Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 25. Juni 1992
Aktenzeichen: 27 U 257/91

(OLG Hamm: Urteil v. 25.06.1992, Az.: 27 U 257/91)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um die Forderung des Klägers nach Rückgewähr von kapitalersetzenden Leistungen der Beklagten an die Gemeinschuldnerin. Die Gemeinschuldnerin wurde von den Herren ... und ... gegründet, wobei die Beklagte eine Beteiligung an der Gemeinschuldnerin hatte. Die Beklagte kaufte für den Betrieb der Gemeinschuldnerin Maschinen ein und verkaufte diese anschließend an die Gemeinschuldnerin. Es wurde ein Eigentumsvorbehalt vereinbart und die Kaufpreisraten wurden gestundet. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin wurde der Kaufvertrag rückabgewickelt und die Maschinen an die Beklagte zurückgegeben. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass es sich bei dem Verkauf der Maschinen um eine kapitalersetzende Leistung der Beklagten handelte und verlangte die Herausgabe der Maschinen. Das Gericht entschied, dass die Beklagte wie eine Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin zu behandeln ist und durch die Rücknahme der Maschinen von ihrem Eigentumsvorbehalt Gebrauch gemacht hat. Die Rücknahmequalifizierte sich als anfechtbare Befriedigung einer Forderung und die Beklagte durfte diese nicht mehr vornehmen, nachdem das Konkursverfahren über die Gemeinschuldnerin eröffnet wurde. Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Übergabe und Herausgabe der Maschinen und setzte hierfür eine Frist. Allerdings konnte ein Anspruch auf Wertersatz nicht zureichend begründet werden, da die Bemessungsgrundlage für die Höhe des Wertersatzes fehlte. Daher konnte der Kläger den Wertersatzanspruch nicht geltend machen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden teilweise der Klägerin und teilweise der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 25.06.1992, Az: 27 U 257/91


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 26. September 1991 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, folgende Gegenstände an den Kläger zu übereignen und innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Urteils herauszugeben:

1 Stück Rundfilteranlage Fabr. ... Typ ...

Höhe: Durchmesser 2.500 mm, Luftleistung: 20-25.00 cbm/h

1 Stück Unterkonstruktion

1 Stück Wartungsbühne mit Leiter

1 Stück Trockenlöschleitung

1 Stück Zeilenradschleuse, Typ ...

1 Stück Absaugventilator - gebraucht -

technische Daten:

Volumenstrom: 21.000 cbm/h, ges.

Pressung:

2.800 Pa, Kraftbedarf an der Welle ca. 27 KW

Motor: 380 Volt, 50 Hz, Drehzahl 1.460 min. 1

1 Stück Bodenkonsole

1 Stück Absaugleitung, für ... V = 21.000 cbm/h

1 Stück Ringleitung für Containerbeschickung mit Transportventilator

1 Stück Schaltschrank

1 gebr. Kantenbearbeitungsautomat Fabr. ... Typ ... Lagernr. ...

1 gebr. Doppelendprofiler Fabr. ... Typ ... Lagernr. ...

1 gebr. Alleskönner Fabr. ... Typ ... Lagernr. ...

1 gebr. Leimauftragungsmaschine Fabr. ... Typ ..., Lagernr. ...

1 gebr. 4-Walzen-Leimauftragungsmaschine Fabr. ... Typ ..., Lagernr. ...

1 gebr. Furnierschere, Fabr. ... Lagernr. ...

1 gebr. Rollenpresse, Fabr. ... Lagernr. ...

1 gebr. Rollenpresse, Fabr. ... Lagernr. ...

1 Düsentrockenkanal, Fabr. ... Typ ... Artikel-Nr. ...

1 neues Stabtransportband, Fabr. ... für Düsentrockner Typ ...

zugehöriges Elektroinstallationsmaterial.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 DM abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, Sicherheit auch durch Prozeßbürgschaft eines als Steuerbürgin zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Verwalter in dem am 15. August 1989 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der ... GmbH/ ... die Beklagte wegen Rückgewähr von kapitalersetzenden Leistungen an die Gemeinschuldnerin auf Zahlung und Herausgabe in Anspruch.

