Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Februar 2004
Aktenzeichen: I-2 U 76/02

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.02.2004, Az.: I-2 U 76/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 5. Februar 2004 entschieden, dass die Beklagte gegen das am 30. April 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf Berufung eingelegt hat. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 520.000,00 € verhindern, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Streitwert für die Berufung beträgt 511.291,88 €.

In der Begründung des Urteils wird ausgeführt, dass die Klägerin Inhaberin zweier Patente ist, nämlich des deutschen Patents 195 15 063 und des europäischen Patents 0 824 639. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die angegriffenen Scheibenbremsen der Beklagten die technische Lehre der beschränkt aufrechterhaltenen Patentansprüche der Klägerin verwirklichen. Dabei geht es insbesondere um die Ausgestaltung des Bremssattels, die Anordnung und die Funktion der Zuspanneinheit sowie die Größe der Öffnung im Bremssattel. Die Beklagte hat keine Argumente vorgebracht, die gegen die Verwirklichung der Klagepatente sprechen. Das Gericht hat daher die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts bleibt somit bestehen. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 520.000,00 € abwenden, sofern die Klägerin nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Entscheidungsgründe des Urteils enthalten eine ausführliche Darstellung der technischen Lehre der Klagepatente und ihrer Verwirklichung bei den angegriffenen Ausführungsformen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Klagepatente in vollem Umfang verwirklicht sind und daher die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte gerechtfertigt sind. Das Urteil ist rechtskräftig.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.02.2004, Az: I-2 U 76/02


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April

2002 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landge-

richts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfah-

rens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die

Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in

Höhe von € 520.000,00 abwenden, wenn nicht die Kläge

rin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leis-

tet.

Der Streitwert für die Berufung beträgt € 511.291,88.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 15 063 (Anlage K 2; nachfolgend: Klagepatent I). Dieses Patent beruht auf einer Anmeldung vom 27. April 1995. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 6. Februar 1997.

Gegen die Erteilung des Klagepatents I hatten mehrere Einsprechende, unter ihnen auch die Beklagte, Einspruch eingelegt. Durch Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000 ist das Klagepatent gegen die Einsprüche der Einsprechenden in vollem Umfang aufrechterhalten geblieben. Gegen diesen Beschluss hatte die Beklagte Beschwerde eingelegt. Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 25. Januar 2001 (Anlage K 4) das Klagepatent I entsprechend einem Hilfsbegehren der Klägerin und Patentinhaberin beschränkt aufrechterhalten und die Beschwerde insoweit zurückgewiesen.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents I in der aufrechterhaltenen Fassung lautet ausweislich Seite 4 der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 25. Januar 2001 (Anlage K 4) wie folgt:

"Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeu- ge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden einteiligen Brems- sattel, in dessen rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich eine Zuspanneinheit ange- ordnet ist, wobei die Zuspanneinheit mit einem von einem Be- tätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen ist und der Drehhebel mittels eines Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbare, wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel aufweisende Brücke einzuwirken vermag, gekennzeichnet durch folgende Merkmale: die Zuspanneinheit (13 ) ist als vormontierte Einheit bei von der Bremsscheibe (3) abgenommenen Bremssattel (1) durch die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung in den Bremssattel einführ- bar.”

Die Klägerin ist ferner eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 824 639 (neue europäische Patenschrift Anlage K 19; nachfolgend: Klagepatent II). Das Klagepatent II ist unter Inanspruchnahme der Priorität des Klagepatents I vom 27. April 1995 am 1. Februar 1996 angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 25. Februar 1998 und die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung des Klagepatents II erfolgten am 28. Juli 1999. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört die Bundesrepublik Deutschland. Das Klagepatent II steht in Kraft.

Gegen die Erteilung des Klagepatents II hatte die Beklagte Einspruch eingelegt. Über diesen Einspruch hat das Europäische Patentamt mit einer "Zwischenentscheidung” nach Artikel 102 Abs. 3 und Artikel 106 Abs. 3 EPÜ in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2001 wie folgt entschieden:

"Es wird festgestellt, daß unter Berücksichtigung der vom Patent- inhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.”

Aus den Entscheidungsgründen dieser Entscheidung ergibt sich, dass Anspruch 1 des 2. Hilfsantrages der Patentinhaberin allen Erfordernissen des EPÜ genügte (vgl. Anlage 13). Dieser Anspruch lautet wie folgt:

Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere für Schienenfahr- zeuge, mit einem eine Bremsscheibe (3) umfassenden Bremssattel, in dessen rückwärtigem, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenem Bereich eine Zuspanneinheit (13) angeordnet ist, wobei die Zuspanneinheit (13) mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel (15) versehen ist und der Drehhebel (15) mittels eines Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe (3) verschiebbare, wenigstens eine mit einem Druckstück (35; 37) versehene Stellspindel (33) aufweisende Brücke (29) einzuwirken vermag, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a) der Bremssattel ist einteilig ausgebildet, b) die Zuspanneinheit (13) ist als vormontierte Einheit aus- gebildet und c) die der Bremsscheibe (3) zugewandte Öffnung im Bremssattel (1) ist so groß bemessen, daß die vormon- tierte Zuspanneinheit (13) bei von der Bremsscheibe ab- genommenen Bremssattel (1) durch diese Öffnung ein- führbar ist.

