Bundespatentgericht:
Urteil vom 17. April 2007
Aktenzeichen: 1 Ni 7/06

(BPatG: Urteil v. 17.04.2007, Az.: 1 Ni 7/06)

Tenor

I. Das deutsche Patent 196 46 001 wird für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des am 7. November 1996 angemeldeten und am 31. Mai 2000 veröffentlichten deutschen Patents 196 46 001 mit der Bezeichnung "Solarabsorber mit Wellrohr-Anschlüssen". Das Patent umfasst vier Ansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden.

Das Patent ist im Einspruchsverfahren von der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes in vollem Umfang aufrecht erhalten worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der 34. Senat des Bundespatentgerichts mit Beschluss vom 30. August 2005 (Az. 34 W (pat) 38/03) zurückgewiesen.

Patentanspruch 1 lautet gemäß der Streitpatentschrift:

"Solarabsorber (10) mit einem Gehäuse (18), einer darin angeordneten Absorberplatte (12), sowie mit der Absorberplatte (12) wärmeleitend verbundenen Absorberrohren (14), die zu aus dem Gehäuse (18) seitlich herausragenden Sammelrohren (16, 16') führen, um eine Flüssigkeit durch den Solarabsorber (10) zu zirkulieren, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest entweder alle auf einer Seite aus dem Gehäuse (18) herausragenden Enden der Sammelrohre (16, 16') oder zwei auf verschiedenen Seiten aus dem Gehäuse (18) herausragende und sich diagonal gegenüberliegende Enden der Sammelrohre (16, 16') einen als flexibles Wellrohr (20, 20', 24, 24') ausgebildeten Endabschnitt aufweisen, der bereits innerhalb des Gehäuses (18) des Solarabsorbers (10) beginnt und der fest mit dem zugehörigen Sammelrohr (16, 16') verbunden ist."

Wegen des Wortlauts der auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht verschiedene offenkundige Vorbenutzungen geltend. Unter anderem sei eine Sonnenkollektoranlage mit mehreren nebeneinander angeordneten Solarabsorbern mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 des Streitpatents im Jahre 1995 von der Firma F... - Entwicklung von Solarkollektoren - in J... (S...), konzipiert, hergestellt und vor dem Anmeldetag des Streitpa- tents jedermann ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung angeboten worden, namentlich der Fa. V... in F... (S...). Im Juni 1996 sei ei- ne solche Anlage oberhalb von Garageneinfahrten des Anwesens der Eigentümergemeinschaft W...straße in I... (S...), installiert worden.

Für die geltend gemachte Benutzungshandlung hat die Klägerin u. a. Beweis durch Vernehmung der Zeugen F..., E... und S... angeboten. Sie hat auch eidesstattliche Versicherungen der Zeu- gen F... und S... vom 22. bzw. vom 20. März 2006 vorgelegt. Ferner hat sie einen Original-Solarabsorber aus einer bestehenden Sonnenkollektoranlage herausmontieren lassen und diesen im Gerichtssaal aufgebaut. Sie bezieht sich außerdem auf eine große Zahl von Schriftstücken, u. a. auf einen Prospekt der Fa. V... (Anlage X34).

Die Klägerin ist der Auffassung, nicht nur der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, sondern auch die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 4 seien durch den Solarabsorber der Fa. F... neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 196 46 001 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die vorgebrachten Behauptungen und Materialien gäben die tatsächlichen Verhältnisse nicht zutreffend wieder. Er bestreitet - auch unter Hinweis auf widersprüchliche Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen und in den Zeugenaussagen - den Zeitpunkt der Benutzungshandlung und zieht deren Offenkundigkeit in Zweifel. Er sieht außerdem entscheidende Unterschiede zwischen dem Streitpatentgegenstand und dem Gegenstand der Benutzungshandlung.

