Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Oktober 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 82/04

(BPatG: Beschluss v. 05.10.2006, Az.: 17 W (pat) 82/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 11. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden unter der Bezeichnung:

"Verfahren zur Realisierung einer lntertask-Kommunikation in einem Multitasking-Betriebssystem".

Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, die Erfindung sei in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 34 Absatz 4 PatG). Dies gelte für den Hauptantrag und mutatis mutandis für jeden der Hilfsanträge.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 - 9 vom 30. Oktober 2003, eingegangen am 3. November 2003, noch anzupassender Beschreibung und 6 Blatt Zeichnungen mit 9 Figuren, jeweils vom Anmeldetag, gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 - 9, gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 - 8, gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüchen 1 - 8, gemäß Hilfsantrag 4 mit Patentansprüchen 1 - 8, gemäß Hilfsantrag 5 mit Patentansprüchen 1 - 8, gemäß Hilfsantrag 6 mit Patentansprüchen 1 - 8, gemäß Hilfsantrag 7 mit Patentansprüchen 1 - 7, gemäß Hilfsantrag 8 mit Patentansprüchen 1 - 6, gemäß Hilfsantrag 9 mit Patentansprüchen 1 - 5, jeweils vom 30. Oktober 2003, eingegangen am 3. November 2003, jeweils auch mit noch anzupassender Beschreibung und sonstigen Unterlagen wie Hauptantrag.

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier zusätzlich mit einer denkbaren Gliederung versehen, lautet:

"a) Verfahren zur Realisierung einer Intertask-Kommunikation in einem Multitasking-Betriebssystem, das die Ausführung eines Computerprogramms steuert, das in mehrere Tasks mit jeweils mindestens einem Prozess unterteilt ist, b) wobei alle in dem Computerprogramm benutzten Variablen ermittelt (12) werdengekennzeichnet durch die nachfolgenden Verfahrensschritte:

c) für jede Variable automatisches Ermitteln der Tasks, in denen auf die Variable zugegriffen wird und automatisches Ermitteln (13) der Variablen (Intertask-Variablen), die in mehreren Tasks benutzt werden;

d) für jede Intertask-Variable zur Sicherung der Datenkonsistenz der Intertask-Variablen automatisches Ermitteln (15) von möglichen anwendbaren Mechanismen für eine Intertask-Kommunikation aus zur Verfügung stehenden Mechanismen;

e) für die Intertask-Variablen, für die mehrere Mechanismen anwendbar sind, Auswahl (20) eines Mechanismus für eine Intertask-Kommunikation aus den möglichen anwendbaren Mechanismen; undf) in Abhängigkeit von dem möglichen anwendbaren Mechanismus oder dem ausgewählten Mechanismus automatisches Einfügen (23) von Maßnahmen in die Tasks für einen Datenaustausch in dem Computerprogramm."

Bezüglich der Unteransprüche 2 - 9 wird auf die Akte verwiesen.

Die Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 - 9 können ebenfalls in der Akte (Patentamts-Akte Blatt 80 - 115) eingesehen werden.

Diesen Ansprüchen soll (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0010]) die Aufgabe zugrundeliegen, ein Verfahren zur Realisierung einer Intertask-Kommunikation dahingehend auszugestalten und weiterzubilden, dass das Verfahren eine möglichst hohe Flexibilität und die Intertask-Kommunikation eine möglichst alle Anforderungen abdeckende Funktionalität aufweist.

Wie die Anmelderin näher erläuterte, betrifft die Anmeldung Computerprogramme für Multitasking-Betriebssysteme, bei denen verschiedene Teilaufgaben (tasks) quasi gleichzeitig ausgeführt werden; üblicherweise würden diese Tasks ereignisgesteuert gestartet, so dass zum Startzeitpunkt der Status der übrigen Tasks für den Programmierer nicht sicher vorhersehbar sei. Probleme könnten entstehen, wenn ein Programm so geschrieben sei, dass verschiedene Tasks auf dieselbe definierte Variable zugriffen. So könne z. B. eine erste Task den Wert einer Variablen festsetzen, eine zweite diesen Wert mehrfach benutzen; dann müsse sichergestellt werden, dass sich der Wert während des Ablaufs der zweiten Task nicht ändere.

Diejenigen Variablen, die in mehr als einer Task benutzt werden, seien in der vorliegenden Anmeldung als "Intertask-Variable" bezeichnet. Die Eigenschaft, dass sich der Wert solcher Variablen nicht zum falschen Zeitpunkt ändert, dass aber andererseits jederzeit und überall der gleiche "richtige" Wert zur Verfügung steht, werde "Datenkonsistenz" genannt.

