Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 325/05

(BPatG: Beschluss v. 11.04.2006, Az.: 6 W (pat) 325/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 11. April 2006 (Aktenzeichen 6 W (pat) 325/05) entschieden, dass das Patent "Selbstfahrende Straßenfräsmaschine mit Kühlsystem" aufrechterhalten wird, jedoch beschränkt auf bestimmte Unterlagen. Gegen das Patent wurde ein Einspruch erhoben, da die Einsprechende behauptet hat, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei. Als Belege dafür wurden verschiedene technische Unterlagen vorgelegt. Die Patentinhaberin hingegen argumentierte, dass der Patentgegenstand neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Im Beschluss wird erklärt, dass der Einspruch zulässig ist, da er ausreichend substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt ist. Es wurden Tatsachen angeführt, die die behaupteten Vorbenutzungen mit dem Patentgegenstand vergleichen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Patentgegenstand gegenüber dem Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es wurden keine Hinweise auf eine vergleichbare Lösung in den angeführten technischen Unterlagen gefunden.

Daher wird das Patent aufrechterhalten, jedoch beschränkt auf bestimmte Unterlagen. Die Entscheidung betrifft auch die geltenden Unteransprüche 2 bis 12, die auf vorteilhafte Weiterbildungen des Patentgegenstandes abzielen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.04.2006, Az: 6 W (pat) 325/05


Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 - 12 vom 11. April 2006, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das Patent 103 47 872 mit der Bezeichnung "Selbstfahrende Straßenfräsmaschine mit Kühlsystem", dessen Erteilung am 14. April 2005 veröffentlicht wurde, ist am 13. Juli 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstandes.

Die Einsprechende führt hierzu als druckschriftlichen Stand der Technik die DE 199 37 604 A1 an.

Ferner macht sie mehrere offenkundigen Vorbenutzungen geltend, wozu sie die jeweils aufgeführten Unterlagen vorlegt:

- Straßenfräsmaschine "Procut 100 F" (ABG-Baumuster 604), belegt durch Zeichnungen Nr. 85224 K604 2000 00 und Nr. 101900 K604 1829 00;

- Straßenfertiger "ABG Titan 273", belegt durch Zeichnung Nr. 54424908S273110100;

- Straßenfertiger "ABG Titan 323 ES/Titan 324", belegt durch Zeichnungen Nr. 13997929 U324 0103 43 und Nr. 13993407 K324 2110 02;

- Straßenfertiger "ABG Titan 423", belegt durch Zeichnungen Nr. 14244859 und Nr. 87899829 S423 181700;

- Straßenfertiger "ABG Titan 322/323", belegt durch Zeichnungen Nr. 86703 U322 0102 43, Nr. 14274625 K322 211002, Nr. 82501 S322 184302 und Nr. 85144 E322 8041 13;

- Straßenfertiger "ABG Alexander 134", belegt durch Zeichnungen Nr. 103121 U135 0000 43 und Nr. 54165 K134 0332 01;

- "Dynapac Kaltfräse PL 350 S", belegt durch Anlagen DY1 bis DY7 sowie Ersatzteilkatalog Blatt 501-06110, 501-08100, 501-01110A und 501-11115A und - Wehrmachtsgespann BMW-R75 "Sahara", belegt durch ein Kompendium von Hans-Peter HOMMES.

