Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 19. März 2001
Aktenzeichen: 23 W 45/01

(OLG Hamm: Beschluss v. 19.03.2001, Az.: 23 W 45/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Beschluss vom 19. März 2001 die sofortige Beschwerde einer Klägerin gegen die Kostenfestsetzung abgewiesen. Die Klägerin hatte die Kosten eines vorprozessual eingeholten Gutachtens bei der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt gesehen, während die Rechtspflegerin dies zu Recht getan hatte. Das Gericht folgt der Ansicht der Rechtspflegerin, dass das Gutachten notwendig war für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung und die Beklagte daher die Kosten von der Klägerin erstattet verlangen kann. Die Zuziehung eines Privatgutachters hat zwar normalerweise Ausnahmecharakter, jedoch können die Kosten im Einzelfall erstattungsfähig sein, wenn das Gutachten zur Darlegungs- und Beweislast genügen muss und im Hinblick auf einen bevorstehenden Rechtsstreit in Auftrag gegeben wurde. Im konkreten Fall wurde das Gutachten beauftragt, nachdem bereits ein gerichtlich bestelltes Gutachten vorlag, das zur Forderungsaufstellung der Klägerin geführt hatte. Das Gericht entscheidet weiter, dass die von dem Haftpflichtversicherer der Beklagten beauftragten Gutachtenkosten erstattungsfähig sind, auch wenn der Versicherer das Gutachten in seinem eigenen Interesse in Auftrag gegeben hat. Der Versicherer erfüllt praktisch die Aufgabe eines Rechtsschutzversicherers und kann die Kosten aufgrund seines internen Verhältnisses zum Versicherungsnehmer nicht von diesem erstattet verlangen. Die Höhe der Rechnung des Sachverständigen wird ebenfalls nicht beanstandet, da sie sich im üblichen Rahmen für ein Privatgutachten bewegt. Die Kostenentscheidung der sofortigen Beschwerde beruht auf den entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO).




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Beschluss v. 19.03.2001, Az: 23 W 45/01


Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin nach einem Beschwerdewert von 2.331,60 DM zurückgewiesen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG) ist unbegründet.

Entgegen ihrer Ansicht hat die Rechtspflegerin zu Recht die Kosten des von dem Haftpflichtversicherer der Beklagten vorprozessual eingeholten Gutachtens bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B vom 19. Mai 1999 war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO notwendig, so daß die Beklagte die ihrem Haftpflichtversicherer am 19. Mai 1999 in Rechnung gestellten Kosten von 2.331,60 DM von der Klägerin erstattet verlangen kann.

I.

Zwar hat die prozeßnotwendige Zuziehung eines Privatgutachters wegen der Pflicht zur Geringhaltung der Kosten Ausnahmecharakter (Senatsbeschluß vom 18.12.1995 23 W 454/95 in OLGReport 1996, 105; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., Stichwort: Privatgutachten, Vorbemerkungen). Die Kosten eines vorgerichtlich eingeholten Privatgutachtens können jedoch im Einzelfall erstattungsfähig sein, wenn es im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Rechtsstreit in Auftrag gegeben worden ist, um der Darlegungs- bzw. Beweislast genügen zu können (Senatsbeschluß vom 18.12.1995, a.a.O.; Senatsbeschluß vom 05.10.1972 23 W 475/72 in JurBüro 1972, 1102). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt es dabei nicht darauf an, ob das Gericht das Privatgutachten letztlich bei seiner Entscheidung verwertet. Vielmehr ist entscheidend, ob die Partei die Beauftragung eines Privatgutachters bei verständiger Würdigung ihrer Belange im konkreten Stadium der Streitigkeit zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunktes aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten (objektivierende Betrachtung) als erforderlich ansehen durfte (Senatsbeschluß vom 08.06.1998 23 W 39/98 in OLGReport 1999, 111, 112).

Als der Haftpflichtversicherer der Beklagten dem Sachverständigen Prof. Dr. B den Gutachtenauftrag erteilte, war in dem von der Klägerin beim Landgericht Paderborn unter dem Aktenzeichen XXXXX angestrengten selbständigen Beweisverfahren bereits ein Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Klamert vom 15. Februar 1999 eingeholt worden, das die Klägerin mit Schreiben vom 06. April 1999 zum Anlaß genommen hatte, die Beklagte zwecks Vermeidung eines "gerichtlichen Verfahrens" zur Anerkennung ihrer Schadensersatzpflicht aufzufordern. Die Erteilung des Gutachtenauftrages weist somit die erforderliche Prozeßbezogenheit auf.

