Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 28. November 2005
Aktenzeichen: NotZ 43/05

(BGH: Beschluss v. 28.11.2005, Az.: NotZ 43/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 28. November 2005 (Aktenzeichen NotZ 43/05) die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln zurückgewiesen. Dabei wurden die Anträge insgesamt als unzulässig zurückgewiesen. Der Antragsteller muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und die entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner erstatten. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 50.000 € festgesetzt.

Im konkreten Fall hatte der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, sich auf eine ausgeschriebene Notarstelle beworben. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nahm die Ausschreibung jedoch zurück, um eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Der Antragsteller war der Meinung, dass es keinen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens gab und dass seine Bewerbung im Rahmen des ursprünglichen Auswahlverfahrens neu bewertet und entschieden werden sollte. Das Oberlandesgericht wies die Anträge des Antragstellers zurück.

Der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass die Anträge unzulässig seien. Die Entscheidung, ein Besetzungsverfahren abzubrechen, falle in den Bereich der Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung. Die Ausschreibung und die Entscheidung über die endgültige Besetzung oder Nichtbesetzung einer Stelle seien verwaltungstechnische Maßnahmen, die keine unmittelbare Rechtswirkung entfalteten. Der Antrag auf Rücksichtnahme der Ausschreibung sei daher nicht auf die Anfechtung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet. Der Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung, der den Antragsgegner betraf, sei zwar statthaft, aber unzulässig, da er nicht fristgemäß gestellt wurde. Auch inhaltlich seien die Anträge nicht begründet, da die Justizverwaltung berechtigt war, das Auswahlverfahren abzubrechen und eine neue Ausschreibung vorzunehmen, um die verfassungsrechtlich gebotene Bestenauslese und die Verfahrensgleichheit zu gewährleisten.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist somit für den Antragsteller negativ ausgefallen und er muss die Kosten tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 28.11.2005, Az: NotZ 43/05


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Juli 2005 - 2 VA (Not) 69/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anträge insgesamt als unzulässig zurückgewiesen werden.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die den Antragsgegnern im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 €

festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller - Rechtsanwalt in G. - bewarb sich auf eine im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2003 ausgeschriebene Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk G. (JMBl. NRW S. 124). In der Ausschreibung, in die zahlreiche weitere Stellen in anderen Bezirken aufgenommen sind, wird wegen der Einzelheiten der Voraussetzungen für das Notaramt und des Ablaufs des Besetzungsverfahrens auf § 17 Abs. 3 und § 18 der Allgemeinen Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare (AVNot) vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) verwiesen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 teilte der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm (Antragsgegner zu 2)) den Mitbewerbern mit, die Stelle dem besser qualifizierten Antragsteller übertragen zu wollen. Die darauf von zwei Mitbewerbern gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 111 BNotO, mit denen sie ihre Bestellung zum Notar erstrebten, schoben die Besetzung der Notarstelle hinaus.

Durch Beschluss vom 20. April 2004 erklärte das Bundesverfassungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften (AVNot) konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe in verschiedenen Bundesländern, die im Wesentlichen den der AVNot NRW 2002 entsprachen, für verfassungswidrig; die um der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit Willen gebotene chancengleiche Bestenauslese sei nicht gewährleistet (BVerfGE 110, 304 = DNotZ 2004, 560 = ZNotP 2004, 281 = NJW 2004, 1935).

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Antragsgegner zu 1)) nahm daraufhin am 15. August 2004 die Ausschreibung der Notarstelle zurück, "um eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung zu ermöglichen" (JMBl. NRW S. 196). Anschließend teilte der Antragsgegner zu 2) - wie auch bei den übrigen noch ausgeschriebenen Stellen - allen Beteiligten im September schriftlich mit, dass er das laufende Auswahlverfahren abgebrochen habe. Mit Wirkung zum 15. November 2004 wurde der für das Auswahlverfahren maßgebliche § 17 AVNot neu gefasst (JMBl. NRW S. 256).

Der Antragsteller meint, es habe für den Abbruch des Auswahlverfahrens keinen sachlichen Grund gegeben, so dass der Antragsgegner zu 2) über seine Bewerbung in Fortführung des durch die Ausschreibung vom 1. Juni 2003 eingeleiteten Auswahlverfahrens unter Neubewertung der Eignungsvoraussetzungen zu seinen Gunsten zu entscheiden habe.

