Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 24. September 2008
Aktenzeichen: 5 U 118/07

(OLG Hamburg: Urteil v. 24.09.2008, Az.: 5 U 118/07)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 30. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Haushalts-Reinigungsmittel. Die Antragstellerin vertreibt Reinigungsmittel unter der Marke "Mr. Proper", die Antragsgegnerin vertreibt ihre Reinigungsmittel unter der Marke "Sagrotan€.

Die Antragsgegnerin bietet verschiedene Produkte unter der Bezeichnung "Sagrotan 4 in 1" an (Anlagenkonvolut ASt 7). Auf der Vorderseite aller Produkte werden jeweils vier - je nach Produkt zum Teil unterschiedliche - Eigenschaften bzw. Vorteile des Produkts herausgestellt. Bei allen Produkten findet sich an dritter Stelle der Hinweis "3. Mit frischem Duft".

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Dieses Verhalten beanstandet die Antragstellerin als wettbewerbswidrig. Sie macht geltend, bei dem frischen Duft handele es sich nicht - wie bei den anderen Angaben - um eine Wirkungskomponente des jeweiligen Reinigers. Vielmehr verfügten alle haushaltsüblichen Reinigungsmittel über eine derartige Eigenschaft. Die Antragsgegnerin bewerbe damit zu Unrecht eine vierfache Wirkung ihres Produkts (Anlage ASt 8).

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.04.07 wegen dieses sowie eines weiteren, in zweiter Instanz nicht mehr streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoßes ab (Anlage ASt 12). Die Antragsgegnerin wies die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 25.04.07 (Anlage ASt 14) zurück.

Die Antragstellerin hat vorgetragen,

mit der angegriffenen Werbung täusche die Antragsgegnerin die angesprochenen Verkehrskreise über die Wirkungsweise und damit über die Beschaffenheit der beworbenen Produkte. Der angesprochene Verkehr verstehe eine solche Werbung in der Weise, dass das angepriesene Produkt die Eigenschaften von vier ansonsten separat zu erwerbenden Produkten in sich vereinige. Dies sei aber hier nicht der Fall. Da der angenehme Duft eines Reinigungsmittels von keinem Hersteller besonders herausgestellt werde, liege zudem eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten vor.

Die Antragstellerin hat (soweit im Rahmen der Berufung noch von Bedeutung) in erster Instanz beantragt,

die Antragsgegnerin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer,zu unterlassen,

Reinigungsprodukte unter der Dachmarke "Sagrotan" mit der Bezeichnung "4 in 1" anzubieten, feil zu halten, zu bewerben/oder in den Verkehr zu bringen, soweit diese Produkte nicht vier unterschiedliche Wirkungskomponenten aufweisen.

Auf der Grundlage dieses Antrags (der mit einem weiteren Verbotsantrag verbunden war) hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 27.04.08 eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen. Hiergegen richtet sich € beschränkt auf den streitgegenständlichen Verbotsantrag - der Widerspruch der Antragsgegnerin, mit dem diese in erster Instanz begehrt hat,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin macht geltend,

eine Irreführung könne schon deshalb nicht eintreten, weil die unter der Bezeichnung "4 in 1" herausgestellten Eigenschaften unmittelbar neben dieser Bezeichnung unmissverständlich aufgelöst und bezeichnet würden. Auch die jeweilige Duftnote sei auf dem Etikett angegeben. Auf der Rückseite der Produkte sei im Übrigen klargestellt, dass es sich bei den vier Eigenschaften nicht um "Wirkungskomponenten", sondern um "Vorteile" des jeweiligen Produkts handele.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Widerspruch zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Das Landgericht Hamburg hat mit dem angegriffenen Urteil vom 30.05.07 die einstweilige Verfügung unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags wieder aufgehoben. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin. Die Antragstellerin verfolgt in zweiter Instanz ihr Unterlassungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter. Ihren in erster Instanz zu Protokoll der Kammersitzung gestellten Hilfsantrag hat die Antragstellerin in zweiter Instanz nicht mehr aufgegriffen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Mai 2007 abzuändern und die beantragte einstweilige Verfügung zu Ziffer 1. erneut zu erlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die zunächst erlassene einstweilige Verfügung zu Ziffer 1. wieder aufgehoben und den ihr zu Grunde liegenden Antrag zurückgewiesen. Ein Unterlassungsantrag steht der Antragstellerin nicht zu. Die von ihr angegriffene Werbung ist nicht irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann der Senat auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.

