter lediglich eine "Überanderanordnung" von Scheibe und Ausnehmung im Wandungsteil. Denn beide Ausführungsformen (auch die nach den Fig 1 bis 4a) sind wiederholt gemeinsam als Ausführungsformen der Erfindung besprochen (zB Sp 5 Z 41, Z 52, Sp 6 Z 5 bis 10 und Z 48 bis 52) und es kommt dabei offensichtlich nicht auf die Blickrichtung (zB Vorderseite) an.

In dem - in den Merkmalen 4a) und 4c9 verwendeten - Begriff "Prüfstellung" (der Scheibe) erkennt der Fachmann - wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat - lediglich eine Zweckangabe, für die im Merkmal 4c) genauer definierte Offenstellung der Scheibe nicht aber einen Hinweis auf die geometrische Ausbildung des Lochs in der Scheibe oder der zugehörigen Ausnehmung im Wandungsteil.

Denn alle erteilten Patentansprüche sind weder auf eine bestimmte Form noch auf bestimmte Abmessungen eines zum Prüfen verwendeten Werkzeugs beschränkt.

Aufgrund der Übereinanderanordnung von Scheibe und Ausnehmung im Wandungsteil - bestimmen die jeweils kleinsten Abmessungen von Loch und Ausnehmung (in jeder Richtung) die Abmessung des "Zugangs", der vom Fachmann entsprechend der jeweiligen Schutzklasse zu bemessen werden kann, was aber nicht Gegenstand des Streitpatents ist.

Deshalb entnimmt der Fachmann hinsichtlich dem in den Merkmalen 3, 4b) und 4c) beanspruchten "Loch" der Streitpatentschrift lediglich, dass das Geräteelement in der Prüfstellung überhaupt von außen offen zugänglich ist.

Zwar kann es - worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat - für die Stabilität der Scheibe von Bedeutung sein, ob diese ein "Loch" aufweist (durch welches hindurch in der Prüfstellung ein Werkzeug an das Geräteelement geführt werden kann), oder ob die Ausnehmung in dem Wandungsteil von einer Kante der Scheibe abgedeckt bzw. freigegeben wird.

Jedoch sind "Loch" und "Kante der Scheibe" hinsichtlich der Bereitstellung einer Prüföffnung solange als gleichwirkend anzusehen, wie der Patentanspruch keine Angaben über die jeweilige Größe von Loch und Ausnehmung enthält, so dass auch ein Stabilitätsvorteil nicht geltend gemacht werden kann.

Dies wird auch aus den erteilten und jeweils nur auf den Hauptanspruch rückbezogenen Patentansprüchen 2 bzw. 4 deutlich. Denn nach der Lehre dieser Unteransprüche wird der Zugang zu zwei zueinander beabstandeten Geräteklemmen sowohl durch jeweils ein Loch (PA 2) als auch durch ein Loch über dem einen Geräteelement und eine (beiseitegeschobene) Kante der Scheibe (PA 4) ermöglicht.

Das Merkmal 4b, nach welchem das Loch in der Schließstellung der Scheibe "von einem Gehäuseteil verschlossen" sein soll, gibt dem Fachmann im Hinblick auf das patentgemäß angestrebte "Freilegen" (Sp 2 Z 63 bis Sp 3 Z 5 der PS) bzw. "Überdecken" (aaO Sp 3 Z 31 bis 37) der Geräteelemente die Lehre, dass in der Schließstellung das "Loch" nicht mehr über der Ausnehmung im Wandteil liegt, so dass die Ausnehmung von dem dem Loch benachbarten Bereich der Scheibe abgedeckt ist, um die Anforderungen der jeweiligen Schutzklasse zu erfüllen (Sp 1 Z 56 bis 61 der PS).

Der Patentanspruch 8 nach Hilfsantrag lässt nach Auffassung des Senats für den Fachmann ohne weiteres erkennen, was mit den Merkmalen beabsichtigt ist.

Denn es geht - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht um die Bereitstellung eines derart großen Lochs, dass der Messende am Werkzeug vorbei durch das Loch schauen kann. Vielmehr ermöglicht eine anspruchsgemäß große Ausnehmung bei unveränderter Lochgröße selbst bei eingeführtem Werkzeug eine Beobachtung des Geräteinneren in der Umgebung des Loches.