Das Oberlandesgericht hat die Anträge auf gerichtliche Entscheidung betreffend die Aufhebung der Ausschreibungsrücknahme (Antragsgegner zu 1)) und Eignungsneubewertung (Antragsgegner zu 2)) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seine Begehren insgesamt weiter verfolgt.

II. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der gegen den Antragsgegner zu 1) gerichtete Antrag, die Rücknahme der Ausschreibung der Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk G. aufzuheben, ist unzulässig.

a) Die Entscheidung, ein Besetzungsverfahren abzubrechen, ist Ausdruck der Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung. Diese und das damit einhergehende Organisationsermessen beschränken sich nicht auf Zahl und Zuschnitt der Notariate gemäß § 4 BNotO, sondern erstrecken sich darüber hinaus auf alle Maßnahmen zur Errichtung, Ausgestaltung und Einziehung der Notarstellen. Das schließt die Entscheidung über die endgültige Besetzung oder Nichtbesetzung einer Stelle ebenso mit ein, wie die über ihre Ausschreibung oder deren Rücknahme.

Die Ausschreibung, die das Besetzungsverfahren einleitet, das in dem sich anschließenden Auswahlverfahren fortgesetzt wird, ist dabei - insoweit vergleichbar dem rein verwaltungsinternen Errichtungsvorgang - zunächst lediglich ein verwaltungstechnisches Hilfsmittel, das der Gewinnung geeigneter Bewerber und damit den Interessen einer geordneten Rechtspflege dient (vgl. Senat BGHZ 127, 83, 90). Unmittelbare Rechtswirkung für bestimmte oder unbestimmte Personen entfaltet sie nicht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 - NotZ 24/02 - ZNotP 2003, 277, 278; 24. November 1997 - NotZ 10/97 - NJW-RR 1998, 849 und 18. September 1995 - NotZ 46/94 - DNotZ 1996, 902, 903; BVerwGE 101, 112, 115; Custodis in: Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG 2. Aufl. § 111 BNotO Rdn. 97; Bohrer, Das Berufsrecht der Notare Rdn. 266; Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 5. Aufl. § 111 Rdn. 16a).

Das gilt gleichermaßen für die entgegengerichtete Ausschreibungsrücknahme. Auch diese ist nur eine verwaltungstechnische Maßnahme. Dass davon nach Ablauf der Bewerbungsfrist des § 6b BNotO nur noch eine begrenzte, gegebenenfalls auf zwei beschränkte Anzahl von Bewerbern betroffen wird, ändert daran nichts. Die Rücknahme der Ausschreibung diente hier verwaltungstechnisch als Voraussetzung der beabsichtigten Neuausschreibung nach Abbruch des Besetzungsverfahrens und war in diesem Sinne - anders als die Entscheidung, das bereits begonnene Auswahlverfahren abzubrechen - bloß vorgelagerter Organisationsakt ohne Regelungscharakter mit Außenwirkung. Das dahingehende Begehren des Antragstellers ist insofern weder auf die Anfechtung noch auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet.

b) Auch als Leistungsantrag - d.h., als Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung, die keinen Verwaltungsakt darstellt - wäre das Begehren nicht zulässig.

Inwieweit auf Ausschreibungsmaßnahmen bezogene Leistungsanträge in diesem Verfahren überhaupt möglich sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Juli 2004 - NotZ 8/04 - ZNotP 2004, 410 = NJW-RR 2004, 1572 und 18. September 1995 aaO), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Gleiches gilt für die weitere Zulässigkeitsvoraussetzung, ob die behaupteten Tatsachen eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers möglich erscheinen lassen, der Antragsteller mithin geltend machen kann, möglicherweise in solchen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen verletzt zu sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 aaO und 24. November 1997 aaO S. 849 f.; Custodis, aaO § 111 Rdn. 86, 91, 96). Denn für sein Begehren fehlt ihm jedenfalls das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Fehler im Ausschreibungsverfahren, dem Beginn des gesamten Besetzungsverfahrens, können zusammen mit der Rechtmäßigkeit der abschließenden Entscheidung im Verfahren über die Besetzung dieser ausgeschriebenen Stelle überprüft werden. Das gilt, wenn eine Entscheidung zugunsten eines Bewerbers ergeht, aber auch wenn die Endentscheidung auf Abbruch des Auswahlverfahrens nach zurückgenommener Ausschreibung lautet (vgl. Senat, Beschluss vom 10. März 1997 - NotZ 44/95 - DNotZ 1997, 889; zu dem entsprechenden Rechtsgedanken in § 44a VwGO vgl. Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. § 44a Rdn. 1; Stelkens, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Bd. 1 Loseblatt Stand September 2004 § 44a Rdn. 5; OVG Bautzen NVwZ-RR 1999, 209 f.).

Auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) mit dem daraus abzuleitenden weiten Verständnis des Rechtsschutzbedürfnisses gebietet in dieser Verfahrenssituation keine andere Sichtweise. Das weitere gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtete Begehren, das abgebrochene Auswahlverfahren wieder aufzugreifen, gewährleistet - wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind - eine vollständige Überprüfung der Rechtslage, mithin auch des Ausschreibungsteils.

2. a) Der den Antragsgegner zu 2) betreffende Antrag ist als Verpflichtungsantrag gemäß § 111 Abs. 1 BNotO statthaft. Der Antragsteller erstrebt mit diesem Antrag letztlich eine ihm günstige Entscheidung über seine Bewerbung im ursprünglichen Besetzungsverfahren, die ihm durch den Abbruch des Auswahlverfahrens vorenthalten werden soll. Dazu will er die Justizverwaltung über den insoweit zuständigen Antragsgegner zu 2) verpflichtet wissen. Den darauf gerichteten Bewerbungsverfahrensanspruch - weil er einen Abbruch des Besetzungsverfahrens sachlich nicht für gerechtfertigt hält - kann er mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. März 2001 - NotZ 31/00 - DNotZ 2001, 731 und 10. März 1997 aaO; s.a. OVG Bautzen DÖD 2005, 116, 117). Denn sollte sich der Abbruch als rechtswidrig erweisen, ist das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 998, 1001) und über seinen Bewerbungsantrag zu entscheiden.

b) Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil er nicht fristgemäß gestellt worden ist.

Der Rechtsbehelf muss gemäß § 111 Abs. 2 BNotO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Verfügung eingelegt werden. Bei Verpflichtungsanträgen kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Mitteilung an, dass der begehrte Verwaltungsakt nicht erlassen wird. Maßgeblich ist danach hier der Zugang der Benachrichtigung über den Abbruch des Auswahlverfahrens, die weder einer förmlichen Zustellung bedarf noch eine gesonderte Rechtsmittelbelehrung erfordert (vgl. Senat BGHZ 42, 390, 391 f.; Custodis, aaO § 111 Rdn. 106; Lemke in: Schippel, BNotO 6. Aufl. § 111 Rdn. 39).

Der Antragsgegner zu 2) hat zeitnah im Anschluss an die Rücknahme der Ausschreibung alle Beteiligten - hier mit Schreiben vom 3. September 2004 - über den Abbruch des Auswahlverfahrens unterrichtet. Bei dem dagegen gerichteten Antrag vom 14. Dezember 2004 war die Monatsfrist des § 111 Abs. 2 BNotO mithin bereits abgelaufen.

3. Beide Anträge wären überdies nicht begründet.

Die Justizverwaltung ist nicht verpflichtet, das Besetzungsverfahren auf der Grundlage der Ausschreibung vom 1. Juni 2003 fortzusetzen und die Bewerbung des Antragstellers unter Fortführung des bisherigen Auswahlverfahrens zu bescheiden. Eine Bewerbung als Notar setzt voraus, dass eine Stelle zu vergeben ist. Das ist nach der Beendigung des Besetzungsverfahrens nicht mehr der Fall. Der Antragsgegner zu 1) durfte die gemäß § 2 Abs. 3 AVNot NRW in seinem Zuständigkeitsbereich liegende Ausschreibung vom 1. Juni 2003 zurücknehmen und der Antragsgegner zu 2), der gemäß § 19 Abs. 4 AVNot NRW über die Besetzung zu entscheiden hat, durfte daraufhin das Auswahlverfahren abbrechen. Die Bewerbung des Antragstellers hat durch diesen organisatorischen Akt ihre Erledigung gefunden (Senat, Beschluss vom 10. März 1997 aaO S. 890). Einen Anspruch auf Verfahrensbeendigung durch Besetzungsentscheidung hat er danach nicht (vgl. Linke, DNotZ 2005, 411, 415).