Die Gemeinschuldnerin wurde am 02. April 1986 von den Herren ... und ... mit Betriebssitz in den Geschäftsräumen der Beklagten gegründet. Ihr Stammkapital betrug 50.200,00 DM; es wurde von den Herren ... mit jeweils 18.800,00 DM (37,45 %) sowie von Herrn ... mit 12.600,00 DM (25,1 %) gehalten. Die Gemeinschuldnerin sollte Verbundbauplatten herstellen, für welche die Beklagte Pressteile liefern wollte. Die Beklagte hatte ein Stammkapital von 200.000,00 DM, an dem Herr ... mit 80.000,00 DM (40 %), Frau ... - Mutter des ... - ebenfalls mit 80.000,00 DM (40 %) sowie die Herren ... und ... mit je 20.000,00 DM (10 %) beteiligt waren. Für den Betrieb der Gemeinschuldnerin kaufte die Beklagte gemäß Rechnungen vom 28. April und 23. Mai 1986 bei der Firma ... Fertigungsmaschinen zum Gesamtpreis von 551.555,20 DM unter Eigentumsvorbehalt. Mit Rechnungen vom 28. Mai 1986 veräußerte sie diese zum Einstandspreis an die Gemeinschuldnerin. Für die Installation verlangte sie weitere 58.850,28 DM und an Finanzierungskosten 97.985,47 DM; letztere hatte sie selbst infolge Wechselzahlungen an die Firma ... aufzubringen. Die Beklagte erhielt aufgrund des ihr abgetretenen Vorsteuererstattungsanspruchs von der Gemeinschuldnerin 78.222,60 DM sowie im August und Oktober 1987 zwei Teilbeträge von je 10.000,00 DM. Weitere Leistungen erbrachte die Gemeinschuldnerin nicht. Weil sie die vereinbarten Raten von 6.000,00 DM nicht aufbringen konnte, stundete die Beklagte ihr die Restforderung. Gemäß Rechnung der Gemeinschuldnerin vom 31. August 1988 über 610.234,47 DM nahm die Beklagte die Maschinen zurück. Der Betrag wurde mit der Schuld der Gemeinschuldnerin bei der Beklagten verrechnet.

Der Kläger hat gemeint, die Verrechnung sei anfechtbar, weil die Lieferung der Maschinen eine kapitalersetzende Leistung dargestellt habe. Das gelte auch für die Kaufpreisstundungen. Die Beklagte sei wie eine Gesellschafterin zu behandeln, weil zwischen ihren Gesellschaftern und denen der Gemeinschuldnerin teilweise Identität bestehe. Die Gemeinschuldnerin sei mangels Kreditwürdigkeit nicht in der Lage gewesen, die Maschinen selbst anzuschaffen. Statt den Kaufpreis zu stunden, hätten ordentliche Gesellschafter Kapital zugeführt.

Die Beklagte hat behauptet, zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin sei eine echte Betriebsaufspaltung vorgesehen gewesen. Sie selbst habe als Besitzunternehmen, die Gemeinschuldnerin lediglich als Produktionsgesellschaft geführt werden sollen. Das sei aber wirtschaftlich unvorteilhaft gewesen, weil dann keine Investitionszulage gezahlt worden wäre. Nur deshalb habe sie die Maschinen nicht an die Gemeinschuldnerin vermietet, sondern verkauft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin sei und einer solchen auch nicht gleichstehe. Insbesondere sei keine Verbindung gemäß den §§15 ff AktG dargetan.

Der Kläger rügt diese Würdigung und verbleibt bei seiner Auffassung, daß der Verkauf sowie die Bereitstellung des kompletten Maschinenparks in Verbindung mit der Stundung des Kaufpreises aus wirtschaftlicher Sicht nicht anders zu beurteilen sei als eine darlehensweise Überlassung des Kaufpreises für die Anschaffung der Maschinen. Deren Rücknahme zu einem Verrechnungspreis von 610.234,47 DM verstehe sich nicht lediglich als Ausübung des Eigentumsvorbehalts, sondern als selbständiger Kaufvertrag. Hierdurch sei ein Zahlungsanspruch der Gemeinschuldnerin entstanden, den die Beklagte in Höhe ihres Restkaufpreises von 609.997,35 DM (708.219,95 DM Gesamtkaufpreis abzüglich gezahlter 98.222,60 DM) anfechtbar verrechnet habe. Sollte die Beklagte hingegen die Maschinen aufgrund des Eigentumsvorbehalts zurückgenommen haben, sei diese Rechtshandlung anfechtbar mit der Folge, daß er Übereignung und Herausgabe verlangen könne.

