Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 26. April 2012
Aktenzeichen: I-2 U 132/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 26.04.2012, Az.: I-2 U 132/10)

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 19.10.2010 wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

V.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 100.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters DE (Klagegebrauchsmuster, Anlage K 1), das einen Tropfenabscheider für Gaswäscher betrifft. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 10.02.2007 angemeldet und am 16.08.2007 eingetragen. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 20.09.2007. Im Hinblick auf das Ergebnis eines von ihr gestellten Rechercheantrags reichte die Klägerin mit Schreiben vom 17.12.2008 (Anlage K 1a) beim Deutschen Patent- und Markenamt eingeschränkte Schutzansprüche ein und erklärte, das Klagegebrauchsmuster nur in diesem Umfang aufrecht erhalten zu wollen. Dessen vorliegend streitgegenständliche Ansprüche 1, 2, 3 und 4 lauten danach wie folgt:

1.

Tropfenabscheideranordnung für Gaswäscher mit zwei Tropfenabscheiderlagen, von denen eine in Gasströmungsrichtung vorne und eine hinten angeordnet ist, die parallel zueinander in der Form eines V oder eines umgedrehten V vorgesehen sind, und die sich jeweils aus einer Reihe von parallel zueinander angeordneten Tropfenabscheiderprofilen zusammensetzen,

dadurch gekennzeichnet, dass

beide Tropfenabscheiderlagen (1, 2) über je eine gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6), an der die Seitenwände (5) der Tropfenabscheiderlagen (1, 2) fest oder lösbar angeordnet sind, auf/an zwei Trägern (3) einer einzigen gemeinsamen Trägerkonstruktion lagerbar bzw. gelagert sind, und dass die Tropfenabscheideranordnung eine an den unteren Enden der beiden plattenförmigen Stützkonstruktionen (6) fixierte Querstange (9) für eine Spüleinrichtung zum Spülen der Anströmseite der hinteren Tropfenabscheiderlage (2) aufweist.

2.

Tropfenabscheideranordnung nach einem der vorangehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet,

dass die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6) einen abgewinkelten Flansch (7) zur Lagerung auf den beiden Trägern (3) der einzigen Trägerkonstruktion besitzt.

3.

Tropfenabscheideranordnung nach Anspruch 1 oder 2,

dadurch gekennzeichnet, dass

sie eine sich durch die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6) erstreckende Verbindungsstange (8) aufweist.

4.

Tropfenabscheideranordnung nach einem der vorangehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet, dass

sie eine Spüleinrichtung zum Spülen der An- und/oder Abströmseite von mindestens einer Tropfenabscheiderlage (1, 2) aufweist, die an der gemeinsamen plattenförmigen Stützkonstruktion (6) angebracht ist.

Die nachfolgend eingeblendeten Zeichnungen (Figuren 1 und 2 des Klagegebrauchsmusters) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele in Form von schematischen Vertikalschnitten durch erfindungsgemäße Tropfenabscheideranordnungen im Strömungskanal eines Gaswäschers:

Abbildung

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Tropfenabscheider. Hierzu gehört der in dem Prospekt "S. s. s. f. t. l. r. d." (Anlage K 4 und Anlagenkonvolut B 6) als "D. r. m. e." bezeichnete Tropfenabscheider, welcher in zwei Versionen angeboten wird: einmal mit zwei parallelen Tropfenabscheiderlagen in Form eines umgedrehten V (angegriffene Ausführungsform 1) und einmal mit zwei parallelen Tropfenabscheiderlagen in Form eines V (angegriffene Ausführungsform 2). Die nachfolgenden Zeichnungen sind der genannten Broschüre (im Folgenden nur noch als "Broschüre" bezeichnet) entnommen und zeigen die entsprechenden Anordnungen der Tropfenabscheiderlagen:

Abbildungen

Beide angegriffenen Ausführungsformen machen - das ist zwischen den Parteien unstreitig - von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters im aufrechterhaltenen Umfang Gebrauch.

