Landesarbeitsgericht Köln:
Urteil vom 28. Mai 2014
Aktenzeichen: 11 Sa 1102/12

(LAG Köln: Urteil v. 28.05.2014, Az.: 11 Sa 1102/12)

Einzelfall

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.09.2012 - 3 Ca 8664/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Diskriminierung und Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Der im Jahre 1959 geborene Kläger, verheiratet, deutscher Staatsbürger iranischer Herkunft, anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80, ist seit März 2002 bei der beklagten Stadt als DV-Systemtechniker angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme im Anstellungsvertrag vom 29.01.2002 (Bl. 931 d.A.) die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23.02.1961 (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Der Einsatz des Klägers erfolgte im Amt für Landschaftspflege und Grünflächen. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses hatte er die Funktion eines IT-Gruppenleiters der Gruppe 670/23 inne. Ihm waren zwei Beschäftigte unterstellt. Dem Kläger seinerseits war der Sachgebietsleiter B vorgesetzt.

Nachdem der Beschäftigte G im Juni 2009 neu angestellt und der Gruppe des Klägers zugordnet wurde, traten Konflikte am Arbeitsplatz auf, deren Einzelheiten zwischen den Parteien umstritten sind. Die Beklagte entzog dem Kläger am 15.06.2010 die Funktion des Gruppenleiters und ordnete die Aufgabenverteilung neu.

Ab dem 12.01.2011 war der Kläger durchgehend bis zum 02.07.2012 arbeitsunfähig erkrankt. Im Zeitraum Mai/Juni 2012 war der Kläger für sechs Wochen in einer sog. Spezialklinik für Mobbingopfer.

Mit Aufforderungsschreiben vom 17.08.2011, der Beklagten am 19.08.2011 zugegangen, machte der Kläger Schadensersatz und Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund der Behinderung und ethnischer Herkunft sowie Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend. Wegen der Einzelheiten des Geltendmachungsschreibens wird auf Bl. 2501 ff. d. A. verwiesen.

Mit der am 21.11.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt er die zuvor erfolglos geltend gemachten Ansprüche weiter, wobei sich der eingeklagte Minderverdienst wegen der Arbeitsunfähigkeit auf den Zeitraum bis zum November 2011 bezog. Mit der am 17.09.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung hat er die Klage wegen des genannten Minderverdienstes auf den Zeitraum bis zum 01.07.2012 erstreckt.

In der Zeit vom 02.07.2012 bis 21.09.2012 erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben, die ebenfalls von Konflikten begleitet war. Grundlage der Wiedereingliederung war der Stufenplan vom 23.05.2012 (Bl. 929 d.A.). Der Kläger wurde aus dem bisherigen Bereich 670-23 (Verwaltung und Betrieb) herausgenommen und dem Sachgebiet 670/1 (Personal- und Öffentlichkeitsarbeit) organisatorisch zugeordnet. Neuer direkter Vorgesetzter war der Sachgebietsleiter Personal, Herr S . Die Beklagte ordnete ihn der Gruppe 670/10 "IT-Projekt Migration Baumkataster" zu. Gemäß Aufgabenbeschreibung vom 09.07.2012 sollten Vorbereitungen zur Einleitung des Vergabeverfahrens zur Einführung eines Baumkatasters für die Stadt K übernommen werden. Dem Kläger oblag die DV-technische Beschreibung zu den Prozessabläufen des Baummanagements bei 67 und Erstellung eines Pflichtenheftes zur Einführung eines Baumkatasters. Als Ansprechpartner wurden der Sachgebietsleiter für die Baumkontrolle Schmidt und der Mitarbeiter Meindl benannt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Aufgabenbeschreibung vom 09.07.2012 wird auf Bl. 1590 d. A. verwiesen. Nach Ablauf der Wiedereingliederungsphase änderte sich die Aufgabenzuweisung zunächst nicht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.09.2012 (Bl. 1097 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Tatsachenvortrag des Klägers lasse nicht den Schluss zu, dass er wegen seiner ethnischen Herkunft oder seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Es habe sich um im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen gehandelt. Dem Kläger sei es als Führungskraft nicht gelungen, den Konflikt mit Herrn G zu klären. Er habe durch eigenes Verhalten an der Eskalation des Geschehens mitgewirkt, eine klare Täter/Opferkonstellation sei nicht feststellbar. Den Vorgesetzten des Klägers sei allenfalls ein unausgereifter Führungsstil vorzuhalten, nicht aber eine Mobbing- oder Benachteiligungsabsicht. Dem Kläger seien keine "Dummy-Aufgaben" übertragen worden, ein Entzug dienstfreier Tage liege nicht vor, Zugriffe auf das Benutzerkonto seien aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit des Klägers dienstlich erforderlich gewesen, sein Einsatz seit dem Juli 2012 sei nicht außerhalb des Rahmens des Wiedereingliederungsplans erfolgt, die Stellenbesetzung mit Herrn G sei wegen der Aufgabenverteilung nach 1 ½ jähriger Erkrankung des Klägers notwendig gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 15.10.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.11.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18.02.2013 begründet.