Insbesondere bestreitet er, dass die angeblich vorbenutzten Wellrohr-Kompensatoren bereits innerhalb der Absorbergehäuse begonnen hätten. Auch stellt er darauf ab, dass die Absorberrohre in der angeblich vorbenutzten und in der patentgemäßen Bauweise von unterschiedlicher Bauweise seien. Der vorbenutzte Absorber sei vom sogenannten Mäandertyp, d. h. er besitze nur ein Absorberrohr, das sich mäanderförmig über die Absorberplatte schlängele und an einem Ende mit einem oberen Sammelrohr und mit dem anderen Ende an einem unteren Sammelrohr des Absorbers verbunden sei. Dagegen sei der patentgemäße Absorber vom sogenannten Harfentyp, bei dem sich mehrere Absorberrohre parallel entlang der Platte erstreckten und jedes einzelne Absorberrohr parallel Flüssigkeit zwischen den Sammelrohren führe.

Der Beklagte behauptet ferner, die in der W...straße in I... (S...), installierte Anlage sei ursprünglich mit Chromstahlkompensatoren ausgestattet gewesen, welche erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht worden seien.

Der Senat hat zu der von der Klägerin geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung die angebotenen Zeugen F..., E... und S... vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. April 2007 Bezug genommen. Der Senat hat außerdem Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des im Gerichtssaal aufgebauten Solarabsorbers.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des angegriffenen Patents (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

1. Das Streitpatent betrifft einen Solarabsorber mit einem Gehäuse, einer darin angeordneten Absorberplatte, sowie mit der Absorberplatte wärmeleitend verbundenen Absorberrohren, die zu aus dem Gehäuse seitlich herausragenden Sammelrohren führen, um eine Flüssigkeit durch den Solarabsorber zu zirkulieren.

Das Patent stellt sich die Aufgabe, einen Solarabsorber so auszubilden, dass eine einfache Montage eines Absorberfeldes und insbesondere die einfache Demontage eines einzigen Absorbers aus einem Absorberfeld möglich ist, wobei mit geringem Herstellungs- und Montageaufwand eine sichere Abdichtung der Flüssigkeitsströmung und auch der Kollektorgehäuse gewährleistet sein soll (Spalte 3 Zeilen 5 bis 14 der Streitpatentschrift). Des Weiteren soll die Montage der Absorberplatte mit den darauf befindlichen Absorberrohren in das und aus dem Absorbergehäuse vereinfacht sein.

Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Solarabsorber mit den in Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Merkmalen vorgeschlagen. Diese Merkmale können - einer von der Klägerin als Anlage X6 überreichten Merkmalsanalyse folgend - wie folgt gegliedert werden:

Solarabsorber (10)

(a) mit einem Gehäuse (18),

(b) einer darin angeordneten Absorberplatte (12)

(c) sowie mit der Absorberplatte (12) wärmeleitend verbundenen Absorberrohren (14),

(d) die zu aus dem Gehäuse (18) seitlich herausragenden Sammelrohren (16, 16') führen, um eine Flüssigkeit durch den Solarabsorber (10) zu zirkulieren, Oberbegriff

(e) zumindest entweder alle auf einer Seite aus dem Gehäuse (18) herausragenden Enden der Sammelrohre (16, 16') oder zwei auf verschiedenen Seiten aus dem Gehäuse (18) herausragende und sich diagonal gegenüberliegende Enden der Sammelrohre (16, 16') weisen einen als flexibles Wellrohr (20, 20', 24, 24') ausgebildeten Endabschnitt auf,

(f) der bereits innerhalb des Gehäuses (18) des Solarabsorbers (10) beginnt und

(g) der fest mit dem zugehörigen Sammelrohr (16, 16') verbunden ist.

Kennzeichen Der Kern der Lehre des angefochtenen Patents besteht - wie bereits der 34. Senat des Bundespatentgerichts in seinem im Einspruchsbeschwerdeverfahren ergangenen Beschluss festgestellt hat - in der Erkenntnis, dass durch das bereits innerhalb des Gehäuses des Solarabsorbers beginnende flexible Wellrohr die Montage der Absorberplatte mit den darauf befindlichen Absorberrohren sowohl bei der Herstellung als auch bei Reparaturmaßnahmen unter schwierigen Einbaubedingungen auf einem geneigten Hausdach in das und aus dem jeweiligen Gehäuse vereinfacht wird.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nach Überzeugung des Senats durch offenkundige Vorbenutzungshandlungen neuheitsschädlich vorweggenommen (§§ 1, 3 Abs. 1 PatG). Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung ist davon auszugehen, dass die S... Firma F... - Entwicklung von Solarkollektoren - in J... (S...) im Jahr 1995 eine Sonnenkollektoranlage mit allen patentge- mäßen Merkmalen konzipiert und jedermann ohne Geheimhaltungsverpflichtung angeboten hat, unter anderem der Eigentümergemeinschaft W...straße in I... (S...), und dass im Zeitraum Juni/Juli 1996 eine solche Sonnenkollek- toranlage oberhalb von Garageneinfahrten des Anwesens dieser Eigentümergemeinschaft eingebaut worden ist.