Die Klägerin hat deshalb mit der Begründung, die Beklagte sei zur Nutzung der erfindungsgemäßen Lehre nicht berechtigt, diese erstinstanzlich auf Unterlassen, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen und unter konkreten Erläuterungen behauptet, vor dem Prioritätszeitpunkt im Besitz der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters gewesen zu sein und auch schon Veranstaltungen zu ihrer Benutzung getroffen gehabt zu haben.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, beide angegriffenen Ausführungsformen machten zwar von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe aber zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Beklagte vor dem Prioritätstag im Besitz dieser Lehre befunden und Veranstaltungen zu ihrer Benutzung im Inland getroffen gehabt habe. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 stehe dies aufgrund der Aussagen der Zeugen R., B., V., M. und Dr. W. fest, hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 aufgrund der Aussage der Zeugin V.-S.. Diese habe unter Rückgriff auf ihre Emails und Datenverzeichnisse glaubhaft bekundet, die Broschüre für die Beklagte gefertigt zu haben. Die letzte Dateifassung für das dort gezeigte "Dachdesign" (Anmerkung: es handelt sich hierbei um die angegriffene Ausführungsform 1) stamme vom 09.02.2007, die letzte Dateifassung für das dort beworbene Doppel-V-Design (Anmerkung: es handelt sich hierbei um die angegriffene Ausführungsform 2) stamme vom 10.02.2007. Die jeweiligen Abbildungen seien nach den Angaben der Zeugin von ihr am 08.02.2007 fertiggestellt gewesen. Dass die Broschüre die angegriffenen Ausführungsformen und damit erfindungsgemäße Vorrichtungen zeige, stehe zwischen den Parteien - zu Recht - außer Streit.

Die Klageabweisung hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 ist Gegenstand der Berufung, mit der die Klägerin geltend macht, die Voraussetzungen eines privaten Vorbenutzungsrechts der Beklagten bzgl. der angegriffenen Ausführungsform 2 seien nicht bewiesen. Die Zeugin V.-S. sei nicht Mitarbeiterin der Beklagten gewesen und habe bekundet, die von ihr gefertigten Zeichnungen der Beklagten erst am 10.02.2007 übersandt zu haben, so dass diese erst am 10.02.2007 in den Besitz der Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform 2 gekommen sei. Etwas anderes folge auch nicht aus der Aussage des Zeugen Dr. W.. Soweit dieser bekundet habe, wenige Tage vor dem Prioritätsdatum des Klagegebrauchsmusters die Idee zum "Kippen" der Tropfenabscheiderlagen und damit zur Ausführungsform 2 gehabt zu haben, sei das nicht glaubhaft. Dass die dem Zeugen vorschwebende Vorrichtung alle Merkmale des Klagegebrauchsmusters verwirklicht habe, sei nicht dargelegt. Zudem gelange man nicht mit einem schlichten Kippen der angegriffenen Ausführungsform 1 unmittelbar zur Ausführungsform 2.

Die Klägerin beantragt,

I.

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 19.10.2010 - 4b O 35/09 - zu verurteilen,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Tropfenabscheideranordnungen für Gaswäscher mit zwei Tropfenabscheiderlagen, von denen eine in Gas-Strömungsrichtung vorne und eine hinten angeordnet ist, die parallel zueinander in der Form eines V vorgesehen sind und die sich jeweils aus einer Reihe von parallel zueinander angeordneten Tropfenabscheiderprofilen zusammensetzen,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen beide Tropfenabscheideranlagen über je eine gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion, an der die Seitenwände der Tropfenabscheideranlagen fest oder lösbar angeordnet sind, auf/an zwei Trägern einer einzigen gemeinsamen Trägerkonstruktion lagerbar bzw. gelagert sind und bei denen die Tropfenabscheideranordnung eine an den unteren Enden der beiden plattenförmigen Stützkonstruktionen fixierte Querstange für eine Spüleinrichtung zum Spülen der Anströmseite der hinteren Tropfenabscheiderlage aufweist,

hilfsweise, wenn die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion einen abgewinkelten Flansch zur Lagerung auf den beiden Trägern der einzigen Trägerkonstruktion besitzt

und

die Tropfenabscheideranordnung eine sich durch die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion erstreckende Verbindungsstange aufweist

und

die Tropfenabscheideranordnung eine Spüleinrichtung zum Spülen der An- und/oder Abströmseite von mindestens einer Tropfenabscheiderlage aufweist, die an der gemeinsamen plattenförmigen Stützkonstruktion angebracht ist;

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.10.2007 begangen hat, und zwar unter Angabe

der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei

die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 01.09.2008 zu machen sind,