Der Kläger beantragt,

abändernd die Beklagte zu verurteilen, an ihn 609.997,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Mai 1990 zu zahlen,

hilfsweise,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn folgende Gegenstände zu übereignen und herauszugeben:

1 Stück Rundfilteranlage Fabr. ... Typ ...

Höhe: Durchmesser 2.500 mm, Luftleistung: 20-25.00 cbm/h

1 Stück Unterkonstruktion

1 Stück Wartungsbühne mit Leiter

1 Stück Trockenlöschleitung

1 Stück Zeilenradschleuse, Typ JK 50 S

1 Stück Absaugventilator - gebraucht - technische Daten:

Volumenstrom: 21.000 cbm/h, ges. Pressung: 2.800 Pa, Kraftbedarf an der Welle ca. 27 KW Motor: 380 Volt, 50 Hz, Drehzahl 1.460 min. 1

1 Stück Bodenkonsole

1 Stück Absaugleitung, für ... V = 21.000 cbm/h

1 Stück Ringleitung für Containerbeschickung mit Transportventilator

1 Stück Schaltschrank

1 gebr. Kantenbearbeitunsautomat Fabr. ... Typ ..., Lagernr. ...

1 gebr. Doppelendprofiler Fabr. ... Typ ... Lagernr. ...

1 gebr. Alleskönner Fabr. ... Typ ... Lagernr. ...

1 gebr. Leimauftragungsmaschine Fabr. ... Typ ..., Lagernr. ...

1 gebr. 4-Walzen-Leimauftragungsmaschine Fabr. ... Typ ..., Lagernr. ...

1 gebr. Furnierschere, Fabr. ... Lagernr. ...

1 gebr. Rollenpresse, Fabr. ... Lagernr. ...

1 gebr. Rollenpresse, Fabr. ... Lagernr. ...

1 Düsentrockenkanal, Fabr. ... Typ ... Artikel-Nr. ...

1 neues Stabtransportband, Fabr. ... für Düsentrockner Typ ...

zugehöriges Elektroinstallationsmaterial.

2.

der Beklagten eine Herausgabefrist von zwei Wochen ab Rechtskraft des Urteils zu setzen,

3.

für den Fall des erfolglosen Fristablaufs die Beklagte zu verurteilen, an ihn 593.804,47 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Mai 1990 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und behauptet nach wie vor, daß die Firma ... den Kaufvertrag anstelle mit ihr auch mit der Gemeinschuldnerin geschlossen haben würde. Zum weiteren Parteivorbringen im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Geschäftsführer ... der Beklagten gemäß §141 ZPO angehört. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Sitzungsprotokoll vom 26. Mai 1992 verwiesen.

Die Konkursakte 29 N 23/89 des Amtsgerichts Hagen ist Gegenstand mündlicher Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Berufung ist mit den Hilfsanträgen zu 1) und 2) erfolgreich, im übrigen jedoch unbegründet.

Der Kläger kann die Beklagte gemäß den §§37, 32 a KO, 32 a III GmbHG auf Rückgewähr der Maschinen in Anspruch nehmen, weil die Beklagte wie eine Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin zu behandeln ist (1), durch die Rücknahme der Maschinen von ihrem Eigentumsvorbehalt Gebrauch gemacht hat (2) und eine solche Rechtshandlung zu Lasten der späteren Konkursgläubiger nicht (mehr) vornehmen durfte (3). Die Herausgabe der Maschinen ist antragsgemäß zu befristen (4). Hingegen ist ein Anspruch auf Wertersatz vom Kläger nicht zureichend dargetan (5).

1.