2. Zur Zulässigkeit der hilfsweise verteidigten Fassungen der Patentansprüche 5 und 8 Die Zulässigkeit der hilfsweise verteidigten Fassung des Patentanspruchs 5 kann wegen der im folgenden dargelegten fehlenden Patentfähigkeit eines solchen Gegenstandes dahingestellt bleiben.

Die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruch 8 ist zulässig, da die an den erteilten Patentanspruch 8 angefügten beiden Merkmale in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthalten waren und der Schutzbereich des Patents durch die Änderungen auch nicht erweitert wird.

Denn die erste Anfügung "wobei die Ausnehmung derart groß ist, dass eine größerer Raum um das zu prüfende Geräteelement nur von der Scheibe abgedeckt ist", findet sich wortgleich in der Streitpatentschrift (Sp 3 Z 21 bis 24 der PS) bzw. an entsprechender Stelle der ursprünglichen Anmeldeunterlagen (S 7 Abs 4), ebenso die zweite Anfügung "so dass der Betrachter nicht nur die Löcher, sondern auch die zu messenden Geräteelemente in der Schließstellung und in der Prüfstelung beobachten kann (Sp 3 Z 44 bis 49 der PS bzw. S 8 Abs 3 der uU).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hängen diese Textteile auch sachlich zusammen, da sie beide die Gestaltung der Scheibe betreffen.

Auch lässt der erteilte Anspruch 8 nach Maßgabe aller Rückbeziehungen offen, ob die Abmessungen des "Zugangs" für das Werkzeug durch das Loch oder durch die Ausnehmung im Wandteil begrenzt werden, und ob - außer durch das Loch selbst - eine Beobachtung der zu messenden Geräteelemente möglich ist, während - durch die erste Anfügung festgelegt wird, dass das Loch die Zugangsabmessungen für das Werkzeug begrenzt und - durch die zweite Anfügung dem Fachmann die Richtung gewiesen wird, einen "optischen Zugang" bereitzustellen, der zusätzlich zum Loch eine Beobachtung ermöglicht.

3. Zur Patentfähigkeit des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 Das NH-Sicherungsschaltgerät gemäß dem Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Ein NH-Sicherungsschaltgerät mit den Merkmalen im Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 (=Merkmale 1 und 2 der gegliederten Fassung) ist aus dem DE-GM 1 778 670 (= Anlage K9) bekannt.

Bei dem in dieser Druckschrift beschriebenen Sicherungs-Trennschalter (Titel) mit Niederspannungssicherungen (S 1 Z 1) handelt es sich um ein NH-Sicherungsschaltgerät (Merkmal 1). Denn die in Aufnahmekontakte 6 eingelegten Sicherungseinsätze 14,15,16 mit Messerenden 10,11,12 (Abb 1 und 3 iVm S 2 vorle Abs) wurden schon vor dem Anmeldetag des Streitpatents als "NH-Sicherungen" (=Niederspannungs-Hochleistungssicherungen) bezeichnet.

Auch das vom Fachmann recht verstandene Merkmal 2 ist dort verwirklicht, indem der ein Wandungsteil bildende Schaltdeckel 17 des Geräts "einen Zugang (= "Öffnung") 25 für ein Werkzeug an ein spannungsführendes Geräteelement aufweist".

Denn die dort beschriebene Prüfung der Spannung an den darunterliegenden Sicherungen erfolgt regelmäßig in jeder der drei Phasen durch Antasten der Sicherungen im Bereich eines ihrer elektrisch leitenden Teile (dort zB 10,11,12, 28, 29) mit einem durch den Zugang 25 gesteckten Werkzeug (S 3 Abs1).

Abweichend vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist der Zugang 25 immer offen und eine beweglich geführte Scheibe ist nicht vorgesehen, so dass sich der Gegenstand gemäß dem Patentanspruch 1 von dem bekannten durch die Merkmale 3 bis 4c unterscheidet.

Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausführlich und zur Überzeugung des Senats vorgetragen hat, bestand vor dem Anmeldetag des Streitpatents Bedarf an NH-Sicherungsschaltgeräten sowohl für Anforderungen mit hohem Berührungsschutz, die ohne Löcher ausgeführt sein mussten als auch für geringere Anforderungen, bei denen Löcher als Prüföffnungen zulässig waren.

