Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 66/03

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2005, Az.: 21 W (pat) 66/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 10. Februar 2005 (Aktenzeichen 21 W (pat) 66/03) eine Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung zurückgewiesen. Die Patentanmeldung wurde am 23. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und betrifft ein Verfahren zur Messung der radioaktiven Kontamination von Massen. Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 T hatte die Anmeldung zurückgewiesen, da nicht klar war, was genau mit dem Anspruch 1 geschützt werden sollte. Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und führt aus, dass der Anspruch patentfähig sei, da die anspruchsgemäße Lehre vollständig und deutlich offenbart sei. Der Fachmann könne die Erfindung ausführen, da die zulässige Masse durch die Detektoranordnung vorgegeben sei und der Untergrundwert der Strahlung bekanntermaßen additiv sei und vom Messwert abgezogen werden müsse. Das Gericht ist jedoch der Meinung, dass die Angaben in der Anmeldung nicht ausreichend sind, um die Erfindung auszuführen. Insbesondere fehlen genaue Angaben zur Definition der Parameter P1 und P2, die für die Berechnung des Absorptionswertes notwendig sind. Daher wurde die Beschwerde zurückgewiesen und die Zurückweisung der Patentanmeldung bestätigt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.02.2005, Az: 21 W (pat) 66/03


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 23. Juli 1999 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Messung der radioaktiven Kontamination von Massen" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung ist am 15. Februar 2001 erfolgt.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 T hat mit Beschluss vom 9. September 2003 die Anmeldung zurückgewiesen, da nicht klar sei, was genau mit dem Anspruch 1 unter Schutz gestellt werden soll.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin verfolgt ihre Patentanmeldung mit dem am 3. Februar 2005 eingegangenen einzigen Anspruch weiter.

Dieser Anspruch lautet:

Verfahren zur Messung der radioaktiven Kontamination von in einem Behälter aufgenommenem Material mit einer Masse M mit Hilfe eines Radioaktivitätsdetektors unter Berücksichtigung eines Untergrundwertes, dadurch gekennzeichnet, dassder Untergrundwert um einen Absorptionswert der durch die Masse M in dem Behälter absorbierten Untergrundstrahlung vermindert wird, wobei der Absorptionswert in Abhängigkeit von der Masse M des Materials nach der Formelberechnet wird, wobei P1 der gemessene Absorptionswert für eine maximal zulässige Masse einer gegebenen Detektoranordnung und P2 der Mittelwert der kleinsten noch zulässigen und der maximal zulässigen Masse der gegebenen Detektoranordnung ist.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Messung der radioaktiven Kontamination von Massen mit Hilfe eines Radioaktivitätsdetektors anzugeben, mit dem auf einfache Weise und mit relativ hoher Genauigkeit der Absorptionseffekt berücksichtigt werden kann (ursprüngliche Beschreibung S 2 le Abs).

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin aus, sie halte den Gegenstand des geltenden Anspruchs für patentfähig, insbesondere sei die anspruchsgemäße Lehre vollständig und deutlich offenbart, so dass ein Fachmann sie ausführen könne. So gehöre es zum Standardwissen, dass die maximal bzw minimal zulässige Masse durch die Detektoranlage gegeben sei. Wegen der hohen Sicherheitsanforderungen beim Umgang mit radioaktiv kontaminierten Massen sei die großtechnische Verarbeitung von Abbruchmaterial durch die Strahlenschutzordnung geregelt und diese nehme Bezug auf die DIN 25457, die der Fachmann deshalb kenne und in der eine typische Detektoranordnung und deren Dimensionierung beschrieben sei. Die Bestimmung der Kontamination sei dem Fachmann bekannt und er wisse auch, dass der Untergrundwert der Strahlung additiv sei und deshalb vom Messwert abgezogen werden müsse. Zur anspruchsgemäßen Formel führt die Anmelderin aus, die minimalen und maximalen Massen, die die Parameter P1 und P2 definieren, seien durch den Detektor und die Detektorkammer vorgegeben und damit sei die zulässige Beladung der Detektoranlage gemeint.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen: Einziger Anspruch, eingegangen am 3. Februar 2005, Beschreibung S 1, 2, 4 vom 23. Juli 1999, Beschreibung S 3, eingegangen am 26. November 2003, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, eingegangen am 23. Juli 1999.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs 1, Abs 2 PatG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen, § 79 PatG, da die Erfindung nicht ausführbar ist, § 34 Abs 4 PatG. Die Patentanmeldung ist in dem angegriffenen Beschluss somit zu Recht zurückgewiesen worden, § 48 PatG.

