Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 22. Oktober 2014
Aktenzeichen: 2-06 O 214/14

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 22.10.2014, Az.: 2-06 O 214/14)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Frankfurt hat in einem Urteil vom 22. Oktober 2014 entschieden, dass die einstweilige Verfügung, die die Antragsgegnerin davon abhält, über eine internationale Patentanmeldung zu verfügen, bestätigt wird. Die Antragsgegnerin muss außerdem die Kosten des Eilverfahrens tragen.

Der Antragsteller war früher als Diplom-Physiker bei der Antragsgegnerin im Bereich der Softwareentwicklung und New Technology Systems beschäftigt. Er meldete der Antragsgegnerin im Februar 2009 eine Diensterfindung. Die Antragsgegnerin bestätigte den Eingang der Meldung, nahm die Erfindung aber nicht schriftlich in Anspruch. Stattdessen veranlasste die Antragsgegnerin im April 2012 ohne Beteiligung des Antragstellers eine internationale Patentanmeldung.

Später informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller, dass seine Erfindung uneingeschränkt in Anspruch genommen worden sei. Der Antragsteller forderte daraufhin die Antragsgegnerin auf, die Patentanmeldung auf ihn zu übertragen, was diese ablehnte. Daraufhin beantragte der Antragsteller eine einstweilige Verfügung, um seine Rechte an der Erfindung zu sichern. Das Gericht entschied zugunsten des Antragstellers und erließ die einstweilige Verfügung.

Das Gericht stellte fest, dass der Antragsteller zumindest Miterfinder der Erfindung ist und dass die Antragsgegnerin das Recht des Antragstellers an der Erfindung nicht rechtzeitig und formell in Anspruch genommen hat. Das Gericht bestätigte, dass die einstweilige Verfügung notwendig ist, um die Rechte des Antragstellers zu schützen, und dass die Kosten des Verfahrens von der Antragsgegnerin zu tragen sind.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Frankfurt am Main: Urteil v. 22.10.2014, Az: 2-06 O 214/14


Tenor

Der Beschluss € Untersagungsverfügung einschließlich Sequesterbestellung € vom 24.06.2014 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Vorgriff auf eine Patentvindikation im Eilverfahren in Anspruch.

Der Antragsteller war bis Ende 2012 als Diplom-Physiker bei der Antragsgegnerin, die Teil eines weltweit tätigen Pharma- und Medizinbedarfskonzerns ist, im Bereich € der Sparte Hospital Care beschäftigt. Bis zum Jahr 2006 war er in der Abteilung Softwareentwicklung und sodann in der Abteilung New Technology Systems (Vorentwicklung) der Antragsgegnerin u.a. entwickelnd tätig.

Er meldete der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24.02.2009 eine Diensterfindung mit dem Arbeitstitel €XKZ€ (Anlage AS 2, Bl. 15 f. d.A., eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, Anlage AS 1, Bl. 13 ff. d.A.)). Diese Meldung verweist unter Ziffer 1. auf die als Anlagen AG 2/2 € 2/6 vorgelegten Unterlagen und unter Ziffer 2. auf einen Produktvergleich zur Vermeidung von Werbenachteilen vom 18.12.2008 (Anlage AG 2/1).

Die Antragsgegnerin bestätigte ihm mit Schreiben vom 29.04.2009 (unter dem Zeichen €Erf. 21192€), dass die Meldung am 25.02.2009 bei ihr eingegangen sei. Sie avisierte, den Antragsteller über eine eventuelle Inanspruchnahme der Erfindung fristgerecht zu informieren (Anlage AS 3, Bl. 17 d.A.).

Mit E-Mail vom 24.11.2009 übersandte Dr. € aus der Patentabteilung der Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Word-Dokument mit der Bezeichnung €IDGP Besprechung 12.10.2009€ €geändert; 24.11.2009€ (vgl. Anlagen AG 4 und AG 5).