a) Der Zeuge F... hat dargelegt, er sei in der Zeit von 1993 bis ca. 2001 In- haber der Firma F... gewesen. Neben ihm seien noch zwei weitere Mitar- beiter beschäftigt gewesen, unter anderem der Zeuge E.... Hauptgegenstand des Unternehmens sei die Entwicklung und Herstellung von Sonnenkollektoren gewesen, wobei der zur mündlichen Verhandlung mitgebrachte Sonnenkollektor in dem Zeitraum ab 1994 entwickelt worden sei. Die Entwicklung habe etwa ein Jahr gedauert.

Der Zeuge hat Einzelheiten der Konstruktion und die Schritte des Zusammenbaus des Absorbers geschildert, insbesondere den Bereich, wo Rohranschlüsse zur Verbindung mit weiteren Solarabsorbern angeordnet sind. Die Anschlussstücke dort seien zunächst Bälge aus Chromstahl gewesen, die im Innern des Kollektors geklemmt gewesen seien. Er habe im Frühjahr 1996 in Zusammenarbeit mit einer Fa. B... entwickelt, die im Unterschied zu den Chromstahlbälgen mit den Sammelrohren verlötet werden konnten. Diese seien in der Sonnenkollektoranlage in der W...straße in I... verbaut worden. Der Montagetermin sei im Juni 1996 gewesen. Er erinnere sich an diesen Termin, weil er die Bälge selbst bei der Herstellerfirma abgeholt habe, damit der Montagetermin eingehalten werden konnte. Es sei nämlich der erste größere Auftrag für sein Unternehmen gewesen. Der Zeuge hat versichert, der zur mündlichen Verhandlung mitgebrachte Kollektor vom Typ SKI 175 stamme original aus dieser Anlage. Am Sonnenkollektor selbst und insbesondere an den eingebauten Bälgen dieser Sonnenkollektoranlage seien bis heute keine Veränderungen vorgenommen worden.

Der Zeuge führte weiter aus, er habe nach der ersten größeren Auftragserteilung Kontakt zu der Firma V... aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit dieser Fir- ma habe Anfang 1996 begonnen. Er habe etwa seit dieser Zeit Sonnenkollektoren für sie produziert und geliefert, zunächst mit Chrombälgen, ab ca. Juni/Juli 1996 dann mit Bronzebälgen. Ab 1996 sei der Vertrieb seiner Produkte exklusiv für die S... durch die Firma V... abgewickelt worden. Das Produkt sei nachweis- lich im April 1996 in dem Prospekt der Firma V... (Anlage X34) beschrieben worden. Die Bälge werden darin als flexible Wellrohr-Kompensatoren bezeichnet.

Der Zeuge hat ferner erklärt, zwischen ihm und dem Zeugen E... habe es ei- ne Abrede des Geheimhaltens der Entwicklung gegeben, allerdings habe die Geheimhaltung nicht ganz im Vordergrund gestanden, was sich etwa darin zeige, dass die Vorteile der Entwicklung in dem Prospekt der Anlage X34 dargestellt worden seien.