Gegen diese Entscheidung war seitens der Beklagten Beschwerde eingelegt worden, die sie jedoch am 12. April 2002 zurückgenommen hat. Die Parteien sind sich darüber einig, dass von dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Einspruchsverfahrens betreffend das Klagepatent II das Klagepatent I gemäß Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG keine Wirkung mehr hat.

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der beiden Klagepatentschriften verdeutlichen die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels, wobei die Figur 1 eine Längsschnittansicht einer Scheibenbremse unter Darstellung des einteiligen Bremssattels mit im Bremssattel vormontiert eingefügter Zuspanneinheit und die Figur 2 eine Einzelschnittansicht unter Darstellung der vormontierten Zuspanneinheit zeigt.

Die Beklagte ist ein schwedisches Unternehmen, welches auf dem deutschen Markt Scheibenbremsen anbietet und in den Verkehr bringt. Zu den von ihr in Deutschland auf den Markt gebrachten Scheibenbremsen gehören u. a. die Scheibenbremsen gemäß einer Ausgestaltung nach den Anlagen K 12/1 - 3 und K 14 sowie gemäß einer Ausgestaltung nach den Anlagen K 17/1 - 3.

Die aus den zuvor genannten Anlagen ersichtliche vormontierte Einheit, die in den Bremssattel eingeführt wird, setzt sich so zusammen, wie sich dies aus den nachstehend verkleinert wiedergegebenen Darstellungen der Beklagten gemäß Anlagen K 12/2 und K 17/ 2 ergibt, d. h. sie umfasst u. a. neben Drehhebel , Brücke , Verstellspindeln, Druckstücken sowie Verschlussplatte auch eine Abstützplatte, die von der Beklagten selbst als "bearing bracket" bezeichnet worden ist.

Die vormontierte Einheit wird in einen Bremssattel eingeführt, wie er sich aus den nachstehend verkleinert wiedergegebenen Abbildungen gemäß Anlagen K 12/1 und K 17/ 1 ergibt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die mit der Klage angegriffenen Scheibenbremsen der Beklagten gemäß den Anlagen K 12/1- 3 u. K 14 sowie gemäß Anlagen K 17/1-3 machten wortsinngemäß, zumindest aber äquivalent von der technischen Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente Gebrauch. Sie hat deshalb die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat antragsgemäß wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insge- samt zwei Jahren, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland druckluftbetätigte Scheiben- bremsen anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die folgende Merkmale aufweisen:

A. Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden einteiligen Bremssat- tel.

B. Der Bremssattel weist eine Zuspanneinheit auf.

C. Die Zuspanneinheit,

C 1 ist angeordnet im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten, mit einer Öffnung um und zwischen den Zugängen für die Stellspindel versehenen Bereich des Bremsattels,

C2 ist mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Dreh- hebel versehen.

D. Der Drehhebel vermag mittels eines Exzenters auf die Brücke einzuwirken.

E. Die Brücke

E1 ist gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschieb- bar,

E2 weist wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspin- del auf.

F Die Zuspanneinheit ist als vormontierte Einheit ausgebildet und die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel ist so groß bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenem Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist.

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. März 1997 be- gangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten, b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermen- gen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmen- gen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsge- biet, e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Ge- stehungskosten und des erzielten Gewinns.

II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 7. März 1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die angegriffenen Ausführungsformen die technische Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente verwirklichten. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob diese Ansprüche insoweit wortsinngemäß verwirklicht seien , als die Patentansprüche 1 des Klagepatents einen im rückwärtigen Bereich weitgehend geschlossenen Bremssattel voraussetzten, da selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass dies nicht der Fall sei, weil sich bei der angegriffenen Ausführungsformen im rückwärtigen Bereich unterhalb der Durchgriffsöffnung für den Drehhebel eine weitere rechteckige Öffnung befinde, die sich nahezu über die gesamte Breite des rückwärtigen Bremssattelabschnitts erstrecke, der Patentanspruch 1 des Klagepatents verwirklicht sei, nämlich mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Die mit einem im rückwärtigen Bereich weitgehend geschlossenen Bremssattel erfindungsgemäß angestrebten und erreichten Wirkungen würden auch mit einem rückwärtigen Bereich erreicht, der nicht weitgehend geschlossen sei, wenn die Öffnung durch eine mit der Zuspanneinheit verbundene Platte von innen so geschlossen werde, wie dies bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall sei. Der Fachmann finde auch bei einer Orientierung an den Patentansprüchen 1 der Klagepatente zu einer solchen Ausgestaltung als gleichwirkend und gleichwertig.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es .