Auf Wunsch der Antragsgegnerin leitete der Antragsteller dieser am 13.02.2012 eine E-Mail mit einer Übersicht über seine Diensterfindungen zu. In der Spalte für das Datum des Inanspruchnahmeschreibens setzte er bei der streitgegenständlichen Erfindung einen Querstrich (Anlage AS 16 (Ziff. 1.)), Bl. 157 ff. d.A., vgl. auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zur fehlenden Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin in Anlage AS 1a, Bl. 156 d.A.).

Die Antragsgegnerin nahm die gemeldete Erfindung in der Folgezeit zunächst nicht schriftlich in Anspruch. Sie teilte dem Antragsteller erst mit Schreiben vom 12.04.2012 mit, dessen Erfindung €I21182€ sei durch den Arbeitgeber uneingeschränkt in Anspruch genommen worden. In der Anlage übersandte sie dem Antragsteller einen €Erfindervergütungs-Grundvertrag€ mit der Bitte um Rücksendung des unterzeichneten Vertragsexemplars. Für diesen Fall kündigte sie ihm die Auszahlung der vertraglich vorgesehenen Vergütung € einer Pauschalzahlung i.H.v. € 1.000,- € an (Anlage AS 4, Bl. 18 ff. d.A.).

Der Antragsteller unterzeichnete diesen Vertrag nicht.

Die Antragsgegnerin meldete am 02.04.2012 € in Unkenntnis und ohne Mitwirkung des Antragstellers € zur Prioritätswahrung das deutsche Patent DE € an. In dieser Patentanmeldung ist der Antragsteller als Alleinerfinder benannt (Anlage AS 6, Bl- 27 ff. d.A.).

In einem Meeting vom 13.11.2012 brachte der Antragsteller seinen Standpunkt zum Ausdruck, die streitgegenständliche Diensterfindung sei mangels Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin frei geworden (eidesstattliche Versicherung, Anlage AS 1a, Bl. 156 d.A.).

Am 02.04.2013 nahm die Antragsgegnerin unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung eine internationale Patentanmeldung vor, in der ebenfalls der Antragsteller als Alleinerfinder benannt ist (WO € / PCT/EP €), Anlage AS 7, Bl. 61 ff. d.A.; im Folgenden €PCT-Anmeldung€).

Der Internationale Recherchebericht vom 11.07.2013 weist zwar einige neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen aus (Kategorie €X€), dies gilt allerdings nicht für die Patenansprüche 8. und 12. (vgl. Anlage AS 9, Bl. 128 ff. d.A.).

Die Anmeldung des deutschen Patents wurde vom DPMA nach Anhörung (vgl. die Niederschrift in Anlage AS 8a, Bl. 124 ff. d.A.) mit Beschluss vom 01.10.2013 zurückgewiesen (Anlage AS 8, Bl. 118 ff. d.A.). Bereits der Recherchebericht des DPMA vom 24.09.2012 hatte ergeben, dass 6 sog. €X€-Schriften, die die Neuheit und/oder erfinderische Tätigkeit in Frage stellen, existieren.

Der Antragsteller erfuhr erst auf Grund eines Schreibens der Antragsgegnerin vom 06.05.2014 von den beiden Patentanmeldungen. Die Antragsgegnerin teilte ihm in diesem Schreiben mit, in Ansehung des eindeutig patenschädlichen Standes der Technik sei auf Empfehlung ihrer externen Patentanwälte auch die PCT-Anmeldung fallen gelassen worden. Eine Nutzung der Erfindung sei nur in sehr geringem Umfang erfolgt. Mangels schutzfähigen Arbeitserzeugnisses bestehe ihm gegenüber keine Vergütungspflicht (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage AS 5, Bl. 25 f. d.A.).

Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.05.2014, dieser vorab per Mail in der Nacht auf den 13.05.2014 zugegangen, auf, die PCT-Anmeldung auf ihn zu übertragen und jede ihm nachteilige Maßnahme in Bezug auf diese Anmeldung zu unterlassen (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage AS 10, Bl. 133 ff. d.A.).