Auf Vorhalt des genannten Prospektes der Fa. V... erläuterte der Zeuge, auf der Seite 2 des Prospektes, links unten, werde unter der Überschrift "Perfekte Verbinder" eine Verbindung von zwei Kollektoren dargestellt. Der kurze Stummel auf der linken Seite rage aus einem Kollektor heraus. Das rechte Rohr, an dessen Ende ein Wellrohr angebracht sei, sei die schematische Darstellung der Verbindung des zu Demonstrationszwecken ohne Gehäuse dargestellten Sammelrohrs. Wäre das Gehäuse angebracht, würde das Wellrohr etwa zur Hälfte seiner Länge aus dem Kollektorgehäuse herausragen. Auf dem Bild sei ein Wellrohr in heller Farbe, also in Chromstahl dargestellt, in dem daneben stehenden Text sei jedoch von Bronze die Rede. Dieser Widerspruch erkläre sich dadurch, dass zum Zeitpunkt der Herstellung des Prospekts bereits entschieden war, künftig diese Wellrohrstücke in Bronze auszubilden, dass aber noch keine Fotografie eines bronzenen Wellrohrstücks zur Verfügung gestanden habe.

Der Senat hält die Aussagen des Zeugen insgesamt für glaubwürdig, ungeachtet dessen, dass die bekundeten Vorgänge bereits ca. zwölf Jahre zurückliegen. Insbesondere der Umstand, dass der Zeuge zumindest Mitentwickler des Absorbers war, er im Rahmen des ersten von ihm selbst vermarkteten Produkts noch Optimierungsmaßnahmen vorzunehmen hatte und an den Montagearbeiten der ersten großen Anlage selbst beteiligt war, macht es erklärbar, dass ihm die geschilderten technischen Einzelheiten so lange im Gedächtnis blieben. Auch stellt die letztlich erfolgreiche Kontaktaufnahme zu einem Exklusivvertriebspartner ein wichtiges Ereignis für ein Unternehmen dar, das sich noch auf dem Markt etablieren muss. Zur Glaubwürdigkeit des Zeugen trägt auch bei, dass er auf Nachfragen hinsichtlich des Zeitpunkts der Montage der Anlage einen Irrtum bei Abgabe seiner dem Gericht vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 22. März 2006 unumwunden eingeräumt hat. Dort hatte er erklärt, die Kollektoranlage für die Eigentümergemeinschaft W...straße sei Ende 1995 fertig gestellt und geliefert worden. Nach der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung beruht diese Abweichung in der Zeitangabe darauf, dass er den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Erinnerung hatte. Diese Erklärung erscheint - auch wegen der Art ihres Vorbringens - dem Gericht plausibel.

b) Die Aussage des Zeugen F... findet durch die Einlassungen des Zeu- gen E... wesentliche Bestätigung. Dessen Vortrag bezüglich der Zusammen- arbeit mit dem Zeugen F... in der Fa. F... deckt sich insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der Entwicklung des in Rede stehenden Absorbers und der Montage der ersten Sonnenkollektoranlage durch den Zeugen F... und ihn im Sommer 1996.

Der Zeuge E... hat die Ausführungen des Zeugen F... zur Kontaktauf- nahme zu potentiellen Vertriebspartnern durch die Aussage ergänzt, dass sie zunächst vorgehabt hätten, die Entwicklung der Firma S..., bei der sie beide einmal gearbeitet hatten, zu verkaufen, und sie deshalb die Einzelheiten der Kompensatoren dort vorgestellt hätten. In Kundengesprächen hätten sie die Vorteile ihrer Entwicklung dargestellt, so etwa die Hintereinanderschaltung einer Vielzahl von Kollektoren auf einem Kollektorfeld, wobei es durch die Kompensatoren ermöglicht worden sei, die Abstände relativ eng zu halten und trotzdem eine für die Wärmeausdehnung erforderliche Länge des Kompensators zu erreichen. Unter Berücksichtigung der Vorgabe bezüglich der Wärmeausdehnung und der Montagetoleranzen sowie der schmalen Ansichtsbreite sei es für sie zwingend gewesen, die Kompensatoren teilweise ins Gehäuseinnere zu verlegen. Sie seien stolz darauf gewesen, diese widersprüchlichen Anforderungen unter einen Hut bekommen zu haben und hätten diese technische Lösung dem Kunden daher auch mitgeteilt.