Für die Richtigkeit der behaupteten Umstände der jeweiligen Vorbenutzung sowie der Übereinstimmung der in den Zeichnungen kenntlich gemachten Merkmale mit denen der betreffenden Maschinen liegt die eidesstattliche Versicherung eines zum Beweis angebotenen Zeugen vor.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 12 vom 11. April 2006, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin hält den Einspruch mangels hinreichender Substantiierung für unzulässig. Sie widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden und legt dar, dass der Patentgegenstand gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Selbstfahrende Straßenfräsmaschine mit einem Kühlsystem, aufweisend mindestens ein Gebläse (36) zum Ansaugen von Kühlluft, mindestens einen Kühler (34) und mindestens einen Ansaugkanal (38; 40), wobei der Ansaugkanal (38; 40) eine dem Kühler (34) zugewandte Auslassöffnung (42; 44) und eine Einlassöffnung (46; 48) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlassöffnung (46; 48) bezogen auf die Längsachse (30) der Straßenfräsmaschine zu der Seite der Straßenfräsmaschine weist, so dass die Kühlluft seitlich ansaugbar ist, und wobei der Ansaugkanal (38; 40) einen sich an die Einlassöffnung (46; 48) anschließenden ersten Kanalabschnitt (50; 52), durch den die Kühlluft im wesentlichen parallel zur Längsachse (30) geführt wird, einen sich an den ersten Kanalabschnitt (50; 52) anschließenden zweiten Kanalabschnitt (54; 56), durch den die Kühlluft im wesentlichen schräg zur Längsachse (30) geführt wird, und einen sich an den zweiten Kanalabschnitt (54; 56) anschließenden dritten Kanalabschnitt (58; 60) aufweist, durch den die Kühlluft im wesentlichen parallel zur Längsachse (30) bis zur Auslassöffnung (42; 44) geführt wird, und der Kühler (34) quer zur Längsachse (30) der Straßenfräse angeordnet ist, so dass die im wesentlichen parallel zur Längsachse (30) der Straßenfräsmaschine aus dem Ansaugkanal (38; 40) austretende Kühlluft im wesentlichen senkrecht auf den Kühler auftrifft und wobei der Ansaugkanal (38; 40) innerhalb des Wassertanks (32; 32') und einstückig mit dem Wassertank (32; 32') ausgebildet ist."

Hieran schließen sich die geltenden Unteransprüche 2 bis 12 an, zu deren Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.

Gemäß der in Abs. [0006] der Patentschrift angegebenen Aufgabe soll mit der patentierten Lehre eine selbstfahrende Straßenfräsmaschine geschaffen werden, deren Kühlsystem und deren das Kühlsystem umgebenden Bauteile einer geringen Verschmutzung ausgesetzt sind und deren Geräuschentwicklung verringert ist.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 (3) PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist noch hinreichend substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gegründet und daher zulässig.

Es wurden von der Einsprechenden, gestützt auf eine eidesstattliche Versicherung und unter Angebot von Zeugenbeweis, Tatsachen angeführt, welche die behaupteten Vorbenutzungen, auf einzelne Merkmale des angegriffenen Patentanspruchs bezogen, mit diesem in Vergleich setzen. Bei dem hier relativ einfach zu überschauenden technischen Sachverhalt des Patentgegenstandes ist es als hinreichend substantiiert anzusehen, wenn der Merkmalsvergleich mehr oder weniger pauschal ausgefallen ist. Jedenfalls sieht sich der Senat ohne größeren Aufwand in die Lage versetzt, über die behaupteten Tatsachen zu befinden.

3. Der Einspruch ist nur insoweit erfolgreich, als er zu einer Beschränkung des Patentgegenstandes führt.

3.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu, wie auch von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten wurde.

Dies folgt schon daraus, dass bei keiner der aus dem druckschriftlichen Stand der Technik bekannten oder angeblich vorbenutzten Straßenmaschinen ein Ansaugkanal innerhalb eines Wassertanks und einstückig mit diesem ausgebildet ist.

3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung überzeugend darlegte, kommt es für die Lösung der dem Patentgegenstand zugrundeliegenden Aufgabe vornehmlich auf eine gezielte Führung der Kühlluft in geeignet angeordneten Kanälen sowie eine gute Abschirmung dieser Kanäle nach außen an. Hierzu lehrt der geltende Patentanspruch 1 insbesondere, einen Ansaugkanal so anzuordnen, dass die Kühlluft seitlich ansaugbar ist, und derart in einen ersten, einen zweiten und einen dritten Kanalabschnitt zu unterteilen, dass die Kühlluft im wesentlichen erst parallel zur Längsachse des Fahrzeugs, anschließend schräg hierzu und daraufhin wieder parallel zur Längsachse geführt wird. Ferner soll der Ansaugkanal innerhalb eines Wassertanks und einstückig mit diesem ausgebildet sein.

Auf eine derartige Merkmalskombination gibt der angeführte Stand der Technik keinen Hinweis.