Dieser Aufforderung kam die Antragsgegnerin nicht nach. Sie erklärte mit Schreiben ihres Patentanwalts vom 13.05.2014 gegenüber der WIPO die Rücknahme der PCT-Anmeldung (Anlage AS 11, Bl. 139 f. d.A.).

Die WIPO teilte der Antragsgegnerin unter dem 15.05.2014 mit, die Rücknahmeerklärung könne mangels Vorliegens sämtlicher Vollmachten von Seiten der Antragsgegnerin nicht ins Register aufgenommen werden (Anlage AS 13, Bl. 142 d.A.).

Die WIPO veröffentlichte die Rücknahmeerklärung der Antragsgegnerin unter dem 20.05.2014 (Anlage AS 12, Bl. 141 d.A.). Der Antragsteller nahm von dieser am 22.05.2014 Kenntnis. Der Hinweis auf das Fehlen von Vollmachten wurde am 23.05.2014 veröffentlicht.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.05.2014 mit, wegen des Erfordernisses einer umfangreichen Einarbeitung könne die vom Antragsteller gesetzte Frist nicht eingehalten werden (Anlage AS 14, Bl. 143 f. d.A.).

Der Antragsgegner verlängerte daraufhin die Frist zur Abgabe einer Übertragungserklärung bis zum 12.06.2014 unter der Prämisse, dass die Antragsgegnerin bis spätestens 02.06.2014 schriftlich versichert, dass sie bis dahin von jeglichen Handlungen absehen werde, die zur Unwirksamkeit der PCT-Anmeldung führen könnten, dass sie diese insbesondere nicht zurücknehmen werde (Anlage AS 14, Bl. 145 ff. d.A.).

Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin teilte unter dem 12.06.2014 mit, er werde sich voraussichtlich in der nächsten Woche melden (Anlage AS 15, Bl. 148 d.A.).

Der Antragsteller behauptet, Alleinerfinder der zum Internationalen Patent angemeldeten Diensterfindung zu sein und der Antragsgegnerin diese bereits vor Oktober 2009 mitgeteilt zu haben (vgl. seine eidesstattlichen Versicherungen in Anlage AS 1 (Bl. 55 d.A.) und AS 17 (Bl. 282 d.A.)).

Er meint, die Erfindung sei mangels rechtzeitiger Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin frei geworden. Er sei folglich materieller Alleininhaber der Erfindung.

Mit Blick auf den Rücknahmeversuch der Antragsgegnerin und die am 02.10.2014 endende Frist zur Einleitung der nationalen bzw. regionalen Phasen hat er in seiner Antragsschrift vom 18.06.2014 die Auffassung vertreten, zur Vermeidung der Schaffung irreversibler Fakten sowie zur Sicherung der Umschreibung der Anmeldung auf sich selbst, sei der Antragsgegnerin zu untersagen, über die PCT-Anmeldung zu verfügen. Daneben sei das Recht an der Anmeldung zu pfänden und zur Wahrung der Rechte an der Internationalen Anmeldung an einen Sequester zu überweisen (Bl. 2, 9 ff. d.A.).

Die Kammer hat nach Benennung eines dem Antragsteller gegenüber neutralen Sequesters durch dessen Prozessbevollmächtigten am 24.06.2014 gemäß §§ 8 Absatz 1 Nr. 3 ArbEG (i.d.F. bis 30.09.2009), 413 BGB unter Verweis auch auf die Rechtsgedanken der Art. 60 Absatz 1, 61 Absatz 1a) EPÜ, Art. II § 5 Absatz 1 IntPatÜbkG, §§ 6 Satz 1, 8 Satz 1 PatG, Art. 31 EuGVVO, §§ 17, 91, 890, 935 ff. (938 Absatz 1 und 2) ZPO folgenden Beschluss gefasst:

1.€Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstands, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,über die am € angemeldete internationale Patentanmeldung der Erfindung €€.€, Veröffentlichungsnummer WO € A1 (PCT/EP€), Priorität vom €, zu verfügen, insbesondere diese zu veräußern, auf die Anmeldung zu verzichten oder diese zurückzunehmen.2.Zur Sicherung der Rechte des Antragstellers an der Erfindung €€€€, insbesondere des Rechts auf Beantragung und Erteilung nationaler und regionaler Patente mit der Priorität der internationalen Patentanmeldung vom €, Veröffentlichungsnummer WO € A1 (PCT/EP€), wird zu Gunsten des Antragstellers und - unbeschadet etwaiger Kostenerstattungsansprüche - auf Kosten des Antragstellers die Sequestration der vorg. internationalen Patentanmeldung angeordnet.Zum Sequester wird bestellt:

Herr Patentanwalt €

Der Sequester ist dazu berechtigt, auf Basis vorg. internationaler Patentanmeldung nationale und regionale Patentanmeldungen (einschließlich einer europäischen Patentanmeldung) vorzunehmen.€

(vgl. Bl. 167 ff. d.A., im Original abgelegt in dem Band €Vor der Vernichtung herauszunehmende Schriftstücke€).

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin vom 05.09.2014 (Bl. 181 ff. d.A.).

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 24. Juni 2014 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und den auf Erlass der einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen und die Sequesterbestellung (Ziffer 2 des Tenors) aufzuheben.

Sie behauptet, der Kern und die schutzbegründenden Merkmale der der PCT-Anmeldung zugrundeliegenden Erfindung seien vom Antragsteller mit Schreiben vom 24.02.2009 nicht gemeldet worden.

Die Antragstellerin hat zunächst nur behauptet, bis zur Prioritätsanmeldung vom € hätten zahlreiche, zur Erfindung führende Entwicklungen stattgefunden. Die der Meldung des Antragstellers vom € zugrunde liegende Erfindung habe €nahezu nichts€ mit der der Prioritätsanmeldung zugrunde liegenden Erfindung gemeinsam (Bl. 188 d.A.). Der Antragsteller sei in den beiden Patentanmeldungen nur auf Grund einer Unkenntnis ihres Patentanwalts von der Erfindungshistorie, wie sie sich heute darstelle, als Erfinder benannt worden.

Ein im kennzeichnenden Anspruchsteil der Anmeldung enthaltenes € aus dem Stand der Technik allerdings vorbekanntes € Merkmal werde erstmals in einer Anspruchsfassung vom € offenbart (die die Antragsgegnerin durch Nichtannahme von Mark-ups in einem Entwurf vom 24.11.2009 kreiert haben will, vgl. insofern Anlage AG 5 (Anlage AG 6 enthält nur nochmals die Merkmalsgliederung gemäß Anlage AG 1)); hinsichtlich dieser Fassung vom 12.10.2009 bestreitet die Antragsgegnerin €jedenfalls eine Alleinbeteiligung€ des Antragstellers (Bl. 194 d.A.). Die in dieser Fassung noch nicht enthaltene Fig. 2 sei ihrer Erinnerung zufolge durch ihren Patentanwalt selbständig geschaffen worden. Die Antragsgegnerin bestreitet insbesondere mit Nichtwissen, dass das Merkmal €mindestens fünf Kraft-Zeit-Tupel€ auf den Antragsteller zurückzuführen sei und einen synergistischen Effekt habe (Bl. 197 d.A.).

In Bezug auf die Fassung vom € hat sie ebenfalls vorsorglich mit Nichtwissen bestritten, dass die technische Lehre (zur Änderung stehende und/oder geänderte Ansprüche) zumindest partiell auf den Antragsteller zurückgehe. Das Merkmal €wenigstens vier Kraft-Zeit-Tupel€ ist ihrer Behauptung zufolge am 24.11.2009 durch Dr. € eingefügt worden (vgl. Bl. 195 d.A.).

Die Antragsgegnerin bestreitet außerdem mit Nichtwissen, dass der Antragsteller ihr die Merkmale €A€ (Merkmal 6), €B€ (Merkmal 7) oder €C€ (Merkmal 7) vor dem 24.11.2009 offenbart und insgesamt einen schöpferischen Beitrag zur finalen Erfindung geleistet hat (Bl. 196 d.A.).