Die Beklagte steht als Dritte im Sinne des §32 a III GmbHG einer Gesellschafterin gleich. Sie hat für die Gemeinschuldnerin gesellschaftsrechtliche Verantwortung übernommen und deren Geschicke maßgeblich mitbestimmt. Es kann dahinstehen, ob nicht schon die personellen Verflechtungen zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin ausreichend erscheinen müssen, um die gesellschafterähnliche Rolle der Beklagten festzustellen. Die insoweit vom Landgericht erhobenen Bedenken erscheinen dem Senat allerdings nicht stichhaltig. Zwar hielt die Beklagte keine Mehrheitsbeteiligung an der Gemeinschuldnerin, wohl aber ihre Mehrheitsgesellschafter bzw. deren Angehörigen. Da bei der gesellschaftsinternen Willensbildung für gewöhnlich die einfache Stimmenmehrheit ausreicht, ist es zumindest naheliegend, beide Gesellschaften als verbundene Unternehmen entsprechend §15 AktG jedenfalls zu vermuten, so daß die Beklagte einen solchen Schein zu widerlegen hätte. Letztlich kann dieser Gedanke aber auf sich beruhen, weil die Beklagte selbst vorträgt, daß sie die Leitung der Gemeinschuldnerin von Anfang an ganz entscheidend beeinflußt hat (vgl. dazu Urteil des BGH vom 26. März 1984 in BGHZ 90, 380 ff). Zur Gründung der Gemeinschuldnerin ist es nur gekommen, weil die Beklagte daran interessiert gewesen ist, auf diese Weise einen ausgefallenen Geschäftspartner zu ersetzen. Der Betrieb der Gemeinschuldnerin war deshalb ganz auf die Beklagte abgestellt. Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten soll ursprünglich sogar eine "Konzernlösung" dergestalt vorgesehen gewesen sein, wonach die Beklagte lediglich als Besitz- und die Gemeinschuldnerin als Produktionsunternehmen fungiert hätten. Das ist zwar von dem Geschäftsführer ... bei seiner Anhörung vor dem Senat so nicht nachgehalten worden. Aber auch der praktizierte An- und Verkauf des Maschinenparks zeigt deutlich, daß die Beklagte über ihre Mehrheitsgesellschafter die Geschäftspolitik der Gemeinschuldnerin gestaltet hat.

2.

Es mag durchaus sein, daß bereits der Verkauf der Maschinen an die Gemeinschuldnerin vom 28. Mai 1986 eine kapitalersetzende Leistung der Beklagten gewesen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn die Firma ... nicht bereit gewesen sein sollte, direkt mit der Gemeinschuldnerin zu kontraktieren, weil ihr deren Bonität nicht ausreichend erschien. Das hat der Kläger zwar behauptet, ist jedoch von dem Geschäftsführer der Beklagten bei seiner Anhörung vor dem Senat bestritten worden. Die Vertragsgestaltung über die Beklagte als Zwischenerwerberin soll allein auf der bereits bestehenden Geschäftsverbindung zwischen der Firma ... und der Beklagten beruht haben; falls sich die Beklagte geweigert haben würde, hätte die Firma ... den Vertrag auch inhaltsgleich mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossen. Hiervon muß zugunsten der Beklagten einstweilen ausgegangen werden. Ob die entgegenstehende Behauptung des Klägers erweislich wäre, bedarf keiner Klärung. Denn jedenfalls die Stundung der Kaufpreisraten, die aufzubringen der Gemeinschuldnerin aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen ist, hatte kapitalersetzende Funktion. Hierdurch wird der Kläger letztlich ebenso gestellt, wie er stehen würde, wenn das bereits für den Kaufvertrag vom 28. Mai 1988 gälte.

Durch den Verkauf der Maschinen unter Eigentumsvorbehalt hat die Beklagte der Gemeinschuldnerin den Besitz mit Nutzungsmöglichkeit verschafft sowie die Chance zum Erwerb des Eigentums eröffnet (Anwartschaftsrecht). Diesen Zustand hat sie rechtlich wie tatsächlich bis August 1988 aufrechterhalten, obwohl die Gemeinschuldnerin ihn nicht aus eigener Kraft erwirtschaften konnte und die als Gegenleistung vereinbart gewesenen Kaufpreisraten schuldig blieb. Statt dessen hätte die Beklagte ohne weiteres die Wahlmöglichkeit gehabt, vom Vertrage zurückzutreten; §455 BGB. Indem sie davon keinen Gebrauch gemacht und so die Gemeinschuldnerin am Leben gehalten hat, trägt sie die Verantwortung dafür, wie deren Fortbestehen bei ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung herbeigeführt worden wäre (vgl. Urteil des BGH vom 19. September 1988 in BGHZ 106, 7 ff.).