Dies erforderte einen hohen Produktions- und Lageraufwand für beide Geräteausführungen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, ein NH-Sicherungsschaltgerät zu schaffen, welches zwar mindestens ein Loch in einem Wandungsteil aufweist, so dass eine Prüfung durch Zugang an spannungsführende Elemente möglich ist, dennoch aber gleichzeitig die Bedingungen der Schutzklasse gewährleistet sind, dem Fachmann in der Praxis von selbst.

Denn er ist bei der Weiterentwicklung bekannter Geräte schon aus wirtschaftlichen Gründen immer bestrebt, die Typenvielfalt zu verringern und möglichst viele Anforderungen mit einer einzigen Ausführungsform abzudecken.

Hinsichtlich der Anforderung, lediglich bedarfsweise einen einfachen Zugang in das Innere von Geräten zu gestatten, war es schon lange vor dem Anmeldetag des Streitpatents in allen Bereichen der Technik üblich, "Ausnehmungen" in Wandteilen mit verschiebbaren Scheiben (=Schieber) verschließbar zu gestalten, wenn diese nicht ständig "offen" sein dürfen.

Dass die vor dem Anmeldetag für Niederspannung-Schaltgerätekombinationen veröffentlichte Norm DIN 57 660 Teil 500 /VDE 0660 Teil 500/11.84 vom November 1984 Verschlussschieber als Mittel zum Verschluss von Wandteilen elektrischer Niederspannungsschaltgeräte ausdrücklich vorsieht, ist auch den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als Anlage K23 ins Verfahren eingeführten Seiten dieser Norm (dort insbes Pkt 2.4.13 und 7.4.2.2.3) entnehmbar, die der Fachmann bei der Konstruktion von Geräten der in Rede stehenden Art zu beachten hatte.

Als weitere Beispiele seien Sichtöffnungen für Apparate aller Art oder Verschlussschieber an Leitungen für strömenden Medien genannt, aber auch Geräte der elektrischen Niederspannungstechnik. So belegt die DE-PS 1 058 597 (=Anlage K17) im Zusammenhang mit einem insbesondere für diese Spannungsebene gebräuchlichen Stromschienenkanal aus U-förmigen Blechprofilen, dass Öffnungen 80 durch eine als Verschlussplatte 82 bezeichnete Scheibe bedarfsweise verschließbar sind.

Ausgehend von dem aus der Anlage K9 bekannten NH-Sicherungsschaltgerät wird sich der Fachmann bei der Lösung der Aufgabe, ein NH-Sicherungsschaltgerät zu schaffen, welches zwar mindestens ein Loch in einem Wandungsteil aufweist, so dass eine Prüfung durch Zugang an spannungsführende Elemente möglich ist, dennoch aber gleichzeitig die Bedingungen der Schutzklasse gewährleistet sind, auf seinem eigenen Fachgebiet der Niederspannungsgeräte umsehen, und zwar nicht nur bei Schaltgeräten, sondern auch bei den anderen in Niederspannungsanlagen gebräuchlichen Betriebsmitteln.

Denn bei der Ausführung einer Niederspannungsanlage müssen jeweils alle Betriebsmittel den gleichen Anforderungen der vorgeschriebenen Schutzklasse genügen.

Er hat dabei die in der geltenden Norm (zB K23) als Alternativen erwähnten zwei Lösungen "Zwischenabdeckung" und "Verschlussschieber" vor Augen, zwischen denen er im Rahmen seines fachmännischen Handelns auswählt.

Dabei ist ihm für einen Verschlussschieber aus der K17 im Zusammenhang mit Niederspannungsstromschienen als Niederspannungsgeräte bereits eine "gebrauchsfertige" Lösung bekannt, mit der auch die jeweiligen Normen erfüllbar sind, da derartige Stromschienenkanäle dem Fachmann insbesondere für industrielle Anwendungen schon Jahrzehnte vor dem Anmeldetag als in großer Stückzahl verbreitet bekannt sind.

