Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Januar 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 325/03

(BPatG: Beschluss v. 25.01.2007, Az.: 6 W (pat) 325/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat das Patent 100 25 966 widerrufen. Gegen das Patent wurden Einsprüche erhoben, einer der Einspruchsführer hat jedoch seinen Einspruch zurückgenommen, sodass nur noch ein Einspruch beteiligt ist. Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit. Die Einspruchsführerin beruft sich unter anderem auf eine Druckschrift, die von einer anderen Einspruchsführerin vorgelegt wurde. Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten. Sie führt aus, dass der geltende Patentanspruch neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit basiere. Das Gericht ist für die Entscheidung über den Einspruch zuständig. Der Einspruch ist zulässig und erfolgreich, da der Patentgegenstand nicht patentfähig ist. Die nunmehr geltenden Patentansprüche werden als zulässig angesehen. Die Patentinhaberin konnte die unzulässigen Erweiterungen der erteilten Fassung der Patentansprüche beseitigen. Der Patentanspruch 1 ist jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit basierend, da der Stand der Technik bereits ähnliche Verfahren beschreibt. Daher hat das Patent keinen Bestand. Die rückbezogenen Unteransprüche haben ebenfalls keinen Bestand.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 25.01.2007, Az: 6 W (pat) 325/03


Tenor

Das Patent 100 25 966 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 100 25 966, dessen Erteilung am 5. Dezember 2002 veröffentlicht wurde, ist am 1. März 2003 (Einsprechende I) und am 3. März 2003 (Einsprechende II) Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende II hat ihren Einspruch am 4. August 2004 zurückgenommen, so dass neben der Patentinhaberin nur noch die Einsprechende I am Verfahren beteiligt ist.

Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstandes, wobei sich die Einsprechende I (im Folgenden "Einsprechende") u. a. auf den von der Einsprechenden II als Druckschrift "D4" vorgelegten "Keller Baustellenbericht 13-21 D" mit Druckdatum 1994 bezieht.

Ferner macht die Einsprechende eine unzulässige Erweiterung hinsichtlich der erteilten Fassung der Patentansprüche 1 und 3 geltend.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 100 25 966 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 100 25 966 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Sie führt aus, weshalb nach ihrer Auffassung der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 ein Verfahren zur Bodenverbesserung durch Einbau von schlauchförmigen Hüllen aus zugfesten Materialien in relativ weiche und verdrängbare Bodenbereiche, die nach dem Einbringen mit rolligem Füllmaterial gefüllt werden, bei dem ein länglicher Einbaukörper (1) wenigstens auf einem Teil seiner Länge mit einer unten geschlossenen, schlauchförmigen Hülle (2) umgeben ist, und bei dem der Einbaukörper (1) und die Hülle (2) im Wesentlichen gleichzeitig bis in eine Endtiefe (5) eingebracht werden, bei dem nach Erreichen der Endtiefe durch eine oder mehrere Austrittsöffnungen (7) im oder am unteren Teil des Einbaukörpers (1) Füllmaterial (10) in den Innenraum der Hülle (2) eingebracht wird, bei dem das Füllmaterial (10) von der Oberfläche über Schläuche oder Rohrleitungen zur Austrittsöffnung (7) gelangt, bei dem dann unter Zurückziehen des Einbaukörpers (1) die Hülle (2) mit Füllmaterial (10) aufgefüllt wird, und bei dem das Füllmaterial (10) durch Schwingungen verdichtet wird, dadurch gekennzeichnet, dass der längliche Einbaukörper (1) im unteren Teil die wesentlichen Bestandteile eines Tiefenrüttlers enthält wie z. B. um die Längsachse rotierende Unwuchten, und dass der Einbaukörper vor dem Einbringen wenigstens auf einem Teil seiner Länge mit einer unten geschlossenen Hülle (2) umgeben ist, oder dass der längliche Einbaukörper (1) vor oder beim Eindringen in den Boden in eine unten geschlossene, längenmäßig gefaltete Hülle (2') eintaucht, und dass das Eindringen des Einbaukörpers (1) mit der umgebenden Hülle (2, 2') unter Verdrängen des anstehenden Bodens (3) erfolgt bis auf eine Endtiefe (5), und dass dabei der Einbaukörper (1) zur Unterstützung des Eindringens in den Boden in Schwingungen versetzt wird, und dass nach Erreichen der Endtiefe (5) das Füllmaterial von der Erdoberfläche über Schläuche oder Rohrleitungen zu den Austrittsöffnungen (7) gelangt, und dass die Förderung des Füllmaterials (10) mit Hilfe von Luft und/oder Flüssigkeiten und/oder Suspensionen und/oder durch Pumpen erfolgt, und dass dann beim Zurückziehen und Auf- und Abbewegen desEinbaukörpers (10) das Füllmaterial (10) stufen- oder lagenweise eingebracht wird, wobei Schwingungen zum Verdichten durch den Tiefenrüttler erzeugt werden.