Der Begriff €Wert€ in der PCT-Anmeldung sei deutlich weiter als die noch in der Fassung vom 12.01.2009 vorgesehene Messung von €Kraftwerte[n]€.

Seit Kenntnisnahme der E-Mail-Korrespondenz in Anlagen AS 22 a) € d) (Bl. 229 ff. d.A.) behauptet die Antragsgegnerin, der erfindungsgemäße Weg bzw. Ablauf sei erstmals mit E-Mail des Antragstellers vom 17.03.2012 (an ihre vormalige Patentanwaltskanzlei) erfolgt (vgl. Bl. 272 i.V.m. Anlage AG 7,Bl. 277 d.A.). Die Erfindung sei mithin nicht vor Frühjahr 2012 fertigstellt worden.

Ihre anfängliche Behauptung, sie mache seit spätestens November 2012 vom Gegenstand der Patentanmeldung Gebrauch (vgl. Anlage AS 5, Bl. 25 d.A.), hat die Antragsgegnerin revidiert. Sie behauptet, die Streiterfindung werde nicht benutzt und sei auch in der Vergangenheit nicht benutzt worden (Bl. 276 d.A.).

Die Antragsgegnerin ist (jedenfalls zunächst) der Ansicht (gewesen), der Antragsteller habe einen allein- oder miterfinderischen, schöpferischen Beitrag zu der der PCT-Anmeldung zugrunde liegenden Erfindung weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Anlagen AG 2/1 € 2/6 offenbarten nicht die Lehre der PCT-Anmeldung, insbesondere nicht deren Merkmale 6 und 7 (insgesamt vier Einzelmerkmale, vgl. auch Bl. 195 d.A.). Entsprechendes gelte für sämtliche nachfolgenden Beiträge bis zur finalen Fassung der Prioritätsanmeldung vom 02.04.2012, insbesondere für die Zwischenfassungen vom 12.10.2009 (Anlage AG 5 ohne Mark-ups) und vom 24.11.2009 (Anlage AG 5 mit Mark-ups).

Selbst wenn der Antragsgegner zur Prioritätsfassung vom 02.04.2012 € was bestritten werde € z.B. durch das Merkmal €wenigstens fünf Kraft-Zeit-Tupel€ (vgl. die Fassung vom 12.10.2009, in Anlage AG 5 €gelöscht€) €einen Beitrag geleistet habe, fände auf diesen die Inanspruchnahmefiktion des § 6 Abs. 2 ArbEG in der ab dem 01.10.2009 geltenden Fassung Anwendung. Ein etwaiger Erfindungsbeitrag sei mithin nicht frei geworden, sondern auf sie übergegangen. Die Indizwirkung der Erfinderbenennung des Antragstellers in den Anmeldeunterlagen sei mangels einer von dessen Seite dargelegten Meldung der in der PCT-Anmeldung zum Ausdruck gekommenen Erfindung bis zum 30.09.2009 insgesamt widerlegt.

Gründe

A. Auf den Widerspruch des Antragsgegners waren die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung vom 24.06.2014 (Verbotsverfügung und Sequesterbestellung, vgl. Bl. 167 ff.) erneut zu prüfen. Dies führte zur Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO liegen vor. Der Eilantrag ist zulässig (vgl. Ziff. 1.) und begründet (vgl. Ziff. 2.). Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 22.10.2014 stand zu besorgen, dass ohne den Erlass der Verbotsverfügung und ohne die angeordnete Sequestration die Verwirklichung eines etwaigen Rechts des Antragstellers an der streitgegenständlichen Erfindung vereitelt werden könnte (vgl. §§ 935, 938 Abs. 2 ZPO).

I. Der Eilantrag ist zulässig, insbesondere besteht eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Die Antragsgegnerin hat ihren Gesellschaftssitz in der Bundesrepublik Deutschland (Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO).

II. Der Eilantrag ist auch begründet. Es besteht sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch. Insbesondere hat sich Ziffer 1. der einstweiligen Verfügung nicht durch den Ablauf der Fristen für die Anmeldung nationaler und/oder regionaler Patente auf Basis einer PCT-Anmeldung erledigt.