Die Beklagte macht insbesondere geltend, dass die angegriffenen Ausführungsformen im Sinne der erfindungsgemäßen Lehren keinen "einteiligen Bremssattel" aufwiesen und weder dem Wortsinn nach noch mit äquivalenten Mitteln das erfindungsgemäße Merkmal eines "weitgehend geschlossenen rückwärtigen Bereichs des Bremssattels" verwirklichten. Das Landgericht habe das Verständnis des Durchschnittsfachmannes von diesen Merkmalen mangels eigener Sachkunde verkannt und pflichtwidrig, kein Sachverständigengutachten zur Prüfung der Verletzungsfrage in Bezug auf die hier in Rede stehenden Merkmale eingeholt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Rech- nungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnen den, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin ver- pflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie die Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darü- ber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer , ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

ihr im Unterliegensfall nachzulassen, die Zwangsvoll- streckung durch Sicherheitsleistung durch unbedingte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als im Ergebnis zutreffend, wobei sie jedoch geltend macht , dass auch das Merkmal von einem "weitgehend geschlossenen" rückwärtigen Bereich des Bremssattels bei den angegriffenen Ausführungsformen bereits wortsinngemäß verwirklicht sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit der Klage angegriffenen Scheibenbremsen der Beklagten machen von der technischen Lehre der beschränkt aufrecht erhaltenen Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente Gebrauch, wobei die technische Lehre der beiden Klagepatente nachstehend anhand der Klagepatentschrift II (Anlage K 19) dargestellt wird, da das Klagepatent II nunmehr in Verbindung mit den Vorschriften des EPÜ und PatG allein Grundlage des klägerischen Unterlassungsbegehrens ist ( vgl Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG).

1. Die Lehre des Klagepatents II betrifft nach Spalte 1, Zeilen 3, 4 der Klagepatentschrift II eine Scheibenbremse nach dem Gattungsbegriff des Patentanspruches 1, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:

A. Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattel.

B. In dem rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels, der weitgehend geschlossen ist, ist eine Zuspanneinheit angeordnet.

C. Die Zuspanneinheit ist mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen.

D. Der Drehhebel vermag mittels eines Exzenters auf eine Brücke einzuwirken.

E. Die Brücke ist gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbar und weist wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel auf.

In Spalte 1, Zeilen 5 ff der Klagepatentschrift II befasst sich diese zunächst mit Scheibenbremsen "gattungsgemäßer" Bauart, wobei sie auf die DE-A- 40 32 886 (Anlage K 5) hinweist. Ausweislich der Figur 1 dieser Schrift stellt sich die bekannte gattungsgemäße Scheibenbremse wie folgt dar:

Die Klagepatentschrift II würdigt die aus der vorgenannten Druckschrift bekannte Scheibenbremse dahin, dass bei ihr innerhalb des rückwärtigen Teiles eines eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattels eine mit einem von einem Betätigungszylinder beaufschlagbaren Drehhebel versehene Zuspanneinrichtung vorgesehen sei, welche eine zwei Stellspindeln mit Druckstücken tragende, am Bremssattel verschiebbar abgestützte Brücke aufweise. Das auf den bremsscheibenabgewandten Teil der Brücke exzentrisch einwirkende Ende des Drehhebels stütze sich mittels Gleit- oder Wälzlagerelementen am rückwärtigen Ende des Bremssattels ab. - Die Klagepatentschrift II sieht es bei dieser Scheibenbremse gattungsgemäßer Bauart als nachteilig an, dass der rückwärtige Abschnitt des Bremssattels als gesondertes Gehäuse ausgeführt sei, welches entlang einer Trennlinie mit dem Bremssattel verschraubbar sei. Die Bremsreaktionskräfte würden bei Bremsbetätigung rückwärtig in den aufgeschraubten Gehäuseabschnitt eingeleitet, was Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtprobleme hervorrufen könne, insbesondere bei den bei Scheibenbremsen der in Rede stehenden Art geforderten Standzeiten. Probleme der vorstehend genannten Art könnten auch bei mit lediglich einer Stell- bzw. Druckspindel ausgeführten Scheibenbremsen zutage treten (Spalte 1, Zeilen 5 bis 27).

Nach Spalte 1, Zeile 54/55 soll eine gattungsgemäße Scheibenbremse, also eine solche, die die oben genannten Merkmale A - E aufweist, auch aus der DE 4 307 019 A 1 (Anlage K 21) bekannt sein. Bei dieser bekannten Scheibenbremse soll der rückwärtige Abschnitt des Bremssattels als gesonderter Teil, nämlich als Deckel, ausgebildet sein, was zu den zuvor beschriebenen Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtproblemen führen kann (vgl. Sp. 2, Zeile 54 - Sp. 2, Z. 1).

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 dieser Patentschrift zeigt mit dem Bezugszeichen 12 den in der Klagepatentschrift als Deckel ausgebildeten rückwärtigen Bereich des Bremssattels.

Die Klagepatentschrift erwähnt in Spalte 1, Zeilen 27 ff weiteren Stand der Technik und führt insoweit aus, dass bei Scheibenbremsen bekannter Art, wobei sie auf die FR-A-2 306 372 und die DE-A- 36 10 569 ( Anlage K 7) verweist, bereits ein einteiliger Bremssattel bekannt sei, welcher in seinem rückwärtigen, die Reaktionskräfte einer Zuspanneinheit aufnehmenden Bereich weitgehend geschlossen sei. Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 2 und 3 der DE 36 10 569 verdeutlichen diesen Stand der Technik, wobei die Figur 2 einen zur Ansicht des Drehhebels etwa mittig durch den Bremssattel gelegten Axialschnitt und Figur 3 einen durch eine Spindeleinrichtung geführten Axialschnitt zeigt.