So sind bei der Kühlvorrichtung eines Arbeitsfahrzeugs nach der DE 199 37 604 A1 zwar Einlassöffnungen vorgesehen, welche bezogen auf die Längsachse des Fahrzeugs zu den Seiten des Fahrzeugs weisen, so dass die Kühlluft seitlich ansaugbar ist (vgl. dort Figuren 4 und 10 bis 12). Dort ist jedoch explizit kein Ansaugkanal zu entnehmen, welcher in die Kühlluft definiert führende Kanalabschnitte unterteilt ist. Soweit der zuständige Fachmann, ein Maschinenbau-Ingenieur mit Berufserfahrung in der Konstruktion von Straßenbaumaschinen, derartige Kanäle aus dem in den Figuren 11 und 12 skizzierten Luftströmungsverlauf implizit herauszulesen vermag, so gibt ihm diese Erkenntnis allenfalls den Weg einer zweckmäßigen Kanalführung zwischen Einlassöffnung und Kühler vor, keinesfalls jedoch eine weitergehende Anregung dazu, den Ansaugkanal innerhalb eines Maschinenaggregats wie eines Wassertanks und auch noch einstückig mit diesem auszubilden.

Von den angeblich vorbenutzten Straßenmaschinen weist einzig die "Dynapac Kaltfräse PL 350 S" einen Wassertank auf, welcher so ausgeformt ist, dass er bereichsweise eine dreiseitig begrenzte Luftführung bildet (vgl. Ersatzteilkatalog Abschnitt 501-01110A, Zeichnung Seite 1, Pos. 16). Weder verläuft hierbei jedoch ein Ansaugkanal innerhalb des Wassertanks noch ist solcher einstückig mit dem Tank ausgebildet. Dazu müsste nämlich die durch die U-förmige Ausnehmung des Tanks gebildete Luftführung auch an ihrer vierten Seite durch Bereiche des Tanks gebildet sein, was erkennbar nicht der Fall ist; vielmehr schließt an die offene Seite der Ausnehmung bereits der Kühler an, dessen Eintrittsseite damit die fehlende Kanalbegrenzung bildet.

Auch diese Straßenmaschine kann daher - ihre offenkundige Vorbenutzung als gegeben unterstellt - keine Anregung in Richtung auf die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 vermitteln, zumal sie bereits eine gänzlich andere Luftführung aufweist, nämlich mit einer Einlassöffnung an der Oberseite.

Soweit die Einsprechende schließlich noch auf die Straßenfräsmaschine "Procut 100 F" verweist, deren direkt an der seitlich angeordneten Einlassöffnung vorgesehene Jalousieklappe dem Ansaugkanal des Patentgegenstandes entspreche, so kann dies dahingestellt bleiben, da dort jedenfalls weder die im Patentanspruch 1 beanspruchte Kanalführung noch ein innerhalb eines Wassertanks einstückig mit diesem ausgebildeter Ansaugkanal offenbart ist.

Auch eine Zusammenschau der jeweils für sich den Patentgegenstand nicht nahe legenden Veröffentlichungen bzw. Benutzungen kann den Fachmann nicht ohne weiteres zu der beanspruchten Lehre hinführen. Denn jede denkbare Kombination der in der mündlichen Verhandlung entgegengehaltenen Fundstellen ließe schon das Merkmal des innerhalb eines Wassertanks einstückig mit diesem ausgebildeten Ansaugkanals vermissen. Keine der angezogenen Entgegenhaltungen gibt auch Anlass, in einem der übrigen technischen Konzepte nach Lösungsansätzen für das zugrunde liegende Problem zu suchen.

Die weiteren geltend gemachten Vorbenutzungen wurden zu dem geltenden Patentbegehren in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen und liegen, wovon sich der Senat überzeugt hat, auch weiter ab vom Patentgegenstand, so dass den Umständen ihrer Offenkundigkeit nicht nachgegangen zu werden braucht.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher bestandsfähig.

3.3 Mit diesem sind auch die hierauf rückbezogenen, auf vorteilhafte Weiterbildungen des Patentgegenstandes gerichteten Unteransprüche 2 bis 12 bestandsfähig.






BPatG:
Beschluss v. 11.04.2006
Az: 6 W (pat) 325/05


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