a) Durch die Gestaltung und den Zeitpunkt des Besetzungsverfahrens kann Einfluss auf die Konkurrenzsituation der jeweiligen Bewerber und damit auf das Ergebnis der späteren Auswahlentscheidung genommen werden. Nicht nur durch die Art und Weise der Bekanntgabe vakanter Stellen, das Setzen von Bewerbungsfristen und die Terminierung der Besetzungen, sondern auch durch den Abbruch von Besetzungsverfahren und eine spätere Neuausschreibung von Notarstellen lässt sich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern. Eine solche Steuerung kann in grundrechtsrelevanter Weise Chancengleichheit und Berufsfreiheit von Notarbewerbern berühren. Die Wahrung ihrer Grundrechte insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG erfordert eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung (BVerfGE 73, 280, 296). Die im Rahmen des insoweit bestehenden weiten Ermessensspielraums von der Justizverwaltung bei der Notarauswahl zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen sind in Bezug auf die Grundrechte der Bewerber zu gewichten und mit verhältnismäßigen Mitteln durchzusetzen (BVerfG DNotZ 2002, 891, 892, m. krit. Anm. Linke, aaO).

Die Justizverwaltung muss demgemäß bei der Frage, ob ein Besetzungsverfahren fortzusetzen oder abzubrechen ist, das ihr eingeräumte Organisationsermessen pflichtgemäß ausüben. Die Entscheidung für den Abbruch erfordert dann - wie auch im Beamtenrecht - sachlich nachvollziehbare Gründe, die eine angemessene Beachtung und Bewertung der betroffenen öffentlichen und individuellen Belange belegen. Nur insoweit erlauben die Berufsfreiheit und das Recht der Bewerber auf Chancengleichheit den Abbruch laufender Verfahren (BVerfG NJW-RR 2005, 998, 1001; DNotZ 2002, 891; 892; Senat, Beschlüsse vom 26. März 2001 - NotZ 31/00 - DNotZ 2001, 731, zustimmend Linke, aaO S. 419, und 10. März 1997 aaO; BVerwGE 101, 112, 115).

b) Diese Grundsätze sind beachtet worden. Das Ausschreibungsverfahren erfolgt gem. § 2 Abs. 3 AVNot NRW in Abstimmung zwischen dem Antragsgegner zu 1) und dem Antragsgegner zu 2). Die Justizverwaltung war sich bewusst, dass der Besetzungsabbruch eines sachlichen Grundes bedarf. Diesen hat sie bereits in der Ausschreibungsrücknahme zusammengefasst angegeben. Der Verfahrensabbruch sollte eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung ermöglichen. Diese Begründung ist vor dem Hintergrund der von ihr nachfolgend in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 110, 304 ff.) auch nachvollziehbar. Danach hatten sich die bisherigen Auswahlkriterien in der AVNot NRW 2002, auf die sie in der Ausschreibung ausdrücklich hingewiesen hatte, als nicht verfassungsgemäß erwiesen. Bewerber um ein Notaramt mussten damals davon ausgehen, keinen Erfolg zu haben, wenn sie diese Voraussetzungen nicht erfüllten, während sie sich mit einer auf diese Kriterien zugeschnittenen Bewerbung Erfolgsaussichten ausrechnen konnten. Die Rücknahme der Ausschreibung und ein anschließender Neubeginn des Bewerbungsverfahrens sollten mithin allen möglichen Bewerbern gleichermaßen Zugang zu einer nunmehr verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Auswahlentscheidung eröffnen.

Es ist nicht zu erkennen, dass sich die Justizverwaltung insoweit - wie ihr verschiedentlich vorgehalten wird - im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als gebunden angesehen haben könnte und von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat. Ihrer Entscheidung liegen entsprechende Bedenken zugrunde, die das Oberlandesgericht in Konkurrentenstreitverfahren geäußert hatte. Danach war noch nicht abzusehen, für welches Vorgehen sie sich entscheiden würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 1 BvQ 26/04). Die denkbaren Alternativen - Fortführung des laufenden Verfahrens oder Abbruch mit anschließendem Neubeginn - lagen zudem offen, wurden in der Literatur erörtert und in der Praxis auch angewandt (vgl. zur Fortführung eines Bewerbungsverfahrens Senat, Beschluss vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - NJW 2005, 212, 213; Harborth, DNotZ 2004, 659, 670 f.; Jung, DNotZ 2004, 570 f.; Maaß, ZNotP 2004, 250, 255; Lerch, ZNotP 2004, 267, 269). Der Antragsgegner zu 1) war sich der Alternativen bewusst. Das zeigt seine Äußerung im Schriftsatz vom 24. Januar 2005, er sehe keine Möglichkeit, der gebotenen Änderung der materiellen Auswahlkriterien im laufenden Besetzungsverfahren Rechnung zu tragen. Seine nachfolgende Begründung belegt - wie auch das Schreiben des Antragsgegeners zu 2) vom 18. Januar 2005 -, dass die Justizverwaltung im Bewusstsein ihres Ermessens gehandelt hat.