§ 34 Abs 4 PatG bestimmt, dass die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Danach ist eine Erfindung ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen, wobei die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein muss, sondern es ausreicht, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl Busse PatG, 6. Aufl, § 34 Rdn 273; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 34 Rdn 364 - jeweils mwH).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die insoweit erforderlichen Angaben nicht im Patentanspruch selbst enthalten sein, sondern es ist ausreichend, dass sich diese aus der Patentschrift insgesamt ergeben. Auch ist es nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentsanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl BGH GRUR 2003, 223, 225; Kupplungsvorrichtung II; BGH GRUR 2004, 47, 48 - blasenfreie Gummibahn I).

Dennoch genügen vorliegend die Unterlagen diesen Anforderungen nicht.

2. Als zuständiger Fachmann ist ein mit der Überwachung radioaktiver Kontamination bei Abbruchmaßnahmen tätiger Fachhochschul-Ingenieur anzusehen, der mit den besonderen Problemen vertraut ist, die mit dem Umgang mit radioaktiv kontaminiertem Abraum großer Tonnagen verbunden sind.

Es könnte schon als fraglich angesehen werden, ob der geltende Anspruch zulässig ist, denn darin werden Formulierungen gebraucht, die in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen in dem jeweiligen Zusammenhang nicht zu finden sind. So ist im Anspruch angegeben, dass der Parameter P1 der gemessene Absorptionswert für eine maximal zulässige Masse einer gegebenen Detektoranordnung ist, wohingegen in den ursprünglichen Unterlagen von einer größtmöglichen Masse eines Messobjekts die Rede ist. Das spielt im vorliegenden Fall jedoch keine Rolle, denn der Anmelderin ist es nicht gelungen, allein die Zweifel des Senats hinsichtlich der fehlenden Ausführbarkeit der angemeldeten Erfindung auszuräumen.

Der geltende Anspruch geht in seinem Oberbegriff aus von einem Verfahren zur Messung der radioaktiven Kontamination von Material mit einer Masse M, das in einem Behälter aufgenommen ist, wobei die Messung mit Hilfe eines Radioaktivitätsdetektors erfolgt und auch ein Untergrundwert berücksichtigt wird. Im kennzeichnenden Teil ist dann bezüglich der Korrektur des Untergrundwertes ausgeführt, dass dieser Untergrundwert um einen Absorptionswert vermindert wird, der durch die Absorption der Untergrundstrahlung durch die Masse M in dem Behälter zustande kommt. Zur Berechnung dieses Absorptionswertes ist im geltenden Anspruch schließlich ausgeführt, dass er in Abhängigkeit von der Masse M des Materials nach einer Formel berechnet wird, in der ein Parameter P1 der gemessene Absorptionswert für eine maximal zulässige Masse einer gegebenen Detektoranordnung und ein Parameter P2 der Mittelwert der kleinsten noch zulässigen und der maximal zulässigen Masse der gegebenen Detektoranordnung ist. Nähere Angaben zur Messung der radioaktiven Kontamination und zur Berücksichtigung eines Untergrundwertes sowie zur Festlegung der maximal zulässigen Masse einer gegebenen Detektoranordnung und der kleinsten noch zulässigen und der maximal zulässigen Masse der gegebenen Detektoranordnung enthält der Anspruch nicht.

Insbesondere zur Definition der Parameter P1 und P2 ist der geltenden Beschreibung - die neben den ursprünglichen Seiten 1, 2 und 4 die am 26. November 2003 eingegangene Seite 3 umfasst, welche sich lediglich durch Weglassung des Satzes "Die physikalische Einheit ist das Gramm." von der ursprünglichen Seite 3 unterscheidet - auf S 3 Abs 2 lediglich zu entnehmen, dass vor der Kontaminationsmessung das auf Radioaktivität zu bestimmende Gut gewogen wird und die Bestimmung von P1 dadurch erfolgt, dass der Absorptionseffekt - das ist nach der Beschreibung S 2 Abs 2 die von der Größe der Masse abhängige Absorption der Untergrundstrahlung - für die größtmögliche Masse eines Messobjekts für eine zuvor festgelegte Detektoranordnung bestimmt wird. Schließlich ist zu P2 dort auch nicht mehr ausgeführt, als dass dieser Parameter der Mittelwert der kleinsten für die Messaufgabe zulässigen Masse und der maximalen zulässigen Masse ist. Der ursprüngliche Anspruch verwendet bis auf geringfügige sprachliche Abweichungen die gleichen Definitionen der Parameter P1 und P2. Aus den Figuren geht dazu überhaupt nichts hervor.

