Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 6. Oktober 2008
Aktenzeichen: I-24 W 70/08

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 06.10.2008, Az.: I-24 W 70/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beklagten haben gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

Das Gericht hat entschieden, dass die Absetzung der Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten zu Recht erfolgt ist. Die Rechtspflegerin ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV nicht entstanden ist. Nach dieser Kostenbestimmung fällt die Gebühr an, wenn der Streit der Parteien durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits am Abschluss eines Vertrages. Denn die Prozessbevollmächtigten haben lediglich Prozesserklärungen abgegeben. Diese sind ausschließlich an das Gericht gerichtet und lösen die in § 269 Abs. 3 ZPO beschriebenen Rechtsfolgen aus. Die Parteien wollen erkennbar nicht eine den Prozess beendende Vereinbarung treffen. Das Verhalten der Parteien kommt der schlüssigen Verabredung eines vollständigen Verzichts des Klägers mit Zustimmung seiner Gegner nahe. Da einer Klagerücknahme jedoch nicht der Erklärungsinhalt eines Verzichts in diesem Umfang zukommt, entsteht auch keine Einigungsgebühr.

Die Annahme einer gebührenauslösenden Einigung entspricht auch nicht den Interessen der Parteien. Der Kläger sieht in der Klagerücknahme den sichersten Weg, den Rechtsstreit ohne zusätzliche Kosten zu beenden. Stimmt der Beklagte der Klagerücknahme jedoch zu, so macht er deutlich, dass auch er mit dieser Art, den Konflikt ohne weitere Kosten beizulegen, einverstanden ist.

Das Gericht sieht keinen Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, da die Voraussetzungen von § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Beschluss v. 06.10.2008, Az: I-24 W 70/08


Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 5. August 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

Beschwerdewert:: 606,00 EUR

Gründe

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Absetzung der Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten ist zu Recht erfolgt.

Zutreffend ist die Rechtspflegerin davon ausgegangen, dass die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV nicht entstanden ist. Nach dieser Kostenbestimmung fällt die Gebühr an, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiellrechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH NJW 2007, 2187 m.w.N.; ferner MDR 2007, 492; NJW 2006, 1523).

Im vorliegenden Fall fehlt es schon am Abschluss eines Vertrages. Denn die Prozessbevollmächtigten haben lediglich Prozesserklärungen abgegeben. Auch wenn die Klage gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nach Eintritt in die mündliche Verhandlung, also nach Stellung der Anträge (§ 137 Abs. 1 ZPO), wirksam nur mit Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann, kommt diesen Prozesshandlungen nicht die Qualität von Angebot und Annahme im Sinne der §§ 145 ff. BGB und damit eines Vertragsschlusses zu (ähnlich OLG Koblenz JurBüro 2006, 638 = MDR 2007, 244; offen gelassen von OLG Düsseldorf, 1. Zivilsenat, AGS 2005, 494). Die Parteien wollen erkennbar nicht eine den Prozess beendende Vereinbarung treffen. Dafür hätten sie jeweils Adressaten der Willenserklärungen sein müssen. Stattdessen sind die Prozesserklärungen ausschließlich an das Gericht gerichtet (vgl. § 269 Abs. 2 S. 1 ZPO) und lösen die in § 269 Abs. 3 ZPO beschriebenen Rechtsfolgen aus. Unerheblich ist dabei, dass die Beklagten ihre Einwilligung in die Rücknahme der Klage schon vorweg in der mündlichen Verhandlung erklärt haben (vgl. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl., § 269 Rn. 15; Musielak/Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 269 Rn. 9). Das berührt allenfalls die Widerruflichkeit der Erklärung bis zur Klagerücknahme. Darauf kommt es hier indessen nicht an.

Sähe man dies anders, so hätte das Verhalten der Parteien trotzdem nicht die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV entstehen lassen. Diese soll nämlich die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (vgl. BGH NJW 2007, 2187; MDR 2007, 492; Hartmann, Kostengesetze 37. Aufl., RVG VV Nr. 1000 Rn. 5 und 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 18. Aufl. VV Nr. 1000 Rn. 3, 5). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH MDR 2007, 492 m.w.N.). Die Einigungsgebühr entsteht demnach dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH aaO.).

Ähnlich liegen die Dinge auch hier. Denn das Verhalten der Parteien kommt der schlüssigen Verabredung eines vollständigen Verzichts des Klägers mit Zustimmung seiner Gegner nahe. Da aber einer Klagerücknahme dieser weitgehende Erklärungsinhalt nicht zukommt und nicht einmal der Verzichtsvertrag eine Einigungsgebühr anfallen lässt, kommt dies erst recht nicht für die Klagerücknahme nach Beginn der mündlichen Verhandlung in Betracht. Dabei mag es durchaus anders gelagerte Fälle geben, die die Gebühr nach Nr. 1000 RVG-VV auslösen (vgl. die Beispiele bei Gerold/Schmidt/Müller-Rabe aaO. Rn. 42; ferner Hartmann aaO. Rn. 32). Insbesondere Fälle, in denen der Klagerücknahme eine außerhalb des Verfahrens getroffene Übereinkunft der Parteien zu Grunde liegt, sind hier einschlägig (so zutreffend OLG Koblenz aaO.).

Schließlich entspricht die Annahme einer Gebühren auslösenden Einigung nicht den Interessen der Parteien. Denn ein Kläger sieht in der Klagerücknahme den sichersten Weg, den Rechtsstreit ohne zusätzliche Kosten zu beenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die mangelnden Erfolgsausichten der Klage hingewiesen hat. Dem Beklagten steht es frei, einer Klagerücknahme die Zustimmung zu versagen und auf einen - auch materiellrechtlich bedeutsamen - Vergleich im Sinne von § 779 BGB zu drängen oder es auf eine Streitentscheidung durch das Gericht ankommen zu lassen. Stimmt der Beklagte der Rücknahme der Klage jedoch zu, so macht er damit deutlich, dass auch er mit dieser Art, den Konflikt ohne weitere Kosten beizulegen, einverstanden ist (vgl. BGH NJW 2007, 2493 = JurBüro 2007, 365).

So liegen die Dinge auch hier. Das Landgericht hatte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2008 auf die mangelnde Erfolgsaussicht der gegen die beklagten Rechtsanwälte gerichteten Schadensersatzklage hingewiesen. Dass sich der Kläger mit dem Gedanken an eine Klagerücknahme trug, erklärt ohne Weiteres die vorweg abgegebene Zustimmung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Mit der zwei Wochen später erklärten Klagerücknahme ging es dem Kläger dann nur noch darum, die zusätzlichen Kosten eines in dem auf den 17. Juli 2008 anberaumten Verkündungstermin zu erwartenden Urteils zu vermeiden.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen von § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 06.10.2008
Az: I-24 W 70/08


Link zum Urteil:
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