Aus diesen Figuren ersieht man, dass die durch diese bekannte Patentschrift vorgestellte Scheibenbremse für Fahrzeuge eine Bremsscheibe 1 und einen diesen übergreifenden Bremssattel 2 aufweist. Dieser Bremssattel ist einteilig. Man erkennt in der Figur 2 überdies eine Zuspannvorrichtung 3, die einen Drehhebel 4, Wälzlager 5, drehbar gelagerter Exzenterwelle 6 und Exzenter 7 umfasst, wobei der Drehhebel 4 drehfest mit der Exzenterwelle 6 verbunden ist und das Ende des Drehhebels mittels einer gegabelten Kolbenstange 10 angelenkt ist. Die Exzenter stehen mit einem im wesentlichen senkrecht zur Radialebene verlaufenden Druckbolzen 18 (vgl. Figur 3) in Eingriff, um eine verschiebbar im Bremssattel gelagerte Bremsbacke 30 gegen die Bremsscheibe 1 zu drücken, wenn eine am Ende des Drehhebels 4 angelenkte und zu diesem im wesentlichen rechtwinklig und radial nach außen verlaufende Kolbenstange von einem druckmittelbeaufschlagbaren Zylinder 15 betätigt wird. Die Zuspannvorrichtung ist, wie insbesondere Figur 2 deutlich macht, im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich angeordnet, der, wie ebenfalls diese Figur zeigt, weitgehend geschlossen ist. Es besteht im wesentlichen lediglich eine Durchgriffsöffnung für die Kolbenstange 10.

An dieser Scheibenbremse mit einteiligem Bremssattel, der in seinem rückwärtigen Bereich weitgehend geschlossen ist, bemängelt die Klagepatentschrift II jedoch, dass bei ihr die Zuspanneinheit in ihren Einzelteilen durch eine im wesentlichen seitlich angesetzte Öffnung eingeführt werde und die endgültige Montage innerhalb des Bremssattels erfolge, was mit beträchtlichem Zeitaufwand und gegebenenfalls mit dem Problem ungenauer Einpassung verbunden sei. (Spalte 1, Zeilen 32 bis 38). - Außerdem sei - so die Klagepatentschrift II - darauf hinzuweisen, dass die DE-A- 3 610 569 eine Zuspanneinheit mit Drehhebel, Exzenter und Stellpindel zeige, aber keine Brücke, während die FR-A. 2 306 372 eine Zuspanneinheit zeige, die zwar einen Drehhebel und einen Exzenter aufweise, aber keine Stellspindel (Sp. 1, Z. 39 - 44).

Schließlich verweist die Klagepatentschrift II noch darauf, dass bei einer gattungsfremden Scheibenbremse (EP-A- 0 436 906) in einem gemeinsamen Gehäuse die Bestandteile einer mechanischen Feststellbremse und die Bestandteile einer hydraulischen Betriebsbremse durch die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung einführbar seien, wobei zusätzliche Mittel in Form eines im Inneren des Gehäuses zu fixierenden Befestigungsringes erforderlich seien, um die Wirkposition beider Bremsen zueinander festzulegen (Sp. 1, Z. 45 - 53).

Ausgehend von dem zuvor erörterten Stand der Technik liegt der Erfindung nach dem Klagepatent II das technische Problem zugrunde, eine Scheibenbremse der gattungsgemäßen Art, also mit den oben genannten Merkmalen A bis E, so auszugestalten, dass bei problemfreier Einleitung der Brems-Reaktionskräfte am Bremssattel eine noch weitergehende Schließung des Bremssattelgehäuses ermöglicht ist. Es sollen am Bremssattel vorhandene Dichtbereiche vollkommen unbeeinflusst sein von Brems- bzw. Bremsreaktionskräften, um bei Formstabilität des Bremssattelgehäuses die geforderte Betriebssicherheit während längeren Einsatzes zu gewährleisten (Sp. 2, Z. 2 - 12).

Zur Lösung der vorgenannten Aufgabe wird vom Klagepatent II vorgeschlagen, bei einer Scheibenbremse mit den oben genannten Merkmalen A bis E folgende weitere Merkmale vorzusehen:

F. Der Bremssattel ist einteilig ausgebildet.

G. Die Zuspanneinheit ist als vormontierte Einheit ausgebildet.

H. Die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel ist so groß bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist.