In ihrer danach getroffenen Entscheidung, zugunsten aller potentiellen Bewerber das Besetzungsverfahren abzubrechen, liegt ebenso wenig ein Ermessensfehlgebrauch wie in ihrer Auffassung, die Belange des Antragstellers müssten dahinter zurückstehen.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des Notars beziehen. Es hat jedoch festgestellt, dass die Auslegung und Anwendung dieser Norm nach Allgemeinen Verfügungen in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare wie den der AVNot NRW 2002 bei der Auswahl der Bewerber aus dem Kreis der Rechtsanwälte, die für das Amt des Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleisten (BVerfGE 110, 304, 326 ff.). Eine nach den bisherigen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem Kreis von Bewerbern lässt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist stattdessen eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen - wie insbesondere bei den Beurkundungen - differenziert zu gewichten sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewertungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinn zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem, höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen müssen (BVerfG aaO S. 326 ff., 336; Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO S. 213).

bb) Diesen Anforderungen an eine verfassungsgemäße Vergabe noch nicht besetzter Notarstellen in einer am Grundrechtsschutz aller in Betracht kommenden Bewerber orientierten, angemessenen Verfahrensgestaltung wollte die Justizverwaltung durch den Abbruch laufender Bewerbungsverfahren mit anschließenden Neuausschreibungen gerecht werden. Insoweit stand ihr ein sachlicher Grund zur Seite, da die bisherigen Verfahren vor allem infolge fehlerhafter Gewichtung von Examensnote und Anwaltspraxis an Mängeln litten, die grundsätzlich einen vom Organisationsermessen gedeckten Abbruch rechtfertigen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz DÖD 1998, 167, 168; Lerch, aaO S. 269).

Der Antragsteller kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Justizverwaltung dürfe eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ausgerichtete Auswahlentscheidung nur unter den Konkurrenten im laufenden Bewerbungsverfahren treffen.

(1) Die bei dem Zugang zu einem öffentlichen Amt, das ein Notar ausübt (§ 1 BNotO; BVerfGE 17, 371, 377), aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden Grundsätze für die Auswahlentscheidung gebieten zum Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes einer qualitätsvollen Rechtspflege, dass tatsächlich von allen potentiellen Bewerbern derjenige zum Zuge kommt, der den Anforderungen des Amtes am ehesten entspricht (BVerfGE 73, 280, 296; BVerfG NJW 2005, 50 und ständig). Verfassungsrechtlich ist es danach geboten, alle in Betracht kommenden Personen mit dem Bewerbungsverfahren anzusprechen und auch wirklich zu erreichen. Das lässt bei der Verfahrensgestaltung jedenfalls die Möglichkeit eines Abbruchs bereits begonnener Auswahlverfahren zu, wenn die geforderte Erreichbarkeit aller möglichen Bewerber etwa infolge der Abfassung des Bewerbungsangebotes und der darin mitgeteilten Besetzungskriterien nicht sichergestellt war. Diesem Gebot wollte die Justizverwaltung bei der von dem Antragsteller beanstandeten Vorgehensweise gerade gehorchen. Sie wollte das Auswahlverfahren auch denjenigen öffnen, die infolge der angegebenen Auswahlmaßstäbe, die sich aufgrund verfassungsgerichtlicher Überprüfung nachträglich als verfassungswidrig erwiesen haben, von einer Beteiligung mangels Erfolgsaussichten Abstand genommen haben, während sie sich nach neuen, für sie Erfolg versprechenderen Maßstäben beteiligt hätten. So liegen die Dinge hier.