Er sei sich sicher, dass in Gesprächen mit Herrn V... die Konstruktion des Sonnenkollektors im Detail erörtert worden sei. Dazu habe auch die Konstruktion der Bälge gehört, wobei allerdings zu diesem Zeitpunkt noch die Verwendung von Edelstahlbälgen vorgesehen gewesen sei. Den Zeitpunkt eines Besuchs des Herrn V... hat der Zeuge E... auf Mitte 1995 datiert, auf jeden Fall vor der Montage der ersten Kollektoranlage, deren Installation durch Direktvertrieb die Ausnahme gewesen sei. Das Gespräch habe nicht der Geheimhaltung unterlegen, sondern sei völlig offen gewesen.

Außer mit Herrn V... seien Gespräche bezüglich der Sonnenkollektoren mit weiteren potenziellen Kunden geführt worden, die sich Herr F... als Ver- triebspartner gewünscht hätte. Einige dieser Personen konnte der Zeuge namentlich benennen. Bei den Genannten habe es sich um Heizungsinstallateure bzw. in einem Fall um einen Spezialisten für Solaranlagen gehandelt. Die Kontakte zu den genannten Personen hätten mit Sicherheit 1995 stattgefunden. Dass Informationen missbräuchlich hätten benutzt werden können, hat der Zeuge E... als sehr unwahrscheinlich angesehen.

Im Fall der Firma V... - so der Zeuge E... - hatten er und der Zeu- ge F... die Erwartung gehabt, dass konstruktive Einzelheiten, insbesondere bzgl. der Dichtung und der Wellrohr-Anschlüsse, in Gesprächen mit deren Kunden weitergegeben würden. Dabei hätten sie in Kauf genommen, dass diese Einzelheiten im Lauf der Zeit auch bis zu deren Konkurrenten weitergetragen würden. Das erschien ihnen letztendlich nicht so gefährlich, weil sie davon ausgingen, dass auch diese Konkurrenten an ihren eigenen Konstruktionen hängen und nicht sofort auf das ihnen neu präsentierte System übergehen würden.

Der Senat sieht die Aussagen des Zeugen E... ebenfalls trotz des zeitlichen Abstandes für glaubwürdig an. Der Zeuge stand zu der damaligen Zeit am Einstieg in das Berufsleben und war als Mitarbeiter des Zeugen F... an der Entwicklung eines neuen Produkts beteiligt, bei dem gerade in der Einführungsphase noch technische Probleme zu lösen und wichtige Gespräche mit potenziellen Vertriebspartnern zu führen waren. In wesentlichen Punkten vermochte er die Aussagen des Zeugen F... zu bestätigen bzw. schlüssig und überzeugend zu ergänzen. Dies betrifft die zeitlichen Angaben ebenso wie die technischen Einzelheiten des Absorbers, die Anfangsprobleme mit den ersten Exemplaren als auch die namentliche Nennung von Personen, die außer der Fa. V... an ge- schäftlichen Verhandlungen beteiligt waren.

c) Der Zeuge S..., der als Architekt für die Errichtung der Wohnanlage W...straße verantwortlich war und dort auch von Anfang an (seit April 1996) wohnt, konnte sich an die Vorgänge, die mit dem Erwerb und dem Einbau der Kollektoranlage zusammenhängen, nicht so deutlich erinnern wie die beiden anderen Zeugen. Er war sich zwar darin sicher, dass er im Jahre 1995 die Firma des Zeugen F... einmal besucht habe, wo ihm Absorber für die später direkt an seine Wohneigentümergemeinschaft ausgelieferten Kollektoranlage gezeigt worden seien. An technische Details konnte er sich allerdings nicht erinnern. Nach seinen Angaben ging es ihm bei dem Besuch darum festzustellen, ob es die Firma überhaupt gab und ob diese in der Lage war, die Sonnenkollektoranlage zu erstellen.

Der Zeuge hatte in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20. März 2006 ausgeführt, dass die Sonnenkollektoren Ende 1995 montiert und am 22. April 1996 abgenommen worden seien. In der mündlichen Verhandlung erklärte er hierzu, bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei er davon ausgegangen, dass die Anlage bei seinem Einzug in der W...straße im April 1996 bereits fertig instal- liert gewesen sei. Nach späterer Prüfung der damaligen Zahlungsvorgänge könne er aber nicht ausschließen, dass die Installation tatsächlich erst im Juni 1996 erfolgt sei. Somit steht die Aussage des Zeugen S..., was den Zeitpunkt der Er- richtung der Sonnenkollektoranlage betrifft, nicht im Widerspruch zu den beiden anderen Zeugenaussagen.