Es sind also im Wesentlichen drei Maßnahmen, die nach dem Klagepatent II für eine Scheibenbremse mit den Merkmalen A bis E neu vorgeschlagen werden, und zwar zum einen, den Bremssattel einteilig auszubilden, um so eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel zu ermöglichen, zum anderen, die Zuspanneinheit bereits als vormontierte Einheit auszubilden, so dass es nicht mehr erforderlich ist, sie in Einzelteilen durch eine im Wesentlichen seitlich angesetzte Öffnung in den Bremssattel einzuführen und dort zu montieren. Der mit einer solchen Montage verbundene beträchtliche Zeitaufwand wird verringert und die bei einer solchen Montage auftretenden Probleme der ungenauen Einpassung werden vermieden. Drittens soll die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel so groß bemessen werden, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist. Es sind keine weiteren Öffnungen erforderlich, um die Zuspanneinheit einführen zu können. Es wird so in Verbindung mit dem Merkmal B eine besonders hohe Formstabilität des Bremssattelgehäuses und damit die geforderte Betriebssicherheit während längeren Einsatzes gewährleistet.

In Spalte 2, Zeilen 16 ff der Klagepatentschrift II werden die Vorteile der Erfindung dahin beschrieben, dass durch die einteilige Gestaltung des Bremssattels, welcher kostensparend als Gußteil ausgebildet sein könne, eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel ermöglicht sei, da der bremsscheibenabgewandte, rückwärtige Bereich des die Zuspanneinheit aufnehmenden Bremssattels mit Ausnahme der verhältnismäßig klein dimensionierbaren Durchgriffsöffnung für den Betätigungszylinder im Wesentlichen geschlossen sei. Die Zuspanneinheit einschließlich aller ihrer Bauteile sei als vormontierte Einheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel durch die bremsscheibenzugewandte Öffnung einführbar. Vorzugsweise sei diese Öffnung des Bremssattels nach Einführen der Zuspanneinheit von einer Verschlussplatte verschließbar, welche im Falle einer zweispindeligen Bremsscheibenkonstruktion durch die Druckstücke an den vorderen Enden der Stellspindeln unter Abdichtung durchsetzt sei. Die Zuspanneinheit könne durch einfache Halte- oder Klemmelemente als vormontierte Einheit ausgebildet sein; ihre Position innerhalb des als Gehäuse wirkenden Abschnittes des Bremssattels werde durch die am rückwärtigen Wandabschnitt des Bremssattels innenseitig sich abstützende Lagerung und bremsscheibenzugewandt durch die der Zuspanneinheit rückwärtig verspannende, an der Verschlußplatte sich abstützende Druckfeder bestimmt.

Nachdem die Beklagte in Abrede stellt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Merkmale B und F verwirklicht seien, bedürfen diese Merkmale näherer Erörterung, wobei das Merkmal B in einem gewissen funktionalen Zusammenhang mit dem Merkmal H zu sehen ist ( Stabilität des Bremssattels) , so dass auch auf dieses Merkmal nachstehend kurz eingegangen wird.

Was die mit dem Merkmal H gegebene Bemessungsregel angeht, betrifft diese die vormontierte Zuspanneinheit, auf die bereits Merkmal G verweist. Nach Merkmal G soll die Zuspanneinheit, die bereits in den Merkmalen des Oberbegriffs erwähnt ist und danach zumindest einen schwenkbaren Drehhebel, einen Exzenter, der auf eine Brücke einzuwirken vermag, eine Brücke, die gegen Federkraft verschiebbar ist und wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel als funktionsnotwendige Bauteile aufzuweisen hat, als vormontierte Einheit ausgebildet sein. Aus dieser Anweisung ergibt sich für den Fachmann lediglich, dass zumindest sämtliche Teile, die für die Zuspanneinheit funktionsnotwendig sind, als vormontierte Einheit zur Verfügung gestellt werden sollen, wobei dem Fachmann jedoch nicht gesagt wird, dass er nur diese Teile als Einheit vormontieren dürfe. Dem Fachmann bleibt es vielmehr nach Merkmal G überlassen, die vormontierte Einheit um weitere, nicht zur eigentlichen Zuspanneinheit gehörende Bauteile anzureichern, wenn er meint, damit einen noch größeren Nutzen bei der Montage zu erzielen. Die Lehre der Klagepatente verwehrt ihm dies nicht. Solange die vormontierte Einheit die Zuspanneinheit umfasst, ist das Merkmal G verwirklicht.

Wenn die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung also nach Merkmal H so groß zu bemessen ist, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel in den Bremssattel einführbar ist, Merkmal G jedoch die Möglichkeit einräumt, dass die Zuspanneinheit über die funktionsnotwendigen Teile hinaus mit weiteren Teilen als vormontierte Einheit zur Verfügung gestellt werden kann, dann schließt Merkmal H nicht aus, die Öffnung auch etwas größer zu bemessen als dies für eine vormontierte Einheit aus den lediglich funktionsnotwendigen Bauteilen der Zuspanneinheit an sich erforderlich wäre , solange dadurch die erfindungsgemäß angestrebte Formstabilität des Bremssattels nicht entscheidend leidet.