Das Merkmal "im unteren Teil die wesentlichen Bestandteile" stellt ebenso wie das Merkmal, gemäß welchem das Füllmaterial (10) "stufen- oder lagenweise" eingebracht wird, eine unzulässige Erweiterung dar.

Hieran schließen sich die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 an, zu deren Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.

II.

1. Der Senat ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.

2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert auf Widerrufsgründe gem. § 21 PatG gegründet und daher zulässig. Er ist auch erfolgreich, da der Patentgegenstand gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

3. Die nunmehr geltenden Patentansprüche sind zulässig.

In seiner erteilten Form erhielt der Patentanspruch 1, letztlich von der Patentinhaberin unbestritten, eine Fassung, welche durch Weglassen eines und Hinzufügen zweier Merkmale, über das ursprünglich Offenbarte hinausging. Zur Beseitigung der damit erfolgten unzulässigen Erweiterung wurde dem erteilten Hauptanspruch im ersten Absatz des Oberbegriffs zwischen "mit" und "Füllmaterial" die Angabe "rolligem" eingefügt sowie die aus dem oben aufgeführten Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 ersichtlichen beiden Disclaimer angefügt.

Ferner wurde eine unzulässige Erweiterung im erteilten Unteranspruch 3 dadurch beseitigt, dass in der geltenden Fassung des Anspruchs 3 das Wort "oder" nach "und" gestrichen sowie der Ausdruck "oder nur quer zu seiner Längsachse" vor dem Wort "ausgeführt" eingefügt wurde, so dass auch der Anspruch 3 auf seinen ursprünglichen Umfang zurückgeführt ist.

4.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik unstrittig neu.

4.2 Er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das patentierte Verfahren bezieht sich auf die Notwendigkeit, dass in weichen und extrem nachgiebigen Böden das Einbringen von Gründungspfählen für tragfähige Gründungen besondere Vorkehrungen erfordert. Eine mögliche Maßnahme zur Stützung des Verfüllmaterials solcher Gründungspfähle liegt darin, diese auf geeignete Weise mit einer Hülle zu umgeben, welche die tragende Materialsäule gegen seitliches Ausweichen bzw. Wegbrechen sichert. Nach der in Abs. [0008] der Patentschrift angegebenen Aufgabe soll hierzu ein Verfahren angegeben werden, mit dem auf einfache und wirtschaftliche Weise schlauchartige Hüllen in weichen Boden eingebaut und auf schnelle und wirtschaftliche Weise mit tragfähigem Material verfüllt werden.

Mit dem geltenden Patentanspruch 1 wird zur Lösung dieser Aufgabe ein Verfahren beansprucht, das sich in folgende Schritte, in deren zeitlicher Abfolge zusammengefasst, gliedern lässt:

a) Verfahren zur Bodenverbesserung durch Einbau von schlauchförmigen Hüllen aus zugfesten Materialien in relativ weiche und verdrängbare Bodenbereiche mittels eines länglichen Einbaukörpers, welcher einen Tiefenrüttler enthält;

b1) der Einbaukörper ist vor dem Einbringen wenigstens auf einem Teil seiner Länge mit einer unten geschlossenen Hülle umgeben;

oderb2) der Einbaukörper taucht vor oder beim Eindringen in den Boden in eine unten geschlossene, längenmäßig gefaltete Hülle ein;

c) der Einbaukörper und die Hülle werden im Wesentlichen gleichzeitig bis in eine Endtiefe eingebracht, c1) wobei der Einbaukörper zur Unterstützung des Eindringens in den Boden in Schwingungen versetzt wird;

d) nach Erreichen der Endtiefe wird durch eine oder mehrere Austrittsöffnungen im oder am unteren Teil des Einbaukörpers rolliges Füllmaterial in den Innenraum der Hülle eingebracht, d1) wobei das Füllmaterial von der Oberfläche über Schläuche oder Rohrleitungen zur Austrittsöffnung gelangt, d2) und wobei die Förderung des Füllmaterials mit Hilfe von Luft und/oder Flüssigkeiten und/oder Suspensionen und/oder durch Pumpen erfolgt;

e) dann wird beim Zurückziehen des Einbaukörpers die Hülle mit Füllmaterial aufgefüllt, e1) wobei das rollige Füllmaterial unter Auf- und Abbewegen des Einbaukörpers eingebracht, e2) und durch Schwingungen verdichtet wird, e3) wobei die Schwingungen zum Verdichten durch den Tiefenrüttler erzeugt werden.

