Kammergericht:
Beschluss vom 15. April 2004
Aktenzeichen: 1 W 93/04

(KG: Beschluss v. 15.04.2004, Az.: 1 W 93/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Kammergericht hat in einem Beschluss vom 15. April 2004 entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland als obsiegende Partei den auf sie entfallenden Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer nicht als Vorteilsausgleichung auf die an sie zu erstattenden Umsatzsteuern anrechnen lassen kann. Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger hatte argumentiert, dass ein Teil der vom Rechtsanwalt gezahlten Umsatzsteuer an die Beklagte zurückfließe, da sie einen Anteil des Umsatzsteueraufkommens erhalte. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück. Es stellte fest, dass die Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO zu den Auslagen des Rechtsanwalts gehört und nur dann berücksichtigt werden kann, wenn der Erstattungsberechtigte sie nicht als Vorsteuer abziehen kann. In diesem Fall lag jedoch kein Vorsteuerabzug vor.

Die Entscheidung beruht darauf, dass zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen muss und die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen muss. Im Gegensatz zum Vorsteuerabzug gibt es keine Verrechnungsmöglichkeit für die steuerpflichtige Partei. Es ist auch nicht sicher, ob die von der Beklagten an ihren Anwalt gezahlte Umsatzsteuer in voller Höhe abgeführt werden muss und zu einer entsprechenden Erhöhung der im Finanzausgleich zu verteilenden Steuereinnahmen führt. Daher läuft eine Anrechnung des Vorteils, was die Kosten betrifft, dem Zweck der Kostenerstattung entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Beschluss v. 15.04.2004, Az: 1 W 93/04


Die Bundesrepublik Deutschland als obsiegende Partei hat sich den auf sie entfallenden Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer nicht als Vorteilsausgleichung auf die an sie zu erstattenden Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO anrechnen zu lassen (wie OLG Hamm, JurBüro 1994, 429).

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Klägers nach einem Wert von 2.220,00 EUR zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die Rechtspflegerin hat die Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO zu Recht in Höhe von 16 % angesetzt. Die Beklagte hat den Ansatz durch ihre Erklärung gemäß § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, hinreichend glaubhaft gemacht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Betrag nicht in Höhe eines Anteils der Beklagten am Umsatzsteueraufkommen von 50,25 % zu mindern.

Der Kläger macht geltend, ein Teil der an den Rechtsanwalt gezahlten Umsatzsteuer fließe an die Beklagte zurück, da diese im Wege des Bund-Länderfinanzausgleichs einen Anteil von (derzeit) 50,25 % des Umsatzsteueraufkommens erhalte; dies sei als Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (ebenso AG Rockenhausen, SVR 2004, 128 zu § 249 BGB). Dem ist nicht zu folgen (ablehnend bereits OLG Hamm, JurBüro 1994, 429; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 25 Rdnr. 7 d; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rdnr. 13, Stichwort Umsatzsteuer). Nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO sind der Beklagten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen ihres Rechtsanwalts zu erstatten. Zu den Auslagen gehört nach § 25 Abs. 2 BRAGO die auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer, die nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO aber nur zu berücksichtigen ist, wenn der Erstattungsberechtigte sie € seiner Erklärung zufolge € nicht als Vorsteuer abziehen kann. Ein Fall des Vorsteuerabzuges liegt nicht vor.

Die Beachtung des Vorsteuerabzuges als € negative € Voraussetzung des Ansatzes der Umsatzsteuer beruht allerdings auf der Erwägung, dass der erstattungsberechtigten Partei durch den Vorsteuerabzug ein deckungs- und im Wesentlichen zeitgleicher Vorteil zukommt, der den Aufwand der Mehrwertsteuer ausgleicht. In diesem Fall würde die Außerachtlassung zu einem nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil für die erstattungsberechtigte Partei führen (OLG Hamm a.a.O., S. 428 und 429). Diese Begründung lässt sich auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragen.

Allgemein hat die Vorteilsausgleichung zur Voraussetzung, dass zwischen dem schädigenden Ereignis € hier den notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO € und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und die Anrechnung des Vorteils bei wertender Betrachtung dem Zweck des Schadens- oder Aufwendungsersatzes entspricht, insbesondere ein innerer Zusammenhang zwischen Nach- und Vorteil besteht (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Vorbemerkung vor § 249 Rdnr. 120, 122). Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier.

Im Gegensatz zum Vorsteuerabzug besteht keine Verrechnungsmöglichkeit der steuerpflichtigen und zugleich am Umsatzsteueraufkommen beteiligten Partei. Es ist nicht einmal sicher, ob die von der Beklagten an ihren Anwalt zu zahlende Umsatzsteuer von diesem in voller Höhe abgeführt werden muss und daher zu einem entsprechenden Mehrbetrag der im Finanzausgleich zu verteilenden Steuereinnahmen führt; denn der Rechtsanwalt ist seinerseits zum Vorsteuerabzug berechtigt, worauf der Beklagtenvertreter zutreffend hinweist. Über die Verteilung der Steuereinnahmen wird auch nicht bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, sondern erst im Rahmen des haushaltsrechtlichen Finanzausgleichs entschieden (s. OLG Hamm a.a.O., S. 429). Schließlich kommt die anteilige Steuereinnahme der mit der Ausgabe belastete Stelle nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar nach Maßgabe des Haushaltsplans zugute. Eine Berücksichtigung als die Aufwendung ausgleichender Vorteil liefe nach alledem dem Zweck der Kostenerstattung gemäß § 91 ZPO zuwider.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






KG:
Beschluss v. 15.04.2004
Az: 1 W 93/04


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