Das vorgeschlagene Verfahren zur Realisierung einer Intertask-Kommunikation entlaste nun den Programmierer dadurch, dass dieser die Intertask-Variablen nicht besonders als solche zu definieren und sich um deren Datenkonsistenz nicht weiter zu kümmern brauche. Diese Arbeit übernehme das erfindungsgemäße Verfahren, indem es auf die "Rohfassung" eines geschriebenen Programmes angewendet werde: es ermittle dann automatisch die Intertask-Variablen und erlaube - abhängig z. B. von der Priorität der jeweiligen Task -, für jeden Fall einen geeigneten anwendbaren Mechanismus der Intertask-Kommunikation (etwa aus einer vorgegebenen Liste möglicher Mechanismen) auszuwählen; um diesen Mechanismus zu implementieren, füge es jeweils geeignete Programmteile in das Programm ein.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung auf die neuere BGH-Rechtsprechung hingewiesen und die Frage aufgeworfen, ob hier ein "konkretes technisches Problem" mit "technischen Mitteln" gelöst werde. Insoweit verwies die Anmelderin auf ihren Beschwerde-Schriftsatz. Demnach dient der Anmeldungsgegenstand der Lösung des technischen Problems, ein multitaskingfähiges Computerprogramm derart zu erstellen, dass einerseits für eine Intertask-Kommunikation eine möglichst alle Anforderungen abdeckende Flexibilität erzielt wird und andererseits diese Intertask-Kommunikation für möglichst viele unterschiedliche Computerprogramme, die (wie mündlich erläutert) insbesondere auch auf unterschiedlichen Prozessoren lauffähig sind, erzeugt werden kann. Dadurch werde eine schnellere und Ressourcen sparende Abarbeitung von multitaskingfähigen Computerprogrammen ermöglicht.

II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags wie auch der Hilfsanträge 1 bis 9 unterliegt als "Programm als solches" dem Patentierungsausschluss nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PatG.

1. Zum Hauptantrag:

1.1 Die Anmeldung betrifft Computerprogramme für Multitasking-Betriebssysteme. Das beanspruchte Verfahren soll den Programmierer entlasten, indem es die "Rohfassung" eines neuen Programms durchsucht - beispielsweise in Form eines Parsers, der die Quelldateien des Programms auswertet, siehe Offenlegungsschrift Absatz [0057] - und darin automatisch die Variablen ermittelt, die in mehreren Tasks verwendet werden, um deren Datenkonsistenz durch Einfügen geeigneter Programmteile sicherzustellen.

Als Fachmann, an den sich eine solche Lehre richtet, sieht der Senat einen Informatiker oder Systemprogrammierer mit mehrjähriger Erfahrung in der Programmierung von Anwendungen für Multitasking-Betriebssysteme an.

1.2 Die Patentansprüche 1 - 9 nach Hauptantrag sind zulässig. Sie weisen gegenüber den ursprünglichen Patentansprüchen geringfügige Klarstellungen und Ergänzungen auf, die den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht verlassen.

1.3 Der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Fachmann der Anmeldung nicht entnehmen könne, wie ein Computerprogramm automatisch so verarbeitet werden kann, dass die von ihm erzeugten Tasks den benutzten Variablen zugeordnet werden könnten. Die für betriebssystemnahe Programmierung üblichen Programmiersprachen C oder C++ unterstützten keine Sprachmittel für Tasks und Prozesse eines Multitasking-Betriebssystems. Zwar ließen sich mit diesen Sprachen Tasks oder Prozesse erzeugen, jedoch nicht in einer durch die Grammatik der Sprache vorgegebenen Form, die automatisch erkennbar und verarbeitbar wäre.

Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen; denn die Lehre der Anmeldung ist in keiner Weise auf die Verwendung der Sprachen C oder C++ ausgerichtet. Vielmehr erwartet die Anmeldung, dass die einzelnen Tasks (mit den jeweils verwendeten Variablen) separat programmiert vorliegen. Welche Programmiersprache dafür geeignet sein könnte, ist nicht Gegenstand der Anmeldung, eine solche zu finden stellt an den Fachmann auch keine überzogenen Anforderungen (vgl. die Beispiele in der Beschwerde-Begründung vom 1. Oktober 2004, Seite 6 Abs. 2).

Insoweit greift der geltend gemachte Zurückweisungsgrund nicht.

1.4 Das Verfahren bzw. Computerprogramm nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag kann jedoch nicht als eine schutzwürdige Bereicherung der Technik angesehen werden, da weder ein konkretes technisches Problem vorliegt noch technische Mittel zur Lösung eingesetzt sind (BGH BlPMZ 2004 S. 428 "elektronischer Zahlungsverkehr", vgl. BGH BlPMZ 2005 S. 77 "Anbieten interaktiver Hilfe"; BGH BlPMZ 2005, 177 "Rentabilitätsermittlung"; BGH BlPMZ 2002, 114 "Suche fehlerhafter Zeichenketten").