Zum 15.02.2013 versetzte die Beklagte den Kläger in das Amt für Informationsverwaltung, wo der Kläger mit Sonderaufgaben beschäftigt wird. Seitdem verläuft das fortbestehende Arbeitsverhältnis ohne Konflikte.

Der Kläger sieht sich benachteiligt wegen seiner Behinderung und seiner ethnischen Herkunft. Er benennt in der Berufungsbegründung 46 Einzelhandlungen bzw. Verhaltensweisen, bei denen es sich aus seiner Sicht zugleich um Mobbing, Straining sowie Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handele. Zudem habe die Beklagte in zwei Fällen (Vorgänge Ziffer 42. und 43.) gegen das BDSG verstoßen. Zur Begründung führt er u.a. aus: Herr G habe am 17.06.2009 bezogen auf die Berliner Schulsituation geäußert, dass er seinen Sohn nicht dorthin schicke, wo die Türken und sonstigen Kanaken hingingen. Er habe wiederholt die Arbeit verweigert und sich der Kommunikation mit dem Kläger entzogen. Am 01.02.2010 sei der Kläger von Herrn G als Blödmann beleidigt worden. Beschwerden des Klägers seien vom Sachgebietsleiter Breuer und dem stellvertretenden Amtsleiter M ignoriert worden. Pflichtwidrig hätten sie dem Kläger den gebotenen Schutz versagt, so dass sich der Kläger in einer "Sandwich-Position" befunden habe. Herr B habe dem Kläger vorgehalten, dass er dreist, unverschämt und als Vorgesetzter absolut untauglich sei. Herr G habe sich selbst als besseren Chef gesehen und am 09.06.2010 geäußert, das sei ein Krieg. Im Zuge der Auseinandersetzung mit Herrn G sei der Kläger am 10.06.2010 degradiert worden, indem ihm die Funktion der Gruppenleitung entzogen worden sei. Am 08.07.2010 habe der Sachgebietsleiter B geäußert, man könne doch nicht wegen ein paar Krüppeln die ganze Stadtverwaltung umkrempeln, das sei doch krank. Am 13.10.2010 habe der Sachgebietsleiter erklärt, der Kläger habe Krieg gewollt, den habe er jetzt. Dem Kläger seien "Dummy-Aufgaben" übertragen worden. Die Herren B und M hätten von Anfang an systematisch versucht, den Kläger "los zu werden". Sie seien neben Herrn G als Mitglieder des "Mobbing-Teams" anzusehen. Die Beklagte habe am 08.02.2011 unerlaubt auf das Benutzerkonto des Klägers zugegriffen, das Passwort zurückgesetzt, Daten auf dem Server geändert und Manipulationen in der Anwendung Outlook vorgenommen. Der Kläger sei bei der Beförderung des Herrn G übergangen worden. Im Zuge der Wiedereingliederung und in der Folgezeit sei er mit psychisch belastender Pseudoarbeit betraut worden. Zugangsberechtigungen seien ihm entzogen worden und die Beklagte habe ihn von Informationen abgeschnitten. Wegen der weiteren Einzelheiten der 46 gerügten Verhaltensweisen sowie der Chronologie nach Darstellung des Klägers wird auf Bl. 1200 ff. d.A. verwiesen. Die Chronologie basiert auf tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, die der Kläger ab dem Zeitraum 09.07.2009 geführt hat. Der Kläger meint, er habe durch Indizien hinreichend glaubhaft gemacht, dass er wegen einer Behinderung und seiner ethnischen Herkunft diskriminiert werde. Zusätzlich werde die Diskriminierung durch Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung indiziert. Jedenfalls sei der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung gegeben. Als angemessene Entschädigung wegen des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot wie auch als Schmerzensgeld sei aus Gründen der Abschreckung ein Betrag von zwei Jahresgehältern angemessen. Die Arbeitsunfähigkeit sei Folge der diskriminierenden Belästigung, der entstandene Minderverdienst als Schaden zu ersetzen. Der Kläger behauptet, wegen der Diskriminierungen und des Mobbings habe sich seine Grunderkrankung deutlich verschlimmert. Aufgrund seiner psychischen Vorbelastung hätten ihn die Vorgänge besonders stark belastet. Er sei in ständiger Behandlung wegen seiner psychischen und physischen Leiden. Er leide u.a. an Angststörungen, Schlafstörungen, schweren Kopfschmerzen und schweren Depressionen mit suizidalen Tendenzen. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe dem Kläger die Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen. Die Fristen des im Übrigen europarechtswidrigen § 15 Abs. 4 AGG bzw. des § 37 TVöD-AT seien eingehalten. Erst mit Beendigung der Erkrankung sei der Kläger in der Lage gewesen, den entstanden Schaden festzustellen, da die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs wesentlich von der Dauer der Erkrankung abhänge. Seit der gerichtlichen Auseinandersetzung habe der Kläger auch keine gute Beurteilung mehr erhalten was eine weitere Diskriminierung und Maßregelung darstelle.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Köln vom 19.09.2012, Az.: 3 Ca 8664/11,