1. Nach Ende des eigentlichen PCT-Verfahrens hat ein Anmelder unmittelbar bei den nationalen oder regionalen Patentämtern derjenigen Länder, in denen er Patentschutz begehrt (wahlweise bei der WIPO bzw. dem Europäischen Patentamt), die Erteilung des/der nationalen oder regionalen Patents/Patente zu beantragen. Das PCT-Verfahren dauert grds. 18 Monate ab der internationalen Patentanmeldung. Sofern € wie im Streitfall € die Priorität einer vorhergehenden Anmeldung in Anspruch genommen wird, verlängert sich die Verfahrensdauer auf 30 Monate ab dem Anmeldedatum der Erstanmeldung.

Diesbezüglich sieht Art. 22 Abs. 1 S. 1 PCT-Vertrag vor, dass der Anmelder jedem Bestimmungsstaat spätestens mit Ablauf von 30 Monaten seit dem Prioritätstag ein Exemplar der internationalen Anmeldung (soweit nicht bereits gem. Art. 20 übermittelt) und eine Übersetzung der Anmeldung (wie vorgeschrieben) zuleiten sowie die nationale Gebühr (falls eine solche erhoben wird) entrichten muss.

Diese 30-Monatsfrist lief vorliegend bereits am 02.10.2014 ab (Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung vom 02.04.2012). Spätestens bis zum Ablauf des 02.10.2014 mussten die nationalen Erfordernisse prinzipiell erfüllt und die sog. nationale Phase eingeleitet sein

Für europäische Patentanmeldungen nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) gilt aber insofern eine Sonderregelung, als Regel 159 Abs. 1 der Ausführungsordnung zum EPÜ für den Eintritt in die sog. europäische Phase eine (verlängerte) Frist von 31 Monaten nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, nach dem Prioritätstag vorsieht (Stand: 01.04.2014).

Diese Frist von 31 Monaten war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen. Sie endet(e) erst am 02.11.2014.

Vor diesem Hintergrund bestand noch Bedarf für das gegenüber der Antragsgegnerin ausgesprochene Verbot, über die PCT-Anmeldung zu verfügen, insbesondere diese zu veräußern, auf die Anmeldung zu verzichten oder diese zurückzunehmen. Nach Übergang in die sog. nationale bzw. regionale Phase wird die PCT-Anmeldung (nicht als solche, sondern) als nationale bzw. regionale Anmeldung weitergeführt (vgl. z.B. LG Düsseldorf (U.v. 01.03.2011 € 4b O 124/08), BeckRS 2012, 24658; BPatG (B.v. 05.03.2001 € 10 W (pat) 28/00), BeckRS 2001, 10652; siehe auch Art. III § 5 IntPatÜbkG). Bis zum Übergang in diese Phase endet die Wirkung der PCT-Anmeldung in einem Bestimmungsstaat gemäß Art. 24 Abs. 1 PCT-Vertrag grundsätzlich mit den gleichen Folgen wie die Zurücknahme einer nationalen Anmeldung, sofern der Anmelder u.a. seine internationale Anmeldung oder die Bestimmung dieses Staates zurücknimmt (lit. i)) oder wenn er die in Art. 22 genannten Handlungen nicht innerhalb der maßgeblichen Frist vornimmt (lit. iii)). Ersteres hat der Antragsteller durch seine einstweilige Verfügung verhindert.

