Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 10. August 2006
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 77/06

Tenor

Das Verfahren wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

Der Antragsteller beantragt die Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG für seine für den Verurteilten im Unterbringungsverfahren erbrachten Tätigkeiten. Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts I vom ......... wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Außerdem ist seine Unterbringung gemäß § 63 StGB angeordnet worden. Seitdem wird um die Vollstreckungsreihenfolge gestritten.

In diesem Verfahren ist der Antragsteller dem Verurteilten am 20. August 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Der Antragsteller hat für den Verfolgten einige Schreiben und Anträge verfasst, Akteneinsicht genommen und an einer Besprechung mit dem Gericht teilgenommen. Er hatte sich zudem mit einer siebenseitigen Stellungnahme des Landschaftsverbandes auseinanderzusetzen und ein rund 110 Seiten langes forensischpsychiatrisches Sachverständigengutachten auszuwerten. Er hat außerdem einen Beweisantrag gestellt und den Verurteilten einmal in F besucht. Das Gespräch hat nach eigenen Angaben 75 Minuten gedauert. An der nichtöffentlichen Sitzung der Strafvollstreckungskammer hat nicht der Antragsteller, sondern seine Sozietätskollegin teilgenommen. Der Antragsteller hat außerdem Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer eingelegt und die Beschwerde begründet. Im Beschwerdeverfahren hat er zudem noch weitere Schreiben verfasst. Wegen des weiteren Umfangs der vom Antragsteller für den Verurteilten erbrachten Tätigkeiten wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Leiters des Dezernats der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm vom 27. Juni 2006 Bezug genommen.

Dem Antragsteller stehen an gesetzlichen Gebühren 600 € zu, und zwar in Verbindung mit Vorbemerkung 4.2 zweimal die Verfahrensgebühr Nr. 4200, 4201 VV RVG. Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen, die Gewährung einer Pauschgebühr jedoch nicht befürwortet, da die dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren nicht unzumutbar seien.

II.

1.

Auf den Antrag des Antragstellers ist das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene RVG anwendbar. Damit war gemäß § 51 Abs. 2 Satz 4 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 RVG über die Frage der Zuständigkeit zu entscheiden. Insoweit hat der mitentscheidende (zuständige) Einzelrichter die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Zu entscheiden ist die Frage, welche Verfahren im Bereich der Strafvollstreckung als "besonders schwierig" einzuordnen sind. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung des Senats ist die Entscheidung des Senats in der Besetzung mit drei Mitgliedern geboten.

2.

Der Antrag war abzulehnen. Die Voraussetzungen des anwendbaren § 51 Abs. 1 RVG (vgl. dazu Senat in StraFo 2005, 130 = RVGreport 2005, 68 = NStZ-RR 2005, 127 (Ls.) = Rpfleger 2005, 214 = AGS 2005, 117) liegen nicht vor. Das Verfahren war weder "besonders umfangreich" noch "besonders schwierig", so dass die Frage der Zumutbarkeit im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG dahinstehen kann.

Das Verfahren war nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. "Besonders schwierig" im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Der Senat hat im Hinblick auf § 51 RVG bereits dargelegt, dass die zu § 99 BRAGO ergangene Rechtsprechung (auch) insoweit anwendbar bleibt (vgl. Senat, a.a.O., vgl. auch OLG Jena StraFo 2005 = Rpfleger 2005, 276 = JurBüro 2005, 258 = RVGreport 2005, 103; OLG Celle AGS 2005, 393; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315).

Danach ist aber nicht von einem "besonders schwierigen" Verfahren auszugehen. Bei der Beurteilung schließt sich der Senat nicht der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer an (vgl. zu deren grundsätzlicher Maßgeblichkeit grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56; zur Weitergeltung dieser Rechtsprechung nach Inkrafttreten des RVG Senat in StraFo 2005, 130 = RVGreport 2005, 68 = NStZ-RR 2005, 127 (Ls.) = Rpfleger 2005, 214 = AGS 2005, 117). Allein der Umstand, dass um die Frage der Vollstreckungsreihenfolge gestritten wird, worauf der Vorsitzende in seiner Stellungnahme abgestellt hat, macht das Verfahren nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. In dem Zusammenhang ist bei Strafvollstreckungsverfahren von Bedeutung, dass der Gesetzgeber in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG zwei unterschiedliche Gruppen von Verfahren gebildet hat, von denen die in Nr. 4200 VV RVG aufgeführten höher vergütet werden als die in Nr. 4204 VV RVG erfassten "sonstigen Verfahren". Das ist bei der Einordnung der Verfahren als "besonders schwierig" zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber dem besonderen Schwierigkeitsgrad der in Nr. 4200 VV RVG eingeordneten Strafvollstreckungsverfahren schon dadurch Rechnung getragen hat, dass der Verteidiger hier höhere (gesetzliche) Gebühren erhält als in "sonstigen" Strafvollstreckungsverfahren. Insoweit gelten dieselben Überlegungen wie sie der Senat für Schwurgerichtsverfahren und für Wirtschaftsstrafverfahren als maßgeblich angesehen hat (vgl. für Schwurgerichtsverfahren Senat in StraFo 2000, 286 = AnwBl. 2001, 246; Senat in AGS 2003, 257; zuletzt Senat in 2 (S) Sbd. VIII 237/05 für das RVG; für Wirtschaftsstrafverfahren Senat in NJW 2006, 74), so dass nicht jede (besondere) Schwierigkeit zur Anwendung des § 51 Abs. 1 RVG führt. Das vorliegende Verfahren mag "schwierig" gewesen sein, "besonders schwierig" war es hingegen nicht.

Das Verfahren war für den Antragsteller auch nicht "besonders umfangreich" im Sinne des § 51 Abs. 1 BRAGO. Auch insoweit hat der Senat bereits dargelegt, dass grundsätzlich die bisherige Rechtsprechung des Senats zum Kriterium des "besonderen Umfangs" anwendbar bleibt, da die Formulierung des § 51 Abs. 1 RVG derjenigen des bisherigen § 99 Abs. 1 BRAGO entspricht. Eine Strafsache ist danach dann "besonders umfangreich", wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat (allgemeine Meinung zu § 99 BRAGO; vgl. die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 261, 263 in Fn. 30 und die ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zu § 51 RVG Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen). Auf dieser Grundlage sind aber die vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten noch nicht als "besonders umfangreich" anzusehen. Auch insoweit spielt eine Rolle, dass es sich um ein Verfahren aus dem Katalog der Nr. 4200 VV RVG handelt.

Nach allem war der Antrag damit abzulehnen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 10.08.2006
Az: 2 (s) Sbd. IX - 77/06


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