Der Patentanspruch 1 besagt im Merkmal B , dass der rückwärtige Bereich des Bremssattels "weitgehend geschlossen" ist. Die Klagepatentschrift II spricht in Spalte 2, Zeilen 19 - 24 davon , dass der bremsscheibenabgewandte, rückwärtige Bereich des Bremssattels "im wesentlichen" geschlossen sei. Er soll also nicht völlig geschlossen sein, sondern nur "im wesentlichen" bzw. "weitgehend", was also Durchbrechungen und Öffnungen in diesem Bereich zuläßt. Dass neben der Öffnung für den Betätigungszylinder des Drehhebels auch andere Öffnungen bzw. Durchbrechungen des rückwärtigen Bereichs des Bremssattels im zuvor erläuterten Sinne zulässig sind, ergibt sich auch aus Spalte 5, Zeilen 43 ff der Klagepatentschrift II, wo auf verschiedene Arbeits- und Wartungsöffnungen hingewiesen wird, die verwirklicht werden dürfen, und wo u. a. nur die Rede davon ist, dass das rückwärtige Ende des Bremssattels "weitgehend" verschlossen sei.

Patentanspruch 1 läßt im übrigen offen, wo gegebenenfalls Öffnungen in welcher Größe und zu welchem Zwecke angeordnet werden können. Letztlich kommt es insoweit einerseits (vgl. Merkmals H) nur darauf an, dass die Öffnung so groß bemessen ist, dass die vormontierte Zuspanneinheit durch sie einführbar ist, ohne jedoch so groß zu sein, dass eine hinreichende Stabilität des Bremssattels nicht mehr gewährleistet ist, andererseits (Merkmal B) kommt es darauf an, dass im rückwärtigen Bereich des Bremssattels die Öffnungen noch eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel ermöglichen, ohne dass die Formstabilität des Bremssattels entscheidend leidet. Solange Öffnungen und Durchbrechungen des rückwärtigen Bereichs die Erreichung der insoweit angestrebten Wirkungen nicht in Frage stellen und auch im Verhältnis zu den geschlossenen Teilen nicht überwiegen, wird der Fachmann den entsprechenden Bereich des Bremssattels als noch "weitgehend geschlossen” ansehen.

Was unter der mit dem Merkmal F gelehrten "einteiligen" Ausbildung des Bremssattels gemeint ist, erschließt sich dem Fachmann insbesondere durch die in Spalte 1, Zeilen 5 - 27 und Spalte 1, Zeile 54 - Sp. 2, Zeile 1 der Klagepatentschrift erfolgte Abgrenzung zum Stand der Technik gemäß der DE-A- 40 32 886 (Anlage K 5) und der DE 4 307 019 A 1 (Anlage K 21). Dabei ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass unter dem Bremssattel nach der Erfindung das Bauteil der Scheibenbremse zu verstehen ist, das einerseits die Bremsscheibe umfasst (vgl. Spalte 1. Z. 7/8 und Merkmal A) und andererseits in seinem rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich die Zuspanneinheit (gleichsam gehäuseartig) aufnimmt (vgl. Merkmal B). Den vorgenannten Druckschriften ist gemeinsam, dass die in ihnen gezeigten Bremssättel im Sinne der zuvor erfolgten Definition jeweils zweigeteilt sind. Im rückwärtigen Bereich ist jeweils ein gesondertes Bauteil vorhanden, welches bei der Scheibenbremse nach Anlage K 5 die Bezugszeichen 29, 31 trägt und mittels Schrauben 28, 32 mit dem übrigen Bremssattel verbunden ist. Bei der Scheibenbremse gemäß Anlage K 21 hat der Bremssattel 1 im rückwärtigen Bereich einen Deckel 12 und ist so ebenfalls zweigeteilt.

Kritisiert wird dieser gattungsgemäße Stand der Technik insoweit, als der rückwärtige Abschnitt des Bremssattels als gesondertes Teil ausgebildet ist, das entlang einer Trennlinie mit dem Bremssattel verschraubbar ist. Dies führt, wie die Klagepatentschrift ausführt, zu Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtproblemen (Sp. 1, Z. 21/22). Den Grund hierfür nennt die Klagepatentschrift dem Durchschnittsfachmann ebenfalls: Die Bremsreaktionskräfte werden über die Zuspanneinheit bei Bremsbetätigung rückwärtig in den aufgeschraubten Gehäuseabschnitt des Bremssattels eingeleitet. Dem Durchschnittsfachmann ist klar, dass die an- einandergeschraubten Teile des Bremssattelgehäuses hierdurch Zug- und Biegebeanspruchungen ausgesetzt werden (vgl. auch Spalte 6, Zeilen 29 - 31). Dadurch kann die Formstabilität des Bremssattelgehäuses gefährdet werden, ferner besteht die Gefahr von Undichtigkeiten und die Möglichkeit, dass die Zuspanneinheit, die durch das Bremssattelgehäuse vor Abrieb und dergleichen geschützt werden soll, verschmutzt wird. - Derartiges soll, wie der Aufgabenformulierung in Spalte 2, Zeilen 7 - 12 zu entnehmen ist, vermieden werden.