Der "Keller Baustellenbericht 13-21 D", welcher, von der Patentinhaberin unbestritten, zum einschlägigen und vorveröffentlichten Stand der Technik zu zählen ist, gibt dem hier zuständigen Fachmann, einem Bauingenieur der Fachrichtung Grundbau, explizit die Lehre an die Hand, wie er grundsätzlich die angestrebte Bodenverbesserung in relativ weichen Bodenbereichen durch Einbringen "vliesummantelter Schottersäulen" zu bewerkstelligen hat, nämlich indem "ein Vliesstrumpf aus geeignetem Material, an der Spitze zusammengebunden, mit einem Tiefenrüttler in den Boden eingerüttelt und anschließend mit Drainagekies verfüllt wird" (s. dort Seite 2, rechte Spalte). Über dieses Prinzip hinaus, welches bereits zumindest die Merkmale a), c), c1), e2) und e3) des geltenden Patentanspruchs 1 beinhaltet, entnimmt der Fachmann aufgrund einfacher Überlegungen, die er im Rahmen seines Fachwissens ohne weiteres trifft, diesem Baustellenbericht implizit auch die weiteren wesentlichen Verfahrensschritte des Patentanspruchs 1, insbesondere die Art des Einbringens der Hülle und die Abfolge des Einbringens und Verdichtens des Füllmaterials. Betrachtet der Fachmann nämlich die Abbildung auf Seite 2 des Baustellenberichts in Zusammenhang mit den oben zitierten Textstellen, so erkennt er dort ganz offensichtlich die Oberseiten der fertiggestellten Materialsäulen im Boden mit den sie umgebenden oberen Enden der jeweiligen Hülle. Der Umstand, dass die Materialsäulen in sehr weichem Boden eingebracht sind, was ja Ausgangspunkt dieser speziellen Gründungstechnik ist, lässt den Fachmann weiter zu dem Schluss gelangen, dass die Hüllen mit dem Füllmaterial gar nicht anders in den Boden eingebracht werden können als nach den mit den Merkmalen b1) bzw. b2), d), und e) des Patentanspruchs 1 beanspruchten Verfahrensschritten. Um ein Nachrutschen des lockeren ("schluffigen") Bodenmaterials, was zu einem Zuschütten des für die Materialsäule benötigten Hohlraums führen würde, zu verhindern, muss zwangsläufig die Hülle gleichzeitig mit einem - wie auch immer ausgestalteten - Einbaukörper in den Boden eingebracht werden, was entweder ein Überziehen der geschlossenen Hülle über den Einbaukörper vor dem Einbringen (Merkmal b1) oder ein Eintauchen des Einbaukörpers in die gefaltet bereitgelegte Hülle beim Eindringen in den Boden (alternatives Merkmal b2) bedingt. Da der Einbaukörper nach Erreichen der Endtiefe den geschaffenen Hohlraum während des anschließenden Verfüllvorgangs gegen nachrutschendes Bodenmaterial offenhalten muss, muss ebenso zwangsläufig das Füllmaterial zu diesem Zeitpunkt in die Hülle eingebracht werden (Merkmal d), woraufhin beim Zurückziehen des Einbaukörpers die Hülle sukzessive weiter mit dem Füllmaterial aufgefüllt wird (Merkmal e), wobei es der Fachmann als vorteilhaft erkennt, zur vollständigen Füllung den Einbaukörper ggf. in eine Auf- und Abbewegung zu versetzen (Merkmal e1).

Insgesamt vermittelt damit der Keller-Baustellenbericht dem Fachmann unter Einbeziehung von dessen Fachkenntnissen eine Lehre mit den wesentlichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1. Soweit einzelne Teilmerkmale wie das Zuführen des Füllmaterials über Schläuche oder Rohrleitungen (Merkmal d1) und die Förderung des Materials mit Hilfe von Luft bzw. Flüssigkeiten oder Suspensionen und/oder durch Pumpen (Merkmal d2) aus diesem Dokument nicht hervorgehen, so stellen diese eine mehr oder weniger abgeschlossene Aufzählung von alternativen Mitteln zur Materialförderung dar, die dem Fachmann im Rahmen seines Fachwissens geläufig sind und die er in Kombination mit den übrigen, durch den Stand der Technik nahegelegten Verfahrensschritten anwenden wird, ohne hierzu erfinderisch tätig werden zu müssen.

Der Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand.

5. Aufgrund der Antragslage sind damit auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 nicht bestandsfähig.






BPatG:
Beschluss v. 25.01.2007
Az: 6 W (pat) 325/03


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