Die Zugangskriterien zum Anwaltsnotariat müssen sich jetzt - bei geringerem Gewicht der Examensnoten - stärker an der Notarfunktion ausrichten. Bewerber mit schwächeren Abschlussnoten haben daher bessere Aussichten als bisher auf die Vergabe einer Notarstelle, wenn sie gerade die fachbezogenen Anforderungen, wie beispielsweise durch eine größere Beurkundungspraxis oder eine notarnähere Ausgestaltung ihrer Anwaltstätigkeit, in überdurchschnittlichem Maße erfüllen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gerade solche potentiellen Bewerber in Kenntnis der bisherigen Gewichtung von einer Bewerbung abgesehen haben (vgl. KG, KG-Report 2005, 143, 144 sowie Beschluss vom 3. Februar 2005 - Not 8-10/04; OVG Münster NVwZ-RR 2003, 52, 53). Dieser bei richtigem Verfassungsverständnis nunmehr durchaus als geeignet einzustufenden Bewerbergruppe durfte die Justizverwaltung nach dem im öffentlichen Interesse bestehenden Grundsatz der Bestenauslese und den verfassungsrechtlich garantierten Ansprüchen aller Bewerber auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt durch den Abbruch des Bewerbungsverfahrens Beachtung schenken. Diesen Personen wäre sonst eine Bewerbung um die zu besetzende Stelle nicht mehr möglich, nachdem sich der Bewerberkreis wegen des Ablaufs der Bewerbungsfristen bereits geschlossen hatte.

Es spielt ferner keine Rolle, dass im Zeitpunkt der ersten Ausschreibung bereits Verfassungsbeschwerden zu den bisherigen Auswahlmaßstäben anhängig waren, in denen die bisherigen Kriterien für die Bewerberauswahl als verfassungswidrig beanstandet wurden. Für den einzelnen war nicht abzuschätzen, wann und mit welchem Ergebnis das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde. Angesichts der dadurch bedingten Zufälligkeiten, vor allem bei der zeitlichen Abfolge und den Qualifikationsnachweisen, war eine bloß vorsorgliche, nach bisherigen Auswahlmaßstäben aussichtslose Bewerbung nicht zu verlangen.

Schließlich kommt der Anzahl der noch zu besetzenden Stellen, der Größe des verbliebenen Bewerberfeldes und dem Stand des Bewerbungsverfahrens bei der Entscheidung, es abzubrechen oder fortzusetzen, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. aber Harborth, aaO S. 671). Das mit der Bestenauslese verfolgte verfassungsrechtliche Anliegen, alle geeigneten Bewerber zu erreichen, bleibt stets das gleiche.

Es erweist sich daher unter diesem Gesichtspunkt insgesamt als ermessensfehlerfrei, wenn den angeführten Interessen der Vorrang gegenüber denen des Antragstellers eingeräumt worden ist, im bisherigen Auswahlverfahren zu verbleiben, ohne sich weiterer Konkurrenz stellen zu müssen.

(2) Die Entscheidung der Justizverwaltung, die bisherige Ausschreibung zurückzunehmen und das Auswahlverfahren insgesamt zu wiederholen, findet aber auch mit Blick auf die vorhandenen Bewerber ihre Berechtigung. Nach § 6b Abs. 2 BNotO ist die Bewerbung innerhalb der mit der Ausschreibung gesetzten - als gesetzliche Ausschlussfrist gestalteten - Bewerbungsfrist einzureichen; dementsprechend sind gemäß § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist. Dies gilt insbesondere auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO von Bedeutung sind. Der erforderliche fristgemäße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen voraus, dass der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist mitgeteilt hat, welche bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen bei der Auswahlentscheidung Beachtung finden sollen. Insoweit dient die Festlegung eines Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitlichen Bewerbungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für den Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (vgl. Senat BGHZ 126, 39, 46 ff.; Beschlüsse vom 22. November 2004 aaO S. 214; 3. November 2003 - NotZ 14/03 - ZNotP 2004, 451, 452; 14. Juli 1997 - NotZ 48/96 - NJW-RR 1998, 57, 58 und 16. März 1998 - NotZ 13/97 - NJW-RR 1998, 1599, 1600).