1. die beklagte Partei zu verurteilen, an den die klägerische Partei einen Ersatz für den immateriellen Schaden (Entschädigung und Schmerzensgeld) in Höhe von 110.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die beklagte Partei zu verurteilen, an den die klägerische Partei einen weiteren Betrag in Höhe von 57.101,46 € brutto abzüglich Krankengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, alle weiteren Gesundheits-, Vermögens- und sonstigen Schäden zu ersetzen, die der klägerischen Partei aufgrund der in der Klage beschriebenen Persönlichkeitsverletzungen in Form, von Benachteiligungen, Belästigungen und Diskriminierungen durch die beklagte Partei und ihre Mitarbeiter im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses entstanden sind und die zukünftig entstehen werden soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;

4. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 4.510,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

5. festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, die weiteren Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung an die klägerische Partei zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Diskriminierung des Klägers wegen ethnischer Herkunft und Behinderung. Der Kläger habe in sämtlichen Anzeigen und Gesprächen solche Vorwürfe nicht erhoben. Die von ihm behaupteten Äußerungen würden von den Betroffenen in Abrede gestellt. Der Kläger habe keine belastbaren Beweise über die angeblichen Arbeitsverweigerungen des Herrn G vorgelegt. Der Kläger sei als zuständige Führungskraft überfordert gewesen, die Probleme am Arbeitsplatz mit Herrn G zu lösen. Er selbst habe versucht, Herrn G aus dem Dienst zu drängen. Der Kläger habe sich einem gemeinsamen Klärungsgespräch und einem Angebot zum Teamcoaching versagt und nicht die nächsthöhere Führungsebene zur Lösung des Konflikts in Anspruch genommen. Die Stellenbesetzung mit Herrn G sei ordnungsgemäß verlaufen und aufgrund der langen Krankheit und der nicht absehbaren Gesundung des Klägers erforderlich gewesen. Die Übertragung der Aufgaben zur Einführung eines Baumkatasters sei sachlich geboten gewesen, da das verwendete Baumkataster nicht mehr dem Stand der Technik entsprochen habe. Der Kläger habe bis zum Jahre 2007 lediglich technische Vorarbeiten geleistet sowie eine Marktanalyse durchgeführt. Zu seinen neuen Aufgaben im Rahmen des Projekts habe gehört, die fachlichen und technischen Anforderungen an die neue Software zu koordinieren, die Ausschreibung der Beschaffung vorzubereiten und gemeinsam mit den Mitarbeitern des Amtes für Informationsverarbeitung die Angebote auszuwerten. Die für diese Aufgaben erforderlichen DV-Berechtigungen seien eingerichtet worden. Zudem könne von einem Beschäftigten der Entgeltgruppe EG 11 TVöD-VKA erwartet werden, dass er selbständig und initiativ arbeite. Der Kläger habe sich fehlende Informationen über das Intranet und den Info-Pool beschaffen können. Erst zwei Monate nach Übertragung der Aufgabe habe der Kläger per E-Mail einen mangelnden Zugriff auf erforderliche Daten moniert. Versehentlich sei ein Zugriffsrecht nicht eingerichtet worden, was unverzüglich behoben worden sei. Soweit Unterlagen in Aktenordnern nicht vollständig gewesen seien, liege das an einer anderweitigen Verwendung aufgrund der langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Der Kläger sei lediglich einmal im Jahre 2006 dienstlich beurteilt worden und habe die Gesamtnote "gut" erhalten. Zudem habe der Kläger seine Ansprüche nicht fristgemäß nach den §§ 61 b ArbGG, 15 Abs. 4 AGG, 37 Abs. 1 TVöD-AT geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 18.02.2013, 25.04.2013, 13.09.2013, 31.01.2014, 21.03.2014, 23.04.2014, 19.05.2014 und 22.05.2014, die Sitzungsniederschrift vom 28.05.2014 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

A. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemä€ 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des§ 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

B. Der Berufung blieb der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine inhaltliche Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

I. Sämtliche vermeintliche Ansprüche des Klägers wegen (belästigender) Diskriminierung aufgrund Behinderung und ethnischer Herkunft sowie wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, soweit sie Handlungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern und Fachvorgesetzten bis zum 18.02.2011 betreffen, sind wegen verspäteter Geltendmachung verfallen.

1. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers, der vom Geltungsbereich des AGG nach § 6 AGG Abs. 1 Nr. 1 AGG erfasst wird, aus § 15 Abs. 2 AGG als auch ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden gemäß § 15 Abs. 1 AGG wie auch der Ersatz des materiellen Schadens nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG (Benachteiligungsverbot) unterliegt der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG.

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG oder § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die europarechtlich gebotenen Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität. Die Ausschlussfrist gilt sowohl für Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 2 AGG wie auch für Schadensersatzansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG und für Schadensersatzansprüche, die auf den denselben Lebenssachverhalt einer Benachteiligung wie der Schadensersatzanspruch des § 15 Abs. 1 AGG gestützt werden (BAG, Urt. v. 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 - m. w. N.). Die Frist beginnt grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte Kenntnis von seiner Benachteiligung erlangt (BAG, Urt. v.15.03.2012 - 8 AZR 37/11 - m. w. N.).

b) Die Geltendmachungsfrist für die unter B.I.1. genannten Ansprüche beträgt vorliegend sechs Monate, §§ 15 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AGG i. V. m. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT.

aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Beschäftigten geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus, § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT.

bb) Der TVöD ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel des Anstellungsvertrages vom 29.01.2002 anwendbar. Es handelt sich beim TVöD-AT um einen den BAT ersetzenden Tarifvertrag im Sinne der vertraglichen Bezugnahmeklausel (vgl.: BAG, Beschl. v. 22.04.2009 - 4 ABR 14/08 - m. w. N.).

2. Ebenfalls innerhalb der Frist des § 37 Abs. 1 TVöD-AT sind vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) geltend zu machen.

Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zählen wegen des einheitlichen Lebensvorgangs nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung, mithin auch Ansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. In sog. "Mobbing-Fällen" beginnt die Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung (vgl.: BAG, Urt. v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - m. w. N.). Wesensmerkmal der als "Mobbing" bezeichneten Form der Rechtsverletzung des Arbeitnehmers ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen/Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wobei den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukommt (BAG, Urt. v. 25.10.2007- 8 AZR 593/06 - m. w. N.). Diese Rechtsprechung gilt auch im Anwendungsbereich des § 37 TVöD-AT (vgl.: LAG Köln, Beschl. v. 02.03.2011 - 1 Ta 375/10 - m. w. N.; zur Vorgängervorschrift § 70 BAT: BAG, Urt. v. 27.04.1995 - 8 AZR 582/94 -).

3. Der Kläger hat erst mit Schreiben vom 17.08.2011, der Beklagten am 19.08.2011 zugegangen, Ansprüche wegen der Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft und Behinderung sowie Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend gemacht, so dass Handlungen und Verhaltensweisen bis 18.02.2011 außerhalb der sechsmonatigen Geltendmachungsfrist des § 37 TVöD-AT liegen.

II. Hinsichtlich der vom Kläger gerügten Vorgänge vom 08.02.2011 - deren Kenntnisnahme der Kläger für den 21.02.2011 und 15.09.2011 behauptet - und den Handlungen und Verhaltensweisen nach dem 18.02.2011 gilt Folgendes:

1. Zugriff aus das Benutzerkonto, Löschung von Daten, Zurücksetzung des Passworts, Datenänderung und Manipulationen in der Anwendung Outlook (Vorfälle Ziffer 42. und 43.)

a) Die vom Kläger gerügten Vorgänge zu Ziffer 42. und 43. lassen nicht einmal im Ansatz einen unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zu der ethnischen Herkunft des Klägers oder zu seiner Behinderung und damit zu einen der in § 1 AGG genannten Gründe erkennen. Sie sind daher zur Anspruchsbegründung einer Entschädigung oder eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG ungeeignet.

b) Die Vorgänge sind auch nicht Bestandteil eines systematischen und zielgerichteten Prozesses zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Der Ersatz immaterieller Schäden kann im Übrigen nicht auf § 7 Satz 1 BDSG gestützt werden (Simitis, 7. Auflage, § 7 BDSG Rdn. 32 f. m. w. N.). Jedoch unterfällt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht leitet sich die Befugnis ab, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl.: ErfK/Schmidt, 13. Auflage, Art 2 GG Rdn. 45 m. w. N.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet darüber hinaus das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich dieses Rechts gehören u.a. der Ehrenschutz, der Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs. Es umfasst auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG, Urt. v. 28.10.2010 - 8 AZR 546/09 - m. w. N.).