In Übereinstimmung mit dem Merkmal 2 des recht verstandenen erteilten Patentanspruchs 1 weist dieses Gerät in der Seitenwand 6 als Wandungsteil ein Loch 80 auf (Fig 5 und 6 iVm Sp 3 Z 34 bis 48), das für den Zugang eines Werkzeugs an ein spannungsführendes Geräteelement geeignet ist.

Denn das Loch 80 gibt in Offenstellung der ein Loch 83 aufweisenden Verschlussplatte 82 die Stromschienen als spannungsführende Geräteelemente frei, und erlaubt damit nicht nur das Ansetzen eines Anschlusskastens (Anspr 1) sondern bedarfsweise auch eine Spannungsprüfung an den Stromschienen mit einem Prüfstift.

In Übereinstimmung mit den recht verstandenen Merkmalen 3 und 4 ist bei dem bekannten Verschlusschieber nach K17 das Loch 83 in einer Scheibe in Gestalt der Verschlussplatte 82 vorgesehen, die im Abstand von den Stromschienen als Gerätelementen über das Loch 80 als Ausnehmung in der Seitenwand 6 als Wandungsteil beweglich geführt ist (Fig 5 bis 8 iVm Sp 3 Z 34 bis 60).

Die Scheibe 82 ist ferner in Übereinstimmung mit Merkmal 4a zwischen einer Schließstellung (Fig 5) und einer - wegen der Möglichkeit der Spannungsprüfung bei freiliegenden Stromschienen auch als "Prüfstellung" zu bezeichnenden - Offenstellung (Fig 6) beweglich geführt (Sp 3 Z 45 bis 48 und Z 56 bis 60).

Das Loch 83 ist in der Schließstellung der Scheibe 82 (Fig 5) von einem Gehäuseteil in Gestalt des in Schließrichtung benachbarten Bereichs der Seitenwandung 6 geschlossen (Merkmal 4b) und befindet sich schließlich in der - eine Prüfung gestattenden Offenstellung als - Prüfstellung (Fig 6 iVm Sp 3 Z 45 bis 48) offen über dem Geräteelement (Merkmal 4c).

Zur Lösung der Aufgabe liegt es für Fachmann deshalb auf der Hand, die "gebrauchsfertige" Lösung" gemäß K17 bei einem Niederspannungsschaltgerät der aus K9 bekannten Art anzuwenden, indem er die Öffnung 25 mit einem Verschlussschieber der aus K17 als auf dem gleichen Fachgebiet bekannten konstruktiven Ausbildung versieht, wozu lediglich einfache handwerkliche Anpassungen wie die Anbringung der erforderlichen Schieberführungen am Deckel 17 des NH-Sicherungsschaltgeräts erforderlich sind.

Damit ist dann auch der Zugang eines Werkzeugs - wie Prüfgerät - in der Offenstellung möglich, die folglich als "Prüfstellung" bezeichnet werden kann.

Der Auffassung der Beklagten, es handele sich bei derartigen Überlegungen um eine rückschauende Betrachtung in Kenntnis der Erfindung, kann der Senat schon deshalb nicht zustimmen, weil sich der angestrebte Erfolg durch schlichte Anwendung einer von zwei von der Norm vorgesehenen Maßnahmen voraussehbar einstellt und sich die Frage nach anderen möglichen konstruktiven Lösungen für den Fachmann gar nicht mehr stellt.

Die in den Merkmalen 3 bis 4c) beanspruchte Verwendung einer über einer Ausnehmung beweglich geführten Scheibe mit einem Loch drängt sich vielmehr dem Fachmann geradezu auf, der deshalb die in der Norm als Alternative erwähnte "Zwischenabdeckung" gar nicht weiter in Betracht zieht.

Die Ausführungen der Beklagten, dass die verringerte Stabilität einer mit einem Loch versehenen Scheibe den Fachmann davon abhalten würden, die Lehre der K17 bei einem NH-Sicherungsschaltgerät gemäß K9 anzuwenden, können schon deshalb nicht durchgreifen, weil die Stabilität eines Schiebers in erster Linie von der Materialart und -stärke abhängt, die jedoch in einem keinem der erteilten Patentansprüche angegeben sind.

