Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 40/09

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az.: 35 W (pat) 40/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 29. September 2010 (Aktenzeichen 35 W (pat) 40/09) die Entscheidung der Gebrauchsmusterstelle vom 22. April 2009 aufgehoben. In dem Verfahren geht es um den Antrag des Beschwerdeführers, ihm Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr seines Gebrauchsmusters zu gewähren. Der Beschwerdeführer ist der eingetragene Inhaber des Gebrauchsmusters "...". Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters lief am 21. Mai 2008 ab und der Beschwerdeführer hatte die Aufrechterhaltungsgebühr nicht fristgerecht bezahlt. Die Gebrauchsmusterstelle teilte ihm daraufhin mit, dass die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters von der Zahlung der Gebühr abhängt. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr. Die Gebrauchsmusterstelle lehnte diesen Antrag ab mit der Begründung, dass die Rechtserhaltung mutwillig erscheint und keine ausreichenden Verwertungsnachweise vorgelegt wurden. Der Beschwerdeführer legte Beschwerde gegen diesen Beschluss ein.

Das Bundespatentgericht entschied, dass der angefochtene Beschluss unwirksam ist, da er von der zuständigen Beamtin nicht unterschrieben, sondern lediglich mit einem Namenskürzel paraphiert wurde. Ein Beschluss muss jedoch von dem ihn erlassenden Amtsträger unterschrieben werden. Da die Unterschrift nicht nachgeholt werden kann, muss der unwirksame Beschluss aufgehoben werden. Das Gericht hob den Beschluss daher auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Ablehnung des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe inhaltlich gerechtfertigt ist. Der Beschwerdeführer hatte keine Belege für erfolgversprechende Verwertungsversuche des Gebrauchsmusters vorgelegt. Es besteht daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters. Eine Verfahrenskostenhilfe kann jedoch nur beantragt werden, wenn dies auch eine nicht bedürftige Person in derselben Situation tun würde. Da ein wirtschaftlicher Nutzen des Gebrauchsmusters nicht zu erwarten ist, ist eine weitere Aufrechterhaltung nicht gerechtfertigt. Das Gericht betonte auch, dass das Rechtsstaatsprinzip eine Annäherung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten beim Rechtsschutz gebietet, nicht aber eine Gleichstellung.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az: 35 W (pat) 40/09


Tenor

Auf die Beschwerde des Gebrauchsmusterinhabers wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 22. April 2009 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Oktober 2008, ihm für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...".

Nachdem die 3-jährige Schutzdauer des Gebrauchsmusters am 21. Mai 2008 abgelaufen war und der Beschwerdeführer die Aufrechterhaltungsgebühr nicht bis zum Ablauf der zuschlagsfreien Frist bezahlt hatten, ist ihm vom Deutschen Patentund Markenamt mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 mitgeteilt worden, dass eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters von der Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr in Höhe von 210,00 € zuzüglich des Zuschlags in Höhe von 50,00 € bis zum 1. Dezember 2008 abhänge.

Daraufhin hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr beantragt. Auf Aufforderung der Gebrauchsmusterstelle vom 10. November 2008 hat der Beschwerdeführer zum Einen seine wirtschaftlichen Verhältnisse anhand des gesetzlich vorgeschriebenen Vordrucks unter Beifügung entsprechender Belege dargestellt und zum Anderen zum Nachweis Erfolg versprechender Verwertungsversuche Antwortschreiben der Firmen P... P... C..., B..., G..., und A... aus dem Jahr 2005 sowie der Firma S... vom 15. Februar 2006 eingereicht, in denen dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden ist, dass diese Unternehmen an der Verwertung der Erfindung kein Interesse haben.

Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes mit "Beschluss" bezeichneten Schreiben vom 22. April 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Rechtserhaltung mutwillig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts erscheine. Es seien keine ausreichenden Verwertungsnachweise vorgelegt worden. Eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters entspräche offensichtlich nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handeln. Dieses Schreiben war von der Beamtin nicht mit vollem Namen unterschrieben, sondern lediglich mit einem Namenskürzel paraphiert.

Gegen den ihm am 26. April 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgt. Er begründet seine Beschwerde damit, dass ihn die angegriffene Entscheidung in seinen Grundrechten verletze.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. April 2009 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster 20 2005 008 022 zu gewähren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil der angegriffene Beschluss unwirksam ist. Er ist von der ihn erlassenden Beamtin der Gebrauchsmusterstelle nicht unterschrieben, sondern lediglich mit deren Namenskürzel paraphiert worden.