Da sich die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Auswahlmaßstäbe hier erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist herausgestellt hat, konnten die Bewerber nicht mehr ohne weiteres ergänzende Leistungen und Nachweise in das Verfahren einbringen, um so ihre fachliche Eignung entsprechend den nunmehr zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Auswahlentscheidung zu belegen. Dabei versteht es sich keineswegs von selbst, dass - auch wenn nur der verbliebene Bewerberkreis in den Blick genommen wird - bei einer erneuten Ausschreibung kein wesentlich davon abweichendes Ergebnis zu erwarten wäre (so aber wohl SchlHOLG SchlA 2005, 88, 90). Es ist allein im Hinblick auf die bisherige Deckelung anrechenbarer Beurkundungen schon zweifelhaft, ob für das erste Bewerbungsverfahren nur die bereits eingereichten Nachweise zur Verfügung gestanden haben (vgl. dagegen aber Schöbener, NWVBl. 2005, 41, 52). Jedenfalls hinsichtlich der jetzt mit weitaus höherem Gewicht als bisher zu berücksichtigenden sonstigen notarspezifischen Qualifikationsmerkmale ist das wenig wahrscheinlich.

Statt hier eine - unter Umständen schwierige - Abgrenzung zwischen neuen, durch § 6b Abs. 4 BNotO präkludierten Umständen und lediglich zusätzlichen, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veranlassten nachträglichen Erläuterungen vor allem der notarspezifischen Bezüge der anwaltlichen Tätigkeit vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO) oder auf etwaige Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand mit unterschiedlichen Erfolgschancen zu setzen (§ 6b Abs. 3 BNotO; vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO S. 453), war es der Justizverwaltung nicht verwehrt, das Auswahlverfahren insgesamt neu zu eröffnen, um sich von der Prüfung und Entscheidung im Einzelfall und möglichen daran knüpfenden Rechtsmittelverfahren zu entlasten. Auf diese Weise vermag sie zwischen den Bewerbern Chancengleichheit herzustellen (Art. 12, 3, 33 Abs. 2 GG) und ihre Gleichbehandlung bezüglich der von ihnen vorzuweisenden Leistungen über eine sachlich gleichmäßige materielle und formelle Verfahrensgrundlage zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO). Zugleich schafft sie damit eine vollständige Beurteilungsgrundlage, die eine fehlerfreie Auswahlentscheidung sicherstellt. Zusätzlich werden damit zu erwartende Folgestreitigkeiten vermieden, ob die Auswahl das gesamte ursprüngliche Bewerberfeld mit einzubeziehen oder nur unter den noch Verbliebenen zu erfolgen hat (vgl. dazu Harborth, aaO S. 671). Es war daher jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, bei dieser Sachlage einer neuen Ausschreibung den Vorzug zu geben, um die erkennbaren Schwierigkeiten bei der sonst anstehenden Umstellung auf eine individuelle Eignungsprognose (BVerfGE 110, 304, 327 ff., 336 ff.; vgl. dazu Harborth, aaO) zu umgehen.

Diese Vorgehensweise ist auch nicht mit einer verfassungsrechtlich bedenklichen Probeausschreibung zur Sichtung von Bewerbern (vgl. BVerfG DNotZ 2002, 891, 894) zu vergleichen, sondern mit einem veränderten Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, das im öffentlichen Dienst eine Neuausschreibung regelmäßig rechtfertigen oder sogar gebieten kann (vgl. BVerwGE 115, 58, 60 f.; OVG Münster, DÖD 2004, 205 f. und NVwZ-RR 2002, 52 f.). Veränderungen im Anforderungsprofil und Neugewichtungen der für den Zugang zu dem Amt geltenden Auswahlmaßstäbe können den Bewerberkreis in ähnlicher Weise beeinflussen. Ein Abbruch des zunächst begonnenen Besetzungsverfahrens mit anschließendem Neubeginn, um gleiche Ausgangsvoraussetzungen für den alten wie den neuen Bewerberkreis zu schaffen, ist aus diesem Gesichtspunkt ebenfalls insgesamt nicht zu beanstanden.

Befürchtungen, dass damit das Stichtagsprinzip faktisch aufgehoben würde, die Konturen eines Bewerbungsverfahrens durch die Suche nach dem bestmöglichen Bewerber aufgeweicht würden und jedweder Fehler bei einer Auswahlentscheidung künftig den Abbruch und die Neuausschreibung zur Folge haben würde, was zu einem Stillstand der Rechtspflege im Notarbereich mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und personellen Konsequenzen führen könnte, sind angesichts der besonderen Situation für die Justizverwaltung, aus verfassungsrechtlichen Gründen bislang allgemeingültige Auswahlkriterien anpassen bzw. ändern zu müssen, unbegründet.