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Beklagten zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;

die unter 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass der Senat mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 20.10.2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Dabei macht sie insbesondere geltend, bereits mit der Kenntnis von der Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform 1 sei sie - die Beklagte - im Besitz der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters gewesen. Dies sei vor dem Prioritätszeitpunkt gewesen, was nunmehr auch rechtskräftig feststehe. Der Unterschied zwischen den beiden angegriffenen Ausführungsformen sei gering und im Stand der Technik bekannt gewesen. Die klagegebrauchsmustergegenständliche Neuerung habe nur die bei beiden Ausführungsformen identische Lagerkonstruktion betroffen. Darauf komme es im Ergebnis aber nicht an, da jedenfalls die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.02.2012 (Bl. 285 ff GA) durch Vernehmung der Zeugin V-S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.03.2012 (Bl. 294 ff GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters durch Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 2 gestützte Klage ist unbegründet. Die Wirkungen des Klagegebrauchsmusters bestehen nicht gegenüber der Beklagten, da dieser auch ein Vorbenutzungsrecht im Hinblick auf die Anordnung der Tropfenabscheiderlagen in V-Form zusteht und sie daher befugt ist, die diesbezügliche streitgegenständliche Lehre für die Bedürfnisse ihres Betriebes zu nutzen (§ 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 12 Abs. 1 PatG).

1.)

Das Klagegebrauchsmuster hat eine Tropfenabscheideranordnung für Gaswäscher zum Gegenstand.

Gaswäscher sind verfahrenstechnische Apparate, in denen ein Gasstrom mit einem Flüssigkeitsstrom in Kontakt gebracht wird, um Bestandteile des Gasstroms in der Flüssigkeit aufzunehmen. Die bei ihnen verwendeten Tropfenabscheider trennen Flüssigkeitsnebel aus gasförmigen Medien wie Luft oder Prozessgasen. Das feuchte Gas wird durch einen Behälter an Prallblechen vorbei, durch eine regellose Schüttung oder ein Sieb mit verschiedenen Maschenweiten geleitet. Hierdurch ist das Gas gezwungen, schlagartig die Strömungsrichtung zu ändern. Infolge der höheren Trägheit können die Tröpfchen dieser Umlenkung nicht folgen und prallen gegen die Einbauten. Dort laufen sie herunter und werden gesammelt.

Die vorliegende Neuerung betrifft eine solche Tropfenabscheideranordnung mit einer in Gasströmungsrichtung vorderen und hinteren Tropfenabscheiderlage, die sich jeweils aus einer Reihe von parallel zueinander angeordneten Tropfenabscheiderprofilen zusammensetzen und von denen mindestens eine Lage in der Form eines V oder eines umgedrehten V ausgebildet ist und sich die seitlichen Abschnitte dieser Lage von den entsprechenden seitlichen Abschnitten der anderen Lage weg oder parallel hierzu erstrecken.

Derartige Tropfenabscheideranordnungen waren bekannt und - da sie einen relativ großen Abstand voneinander haben - im Stand der Technik auf oder an zwei verschiedenen Trägerkonstruktionen des Gaswäschers gelagert, die übereinander im Abstand voneinander angeordnet sind. Der Aufwand zur Lagerung dieser Anlagen ist relativ hoch, was das Klagegebrauchsmuster als nachteilig erachtet.

Als weiterhin aus der EP 0 747 107 bekannt erwähnt es, nur eine einzige Trägerkonstruktion für zwei Tropfenabscheiderlagen zu verwenden, die in der Form einer Raute ausgebildet und bei denen die Ränder der beiden Lagen benachbart zueinander angeordnet sind. Die Seitenwände der Tropfenabscheiderlagen besitzen dabei jeweils nach außen abgewinkelte Flansche und liegen mit diesen auf der Trägerkonstruktion auf.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Klagegebrauchsmuster zur Aufgabe gemacht, eine Tropfenabscheideranordnung der beschriebenen Art zu schaffen, die eine besonders einfach und kompakt ausgebildete Lagerkonstruktion besitzt.

Dieses Ziel wird neuerungsgemäß dadurch gelöst, dass beide Tropfenabscheiderlagen

über eine gemeinsame Seitenwand oder gemeinsame Stützkonstruktion,

an der die Seitenwände der Tropfenabscheiderlagen fest oder lösbar angeordnet sind,

an oder auf einer einzigen gemeinsamen Trägerkonstruktion

lagerbar bzw. gelagert sind.

