Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 15. Juli 2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 84/05

(LAG Hamm: Beschluss v. 15.07.2005, Az.: 10 TaBV 84/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.04.2005 - 3 BV 29/03 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat der antragstellende Betriebsrat vom Arbeitgeber die Unterlassung verlangt, Mehrarbeit ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts durchzuführen. Durch Beschluss vom 16.02.2005 hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsantrag stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der Arbeitgeber inzwischen zurückgenommen.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch weiteren Beschluss vom 26.04.2005 den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 6.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 06.05.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht den Umstand der zahlreichen Verletzungen und des langen Zeitraums bei der Bewertung des Streitwerts nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren war mit dem doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bemessen.

Die Wertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Auch die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats geht davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Hiervon ist auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgegangen.

§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt - wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO - eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitstands vielfach im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff.).

Bei der vom Betriebsrat begehrten Unterlassung handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur. Dies gilt auch und gerade dann, wenn vom Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird und der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht. Um ein fallübergreifendes System zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für die Belegschaft aber nicht unberücksichtigt bleiben. Dabei ist allerdings auch der Grundtendenz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entsprechen, die Kosten zu begrenzen (Wenzel, a.a.O., Rz. 443 f. m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der 1,5-fache Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Bedeutung der vorliegenden Angelegenheit nicht gerecht. Die Beschwerdekammer hält vielmehr den zweifachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für angemessen. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass vom Betriebsrat unter Berücksichtigung der vorgelegten Dienstpläne Verstöße gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG in nicht unmaßgeblicher und vergleichsweise geringer Anzahl gerügt worden sind. Der Zeitraum der gerügten Verstöße verhält sich immerhin von April 2003 bis Januar 2005. Dies muss bei der Bewertung des Gegenstandswertes berücksichtigt werden. Darüber hinaus waren von den gerügten Überstunden sämtliche Mitarbeiter der vier Etagen des vom Arbeitgeber betriebenen Seniorenparks betroffen. Dass insgesamt in dem vom Arbeitgeber geführten Seniorenpark lediglich 43 Mitarbeiter beschäftigt sind, hat demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung.

Erschwerend kam hinzu, dass nach dem Vorbringen des Betriebsrats selbst noch nach Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens Verstöße gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG vorgekommen sein sollen. Auch dieser Umstand wirkt sich bei der Bemessung des Gegenstandswerts erhöhend aus. Bei hartnäckigen Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt dem Beschlussverfahren nämlich eine gesteigerte Bedeutung zu, was zu einer Vervielfältigung des Ausgangswerts führen kann (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.1989 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 13; Wenzel, a.a.O., Rz. 492). Insoweit ist selbst der im Eilverfahren verfolgte Unterlassungsantrag gegen zahlreiche Mehrarbeitsvereinbarungen auch unter Berücksichtigung der auf Verfahrensverbilligung gerichteten Sonderregelungen des Arbeitsgerichtsprozesses mit dem doppelten Ausgangswert des § 8 Abs. 2 BRAGO (heute: § 23 Abs. 3 RVG) bewertet worden (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.03.2004 - 5 Ta 41/04 -).

Schierbaum

/N.






LAG Hamm:
Beschluss v. 15.07.2005
Az: 10 TaBV 84/05


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