Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 26. April 2002
Aktenzeichen: 1 L 408/02

(VG Köln: Beschluss v. 26.04.2002, Az.: 1 L 408/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluss vom 26. April 2002 (Aktenzeichen 1 L 408/02) einen Antrag abgelehnt. In dem Verfahren ging es um die Anpassung der Entgelte für die Leistungen "T-DSL" in Verbindung mit "T-ISDN 300" und "T-ISDN xxl" durch die Antragsgegnerin nach den Maßstäben des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Der Hauptantrag wurde deshalb abgelehnt, weil es dem Gericht nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) grundsätzlich nur erlaubt ist, vorläufige Regelungen zu treffen und nicht bereits das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens vorwegzunehmen. Die Antragstellerin konnte nicht nachweisen, dass sie durch die fehlende Anpassung der Entgelte unzumutbare Nachteile erleiden würde, die eine vorläufige Regelung rechtfertigen würden. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde ebenfalls abgelehnt, da der beantragten einstweiligen Anordnung bereits am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gescheitert ist. Der weitere hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde als unzulässig abgelehnt, da hier kein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt. Das Gericht entschied außerdem, dass die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, von der Antragstellerin zu tragen sind. Der Streitwert wurde auf 50.000 EUR festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Köln: Beschluss v. 26.04.2002, Az: 1 L 408/02


Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

2. Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Zunächst hat der Hauptantrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),

anzuordnen, dass die Antragsgegnerin die Beigeladene unverzüglich nach § 30 Abs. 4 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zu einer - bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorläufigen - Anpassung ihrer Entgelte für die Leistungen "T-DSL" in Verbindung mit "T- ISDN 300" und "T-ISDN xxl" entsprechend den Maßstäben des § 24 Abs. 2 TKG auffordert,

- ungeachtet der Frage seiner hinreichenden Bestimmtheit - keinen Erfolg.

Zwar ist der gestellte Antrag auf Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung statthaft, da die Antragstellerin die von ihr begehrte Anpassungsaufforderung nach § 30 Abs. 4 TKG in einem Hauptsacheverfahren nur mit der Verpflichtungsklage erstreiten kann.

Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte.

Vgl. nur: Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 123 Rdn.13 ff.

Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil der Antragsteller sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für ihn unzumutbar wären und das Begehren in der Hauptsache schon aufgrund summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben muss,

vgl. Kopp/Schenke, § 123, Rdn. 14; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, NJW 1989, 827; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1/99 -, NJW 2000, 160 ff.

Die von der Antragstellerin begehrte Anordnung läuft auf die - zeitlich - teilweise Vorwegnahme der Hauptsache hinaus. Denn auch eine nur vorläufige Anpassungsaufforderung hätte zunächst Gültigkeit und bliebe bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Kraft, ohne dass ihr inhaltlich eine geringere Bedeutung zukäme, als einer von vornherein endgültigen Anordnung.

Die danach erforderlichen, bereits genannten qualifizierten Anforderungen an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vorliegend indes nicht erfüllt.

Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin im Falle eines Unterbleibens der beantragten Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile zu gewärtigen hätte. Sind - wie vorliegend - wirtschaftliche Nachteile zu befürchten, ist dies in der Regel nämlich nur dann anzunehmen, wenn es um existentielle Belange geht und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre,

so die ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Beschlüsse vom 03. August 2001 - 1 L 1260/01 - und vom 17. Dezember 2001 - 1 L 2575/01 -; vgl. auch: Hess.VGH, Beschluss vom 09. Juni 1992 - 9 TG 2795/91 -, NVwZ-RR 1993, 145, 146; OVG NRW; Beschluss vom 02. Juni 1992 - 19 B 358/92 - NWVBl. 1993, 58.

Derart weitreichende Nachteile, insbesondere eine wirtschaftliche Existenzgefährdung, hat die Antragstellerin nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht.

Nach den eigenen Angaben der Antragstellerin beträgt ihr Marktanteil auf dem hier in Rede stehenden DSL-Markt derzeit lediglich 3 %. Dafür, dass selbst der Verlust dieser - von der Antragstellerin selbst als marginal gekennzeichneten - Marktanteile zu einem existentiellen Schaden der Antragstellerin führen könnte, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil gibt die Antragstellerin an, es stehe derzeit nicht zu befürchten, dass sie durch ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung insolvent werde. Entsprechend hat die Antragstellerin etwaige ihr drohende wirtschaftliche Schäden auch nicht beziffert. Soweit sie darauf verweist, angesichts langer Verfahrenslaufzeiten in Hauptsacheverfahren werde ihr ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung der Marktzutritt erschwert bzw. dieser werde vereitelt, rechtfertigt dies keine der Antragstellerin günstigere Betrachtungsweise: Insoweit steht der beabsichtigte erstmalige Erwerb einer bislang nicht inne gehabten Rechtsposition in Rede, dessen Beanspruchung eine Vorwegnahme der Hauptsache gerade nicht rechtfertigen kann,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02. Juni 1992, a.a.O.