(3) Die Entscheidung der Justizverwaltung, im Rahmen der ihr zustehenden Organisationsgewalt das Besetzungsverfahren abzubrechen und eine - für weitere Bewerber offene - neue Ausschreibung vorzunehmen, erweist sich gegenüber dem Antragsteller auch als verhältnismäßig.

Ihm wird dadurch keine schon verfestigte Rechtsposition genommen. Zwar war er gegenüber den bisherigen Mitbewerbern zunächst favorisiert. Bereits mit Blick auf die angestrengten Konkurrentenschutzverfahren konnte daraus allein weder ein Vertrauenstatbestand entstehen, dass die ausgeschriebene Stelle letztlich doch ihm übertragen werde, noch, dass es bei diesem Bewerberkreis bis zum Schluss verbleiben werde. Ändern sich aus verfassungsrechtlichen Gründen während eines laufenden Verfahrens die für die Besetzungsentscheidung von der Justizverwaltung allgemein angewandten und den potentiellen Bewerbern als verbindlich vorgegebenen materiellrechtlichen Beurteilungskriterien erheblich - wie hier durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt -, gibt es für ein etwaiges von Bewerbern gebildetes Vertrauen, es werde auch dann in Fortführung des Verfahrens bei dem noch vorhandenen Bewerberkreis verbleiben, keine Grundlage mehr. Das dahingehende Interesse des Antragstellers kann sich gegenüber dem gegenläufigen Interesse von Konkurrenten, die auf der Basis verfassungswidriger Maßstäbe unterlegen sind oder sich erst gar nicht beworben haben, nicht durchsetzen. Daran ändert es auch nichts, dass bereits erfolgte Besetzungen von gleichzeitig ausgeschriebenen Stellen nach bekannt werden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dies ist aus Gründen der Ämterstabilität hinzunehmen (vgl. Senat BGHZ 160, 190, 194 m.w.N.), vermag aber einen Vertrauensschutz für den Antragsteller nicht zu begründen. Dabei ist schon wegen der aus Gründen der Bestenauslese in dieser Situation beachtenswerten Öffnung des Bewerberkreises für alle potentiellen Kandidaten ohne Belang, ob sich der Antragsteller bei richtiger Gewichtung der Auswahlkriterien im ursprünglichen Verfahren als aussichtsreichster Bewerber erwiesen hätte. Gleiches gilt für seine in Aus- und Fortbildung mit Blick auf das angestrebte Amt getätigten persönlichen und finanziellen Investitionen. Insoweit sind alle Bewerber gleichermaßen betroffen. Diese erfolgreichen Weiterbildungsmaßnahmen können zudem auch im neuen Auswahlverfahren berücksichtigt werden.

(4) Schließlich erlauben auch die weiteren gegen die Vorgehensweise der Justizverwaltung geltend gemachten Erwägungen keine andere Beurteilung.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält keine konkreten Vorgaben, wie zu verfahren ist (BVerfGE 110, 304, 326 ff.; BVerfG NJW 2005, 50 f.). Auch der Rechtsprechung des Senats ist nichts anderes zu entnehmen. In seinem bereits mehrfach angeführten Beschluss vom 22. November 2004 hatte er lediglich über die Neubewertung in einem fortgesetzten Verfahren zu befinden; die hier aufgeworfene Frage stellte sich nicht.

Unerheblich ist ferner, inwieweit auch gegenüber § 17 AVNot NRW n.F. verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten; auf die Entscheidung, das Verfahren abzubrechen, ist die später erfolgte Änderung der AVNot NRW ohne Einfluss.

Die Justizverwaltung war auch nicht aus Gründen so genannter Altersstrukturstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2003 aaO S. 230 ff.) - unabhängig davon, inwieweit sich daraus subjektive Rechte ableiten lassen - gehalten, von einem Abbruch des Besetzungsverfahrens Abstand zu nehmen. Es besteht vorliegend kein Anhalt, dass durch die mit einem neuen Verfahren verbundene Verzögerung eine geordnete Altersstruktur nicht mehr erreichbar ist.

Schlick Streck Wendt Doye Bauer Vorinstanz:

OLG Köln, Entscheidung vom 21.07.2005 - 2 VA (Not) 69/04 -






BGH:
Beschluss v. 28.11.2005
Az: NotZ 43/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/f101f1148815/BGH_Beschluss_vom_28-November-2005_Az_NotZ-43-05




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