Das Rückgabeverlangen der Beklagten versteht sich bei interessengerechter Auslegung als Rücktrittserklärung gemäß §455 BGB und nicht etwa - wie der Kläger meint - als Rückkaufangebot, was allein möglicherweise den Hauptantrag hätte rechtfertigen können. Grundlage war die Nichtzahlung der Kaufpreisraten; die Beklagte wollte offensichtlich nur ihre daraus sich ergebenden Rechte geltend machen. Für weitergehende Erklärungen bestand keine Veranlassung. Abgesehen davon konnte die Gemeinschuldnerin der Beklagten das Eigentum an den Maschinen ohnehin nicht verschaffen (§433 I 1 BGB), weil die Beklagte noch Eigentümerin war. Insgesamt erweist sich die Rechnung vom 31. August 1988 lediglich als Mittel zur buchmäßigen Glattstellung der gegenseitigen Ansprüche aus dem letztlich fehlggeschlagenen Abzahlungsgeschäft (vgl. die §§1, 2 und 3 AbzG).

Die Ausübung des Eigentumsvorbehalts qualifiziert sich als anfechtbare Befriedigung einer Forderung im Sinne des §32 a Satz 2 KO, da die Beklagte ihr Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag gemäß §32 a GmbHG aufgrund kapitalersetzender Bedeutung der Käuferposition der Gemeinschuldnerin nach Konkurseröffnung nicht mehr hätte geltend machen dürfen. Durch die mehrjährige Stundung der monatlich fällig gewordenen Kaufpreisraten ist das Belassen der Maschinen bei der Gemeinschuldnerin gleichsam zur Sacheinlage erstarkt. Bei ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung hätte die kapitalschwache Gemeinschuldnerin nur dann in den langfristigen Genuß der kostenlosen Be- und Abnutzung des Maschinenparks kommen können, wenn ihr dieser als Betriebsvermögen zur Verfügung gestellt worden wäre. Mit jedem Monat, den die Beklagte trotz Nichtzahlung der jeweiligen Kaufpreisrate ohne Rückgabeverlangen hat verstreichen lassen, ist der Nutzungs- und Substanzwert auf ihre Kosten zugunsten der Gemeinschuldnerin angewachsen. Das hätte ein gewöhnlicher Lieferant und Kaufpreisgläubiger im wirtschaftlichen Eigeninteresse nicht zugelassen und erklärt sich nur aus der unternehmerischen Verbundenheit. Da nicht abzusehen war, daß die Gemeinschuldnerin jemals aus eigener Kraft die gestundeten Raten würde nachzahlen können, hat die Beklagte - wirtschaftlich betrachtet - praktisch Monat für Monat ihre Rechte aus dem Kaufvertrag Immer mehr aufgegeben. Ab wann dieses Beugen vor dem Unvermögen der Gemeinschuldnerin einem völligen Rechtsverzicht gleichzusetzen ist mit der Folge, daß die Beklagte die Maschinen von da an im Konkursfall hätte aufgeben müssen, bedarf keiner Klärung. Denn jedenfalls bei einer Zeitspanne von weit über einem Jahr erweist sich das Stillhalten des gesellschafterähnlichen Abzahlungsverkäufers tatsächlich wie das Einbringen der Kaufsache in das Gesellschaftsvermögen. Das ist die kapitalersetzende Leistung, bei der es die Beklagte durch Übereignung rechtlich belassen muß (vgl. Ullmer in Hachenburg zu §32 a, b GmbHG; 8. Aufl., 1991; Rdnr. 102 m.w.N.).

4.