2. Der hilfsweise - zur Sicherung des Hauptantrages zu 1. - gestellte Antrag nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 VwGO,

zugleich mit der beantragten einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 1246/02 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2002 anzuordnen,

hat hiernach ebenso wenig Erfolg, da der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung - wie dargelegt - bereits am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache scheitert.

3. Der weiter hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 1 K 1246/02 ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Mit der in der Hauptsache erhobenen Klage 1 K 1246/02 begehrt die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Beigeladene aufzufordern, ihre Entgelte für die Leistung "T-DSL" in näher beschriebener Weise anzupassen.

Als Form des einstweiligen Rechtsschutzes für ein - wie hier zutreffenderweise - mit der Verpflichtungsklage verfolgtes Begehren stellt die Verwaltungsgerichtsordnung das Verfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung; für mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Begehren ist demgegenüber der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig.

Zwar führt eine erfolgreiche Verpflichtungsklage inzidenter zu der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung des vom Kläger verfolgten Begehrens durch die Behörde. Um dieses klar zu stellen, wird vielfach - aus deklaratorischen Gründen - die Verpflichtungsklage mit der Anfechtungsklage verbunden, ohne dass eine solche kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Regel den Weg zu einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eröffnete; insoweit fehlte es nämlich regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis.

Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn im Einzelfall einmal trotz Bestehens einer Verpflichtungssituation ausnahmsweise eine isolierte Anfechtungsklage zulässig wäre, der dann im einstweiligen Rechtsschutz der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO korrespondierte,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05. Juli 2000 - 13 B 2019/99 -.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer isolierten Anfechtungsklage liegen indes hier nicht vor:

Ihre in ihrem Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 L 1917/99 - unter Hinweis darauf, dass durch eine isolierte Anfechtung eines Nichtbeanstandungsbescheides die Feststellungswirkung der Rechtmäßigkeit der Entgelte beseitigt werden könne, vertretene gegenteilige Rechtsauffassung gibt die Kammer nach nochmaliger Überprüfung ihres Rechtsstandpunktes aus nachfolgenden Erwägungen auf:

Eine isolierte Anfechtungsklage ist dann zulässig, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder ein Kläger den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbstständige Beschwer enthält, etwa weil ein Kläger die Ablehnung einer beantragten Genehmigung mit der Erwägung anficht, für die fragliche Betätigung bedürfe er keiner Genehmigung (mehr),

vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 11. Auflage, § 42 Rdn. 19 f.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdn. 112, jeweils m.w.N.

Lehnt jedoch die Behörde den Erlass eines begehrten Verwaltungsaktes ab, ist die Verpflichtungsklage die allein richtige Klageart, wenn ein Kläger - wie hier - den Erlass des beantragten Verwaltungsakts weiter verfolgt. Insoweit ist die Verpflichtungsklage in der - hier gegebenen - Konstellation eines fortbestehenden Interesses am Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes die speziellere Rechtsschutzform,

vgl. v. Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, § 42 Rdn. 32 f.; Pietzcker, a.a.O., § 42 Abs. 1, Rdn. 111.

Scheidet damit vorliegend in der Hauptsache eine isolierte Anfechtungsklage aus, kann auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Verpflichtungsklage der Antragstellerin nicht ausnahmsweise eine schutzbedürftige Rechtsposition sichern. Insbesondere bedeutet nämlich der Einstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2002 nicht mehr als die Verweigerung des von der Antragstellerin erstrebten Verwaltungsakts (= der Anpassungsaufforderung). Der angefochtene Bescheid hat nicht etwa den Verlust einer bislang von der Antragstellerin inne gehabten Rechtsposition bewirkt, die - trotz fortbestehender Verpflichtungssituation - ausnahmsweise im Wege des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, da sich die Beigeladene durch Stellung eines Antrages einem Prozessrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.






VG Köln:
Beschluss v. 26.04.2002
Az: 1 L 408/02


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