2. Ohne den Erlass der Verbotsverfügung und die Sequesterbestellung hätte dessen potenzielles Recht auf Einräumung der Allein- oder Mitinhaberstellung an der/den Patentanmeldungen (und darauf basierender Patente) dauerhaft vereitelt werden können (§ 935 ZPO). Gemäß § 938 Abs. 2 ZPO kann eine einstweilige Verfügung auch in einer Sequestration bestehen.

a) Das Eilbedürfnis (Verfügungsgrund) folgt daraus, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit bereits unstreitig versucht hat, die PCT-Anmeldung zurückzunehmen. Wäre ihr dies gelungen, hätte der Antragsteller im Fall seiner Allein- und/oder zumindest Mitinhaberschaft an der Erfindung wegen deren neuheitsschädlicher Vorveröffentlichung keine Möglichkeit mehr gehabt, für die Erfindung Patentschutz zu erreichen. Zur Wahrung des von ihm behaupteten Rechts an der Erfindung ist er darauf angewiesen, dass das PCT-Anmeldverfahren und die darauf basierenden nationalen und/oder regionalen Patentanmeldungen fortgeführt werden.

b) Es sprechen auch gute Gründe dafür, dass der Antragsteller als Alleinerfinder, zumindest aber als Miterfinder, anzusehen ist. Die streitgegenständliche Erfindung wäre i.d.F. mangels rechtzeitiger Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin zu seinen Gunsten frei geworden, sofern er die Erfindung der Antragsgegnerin bis Ende September 2009 hinreichend offenbart hätte oder sich weitere Informationen erübrigt hätten (vgl. it. aa)). Ob dies überwiegend glaubhaft ist, kann letztlich dahinstehen, da das Interesse des Antragstellers an einer Bestätigung der einstweiligen Verfügung mögliche gegenläufige Interessen der Antragsgegnerin deutlich überwiegt (vgl. lit. bb)).

aa) Das Recht auf das Patent hat dessen Erfinder. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu (vgl. zum deutschen Recht § 6 S. 2 PatG).

Nach deutschen wie auch europäischem Patentrecht kann der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet worden ist, oder der durch eine widerrechtliche Entnahme Verletzte vom Patentsucher verlangen, dass ihm der Anspruch auf Patenterteilung abgetreten wird (Patentanmeldevindikation, vgl. z.B. §§ 8 S. 1 PatG, 5 IntPatÜK).

Im Rahmen einer Vindikationsklage hat das Gericht nicht zu prüfen, ob der entnommene Gegenstand einer Prüfung auf Neuheit und Erfindungshöhe standhalten würde. Für den Vindikationsanspruch wird zu Gunsten des Verletzten die vom widerrechtlichen Anmelder selbst beanspruchte Schutzfähigkeit vermutet (LG München I (U.v. 06.12.1955 € 7 O 86/55), GRUR 1956, 415, Leitsatz 1.). Dies gilt insbesondere im Anmeldestadium.

Der Antragsteller hat € nicht zuletzt durch seine eidesstattlichen Versicherungen (vgl. Anlagen AS 1 (Bl. 13 f. d.A.) und AS 17 (Bl. 282 d.A.)) € glaubhaft gemacht, dass er Allein- oder jedenfalls Miterfinder der streitgegenständlichen Erfindung ist (vgl. Ziff. (2)). Im Fall einer Meldung und Offenbarung dieser Erfindung (spätestens) mit Schreiben vom 24.09.2009 wäre diese mangels rechtzeitiger Inanspruchnahme durch die Antragsgegnerin frei geworden (vgl. Ziff. (1)).

(1) Da der Antragsteller die vermeintliche Erfindung in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Antragsgegnerin gemacht hat, gilt für die Frage seiner materiellen Berechtigung an der Erfindung das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbEG), und zwar prinzipiell gemäß § 43 Abs. 3 ArbEG i.d.F. bis zum 30.09.2009 (a.F.), da der Antragsteller der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24.09.2009 eine Erfindungsmeldung zukommen ließ (Anlage AS 2, Bl. 15 f. d.A.). Die Antragsgegnerin bestätigte ihm mit Schreiben vom 29.04.2009, dass die Meldung am 25.09.2009 bei ihr eingegangen sei (Anlage AS 3, Bl. 17 d.A.). Die streitgegenständliche Meldung erreichte die Antragsgegnerin unstreitig noch unter Geltung der alten Fassung des ArbEG.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbEG a.F. war der Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hatte, verpflichtet, diese unverzüglich dem Arbeitgeber gesondert in Schriftform zu melden und hierbei kenntlich zu machen, dass es sich um die Meldung einer Erfindung handelt.

