Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. April 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 142/00

(BPatG: Beschluss v. 23.04.2001, Az.: 30 W (pat) 142/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung HIVAC ist am 9. Oktober 1996 für "Arzneimittel, nämlich Immuntherapeutika, Vakzine und Hilfsstoffe für Impfstoffe in der Humanmedizin" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. Januar 1997.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren, seit dem 18. Februar 1992 für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Immuntherapeutika und Impfstoffe für die Humanmedizin" eingetragenen Marke 2 009 694 Luivac.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Da die Übereinstimmungen in den Wortendungen wegen des beschreibenden Hinweises auf "Vakzine" nicht ins Gewicht fielen, seien die Unterschiede in den Wortanfängen in jeder Hinsicht ausreichend, um Verwechslungen ausschließen zu können.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen angesichts identischer Waren wegen zu starker Angleichung insbesondere im klanglichen Gesamteindruck die Gefahr von Verwechslungen für gegeben, zumal "ui" eher wie "i" ausgesprochen werde.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gem § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (stRspr, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke "Luivac" aus. Auch wenn vor allem Fachleute mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen aufgrund der Sinnanklänge in "-vac" (Vac = "vaccina" vgl Duden, Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 6. Aufl S 766) einen Hinweis darauf erhalten, daß es sich bei den derart gekennzeichneten pharmazeutischen Erzeugnissen um Impfstoffe handelt, ergibt sich daraus noch keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. zu bilden. Auch soweit einzelne Bestandteile Verwendungszweck, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute und interessierte Laien eindeutig erkennen lassen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), führt dies für das Gesamtzeichen, bei dem die entsprechenden Wortelemente noch hinreichend phantasievoll zusammengefügt, erscheinen, noch nicht zu einer ins Gewicht fallenden Schwäche.

Die Marken können nach der Registerlage zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden. Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich mangels Rezeptpflicht auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen im Wege der Selbstmedikation erworben werden. Weder die Immuntherapeutika noch die Impfstoffe bedingen eine überwiegende Beteiligung von Fachkreisen. Denn Immuntherapeutika werden nicht nur bei schweren Erkrankungen eingesetzt; es fallen auch pflanzliche Mittel zur Stärkung des Immunsystems zB in die Hauptgruppe 51 "Immunmodulatoren" der Roten Liste. Auch bei Impfstoffen ist die Injektion und damit die überwiegende Beteiligung von Fachkreisen nicht zwingend. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26-Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSE-RAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 -Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände sind an den Markenabstand daher zwar noch strenge Anforderungen zu stellen. Der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke reicht nach Auffassung des Senats aber aus. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats unter den gegebenen Umständen nicht so ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen iS des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Bezeichnungen "HIVAC" und "Luivac" zwar in den Endbestandteilen "-vac" überein. Von Bedeutung ist jedoch, daß diese Übereinstimmung bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der Wortteil "-vac" deutet, wie oben ausgeführt, auf Vaccina/Vakzine und somit auf das Indikationsgebiet (Erzeugung einer Immunität gegen Infektionskrankheiten) hin und erscheint in diesem Sinn auch häufiger in Drittmarken. Das hat zur Folge, daß der Übereinstimmung in dem warenbeschreibenden Endbestandteil weniger Bedeutung für die Verwechslungsgefahr zukommt und die Abweichungen in den Anfangssilben "HI-" bzw "Lui-" ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die genannten Begriffsanklänge auch den mangels einer zugrundezulegenden Rezeptpflicht der Waren als Verkehrskreise zu berücksichtigenden Endverbrauchern ausreichend bekannt sind. Von Bedeutung im markenrechtlichen Sinne ist schon der objektiv beschreibende Gehalt der Bestandteile. Die Übereinstimmung von Marken in solchen Bestandteilen, wie hier in "-vac" kann daher nicht selbständig kollisionsbegründend wirken, weil solche beschreibenden Bezeichnungen auch für andere Mitbewerber schon aus Rechtsgründen freizuhalten sind und nicht für einen einzelnen Markeninhaber monopolisiert werden dürfen (vgl Althammer/Ströbele MakenG 6. Aufl § 9 Rdn 152, 160 mwN).

Die - stärker beachteten - Anfangsbestandteile "HI- " und "Lui- " weichen im Anfangsbuchstaben sowie in der Vokalfolge deutlich voneinander ab, was sich auch entsprechend deutlich auf den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck auswirkt. Zudem bewirkt die Vokalfolge "ui" in der Eingangssilbe der Widerspruchsmarke in der Aussprache eine gewisse Zäsur, während die Widerspruchsmarke ein eher weiches, fließendes Klangbild hat. Es mag zwar sein, daß, wie die Widersprechende meint, "ui" gelegentlich eher wie "i" ausgesprochen wird; eine solche nach Auffassung des Senats ungewöhnliche Aussprachevariante kann aber nicht zum Maßstab der markenrechtlichen Beurteilung gemacht werden. Vielmehr sind die im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden Möglichkeiten der Aussprache zu berücksichtigen (vgl hierzu Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 102). Diese Abweichungen führen auch unter angemessener Berücksichtigung des den Zeichen gemeinsamen Wortelements "-vac" im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken.

Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürlichen Abweichungen der Buchstaben "H-" bzw "L-" sowie des zusätzlichen Buchstabens "u" in der Widerspruchsmarke, der etwas verschiedene Wortlängen bedingt, ebenfalls gewährleistet. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Ja






BPatG:
Beschluss v. 23.04.2001
Az: 30 W (pat) 142/00


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