c) Die Vorgänge zu Ziffer 42. und Ziffer 43 stehen in keinem inneren sachlichen Zusammenhang mit der vom Kläger geschilderten "Mobbing-Situation" am Arbeitsplatz der Gruppe 670/23, die sich aus Sicht des Klägers im Wesentlichen aus den Elementen mangelnder Schutz vor den Anfeindungen des Herrn G und des Herrn B , Degradierung und Übertragung von "Dummy-Aufgaben" gründet. Es handelt sich ferner um sachlich begründete Verhaltensweisen, die nicht auf eine feindliche Motivation des Sachgebietsleiters B und des stellvertretenden Amtsleiters M zurückzuführen sind. Sie verletzten nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

Der Sachgebietsleiter B hat unter dem 07.02.2011 (Aktennotiz Bl. 2206 d.A.) beim stellvertretenden Amtsleiter M die Rücksetzung des Passwortes für den account des Klägers beantragt und erhalten. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Zustimmungserklärung im Nachhinein, nach mehreren Jahren, erstellt worden ist, bestehen keine. Zur Begründung hat der Sachgebietsleiter sich darauf berufen, dass einerseits der Kläger weiterhin erkrankt sei. Andererseits sei zur Vermeidung von Verzögerungen bei der anstehenden Auftragsvergabe und der anschließenden Implementierung der Anwendung des neuen Friedhofsverwaltungsprogramms der unter dem dienstlichen account des Klägers eingegangene E-Mail-Verkehr zu prüfen. Zu diesem Zweck sollte das Passwort zurückgesetzt werden, um diese Einsichtnahme zu ermöglichen. Die Maßnahme war aus nachvollziehbaren dienstlichen Gründen veranlasst. Sie bezieht sich nicht auf die Einsicht in private E-Mails des Klägers. Der Kläger behauptet auch nicht, dass er private E-Mails entgegen den Anordnungen der Beklagten überhaupt gespeichert hatte. Die Zurücksetzung des Passwortes war arbeitstechnisch geboten und diente nicht der Ausgrenzung des Klägers, sondern der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs. Die Beklagte bedurfte angesichts des laufenden Projekts der aktuellen, umfassenden Kenntnis der Korrespondenz. Es war weder sichergestellt noch musste es der Kenntnis des Sachgebietsleiters Breuer entsprechen, dass "alle relevanten" Informationen in Projektordnern bzw. auf dem Server unter "offene Projekte" abgelegt waren. Die Vorgesetzen hatten im Übrigen auch keinen erkennbaren Anlass zur Annahme, dass der Kläger während seiner längerfristigen Arbeitsunfähigkeit auf seinen dienstlichen account zugreifen wollte, um ungeachtet seiner Dienstunfähigkeit seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben nachzugehen. Gegen welche konkreten städtischen Datenschutzbestimmungen die Beklagte verstoßen haben soll, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

Es ist auch nicht ersichtlich welche konkreten "sensible Daten" persönlicher Art am 08.02.2011 gelöscht bzw. geändert worden sein sollen. Es bleibt nach dem Klägervortrag gänzlich offen, welche E-Mails gelöscht, welche konkreten Datenänderung auf dem Server vorgenommen und welche Einträge im Kalender und im Aufgabenbereich des Klägers entfernt sein sollen.

Soweit der Kläger auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Outlook-Kalender und damit der Kenntnisnahme von nicht näher spezifizierten Ärztekontaktdaten/Arzttermine verweist, ist zum einen nicht ersichtlich, dass überhaupt jemand diese Daten zur Kenntnis genommen hat. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass und wer überhaupt solche Daten aus welchen Gründen zumindest im Outlook-Kalender vermuten durfte und sie zielgerichtet ausspioniert hat. Es gab keine Vorgabe der Beklagten, die Art des im Outlook geblockten Termins näher zu kennzeichnen. Selbst wenn die Beklagte aber unbefugt Kenntnis von Eintragungen des Klägers über Arzttermine (Datum, Uhrzeit und Name des behandelnden Arztes) erlangt haben sollte, so wäre dies weder als ein schwerwiegender rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu werten noch wäre der Beklagten ein scherwiegender Verschuldensvorwurf zu machen. Die Beklagte hat keine Kenntnis von konkreten Erkrankungen des Klägers erlangt, ihr Handeln war sachorientiert und allenfalls als fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) einzustufen. Der Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt aber eine schwerwiegende Verletzung dieses Rechts voraus, was von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund sowie Grad des Verschuldens abhängt. Zudem darf keine andere Möglichkeit bestehen, die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung auf andere Weise befriedigend auszugleichen (BAG, Urt. v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - m. w. N.).