1. Ein Beschluss, mit dem die Gebrauchsmusterstelle Verfahrenskostenhilfe gem. § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. §§ 130 Abs. 1 S. 2, 135 Abs. 3, 2. Hs., PatG verweigert, ist entsprechend § 47 Abs. 1 S. 1 PatG von dem Amtsträger zu unterschreiben, der ihn sie erlassen hat. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, denn der angefochtene "Beschluss" ist lediglich mit einem aus zwei Buchstaben bestehenden Namenskürzel versehen. Eine solche Paraphierung genügt dem Unterschriftserfordernis nicht, was zur Folge hat, dass es sich bei dem paraphierten Schriftstück lediglich um einen Beschlussentwurf handelt (vgl. für das patentrechtliche Beschlussverfahren BPatG, BlfPMZ 2006, 415; für das zivilprozessuale Beschlussverfahren Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 329 Rn. 9f.m. w. N.).

Die fehlende Unterschrift kann auch nicht nachgeholt werden, da dadurch kein Beschluss zustande kommen würde, der im laufenden Beschwerdeverfahren sachlich geprüft werden könnte. Denn eine fehlenden Unterschrift unter einen Beschluss kann lediglich mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt werden (vgl. BGH NJW 1998, 609 f.; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 329 Rn. 4). Daher müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut zugestellt werden, dies würde eine neue Beschwerdefrist in Kraft setzen (vgl. BlfPMZ 2006, 415, BPatGE 41, 44 f.; Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.). Die vorliegende Beschwerde würde sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen "Beschluss" richten und wäre nicht anders zu beurteilen.

Der unwirksame Beschluss ist aufzuheben, um auf diese Weise den durch die Zustellung entstandenen äußeren Anschein eines wirksamen Beschlusses zu beseitigen (Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.). Da über den Antrag vom 25. Oktober 2008 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die 1.

Aufrechterhaltungsgebühr noch nicht entschieden worden ist, muss eine Zurückverweisung erfolgen.

2.

Die Aufhebung und Zurückverweisung geschieht aus rein formalen Gründen und ungeachtet der inhaltlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses.

2.1.Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Ob eine an sich erfolgreichen Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich nach h. M. danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, § 130 Rn 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m.w. N.; BPatG GRUR 1998, 42).

2.2.Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögende Person in derselben Situation.

Die Gebrauchsmusterabteilung hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. Erfolg versprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u.a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.

Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Denn die Antwortschreiben, mit denen die genannten Unternehmen dem Beschwerdeführer mitgeteilt haben, dass sie an seiner Erfindung nicht interessiert sind, lagen im Zeitpunkt der Fälligkeit der 1. Aufrechterhaltungsgebühr weit über 2 Jahre zurück. Für die Zeit bis zum Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe enthält das Vorbringen des Beschwerdeführers keinerlei weitere Verwertungsaktivitäten. Angesichts dieser Sachlage und auch mit Hinblick darauf, dass der Recherchebericht vom 14. März 2007 insgesamt 6 Druckschriften ergeben hat, die nach ihrer Bewertung mindestens einen erfinderischen Schritt allein oder in Kombination mit anderen Druckschriften in Frage stellen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage weitere Mittel einsetzen würde, um das vorliegende Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten. Der Recherchebericht bezieht sich auf alle 3 Schutzansprüche des Streitgebrauchsmusters, wobei dessen Bewertungen für die Löschungsreife des gesamten Gebrauchsmusters sprechen. Von einem solchen Gebrauchsmuster sind regelmäßig keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten und eine Aufrechterhaltung bedeutet von vornherein verlorene Kosten.

Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.

2.3.Einer entsprechenden Entscheidung der Gebrauchsmusterstelle stünden auch die in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen, die sich allesamt nicht mit der Frage der Mutwilligkeit befassen. Im Übrigen gebietet es das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen. Zur Verwirklichung der gebotenen Gleichstellung ist - wie oben dargelegt - darauf abzustellen, ob eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller. Das verfassungsrechtliche Gebot der Annäherung führt auch dazu, dass Verfahrenskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgsaussicht aber nur eine entfernte ist (BVerfGE 81, 347 ff).

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BPatG:
Beschluss v. 29.09.2010
Az: 35 W (pat) 40/09


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