Der Haftpflichtversicherer der Beklagten durfte die Einholung des Gutachtens im damaligen Stadium der Auseinandersetzung auch für erforderlich halten. In dem zum selbständigen Beweisverfahren erstellten Gutachten war der Sachverständige L anhand wissenschaftlicher Untersuchungen zu der Auffassung gekommen, daß das Abschuppen der oberen Schicht des Parkettbodens in der Sporthalle des evangelischen Gymnasiums in M durch die Reinigungsarbeiten der Beklagten verursacht worden war. Die Beklagte konnte sich aus damaliger Sicht fundiert nur dann mit den Untersuchungsergebnissen des Sachverständigen Klamert auseinandersetzen, wenn sie selbst sachverständige Hilfe in Anspruch nahm. Das von ihr eingeholte Privatgutachten hat dazu geführt, daß sich der im Kammertermin am 05. Mai 2000 ergänzend gehörte gerichtliche Sachverständige L über seine schriftlichen Ausführungen hinaus zusätzlich mit der Angelegenheit beschäftigt hat. Das Privatgutachten von Prof. Dr. Q hat schließlich Eingang in das am 05. Mai 2000 verkündete Urteil des Landgerichts gefunden und zur Klageabweisung beigetragen.

II.

Der Erstattungsfähigkeit der für das Privatgutachten aufgewandten Kosten steht entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entgegen, daß der Sachverständige Prof. Dr. Q nicht von der Beklagten, sondern von ihrem Haftpflichtversicherer beauftragt worden ist. Der Versicherer hat das Gutachten erkennbar nicht zur Prüfung seiner Einstandspflicht gegenüber der Beklagten, sondern zu deren vorprozessualen Interessenvertretung und zu ihrer Unterstützung in dem anstehenden Rechtsstreit eingeholt (vgl. zur notwendigen Prozeßbezogenheit der Einholung eines Gutachtens durch den Haftpflichtversicherer Senatsbeschluß vom 26.11.1991 23 W 561/91 in JurBüro 1992, 818).

Zwar umfaßt die Kostenerstattungspflicht grundsätzlich nur die einer Partei selbst erwachsenen Aufwendungen. Erteilt jedoch, wie hier, ein Haftpflichtversicherer einen Gutachtenauftrag, sind die dafür angefallenen Kosten ebenso erstattungsfähig, wie bei einer Beauftragung durch die Partei (OLG Koblenz ZfS 1992, 56; OLG München MDR 1987, 148; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 91 Rdn. 15; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., Stichwort: Privatgutachten, Anm. 2.12; von Eicken in von Eicken/Lappe/Madert, Die Kostenfestsetzung, 17. Aufl., Anm. B 307). Der Haftpflichtversicherer erfüllt nämlich im Hinblick auf das versicherte Risiko praktisch die Aufgabe eines Rechtsschutzversicherers, weil er gem. § 3 Abs. 3 Nr. 3 AHB den Rechtsstreit auf seine Kosten im Namen des Versicherungsnehmers führt. Er ist aufgrund seines internen Verhältnisses zum Versicherungsnehmer verpflichtet, die Prozeßkosten gleichsam vorzuschießen, und kann sie nur wegen des Versicherungsschutzes des Versicherungsnehmers von diesem nicht erstattet verlangen. Die Aufspaltung zwischen der Parteistellung des Versicherungsnehmers, der die Prozeßführung gem. § 5 Nr. 4 AHB dem Versicherer zu überlassen hat, und dem Kostenrisiko des Versicherers führt nicht zu einer Besserstellung des Prozeßgegners hinsichtlich der ihn treffenden Kostenerstattungspflicht.

III.

Auch die Höhe der Rechnung des Sachverständigen Prof. Dr. Q vom 19. Mai 1999 (2.331,60 DM) ist nicht zu beanstanden. Die von ihm angesetzten Gebührensätze halten sich im üblichen Rahmen für ein Privatgutachten. Anders als ein gerichtlich bestellter Sachverständiger braucht ein Privatgutachter seiner Abrechnung nicht die Sätze des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) zugrundezulegen (so auch ZöllerHerget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rdn. 13 zum Stichwort: Privatgutachten).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren der Klägerin entspricht, beruht auf § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 19.03.2001
Az: 23 W 45/01


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