In seinem Hauptanspruch sieht das Klagegebrauchsmuster demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

Tropfenabscheideranordnung für Gaswäscher mit zwei Tropfenabscheiderlagen (1, 2),

von denen eine Tropfenabscheiderlage in Gasströmungsrichtung vorne und eine Tropfenabscheiderlage in Gasströmungsrichtung hinten angeordnet ist,

wobei die beiden Tropfenabscheiderlagen (1, 2) parallel zueinander in der Form eines V oder eines umgedrehten V vorgesehen sind und

sich die Tropfenabscheiderlagen (1, 2) jeweils aus einer Reihe von parallel zueinander angeordneten Tropfenabscheiderprofilen zusammensetzen.

Beide Tropfenabscheiderlagen (1, 2) sind über je eine gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6), an der die Seitenwände (5) der Tropfenabscheiderlagen (1, 2) fest oder lösbar angeordnet sind, auf/an zwei Trägern (3) einer einzigen gemeinsamen Trägerkonstruktion lagerbar bzw. gelagert.

Die Tropfenabscheideranordnung weist eine an den unteren Enden der beiden plattenförmigen Stützkonstruktionen (6) fixierte Querstange (9) für eine Spüleinrichtung zum Spülen der Anströmseite der hinteren Tropfenabscheiderlage (2) auf.

In den abhängigen Unteransprüchen 2, 3 und 4 des Klagegebrauchsmusters, welche die Klägerin hilfsweise in Kombination geltend macht, werden die weiteren Merkmale einer gattungsgemäßen Vorrichtung wie folgt definiert:

Die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6) besitzt einen abgewinkelten Flansch (7) zur Lagerung auf den beiden Trägern (3) der einzigen Trägerkonstruktion.

Die Tropfenabscheideranordnung weist eine sich durch die gemeinsame plattenförmige Stützkonstruktion (6) erstreckende Verbindungsstange (8) auf.

Die Tropfenabscheideranordnung weist eine Spüleinrichtung zum Spülen der An- und/oder Abströmseite von mindestens einer Tropfenabscheiderlage (1, 2) auf, die an der gemeinsamen Seitenwand oder der gemeinsamen plattenförmige Stützkonstruktion (6) angebracht ist.

2.)

Dass die angegriffene Ausführungsform 2 die Merkmale (1) bis (6) in vollem Umfang verwirklicht, ist zwischen den Parteien - zu Recht - unstreitig.

3.)

Der Beklagten steht jedoch auch insoweit gem. § 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 12 Abs. 1 PatG ein privates Vorbenutzungsrecht zu. Dass sie zur Zeit der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters bereits im Inland die zur Benutzung seiner technischen Lehre erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte, steht auch zur Überzeugung des Senats nach der durch ihn wiederholten Vernehmung der Zeugin V.-S. fest.

Die Zeugin hat schlüssig und nachvollziehbar bekundet, sie könne sich aufgrund des Zeitablaufs zwar nicht mehr konkret an alle Einzelheiten erinnern, könne aber unter Bezugnahme auf die ihr noch zur Verfügung stehenden Dateien sagen, dass sie am 08.02.2007 von der Beklagten den Auftrag bekommen habe, auch eine Skizze für eine "umgekehrte Dach-Version" zu fertigen. Dies habe möglichst schnell geschehen sollen. Deshalb habe sie Bedenken gehabt, ob in der Kürze der Zeit die Fertigung einer 3D-Zeichnung möglich sei, wie sie sie für die das "Doppel-Dach" bereits gefertigt hatte. Sie habe sich deshalb mit der Beklagten dahingehend verständigt, bzgl. des "Doppel-V" eine Zeichnung aus der Frontalperspektive zu erstellen. Zum Beleg ihrer diesbezüglichen Aussage hat die Zeugin den Email-Verkehr Anlage 4 zum Protokoll vom 22.03.2012 vorgelegt. Sie hat weiter bekundet, Grundidee für die Anfertigung der Skizze zum "Doppel-V" sei gewesen, das "Doppel-Dach" zu kippen. Zu den Einzelheiten der "Doppel-V"-Zeichnung seien ihr dann weitere Anweisungen erteilt worden. Am 09.02.2007 habe sie intensiv an der Skizze zum "Doppel-V" gearbeitet und mehrfach in diesem Zusammenhang mit Frau P. von der Beklagten telefoniert. Außerdem habe sie am 09.02.2007 von der Beklagten per Email eine entsprechende Zeichnung (Anlage 3b) zum Protokoll vom 22.03.2012) und textliche Anweisungen zur konkreten Gestaltung der Zeichnung des "Doppel-V" (Anlage 3a) zum Protokoll vom 22.03.2012) erhalten. Die Fertigstellung der "Doppel-V"-Skizze und der Broschüre sei dann am 10.02.2007 erfolgt. An diesem Tag habe sie noch einmal 7 Stunden an dem Projekt gearbeitet, wie sie ihrer zum Zwecke der Rechnungsstellung gefertigten Stundenaufstellung entnehmen könne. Die endgültige Version der "Doppel-V"-Skizze, die sie ebenfalls zur Gerichtsakte gereicht hat (Anlage 8b) zum Protokoll vom 22.03.2012), habe sie um 18.40 Uhr gespeichert. Zuvor habe es noch den Email-Verkehr mit der Beklagten gegeben, wie er sich aus der ebenfalls vorgelegten Email vom 10.02.2007 (Anlage 7 zum Protokoll vom 22.03.2012) ergebe.