Die Zurücksetzung des Passwortes geht auch nicht auf eine bewusste Falschdarstellung des Sachgebietsleiters Breuer zum Zustand des Postfaches zurück, sondern der Grund der Änderung des Passworts ist in der geschilderten Aktennotiz vom 07.02.2011 zu finden. Der Sachgebietsleiter Breuer hatte ausweislich E-Mail vom 08.02.2011 (Anlagenband Anlage K 171) mitgeteilt, dass er "auch" keine Abwesenheitsnotiz mehr erhalte, "offensichtlich" sei das Postfach voll, die Mails sollten in ein Archiv kopiert werden. Er hat also nicht die Zurücksetzung des Passworts wegen des Zustandes des Postfachs gefordert. Lediglich der Adressat der E-Mail hat scheinbar einen Zusammenhang zwischen dem Postfach und dem Zurücksetzen des Passworts hergestellt, wie dem Servicecall vom 08.02.2011 (Anlagenband K 172) zu entnehmen ist. Der E-Mail von Herrn B ist allenfalls eine unzutreffende Verbindung zwischen dem Nichterhalt von Abwesenheitsnotizen und Zustand des Postfachs zu entnehmen.

2. Übergehen bei der Beförderung des Herrn G seit 02.07.2012 (Vorfall Ziffer 44.)

Der Kläger ist durch die Besetzung der nach EG 11 bewerteten Stelle eines DV-Systemtechnikers mit Herrn G weder unmittelbar (§ 3 Abs. 1 AGG) noch mittelbar (§ 3 Abs. 2 AGG) im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt worden. Zwar mag der Kläger die Beförderung des Herrn G als psychisch belastend empfinden, weil aus seiner Sicht ein Täter des "Mobbing-Kartells" auch noch "befördert" wird. Die Auswahl des Herrn G hat aber keinen Einfluss auf die berufliche Stellung des Klägers. Der Kläger ist weiterhin gemäß Anstellungsvertrag vom 29.01.2002 als DV-Systemtechniker bei der Beklagten angestellt, seine bisherige tarifliche Eingruppierung EG 11 TVöD-VKA bleibt unverändert und hätte sich auch nicht dadurch geändert, wenn die Besetzung der Stelle eines DV-Systemtechnikers mit Herrn G unterblieben wäre. Selbst wenn man eine für den Kläger nachteilige Maßnahme annehmen würde, so mangelt es an hinreichenden Indizien für die Vermutung, dass zwischen der Behinderung und der ethnischen Herkunft des Klägers und der Stellenbesetzung ein Kausalzusammenhang bestand. Die Benachteiligung muss an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen oder durch einen dieser Gründe motiviert sein, wobei ausreichend ist, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst (vgl.: BAG, Urt. v. 20.06.2013 - 8 AZR 482/12 - m. w. N.). Das ist aber nicht der Fall, denn aufgrund der langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand ein nachvollziehbarer Besetzungsbedarfs. Nach der unstreitigen allgemeinen Praxis bei der Beklagten werden Stellen nach neun Monaten in das sog. Übersoll gesetzt, damit sie nachbesetzt werden können. Die Beklagte hatte weder zu diesem Zeitraum noch zum Zeitpunkt der Ausschreibung im Februar 2012 noch zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung Anhaltspunkte dafür, ob und wann der Kläger wieder arbeitsfähig sein wird. Der Beschäftigte G wurde auserwählt, weil er von den vier Bewerbern der "Leistungsbeste" war.

Aufgrund des objektiv vorhandenen Besetzungsbedarfs und der Tatsache, dass Herr G unter den Bewerbern nach dem Grundsatz der Bestenauslese ausgewählt wurde, lässt sich die Stellenbesetzung auch nicht als "Krönung" des früheren "Mobbing-Verhaltens" ansehen. Die Stellenbesetzung hatte auch keinen persönlichkeitsrechtsverletzenden Charakter, möglicherweise wurden Gefühle, aber nicht Rechte des Klägers tangiert. Sie war nicht ein nur scheinbar neutraler Bestandteil eines systematischen und zielgerichteten Agierens gegen den Kläger. Die angeblichen "Mobbingattacken" hatten bereits im Januar 2011 mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ihr Ende gefunden. Nicht nur der Grund der Stellenbesetzung, sondern auch die Ungewissheit über den Zeitpunkt der Rückkehr des Klägers sowie der lange zeitliche Zwischenraum (vgl. hierzu: BAG, Urt. v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - m. w. N.) zwischen den behaupteten "Mobbing-Handlungen" und der Stellenbesetzung sprechen gegen eine inhaltliche Systematik.

3. Übertragung der Aufgabe im Baumkataster, Entzug von Berechtigungen und Abschneiden von Informationen seit dem 02.07.20012 (Vorgänge zu Ziffer 45. und 46.)