1. Es mag sein - und der Senat kann dies dahinstehen lassen -, dass bei bestimmten Produkten der Hinweis z.B. auf €2 in 1€ bei den angesprochenen Verkehrskreisen zu der Vorstellung führen kann, hierbei handele es sich um eine Kombination von zwei ansonsten separat zu erwerbender Produkte. Die Antragstellerin hat hierzu insbesondere Beispiel aus dem Bereich der Haar- und Zahnpflegeprodukte vorgelegt (Anlage BB 1). Eine allgemeine Verkehrserwartung dahingehend, bereits die Anpreisung nach Art €X in 1€ weise stets oder nur regelmäßig auf eine derartige Kombination ansonsten selbstständig zu erwerbender Produkte hin, ist indes erfahrungswidrig. Dies vermag der Senat aus der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder zu beurteilen, denn diese gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Die Antragsgegnerin hat vielfältige Beispiele für eine gegenteilige Praxis vorgelegt (Anlage AG 3 und AG 4). Insbesondere im Bereich der Haushaltsreinigungsmittel sowie der Geschirrspülmaschinenmittel finden sich bei derartigen werblichen Anpreisungen häufig neben eigenständigen Produktkategorien (Reiniger, Klarspüler, Glasschutz) auch Merkmale, die entweder keine oder nicht stets eine eigenständige Produktkategorie bezeichnen (Entkruster, Reinigungs-Verstärker, Niedrigtemperatur-Aktivator, Extra-Spülkraft) oder vollständig ohne Relevanz für das Reinigungsergebnis sind (wasserlösliche Folie). Das Verkehrsverständnis wird entscheidend davon geprägt, wie derartige Anpreisungen für die konkret in Frage stehenden Produkte üblicherweise verstanden werden. Demgemäß sind die von der Antragstellerin in Anlage BB 2 für Tischfußballtische, Elektroschocker und Datenkabel vorgelegten Werbebeispiele für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ohne Bedeutung.

2. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es deshalb nicht maßgeblich darauf an, welches Verständnis die angesprochenen Verkehrskreise allgemein von Kombinationsprodukten der Art "4 in 1" haben. Es ist hierfür nicht entscheidend, ob in der Werbung mit derartigen Aussagen € unabhängig von der Frage einer Kombination separat zu erwerbender Produkte - nur auf Eigenschaften bzw. Wirkstoffe oder auch auf sonstige Vorteile hingewiesen werden darf, ohne dass eine Irreführung zu besorgen ist. Maßgeblich ist ausschließlich das Verkehrsverständnis in der konkreten Verwendungssituation. Im Übrigen ist es selbst in Sachverhaltsgestaltungen wie der vorliegenden nicht ausgeschlossen, dass es tatsächlich Verbraucher gibt, die geneigt wären, im Anwendungsbereich der streitgegenständlichen Reiniger zusätzliche Duftmittel einzusetzen, um die gereinigten Flächen nicht nur zu säubern, sondern auch mit einem angenehmen Geruch zu versetzen.

3. In der konkreten Verwendungssitution der Werbung besteht die Gefahr einer wettbewerblich relevanten Irreführung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG ersichtlich jedenfalls aus anderen Gründen nicht.

a. Im vorliegenden Fall kann nach Auffassung des Senats eine Irreführung schon deshalb nicht eintreten, weil die Antragsgegnerin ihre Werbebehauptung "4 in 1" in klar erkennbar und unmissverständlicher Weise unmittelbar neben dem blickfangmäßig herausgestellten "Prädikat" in wettbewerbsrechtlich zulässiger Weise erläutert hat. Diese mit vier Ordnungszahlen versehene Erläuterung nimmt ebenfalls am Blickfang teil und vermittelt dem Verkehr ein zutreffendes Verständnis von den vier "Komponenten" bzw. "Eigenschaften" oder "Vorteilen", auf die sich die Werbeaussage bezieht. Dementsprechend kann der angesprochene Verkehr nicht im Zweifel darüber sein, wie diese Aussage richtigerweise zu verstehen ist. Eine gleichwohl bestehende Fehlvorstellung wäre nicht wettbewerblich relevant.

b. Die Auffassung der Antragstellerin, die Auflösung der Anpreisung "4 in 1" nehme nicht ebenfalls am Blickfang teil, ist ersichtlich unzutreffend. Die Antragstellerin verkürzt die rechtliche Betrachtung in unzulässiger Weise, wenn sie insoweit ausschließlich auf die unterschiedlichen Größenverhältnisse abstellt. Die maßgeblichen Angaben sind nicht nur unmittelbar nebeneinander angeordnet. Sie sind zudem durch die Farbgestaltung des Etiketts (blau/weiß) und eine bogenförmige Umrandung von links oben nach rechts unten miteinander verbunden. Selbst wenn alles dies eine entsprechend unzweideutige Zuordnung nicht bewirken könnte, werden derartige Bedenken durch die übereinstimmende Farbgebung der arabischen Zahlen zweifelsfrei ausgeräumt. Die Aussage "4 in 1" ist in einem leuchtend roten Farbton gehalten. Unmittelbar rechts daneben werden neben den Ordnungszahlen 1. bis 4. hierzu die Erläuterungen gegeben. Diese vier Ordnungszahlen sind in demselben leuchtend roten Farbton gehalten. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist damit auf den ersten Blick und ohne jede Mühe erkennbar, durch welche Erläuterungen die Antragsgegnerin ihre werbliche Anpreisung "4 in 1" konkret aufgelöst wissen will. Hierzu bedarf es nicht der Hinzuziehung des Etiketts auf der Rückseite des Produkts oder sonstiger Informationen. Diese Sachhinweise werden von den Verkehrskreisen einheitlich wahrgenommen. Dies insbesondere auch deshalb, weil ansonsten der Anspruch "4 in 1" unverständlich und inhaltsleer wäre. Denn der Verbraucher könnte ohne die Wahrnehmung der daneben stehenden Erläuterungen überhaupt nicht nachvollziehen, worauf sich diese Aussage beziehen soll. Ein zur Irreführung geeignetes Missverständnis ist insoweit nach Auffassung des Senats ausgeschlossen. Die gegenteilige Auffassung der Antragstellerin ist erfahrungswidrig.