Da die Schutzklasse Niederspannungsbetriebsmittel aller Art gleichermaßen erfüllt werden muss, liegen die K9 und die K17 - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch auf dem gleichen Fachgebiet, so dass der Fachmann auch nicht dadurch von einer Berücksichtigung der in K17 gegebenen Lehre abgehalten ist, dass diese kein NH-Sicherungsschaltgerät sondern eine Sicherheitsvorrichtung für Stromschienenkanäle betrifft.

Dies gilt entsprechend auch für den Hinweis der Beklagten, die K17 betreffe als Sicherheitsvorrichtung das Verhindern des Zugangs zu spannungsführenden Teilen. Denn patentgemäß kommt es bei der aufgabengemäßen Einhaltung der Schutzklasse in der Schließstellung ebenfalls auf das Verhindern eines verhinderten Zugangs an.

So sind nämlich gemäß Patentanspruch 10 zusätzliche Sperrvorrichtungen vorgesehen, die das Öffnen für unautorisierte Personen erschweren oder verhindern.

Ob beide Betriebsmittel gemäß K9 bzw. K17 in der gleichen Firma hergestellt werden, ist - entgegen den Ausführungen der Beklagten - ebenfalls ohne Bedeutung für das Vorgehen des Fachmanns. Denn hinsichtlich der einzuhaltenden Vorschriften und der zu beachtenden Verbindungsmöglichkeiten muss dieser nicht nur sein jeweiliges Produkt kennen sondern auch die anderen in einer elektrischen Anlage üblicherweise kombinierten Betriebsmittel.

4. Zur Patentfähigkeit der als erfinderisch verteidigten Unteransprüche 2, 4 , 5 nach Haupt- und Hilfsantrag, 8 nach Hauptantrag sowie 9 Die zusätzlichen Merkmale des erteilten Anspruchs 2 können dessen Patentfähigkeit nicht begründen.

Denn wenn der Fachmann einen Zugang zu zwei zueinander beabstandeten Geräteelementen bereitstellen soll, weil eine Spannungsmessung an diesen Stellen gewünscht oder vorgeschrieben ist, stellt es lediglich eine in seinem fachmännischen Können liegende Anpassung dar, die (gemäß erteiltem Patentanspruch 1) bereits vorhandene Scheibe mit einem weiteren Loch im entsprechenden Abstand zu versehen, und beide Löcher in der Schließstellung durch jeweils ein ortsfestes Gehäuseteil abzudecken. Diese Lösung wird er solange verwenden, wie der Lochabstand die Verwendung eines einzigen Schiebers gestattet.

Den Bezeichnungen dieser ortfesten Gehäuseteile als "Rahmenteil" bzw. "Quersteg" in Anspruch 2 kommt schon deshalb keine weitergehende technische Bedeutung zu, weil das Gehäuseteil im Bereich der geführten Scheibe auch als "Rahmen" bezeichnet werden kann und ein das Loch abdeckender Bereich des Gehäuses selbstverständlich "quer" zu diesem verläuft.

Auch auf die gemäß Patentanspruch 4 ausgebildete Variante eines Schiebers, bei der der Zugang zu einem der beiden Geräteelemente durch ein Loch in der Scheibe und zum anderen Geräteelement an deren vom Loch am weitesten entfernten Kante vorbei erfolgt, kommt der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden.

Denn wenn die Variante gemäß Patentanspruch 2 mit zwei Löchern zu einer unerwünscht großen Länge der beweglich geführten Scheibe in Schieberichtung führt, wird er den Zugang ins Geräteinnere mit einer Kante verschließen bzw. freigeben und den neben dem zweiten Loch erforderlichen Scheibenbereich einsparen. Denn ihm ist neben dem "Loch" auch die "Kante" als gleichwertige Maßnahme vertraut, wie jedermann im Zusammenhang mit Schiebern und Schiebetüren aller Art erkennt.

Ein derart ausgebildeter Schieber musste - entgegen der Auffassung der Beklagten - im Stand der Technik auch nicht nachgewiesen werden. Denn die Überlegungen des Fachmannes, die ihn zu einer derart ausgestalteten Scheibe führen, gehören in den Bereich der Grundlagen der Konstruktionslehre.

Dies gilt auch für die im Patentanspruch 5 nach Haupt- und Hilfsantrag zusätzlich angegebenen Merkmale.