Hinsichtlich der Vorgänge Ziffer 45. und 46. ab Wiedereingliederung des Klägers seit dem 02.07.2012 sieht die Kammer keinerlei relevanten Indizien für die Annahme einer Benachteiligung des Klägers wegen seiner ethnischen Herkunft oder seiner Behinderung. Sie stellen auch keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, sondern sind Ausdruck eines - bis zur Versetzung am 15.02.2013 - schwelenden Arbeitsplatzkonflikts mit für das Arbeitsleben nicht untypischen Ausprägungen.

a) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmtes Gesamtverhalten als rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder als Gesundheitsverletzung zu qualifizieren ist, ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen. Dabei ist auf eine objektive Betrachtungsweise ohne Rücksicht auf subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers abzustellen. Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und bei denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, stellen nur in seltenen Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten, denen sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen. An der verschiedene Einzelhandlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn sie durch verschiedenen Vorgesetzten zeitlich aufeinander erfolgen, die nicht zusammenwirken (BAG, Urt. v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - m. w. N.).

b) Die Übertragung der Aufgabe der Erstellung eines Baumkatasters, zunächst mit Zustimmung des Klägers im Rahmen einer Wiedereingliederung (§ 74 SGB V) und sodann im fortgeführten Arbeitsverhältnis, stellt keinen Angriff auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers oder seine Gesundheit dar. Das Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht auf die Leistung von Arbeit im Sinne des arbeitsvertraglichen Leistungsaustausches gerichtet. Es dient der Erprobung, ob der Arbeitnehmer zur Wiederherstellung seiner vollen Arbeitsfähigkeit gelangen kann. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, eine vom Arbeitgeber bestimmte Tätigkeit auszuführen (BAG, Urt. v. 28.07.1999 - 4 AZR 192/98 - m. w. N.). Die Beklagte hat nicht gegen den Wiedereingliederungsplan verstoßen, die Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsprozess war erfolgreich. Die fortgesetzte Übertragung der Aufgabe der DV-technischen Beschreibung zu den Prozessabläufen des Baummanagements und Erstellung eines Pflichtentenheftes zur Einführung eines Baumkatasters nach der Wiedereingliederung war vom Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 GewO) gedeckt. Es handelt sich nicht um eine minderwertige Tätigkeit, die der Eingruppierung des Klägers nach der EG 11 TVöD-VKA nicht gerecht wurde. Der Kläger war bereits in den Jahren 2005 und 2006 mit DV-Arbeiten im Rahmen der der Erstellung eines Baumkatasters betraut gewesen. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung des Klägers, bei der erneuten Zuweisung habe es sich um eine "Dummy- bzw. Pseudo-Aufgabe" gehandelt, weil die Arbeiten bereits in den Jahren 2005/2006 "abgeschlossen" worden seien oder es sich lediglich um ein überflüssiges "Update" gehandelt habe. Es ist nachvollziehbar und plausibel, dass eine Überarbeitung und Fortschreibung wegen neuerer Entwicklungen erforderlich war. Die Dienstanweisung zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen in Köln datiert vom 26.11.2007 (Bl. 2143 ff. d. A.), die nunmehr zu beachtende Baumkontrollrichtlinie war im Jahre 2010 novelliert worden und die ebenfalls zu berücksichtigenden Richtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschafsbau e.V. sind erst im März 2012 erstellt worden. Diese Änderungen waren unter Berücksichtigung der Prozessbeschreibung bei der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses zur Vorbereitung der Ausschreibung einer IT-Anwendung zu beachten. Wenn der Kläger meint, der Charakter der "Pseudo-Aufgabe" hinsichtlich der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für die Baumkontrolle zeige sich daran, dass das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen 15 Monate in diesem Bereich passiv gewesen sei, so ist dem zu entgegnen, dass gerade ein zeitlicher Rückstand die Dringlichkeit einer Aufgabe mit sich bringen kann. Soweit der Kläger ausführt, als IT-Fachmann könne er aus fachlichen Gründen keine Leistungsverzeichnisse für Baumkontrolleure erstellen, so verkennt er, dass die Beklagte ihn für die fachliche Seite qualifizierte Ansprechpartner der Fachabteilung Baum, die Herren S und M , benannt und zur Verfügung gestellt hat, so dass er auch nicht von dem notwendigen Informationsfluss abgeschnitten uns isoliert war.