Die patentgemäße Lösung schlägt daher mit dem vorgenannten Merkmal F vor, den Bremssattel einteilig auszugestalten, also den rückwärtigen Abschnitt des Bremssattelgehäuses einstückig , d. h. unter Verzicht auf Verschraubungen und andere ähnliche lösbare Verbindungen, mit den übrigen Teilen des Bremssattel zu verbinden. Dies bedingt dann eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Bremssattel. Zwar wird der rückwärtige Abschnitt des Bremssattelgehäuses nach wie vor den Bremsreaktionskräften ausgesetzt. Es können jedoch keine durch separate und aufgeschraubte Gehäuseteile bedingte Zug- und Biegebeanspruchungen mehr auftreten, welche die Gefahr eines Auseinanderbiegens dieser Teile mit sich bringen (vgl. Spalte 6, Z. 24 - 31). Das Bauteil der Scheibenbremse, das einerseits die Bremsscheibe umfasst (Sp. 1, Z. 7/8 und Merkmal A) und andererseits in seinem rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich (gleichsam gehäuseartig) die Zuspanneinheit aufnimmt (Merkmal B), also der Bremssattel, soll einteilig ausgebildet sein und nicht aus mehreren miteinander verschraubten oder dergleichen verbundenen Gehäuseteilen bestehen, um so der angesichts der auftretenden Bremsreaktionskräfte anderenfalls bestehenden Gefahr eines Auseinanderbiegens der Teile zu entgehen.

Bestandteile der gemäß Merkmal H in den Bremssattel einzuführenden vormontierten Einheit (Merkmal G) stellen für den Durchschnittsfachmann solange keine Teile des Bremssattels dar, solange sie nicht mit dem Bremssattel verschraubt oder dergleichen verbunden sind und sich dadurch bei Einleitung der Bremsreaktionskräfte in den rückwärtigen Bereich des Bremssattels auch nicht die in der Klagepatentschrift angesprochenen Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtprobleme stellen.

2. Von der sich so darstellenden technischen Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente wird bei den angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß Gebrauch gemacht.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Scheibenbremsen für Fahrzeuge mit einem ein Bremsscheibe umfassenden Bremssattel, der als solcher in den Abbildungen gemäß Anlagen K 12/ 1 und K 17/1 gezeigt ist. Merkmal A ist mithin dem Wortsinn nach verwirklicht.

Nichts anderes gilt hinsichtlich des Merkmales B. Wie insbesondere aus den Abbildungen gemäß Anlagen K 12/3 und K 17/3 ersichtlich ist, ist im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels die Zuspanneinheit angeordnet. Dabei ist dieser Bereich des Bremssattels im Sinne des oben insoweit näher erläuterten Merkmals auch "weitgehend geschlossen", wie ebenfalls die vorgenannten Abbildungen , auch wenn sie den rückwärtigen Bereich des Bremssattels aufgeschnitten zeigen, und auch die Abbildungen gemäß Anlagen K 12/1 und K 17/1 erkennen lassen. Dass dort nicht nur eine Öffnung für den Drehhebel bzw. dessen Betätigungszylinder und für die beiden Bremsspindeln vorhanden ist, sondern auch eine Öffnung, die im eingebauten Zustand der Zuspanneinheit von einer mit dieser verbundenen Abstützfläche bzw. dem sog. "bearing bracket" geschlossen ist, steht der Charakterisierung des rückwärtigen Bereichs des Bremssattels als "weitgehend geschlossen" nicht entgegen.

Die an der vormontierten Zuspanneinheit, die insgesamt in den Bremssattel eingeführt und eingebaut wird, angeordnete Abstützplatte bzw. das sog. "bearing bracket" fluchtet im eingebauten Zustand der Zuspanneinheit mit der angesprochenen Öffnung im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels, wobei sie in ihrem äußeren, zum Bremssattel hin liegenden Bereich am äußeren Rand ringartig auf den Bremssattel wirkt. In einer Nut dieser Platte ist Silikon eingebracht.

Die sich so darstellenden Öffnungen im rückwärtigen Bereich des Bremssattels sind nicht geeignet, die Formstabilität des Bremssattels in Frage zu stellen und es nicht mehr zu ermöglichen, die Bremsreaktionskräfte direkt in den Bremssattel zu übertragen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen durch die Öffnungen im rückwärtigen Bereich des Bremssattels, insbesondere die Öffnung, in die die Abstützplatte bzw. das "bearing bracket" eingreift und an deren Rändern sie bzw. es sich abstützt, die Formstabilität mit der Folge von Undichtigkeiten beeinträchtigt werde. Natürlich können bei einer solchen Ausgestaltung durch Druckkräfte Biegebeanspruchungen auftreten. Diese treten aber immer auf und werden vom Durchschnittsfachmann durch entsprechende Materialdicke und Gestaltung bewältigt, wobei nicht erkennbar ist, dass dies bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall ist.

Entsprechend dem Wortsinn des Merkmals C ist bei den angegriffenen Ausführungsformen die Zuspanneinheit mit einem schwenkbaren Drehhebel versehen, wie sich insbesondere aus den Abbildungen gemäß Anlagen K 12/2 und K 17/2 ergibt, wobei unstreitig ist, dass dieser Drehhebel von einem Zylinder betätigt wird.