Denn bei einer Übereinanderanordnung von einer Scheibe und einem Wandteil gibt es nur zwei gegenseitige Lagen bezüglich der Geräteelemente, zwischen denen der Fachmann nach den jeweiligen (zB Design-)Gesichtspunkten wählt.

Die Verwendung von "Scheibenhaltern" zur beweglichen Führung ist eine platte Selbstverständlichkeit; denn die Scheibe kann nicht lose auf der Oberseite des Wandungsteils aufliegen. Damit diese ihre Haltefunktion erfüllen können, wird sie der Fachmann auch an den (weil nächstgelegenen) ortsfesten Teilen der Wandung befestigen, da alle anderen Anbringungsorte aufwändiger wären (Patentanspruch 5 nach Hauptantrag).

Da Führungen beweglicher Teile zu den grundlegenden Konstruktionselementen des Maschinenbaus gehören, die ein konstruktiv tätiger Elektrotechniker kennen muss, kann der Senat auch in den als Führung hilfsweise vorgesehenen Vertiefungen des Wandteiles derart, dass eine mit der Oberfläche des Wandteiles bündige Oberfläche der Scheibe erreicht wird, kein erfinderisches Tun des Fachmanns erkennen.

Denn schon der Wunsch nach einer glatten und damit optisch gefälligen Oberfläche des Schaltgerätes legt dem Fachmann diese Ausgestaltung nahe, so dass er - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch für diese Maßnahme weder Vorbild noch Anregung im Stand der Technik benötigt.

Dass das Gerät gemäß K17 keine Vertiefung auf der Vorderseite als Führung des Schiebers aufweist, hält den Fachmann schon deshalb nicht von einer solchen Maßnahme ab, weil der dortige Schieber im Inneren des Gerätes und nicht - wie im Patentanspruch 5 vorgesehen - auf der den Geräteklemmen gegenüberliegenden Seite des Wandungsteils angeordnet ist. (Patentanspruch 5 nach Hilfsantrag).

Auch die Ausgestaltung des NH-Sicherungsschaltgerätes mit einer "durchsichtigen" Scheibe gemäß dem erteilten Patentanspruch 8 stellt eine schlichte - weil bedarfsweise schon von jedem Laien angewendete - Maßnahme dar, die der Fachmann immer dann wählt, wenn er "freie Sicht" benötigt, und die ihm überdies bei Schaltgeräten der in Rede stehenden Art aus der DE-OS 19 29 504 (=K5) in Gestalt von Fenstern 9,10,11 im Prinzip bekannt ist.

Er wird auch zuerst daran denken, die Scheibe durchsichtig auszuführen und nicht das Wandungsteil; denn mit der "Durchsichtigkeit" wird die Werkstoffauswahl stark eingeschränkt, was hinsichtlich der an ein Wandungsteil zu stellenden Anforderungen an thermische und mechanische Festigkeit, Optik usw. Probleme erwarten lässt.

Rastvorrichtungen gehören als sogenannte "Gesperre" ebenfalls zu den grundlegenden Bauelementen des Maschinenbaus und der Feinmechanik. "Rastnasen", die in entsprechende "Aufnahmen" eingreifen, gehören zu den konstruktiv einfachsten und in allen Bereichen der Technik gebräuchlichsten Ausgestaltungen von Gesperren, um die Lage zweier gegeneinander beweglicher Teile zeitweise zu sichern.

Die Ausgestaltung des NH-Sicherungsschaltgerätes gemäß Patentanspruch 9, mit denen es möglich ist, mindestens eine Stellung der Scheibe zu verrasten, stellt sich damit ebenfalls als einfache handwerkliche und vom Fachmann bedarfsweise vorzusehende Maßnahme ohne jeden erfinderischen Gehalt dar.

5. Zur Patentfähigkeit des Patentanspruchs 8 nach Hilfsantrag und des Patentanspruchs 10 Eine durchsichtige Scheibe in Kombination mit einer gemäß dem Patentanspruch 8 nach Hilfsantrag bemessenen Ausnehmung ist weder aus den bereits vorgenannten Druckschriften noch aus dem übrigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik einschließlich der behaupteten Vorbenutzung bekannt.

Denn soweit sich das Problem der Beobachtbarkeit von zu messenden Geräteelementen für den Fachmann in Kenntnis des jeweiligen Standes überhaupt stellt, fehlen jedoch derartige Maßnahmen.