1.4.1 Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (s. o. BGH "Anbieten interaktiver Hilfe", II. 4 b).

Im vorliegenden Fall liegt die objektive Leistung darin, durch automatisches Durchsuchen und Ergänzen eines neu geschriebenen Computerprogramms die sichere Verwendung von Intertask-Variablen möglich zu machen, ohne dass der Programmierer sich darum besonders zu kümmern braucht. Das gelöste Problem besteht offensichtlich darin, in einem Multitasking-Betrieb die Datenkonsistenz der Intertask-Variablen sicherzustellen, die ohne besondere Schutzmaßnahmen wegen der unabhängig voneinander stattfindenden Abarbeitung verschiedener Tasks gefährdet wäre.

Dieses objektive Problem ist kein technisches. Der Fachmann, der vor dieses Problem gestellt wird, braucht sich in keiner Weise mit dem technischen Aufbau oder der technischen (!) Funktion des verwendeten Computers auseinanderzusetzen. Vielmehr tritt dieses Problem bei jedem Multitasking-Betriebssystem auf, wenn dieselbe Variable von mehreren Tasks benutzt werden soll; welche (möglicherweise technischen) Anwendungen davon bearbeitet werden sollen, ist für Problemstellung und Lösung ohne jeden Belang.

Damit wird jedoch der Bereich der Technik gar nicht erst betreten. Zur zielgerichteten Ergänzung eines Computerprogramms durch aus einer Liste entnommene Programmteile, die anhand bestimmter, automatisch aus diesem Programm ermittelter Parameter auszuwählen sind, genügt ein entsprechend programmierter handelsüblicher Computer. Die beanspruchte Lehre verlangt keinerlei Kenntnisse der physikalischen Welt, etwa über die technischen Eigenheiten dieses Computers (soweit die auszuwählende Ergänzung des Computerprogramms etwa davon abhängig sein sollte, für welche Art von Mikroprozessor das Programm vorgesehen ist, fehlt es an einer entsprechenden Offenbarung in der Anmeldung). Besondere "technische Mittel" sind somit zur Lösung des Problems nicht nötig und wurden von der Anmelderin auch auf Nachfrage nicht benannt. Allein der bestimmungsgemäße Einsatz eines Computers rechtfertigt jedoch nicht, die beanspruchte Lehre als patentierbar anzusehen (s. o. BGH "Suche fehlerhafter Zeichenketten").

1.4.2 Auch der Einwand, dass - im Sinne der "Seitenpuffer"-Entscheidung (BGH BlPMZ 1991, 345) - die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche und das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente betroffen sei, kann zu keiner anderen Beuteilung führen.

Denn die Lehre des dortigen Hauptanspruchs bezieht sich konkret auf die technischen Elemente der Datenverarbeitungsanlage und deren technisches Zusammenwirken, siehe insbesondere BGH, a. a. O. - III. 5b, 5c. Sie setzt sich mit dem technischen Aufbau der Anlage (Hauptspeicher, Seitenpuffer, freigebbare Speicherseiten, mehrfache Seitenanforderungen erfordern Wartezeiten des Prozessors) auseinander; es ist technisches Fachwissen erforderlich, um zur beanspruchten Lehre zu gelangen. Im Mittelpunkt der dortigen Lehre stehen "Elemente einer Datenverarbeitungsanlage", die "beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise" benutzt werden.

Demgegenüber sind im hier zu entscheidenden Fall nicht konkrete "Elemente der Datenverarbeitungsanlage" von Bedeutung, sondern Programmteile (Tasks), darin verwendete Variable, und die Priorität der Tasks. Die technische Arbeitsweise der Elemente der Datenverarbeitungsanlage spielt keine Rolle.

Daher ist die "Seitenpuffer"-Entscheidung für den vorliegenden Fall nicht relevant.

1.4.3 Das mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren ist somit als "Programm als solches" im Sinne der Ausschlusskriterien des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PatG zu bewerten und deshalb nicht patentfähig.

2. Zu den Hilfsanträgen 1 bis 9:

Die verschiedenen Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 9 basieren auf dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Sie unterscheiden sich davon durch zusätzliche Merkmale, die aber allein aus der Welt der Programmierung stammen und in keinem Fall den im Hauptantrag fehlenden Bezug zur Technik herstellen können. Gegenteiliges hat auch die Anmelderin nicht vorgetragen.

Sonach kann keiner der Hilfsanträge anders beurteilt werden als der Hauptantrag, die dortige Argumentation gilt in entsprechender Weise (Busse, PatG, 6. Aufl., § 100 Rdn. 96). Die Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 9 unterliegen ebenso den Ausschlusskriterien des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PatG.

III.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 05.10.2006
Az: 17 W (pat) 82/04


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