Danach besteht kein vernünftiger Zweifel, dass die Beklagte am 09.02.2007 und damit vor dem Anmeldedatum des Klagegebrauchsmusters im Besitz der vollständigen technischen Lehre der streitgegenständlichen Erfindung auch die "Doppel-V"-Version betreffend war.

Am 09.02.2007 hat die Beklagte der Zeugin V.-S. die Skizze Anlage 3b) zum Protokoll vom 22.03.2012 zukommen lassen und ihr u.a. die Anweisung gegeben, entsprechend dieser Skizze "kleine K." (gemeint sind "K.") zu zeichnen, die das Modul halten, und die untere und mittlere Querstange zu verstärken, um die Seitenplatten zu halten oder spannen (siehe Anlage 3a) zum Protokoll vom 22.03.2012). Damit waren alle Details der später in der Broschüre abgedruckten Skizze zur "Doppel-V"-Version benannt. Die am 10.02.2007 von der Beklagten in Auftrag gegebenen Änderungen im Skizzenentwurf der Zeugin (siehe Anlage 7 zum Protokoll vom 22.03.2012) betrafen demgegenüber nur noch redaktionelle Kleinigkeiten bei der Umsetzung der schon erteilten Anweisungen. Grundlegend neue Informationen zur Konstruktion des "Doppel-V" enthalten sie nicht.

Der Prospektabbildung der angegriffenen Ausführungsform 2 sind alle Merkmale des Klagegebrauchsmusters, auch die Merkmale (3), (5) und (6) zu entnehmen. Da die Seitenwände die tragende Konstruktion bilden, muss die untere Querstange an den Seitenwänden fixiert sein. Wie die Fixierung erfolgt, lässt das Klagegebrauchsmuster offen. Auf der Querstange befinden sich auch Spülrohre. Die obere Verbindungsstange erstreckt sich durch die Seitenwände hindurch (vgl. Abschnitt [0010] des Klagegebrauchsmusters). Die Spüleinrichtung ist auch an den Seitenwänden angebracht. Wie die Ausführungsbeispiele der Klagegebrauchsmusterschrift zeigen, ist damit nicht eine direkte Befestigung gemeint, sondern nur der Umstand, dass auch die Spüleinrichtung von den Seitenwänden getragen wird (vgl. Abschnitt [0011]).

Der Prospekt stellt eine Veranstaltung im Sinne von § 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 12 Abs. 1 PatG dar, da er ersichtlich den abschließend gefassten Entschluss der Beklagten zur gewerblichen Verwertung der oben genannten technischen Lehre dokumentiert.

Der Einwand der Klägerin, die Idee zum Doppel-V-Design gehe auf den Zeugen Dr. W. zurück, der seinerzeit kein fest angestellter Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Berechtigte muss nicht notwendig der geistige Urheber des Erfindungsbesitzes sein. Die Kenntnis eines für ihn handelnden Dritten (Gehilfen) wird dem Begünstigten zugerechnet (RG GRUR 1937, 621 (623)). Darüber hinaus begründet sogar die Ausführung einer von einem Dritten gemachten Erfindung ein Vorbenutzungsrecht, solange der Erfindungsbesitz redlich erworben wurde (BGH GRUR 2010, 47 - Füllstoff). Daran kann hier kein Zweifel bestehen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 20.04.2012 enthält keinen neuen Sachvortrag und gab schon deshalb keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Dr. B. S. K.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 26.04.2012
Az: I-2 U 132/10


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