Sie sind für den Fachmann nach Auffassung des Senats auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

Denn dem Fachmann fehlt - ausgehend von einem Gegenstand mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 8 - schon jeder Anlass, weiterzudenken, da er die bei diesem Gegenstand vorgesehenen Geräteelemente in der "Schließstellung" - d.h. vor dem Messen - ohne weiteres beobachten kann, und in der "Prüfstellung" der Scheibe keine weitere Beobachtung erforderlich ist, weil der Fachmann selbstverständlich das Loch in der Scheibe an der "richtigen" Stelle über dem Geräteelement anordnen wird und dabei das Loch quasi als "Führung" für das Werkzeug nutzen wird - vergleichbar einem in das Loch einer Steckdose eingeführten Spannungsprüfer.

Auch wird ihn die für Wandungsteile von NH-Sicherungsschaltgeräten erforderliche Festigkeit nicht ohne weiteres daran denken lassen, die Ausnehmung größer als unbedingt nötig (insbesondere größer als das Loch in der Scheibe) auszuführen; damit kann auch das von der Klägerin angeführte Argument einer vom Fachmann angestrebten Materialersparnis an dem Wandteil bei größerer Ausnehmung nicht durchgreifen.

Schließlich wird der Fachmann ein für die Ablesung des Sicherungsnennwerts gewünschtes Fenster auch nicht im Bereich der Geräteelemente anordnen, wie die Klägerin als Argument für eine größere Ausnehmung angeführt hat.

Die Neuheit des Gegenstandes gemäß dem erteilten Patentanspruch 10 ist nicht bestritten.

Die mit dessen Merkmalen beanspruchte Form der Plombierbarkeit kann der Fachmann auch weder aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik noch aus seinem Fachwissen heraus angeben, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Zwar weiß der Fachmann aus den von der Klägerin als Anlage K15 vorgelegten Seiten dieses Geräte-Prospekts - dessen Veröffentlichung vor dem Anmeldetag des Streitpatents von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten wurde -, dass von Schiebern verschlossene Öffnungen bei Schienenkästen (S 13/5 oben) und auch deren Abgangskästen (S 13/7 unten) plombierbar sind.

Wie die Plomben gestaltet sind, ist den vorgelegten Seiten von K17 nicht entnehmbar.

Aus seinem Fachwissen heraus kennt der Fachmann die bei elektrischen Geräten - zB bei Strom- und Gaszählern seit Jahrzehnten bis heute übliche - Plombierung mit einem durch Öffnungen in den zu plombierenden Teilen gezogenen fadenförmigen Verbinder, dessen Enden durch die eigentliche Plombe unlösbar miteinander verbunden sind.

Demgegenüber lehrt der erteilte Patentanspruch 10, einen Abschnitt der anspruchsgemäßen verschiebbaren Scheibe selbst als wiederverwendbare ("ausbiegbar") oder bedarfsweise "entfernbare" Plombe zu verwenden. Dies bringt - wie die Beklagte zur Überzeugung des Senats zutreffend ausgeführt hat - zusätzliche überraschende fertigungs- und handhabungstechnische Vorteile gegenüber der üblichen Plombierung mit sich, die der Fachmann bei der Lösung eines Plombierungsproblems üblicherweise aber gar nicht im Blick hat.

6. Zu den erteilten Patentansprüchen 3, 6 und 7 In den von der Patentinhaberin nicht als erfinderisch verteidigten Patentansprüchen 3, 6 und 7 vermag der Senat auch in Kombination mit den jeweils nach Maßgabe ihrer Rückbeziehung vorangehenden Ansprüchen keinen erfinderischen Gedanken zu erkennen; sie teilen deshalb deren Schicksal.

Den behaupteten Vorbenutzungen brauchte nach alledem nicht nachgegangen zu werden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 84 Abs. 2 PatG iVm § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, wobei der Senat die Verringerung des gemeinen Werts des Patents durch den Umfang der Nichtigerklärung mit vier Fünftel veranschlagt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG iVm § 709 S. 1 ZPO.

Meinhardt Gutermuth Dr. Kaminski Groß

Dr. Scholz Be






BPatG:
Urteil v. 20.11.2003
Az: 2 Ni 26/02


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