Das Begehren des Klägers auf Fristsetzung zur Erfüllung des mit dem Eigentumsverschaffungsanspruch verbundenen Herausgabeverlangens ist gemäß §255 ZPO zulässig und entsprechend §283 BGB in Verbindung mit §37 KO begründet. Zwar haftet die Beklagte nicht auf Schadensersatz, soweit ihr die Erfüllung des Rückgewähranspruchs unmöglich sein sollte, sondern auf Wertersatz. Dieser Anspruch des Klägers ist aber ebenfalls auf Geld gerichtet und geht - unabhängig vom Verschulden der Beklagten - auf Ausgleich dessen, was durch die Rückgabe der Maschinen den Konkursgläubigern entzogen worden ist (vgl. Urteil des BGH vom 15. Oktober 1969 in NJW 1970, 44 ff.). Hinsichtlich ihrer Ersatzfunktion sind die Anspruchspositionen vergleichbar. Das gilt auch für das Durchsetzungsinteresse schon innerhalb des Erfüllungsprozesses. Deshalb hält der Senat es für geboten, die Unmöglichkeitsfiktion des §283 BGB hier ebenfalls eingreifen zu lassen und so dem Kläger ohne weiteres im Wege der Anspruchshäufung die Geltendmachung auch des Wertersatzanspruchs zu eröffnen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1990 zu 27 O 169/87 und vom 20. September 1988 zu 27 U 291/87 sowie Böhle-Stamschräder/Kilger zu §7 AnfG, Anm. III 10 b).

5.

Ein solcher Anspruch kann jedoch (derzeit) nicht ausgeurteilt werden, weil jede Bemessungsgrundlage zur Höhe fehlt. Insoweit genügt der Zahlungsantrag bereits nicht den Bestimmtheitsanforderungen des §253 II Nr. 2 ZPO. Die Beklagte braucht Wertersatz nur in dem Umfang zu leisten, wie sie zur Herausgabe außerstande ist. Ein Fall des §283 II BGB (uninteressante Teilerfüllung) kommt ersichtlich nur bei Fehlen von Einzelteilen einer Maschine für dieselbige, nicht aber schon dann in Betracht, wenn die Beklagte die eine oder andere Maschine nicht mehr hat. Deshalb hätte der Kläger hinsichtlich jeder einzelnen Maschine den Wert des Ersatzanspruches beziffern müssen. Hierauf würde der Senat auch hingewirkt haben, wenn allein dieser formelle Punkt offen wäre. Letztlich geht es aber um die materielle Frage, wie hoch der Wert der jeweiligen Maschine anzusetzen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist für den Wertersatzanspruch gemäß §37 KO nicht der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Anfechtungsgegner wegen seiner kapitalersetzenden Leistung Befriedigung erlangt hat. Das Anfechtungsrecht entsteht überhaupt erst mit Konkurseröffnung. Deshalb kann es frühestens auf diesen Zeitpunkt ankommen (vgl. Urteil des BGH vom 09. Juli 1987 in NJW 1987, 2821 ff). Sollte die Herausgabe erst später unmöglich geworden sein, so käme dieses Ereignis als Stichtag in Betracht. In jedem Fall dürfte dem Konkursverwalter allerdings der aktuelle Zeitwert - bezogen auf die letzte mündliche Verhandlung - zustehen. Vorliegend muß sich das Wertstellungsdatum allein hierauf beschränken, da der Eintritt eines die Unmöglichkeit zur Herausgabe begründenden Geschehens ungeklärt ist. Zu dem gegenwärtigen Wert der Maschinen fehlt aber jedweder Vortrag. Aus ihrem Wert am 31. August 1988 lassen sich keine Rückschlüsse ziehen; es handelt sich um technische Wirtschaftsgüter, die schon wegen fortschreitender Entwicklung schnell überaltern können, und zwischenzeitlich sind seit der Rückgabe an die Beklagte nahezu vier Jahre vergangen. Deshalb hätte der Kläger im einzelnen ausführen müssen, wie es um den einschlägigen Gebrauchtmaschinensektor steht. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte für eine verläßliche Schätzung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§92 I, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Das Urteil beschwert jede Partei mit mehr als 60.000,00 DM.






OLG Hamm:
Urteil v. 25.06.1992
Az: 27 U 257/91


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/fe68135c826e/OLG-Hamm_Urteil_vom_25-Juni-1992_Az_27-U-257-91




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