Der Zeuge S... stützt zudem die Aussagen der Zeugen F... und E..., dass an der damals für seine Wohneigentümergemeinschaft installierten Anlage mit Ausnahme des Ausbaus des im Gerichtssaal befindlichen Kollektors bis zum Tag der Verhandlung nichts verändert wurde.

d) Der Senat sieht die Aussagen der Zeugen F... und E... bezüglich der technischen Einzelheiten nach der Inaugenscheinnahme des im Gerichtssaal aufgebauten Solarabsorbers als zutreffend an.

Die Vorrichtung wurde vom Senat in zusammengebautem Zustand und - nach Entfernung der das Gehäuse und die Glasabdeckung umgebenden Dichtung, der Glasabdeckung und auf einer Seite im Bereich der Rohranschlüsse auch der Isolierung aus Schaumstoff - in teildemontiertem Zustand begutachtet. So konnten insbesondere Einzelheiten der Verbindung zwischen dem Endbereich der Sammelrohre und dem Wellrohr-Anschluss eingehend betrachtet werden.

Für den Senat hat sich zweifelsfrei ergeben, dass bei diesem Absorber alle Merkmale (a) bis (d) sowie (f) und (g) der gegliederten Fassung des Anspruchs 1 des Streitpatents und auch eine der beiden gemäß Merkmal (e) wahlweise vorgesehenen Ausgestaltungsvarianten realisiert wurden, nämlich das Merkmal, wonach zwei auf verschiedenen Seiten aus dem Gehäuse herausragende und sich diagonal gegenüberliegende Enden der Sammelrohre einen als flexibles Wellrohr ausgebildeten Endabschnitt aufweisen. Der Einwand des Beklagten, wonach die Absorberrohre in den vorbenutzten Solarabsorbern määnderförmig, nach dem Streitpatent hingegen harfenförmig angeordnet seien, ist demgemäß unbeachtlich.

Im Übrigen hat auch der Beklagte nicht bestritten, dass der in Augenschein genommene Kollektor aus der Anlage W...straße stammt.

e) Auf Grund der Vernehmung der Zeugen F..., E... und S... und der Inaugenscheinnahme des im Gerichtssaal aufgestellten Solarabsorbers SKI 175 sieht der Senat die von der Klägerin neben anderen Benutzungshandlungen geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung des Anbietens von gemäß dem Anspruch 1 des Streitpatents ausgestalteten Solarabsorbern ohne Geheimhaltungsverpflichtung durch den Zeugen F... an die Fa. V... und verschiedene andere Vermarkter bereits im Jahr 1995 als gege- ben an.

Eine für die Annahme der Offenkundigkeit ausreichende Offenbarung ist bereits darin zu sehen, dass die technischen Einzelheiten des Solarabsorbers in Verkaufsgesprächen mit verschiedenen Abnehmern erörtert wurden, ohne dass die jeweiligen Gesprächspartner zur Geheimhaltung verpflichtet wurden. Auch von einer stillschweigenden Geheimhaltungsabrede kann - insbesondere auf Grund der Aussage des Zeugen E..., wonach die Kundengespräche völlig offen geführt worden seien - nicht ausgegangen werden. Im Übrigen belegt der Werbeprospekt der u. a. die Solarabsorber vom Typ SKI 175 der Fa. F... des Zeu- gen F... exklusiv in der S... vertreibenden Fa. V..., dass solche Solarabsorber nicht nur in Fachkreisen bekannt geworden sind, sondern - gemäß dem Copyrightvermerk auf S. 1 des Prospekts - ab April 1996 und somit ebenfalls bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents die nicht zu entfernte Möglichkeit bestanden hat, dass eine breite Öffentlichkeit davon Kenntnis bekommen konnte.

3. Die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 sind echte Unteransprüche ohne eigenen erfinderischen Gehalt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 Satz 1 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 17.04.2007
Az: 1 Ni 7/06


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