c. Eine Bezugnahme auf das Kriterium "Mit frischem Duft" ist in dem konkreten Äußerungszusammenhang neben den übrigen - primär auf die Schmutzentfernung bezogenen - Eigenschaften auch im Übrigen wettbewerblich zulässig. Der angenehme Duft eines Reinigungsmittels stellt sich in der Wahrnehmung der Verbraucher heute als ein nicht völlig unerhebliches Kriterium für den Kauf dar. Dies vermag der Senat aufgrund der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder zu beurteilen, die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Hierfür spricht unter anderem auch die Tatsache, dass einer Pressenotiz der Zeitung WELT Kompakt Anfang September 2008 zu entnehmen war, eine Umfrage in Deutschland habe ergeben, der €Hausputz€ mache vielen Bürgern mehr Freude, wenn die verwendeten Reinigungsmittel einen angenehmen Duft verströmten. Wasch- und Reinigungsmittel werden dementsprechend zunehmend mit bestimmten (auch werblich herausgestellten) Düften bzw. in verschiedenen Duftvariationen angeboten. Dies ist auch in Bezug auf die Produkte der Antragsgegnerin der Fall. Diese hat nicht nur irgendeinen frischen Duft beworben, sondern für ihre Produkte auf unterschiedliche Duftnoten hingewiesen. Dies ist bei dem Multi-Aktiv-Reiniger die Duftnote "frühlingsfrisch", bei dem Allzweck-Reiniger sowie bei dem Bad-Reiniger die Duftnote "meeresfrisch", bei den Allzweck-Tüchern die Duftnote "citrusfrisch". Die Bezeichnung dieser Duftnoten ist auf allen Produkten auf der Schauseite unmittelbar unterhalb der Aufzählung der 4 Eigenschaften bzw. Vorteile aufgeführt. Sie bleibt den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verborgen. Sie erkennen deshalb, dass es nicht nur darum geht, dass das Produkt über irgendeinen Duft verfügt, sondern dass hiermit eine bestimmte Duftrichtung beworben wird, die für eine besondere Frische steht.

3. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Bezugnahme auf das Kriterium "mit frischem Duft" auch nicht um eine gemäß § 5 UWG unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Denn die Antragsgegnerin ist nicht gehindert, diesen Vorzug ihres Produkts auch werblich zu betonen. Wäre die Auffassung der Antragstellerin richtig, dass - mit Ausnahme für die Verkehrsauffassung irrelevanter Nischenprodukte € ohnehin jedes Reinigungsmittel einen frischen Luft vermittelt, so scheidet eine Irreführung schon deshalb aus, weil der Verkehr dann auch ohne Weiteres erkennt, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 5 Rdn. 2.115).

4. Auch die Auffassung der Antragstellerin, ein derartiges Rechtsverständnis leiste einer wahllosen und inflationären Anpreisung jedweder Bezeichnung ohne Bedeutung Vorschub, überzeugt nicht. Die von ihr hierzu gebildeten Beispiele - schöne Form der Sprühflasche, praktischer Sprühkopf, ansprechendes Design des Labels - sind ersichtlich nicht vergleichbar. Denn hierbei handelt es sich um Eigenschaften, die nicht in der chemikalischen Wirkung das Reinigungsproduktes selbst begründet sind.

5. Da sich das von der Antragstellerin als wettbewerbswidrig angegriffene Verhalten bereits materiell nicht als unzulässig darstellt, muss sich der Senat nicht mit der Frage befassen, ob der Antragstellerin ein Verfügungsgrund zur Seite gestanden hat und ob der Verfügungsantrag hinreichend konkret gefasst gewesen ist. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin für ein umfassendes Verbot nach Maßgabe des Verfügungsantrags keine wettbewerbsrechtliche Begehungsgefahr gesetzt hätte. Der gestellte Antrag erfasst die werbliche Verwendung, in der die Antragsgegnerin die Bedeutung der Anpreisung €4 in 1€ in dem unmittelbaren Äußerungszusammenhang erläutert hat, nicht ausreichend. Es ist nichts dafür ersichtlich oder von der Antragstellerin vorgetragen, dass die Antragsgegnerin die Anpreisung €4 in 1€ ohne unmittelbare Erläuterung verwendet hat oder beabsichtigt, dies zu tun. Angesichts der Tatsache, dass der Verfügungsantrag auch inhaltlich nicht begründet ist, bestand keine Veranlassung, auf eine veränderte Antragstellung hinzuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.






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Urteil v. 24.09.2008
Az: 5 U 118/07


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