Der Senat stimmt zwar der Auffassung der Patentinhaberin zu, wonach es dem Wissen des Fachmanns zuzurechnen ist, wie die Messung der radioaktiven Kontamination von Material zu erfolgen hat, denn der Fachmann wird sich dabei an die Strahlenschutzverordnung halten und sich an den zugehörigen DIN-Vorschriften orientieren, in denen die Messverfahren im Einzelnen ausgeführt sind und er somit genügend Hinweise zur Durchführung der Messung mit Hilfe eines Radioaktivitätsdetektors erhält. Es ist auch davon auszugehen, dass der Fachmann weiß, dass bei der Bestimmung der Kontamination der von der natürlichen Radioaktivität und der kosmischen Strahlung herrührende Untergrundwert der Radioaktivität zu berücksichtigen ist und dieser eine additive Größe darstellt, die vom Messwert für die radioaktive Kontamination abgezogen werden muss.

Die Angaben zur Definition der Parametern P1 und P2 reichen nach der Überzeugung des Senats dem Fachmann jedoch nicht aus, das angemeldete Verfahren auszuführen. So bleibt es völlig unklar, wie eine im Anspruch angegebene maximal zulässige Masse einer gegebenen Detektoranordnung festgelegt ist bzw was unter der kleinsten noch zulässigen Masse der gegebenen Detektoranordnung zu verstehen ist. Dazu bedarf es eines Anhaltspunktes dafür, auf welche verfahrenswesentlichen Anlagengrößen sich die zulässigen Massengrenzen beziehen, ob die Angabe der maximal bzw kleinsten zulässigen Masse bspw mit dem von der Beschaffenheit des zu bestimmenden Gutes abhängigen Fassungsvermögen des Behälters der Detektoranordnung oder mit der - wie von der Anmelderin vorgetragen - mechanische Belastbarkeitsgrenze der Detektoranlage in Beziehung zu setzen ist oder ob sich die Massengrenzen auf den zulässigen Messbereich des Radioaktivitätsdetektors oder der für das - in der Beschreibung S 3 Abs 2 Z 2f ausgeführte - Wiegen des zu bestimmenden Gutes eingesetzten Waage beziehen. Die Festlegung der Bezugsgrößen ist jedoch unverzichtbare Voraussetzung zur erfindungsgemäßen Berechnung des Absorptionswertes, um die der Untergrundwert der Strahlung vermindert werden muss.

An dieser Feststellung ändert sich auch dadurch nichts, wenn die Anmelderin - zutreffend - einwendet, der Fachmann kenne typische Detektoranordnungen und deren Dimensionierung und setze den zulässigen Massenbereich mit der Detektoranordnung in Beziehung. Denn selbst wenn sich der Fachmann hinsichtlich der maximal zulässigen Masse an der mechanischen Belastbarkeitsgrenze der Detektoranlage orientiert, erkennt er, dass diese Bezugsgröße für die Durchführung des Verfahrens nicht ausreicht, weil es für die Festlegung der kleinsten noch zulässigen Masse nicht geeignet ist. Selbstverständlich muss dem Fachmann nicht in allen kleinsten Details vorgegeben werden, wie er das Verfahren durchzuführen hat. Er wird hier jedoch insgesamt mit entschieden zu vielen Bezugsgrößen einer großtechnischen Anlage - Fassungsvermögen des Behälters, mechanische Belastungsgrenze, zulässiger Messbereich des Radioaktivitätsdetektors und/oder der Waage - bei der erfindungsgemäßen Berechnung des Absorptionswertes allein gelassen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Fachmann auch dem Stand der Technik keine Hinweise entnehmen kann, worauf er die Massengrenzen beziehen soll, damit er den Absorptionswert berechnen kann, denn mit einer solchen Korrektur des Untergrundwertes der Radioaktivität befasst sich keine der im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften, auch nicht die von der Anmelderin vorgelegte DIN 25 457.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Engels Dr. Maksymiw Be






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Beschluss v. 10.02.2005
Az: 21 W (pat) 66/03


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