Soweit der Kläger unzureichende Arbeitsbedingungen moniert, weil er nicht über die notwendigen Zugriffsrechte verfügt hat, ist zunächst zu bemerken, dass er zwar eine Dokumentation über gesperrte Zugriffsrechte vorgelegt hat (Bl. 1956 ff. d.A.), jedoch sich hieraus noch nicht ergibt, dass und welche Zugriffsrechte für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung überhaupt notwendig waren. Der Kläger verzerrt den Sachverhalt, wenn er behauptet, er sei zwei Monate ohne Zugriffsrechte gewesen. Die aus Sicht der Beklagten erforderlichen Zugriffsrechte sind in der Aufgabenzuweisung vom 21.06.2012 (Bl. 1586 d.A.) enthalten. Warum diese Aufzählung unvollständig sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Richtig ist, dass ein einziges Zugriffsrecht auf das Laufwerk/neuen Ordner K-Datenaustausch/1670-671/Migration Baumkataster zunächst entgegen der Aufgabenzuweisung nicht eingerichtet war. Es ist der Beklagten, die die Einrichtung dieses Zugriffs ausdrücklich vorgesehen hatte, wie der Aufgabenzuweisung vom 21.06.2012 zu entnehmen ist, aber nicht zu widerlegen, dass die mit der Durchführung beauftragte Stelle 670/2 dies versehentlich unterlassen hat.

Auf die Rüge des Klägers vom 05.09.2012 (Bl. 1591) hinsichtlich fehlender Unterlagen hat die Beklagte auch nicht abweisend reagiert, sondern per E-Mail noch am 10.09.2012 (Bl. 1594 d. A.) mitgeteilt, dass dem Kläger alle Mittel und Daten zur Verfügung gestellt werden, die er für die Aufgabe benötigt. Schon am 05.09.2012 wurden die Ordner K:/Projekte/NBPK67 und G:/670-2/670-23/IT-Koordination/o1-Offene-Projekte/Baumkataster-Baumkontrolle-GIS zur Verfügung gestellt und der Kläger in der E-Mail konstruktiv gebeten, konkret mitzuteilen, was er ansonsten noch benötige. Die Tatsache, dass Unterlagen in den dienstlichen Ordnern des Klägers nicht mehr vorhanden waren, ist erklärlich, weil der Kläger langfristig erkrankt war und seine Aufgaben und Projekte von anderen Mitarbeitern bearbeitet und fortgeführt werden mussten. Der vom Kläger vorgebrachte Vorwurf der "Entwendung" von Dokumentationen ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar.

Die organisatorische Zuordnung des Klägers stand im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Dem Arbeitgeber verbleibt ein Ermessensspielraum, mit welchen Maßnahmen er auf (vermeintliche) Belästigungen eines Arbeitnehmers durch Mitarbeiter und Vorgesetzte reagiert (BAG, Urt. v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06 - m. w. N.). Die Zuordnung des Klägers ab Juli 2012 zum Sachgebiet 670/1 - verbunden mit einem Vorgesetztenwechsel - war den Auseinandersetzungen im früheren Arbeitsumfeld geschuldet und sachlich angemessen. Der Kläger wurde von der Beklagten aus der aus seiner Sicht belastenden Arbeitssituation, der "Sandwich-Position" zwischen Herrn G einerseits und den Herren B und M andererseits befreit. Die Zuordnung diente erkennbar dem Ziel der Vermeidung weiterer Arbeitsplatzkonflikte.

4. Die Annahme einer erneuten Diskriminierung und zugleich Maßregelung durch Unterlassen einer guten Beurteilung nach Klagerhebung ist nicht plausibel, denn die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger bisher lediglich einmal im Jahre 2006 beurteilt worden ist. Einen üblichen oder einzuhaltenden Beurteilungsrhythmus hat der Kläger nicht dargetan.

5. Insgesamt ergeben sich aus den einzelnen zu B. II. 1. bis 4. erörterten Handlungen und Verhaltensweisen und in ihrer Gesamtschau keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen zielgerichteten, systematischen Angriff von Mitarbeitern und Vorgesetzten auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Vorgänge 42. und 43. stehen in keinem inneren Zusammenhang mit der späteren Stellenbesetzung oder der Arbeitsplatzsituation nach der Wiedereingliederung. Die Aufgabenübertragung ab Juli 2012 wiederum ist nicht Folge der Stellenbesetzung, sondern als Vermeidung des Wiederauftretens des früheren Arbeitsplatzkonflikts anzusehen. Die Auseinandersetzungen über Art und Inhalt der Tätigkeit ab Juli 2012 stellen sich als nicht untypischer Konflikt am Arbeitsplatz dar, gekennzeichnet von einer Unzufriedenheit des Klägers über die Aufgabenzuweisung. Folgerichtig endeten die Konflikte in dem Moment in dem die zwischenzeitlichen Vermittlungsbemühungen der Beklagten erfolgreich waren und der Kläger auf eine freie, neue Arbeitsstelle versetzt werden konnte, die seinen Erwartungen entspricht.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

E. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.






LAG Köln:
Urteil v. 28.05.2014
Az: 11 Sa 1102/12


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