Unstreitig vermag dieser Drehhebel auch gemäß Merkmal D mittels eines Exzenters auf eine Brücke einzuwirken, wobei ebenfalls unstreitig die Brücke gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbar ist. Die Brücke weist zwei mit jeweils einem Druckstück versehene Stellspindeln auf, so dass auch der Wortsinn des Merkmals E verwirklicht ist, das wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel voraussetzt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Bremssattel bei den angegriffenen Ausführungsformen entsprechend dem Wortsinn des Merkmals F auch einteilig ausgebildet. Insoweit kann auf die Abbildungen gemäß Anlagen K 12/ 1 und K 17/ 1 verwiesen werden, die eindeutig einen einteiligen Bremssattel zeigen. Es gibt dort kein Teil , das mit ihm zu verschrauben wäre und das entsprechend Spalte 6, Z 25 ff der Klagepatentschrift II Zug- und Biegebeanspruchungen ausgesetzt wird. Die an der vormontierten Einheit, die in den Bremssattel eingeführt wird, befindliche Abstützplatte bzw. das daran befindliche "bearing bracket" stellt - unbeschadete des Umstandes , dass über sie bzw. es Druckkräfte übertragen werden - keinen zweiten Teil des Bremssattels dar. Dieser Teil ist nicht mit dem Bremssattel verschraubt oder in entsprechender Weise verbunden. Vielmehr steht diese Abstützplatte bzw. das "bearing bracket" letztlich der auf der anderen Seite der Zuspanneinheit befindlichen Verschlussplatte insoweit gleich, als sie Teil der vormontierten Zuspanneinheit ist.

Entsprechend dem Wortsinn des Merkmals G ist bei den angegriffenen Ausführungsformen auch die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet, wobei auf die Abbildungen gemäß Anlagen K 12/2 und K 17/2 zu verweisen ist. Dabei läßt es die erfindungsgemäße Lehre offen, durch welche Mittel die Zusammenfügung zu einer vormontierten Einheit erfolgt, und lediglich Unteranspruch 4 des Klagepatents II gibt für eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung an, dass dies durch eine Bügelelement erfolgen könne. Bei den angegriffenen Ausführungsformen ist die Zusammenfügung mittels des in der Abbildung gemäß Anlage K 12/3 als "bearing bracket" gekennzeichneten Bauteils erfolgt.

Wie bereits oben unter Ziffer II 1 ausgeführt, verlangt die Verwirklichung des Merkmals G nicht, dass nur die für Zuspannung funktionsnotwendigen Bauteile Bestandteil der vormontierten Einheit sein dürfen. Der wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals G steht es daher nicht entgegen, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen über die eigentliche Zuspanneinheit hinaus weitere Teile wie zum Beispiel auf der einen Seite die Verschlussplatte und auf der anderen Seite die Abstützplatte (bearing bracket) zur vormontierten Einheit gehören.

Schließlich ist auch das Merkmal H dem Wortsinne nach verwirklicht, da die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung so bemessen ist, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenem Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist. Dass bei den angegriffenen Ausführungsformen zu der in den Bremssattel einzuführenden vormontierten Einheit nicht nur die eigentliche Zuspanneinheit gehört, sondern weitere Teile wie zum Beispiel die Abstützplatte, die ebenfalls in den Bremssattel einzuführen sind, steht nach den obigen Erläuterungen zur Lehre der Klageschutzrechte der Verwirklichung der Klageschutzrechte nicht entgegen. Soweit dadurch die Öffnung größer zu bemessen ist, als dies erforderlich wäre, wenn die vormontierte Einheit nur aus den zur Zuspannung erforderlichen Bauteilen bestehen würde, wird dadurch die Verwirklichung des Merkmals H nicht in Frage gestellt, da zum einen der Patentanspruch mit diesem Merkmal ohnehin keine Angaben dazu macht, mit welchen Baumaßen die vormonierte Zuspanneinheit ausgeführt werden soll, so dass auch relativ große Öffnungen von dem Merkmal H erfasst werden, und da zum anderen nichts dafür ersichtlich ist, dass aufgrund der Größe dieser Öffnung bei den angegriffenen Ausführungsformen die Stabilität des Bremssattelgehäuses beeinträchtigt ist.

Nach alledem machen die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der Lehre der Patentansprüche 1 der Klagepatente Gebrauch.

3. Das Landgericht hat in der Einleitung seiner Entscheidungsgründe und unter Ziffer III seiner Entscheidungsgründe im einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher weiteren Tatumstände und Rechtsvorschriften der Klägerin die zuerkannten Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Auf diese zutreffenden Ausführungen, die von der Beklagten als solche schriftsätzlich nicht beanstandet worden sind und die sich der Senat zu eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Dem Hilfsantrag der Beklagten, ihr nach näherer Maßgabe vorzubehalten, in die Rechnungslegung einen Wirtschaftsprüfer einzuschalten, konnte nicht entsprochen werden, da er ohne jegliche Begründung geblieben und für den Senat nicht erkennbar ist , dass der Beklagten nicht zuzumuten ist, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten nicht unmittelbar der Klägerin anzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108Abs. 1 S. 2 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 05.02.2004
Az: I-2 U 76/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/db75c470926e/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_5-Februar-2004_Az_I-2-U-76-02




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