Diesem Erfordernis hat der Antragsteller formal genügt. Ausweislich Anlage AS 2 hat er seine an die Zentrale Patentstelle der Antragsgegnerin gerichtete Erklärung mit €Meldung einer Diensterfindung€ überschrieben und handschriftlich unterzeichnet. Er hat links oben sogar einen Platzhalter zur Ergänzung der Inanspruchnahme- und der Beanstandungsfrist vorgehalten (Bl. 15 f. d.A.).

§ 5 Abs. 2 stellt(e) € damals wie heute € Anforderungen an den Inhalt der Meldung, wie z.B. die Beschreibung der technischen Aufgabe, ihrer Lösung, das Zustandekommen der Diensterfindung; die Vorschrift erfordert(e) die Angabe dienstlich erteilter Weisungen oder Richtlinien, der benutzten Erfahrung, der Arbeit des Betriebes, etc.

Auch diesen Anforderungen hat der Antragsteller jedenfalls teilweise genügt. Er hat zumindest die technische Aufgabe unter Bezugnahme auf Anlagen AG 2/1 ff. beschrieben (Erfordernis eines konkurrenzfähigen Produktes) und den €XYZ€ (Arbeitstitel) als seine Erfindung bezeichnet.

Gemäß § 5 Abs. 3 ArbEG a.F. galt eine Meldung, die den Anforderungen des § 5 Abs. 2 nicht entsprach, als ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb von vier Monaten erklärte, dass und in welcher Hinsicht die Meldung einer Ergänzung bedurfte. Letzteres hat die Antragsgegnerin unstreitig nicht getan.

Letztgenannte Fiktion galt zwar nur, wenn die Meldung den Anforderungen des Abs. 2 nicht entsprach, nicht hingegen, wenn schon die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht eingehalten waren. Im Streitfall hat der Antragsteller aber, wie aufgezeigt, den Anforderungen des § 5 Abs. 1 ArbEG a.F. Genüge getan. Er hat seine Erfindung gesondert schriftlich gemeldet. Soweit in der Rechtsprechung darüber hinaus gefordert wird, dass er dem Arbeitgeber die maßgeblichen Umstände soweit bekannt machen muss(te), dass dieser den Erfindungscharakter erkennen kann/konnte und in der Lage ist/war, sachgerecht über eine Inanspruchnahme oder Freigabe gegenüber allen etwaigen Miterfindern und über eine Festsetzung der diesem geschuldeten Vergütung zu entscheiden, weswegen er das Wissen und die Erkenntnismöglichkeiten vermitteln muss/te, die er als Erfinder aufgrund seiner schöpferischen Tätigkeit hat (vgl. z.B. BGH (Urteil vom 04.04.2006 € X ZR 155/03) € Haftetikett, juris Rdnr. 26; BGH (Urteil vom 12.04.2011 € X ZR 72/10) € Initialidee, juris, Rdnr. 14; OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.01.2009 € VI U 151/06), juris, Rdnr. 26), führt dies im Streitfall nicht zu gegenüber § 5 Abs. 1 ArbG a.F. erhöhten Anforderungen. Die Antragsgegnerin avisierte dem Antragsgegner mit ihrem Schreiben vom 29.04.2009, diesen über eine eventuelle Inanspruchnahme der Erfindung fristgerecht informieren zu wollen (Anlage AS 3, Bl. 17 d.A.). Da sie im Folgenden keine Beanstandungen ausgesprochen hat (sondern den Antragsteller sogar als Alleinerfinder in den beiden Patentanmeldungen benannt hat), konnte dieser von einer inhaltlich hinreichenden Erfindermeldung ausgehen, die die Antragsgegnerin zur Entscheidung über eine eventuelle Inanspruchnahme in die Lage versetzte. Dies gilt nicht zuletzt im Lichte der Tatsache, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 12.04.2012 mitteilte, dessen Erfindung €I21182€ sei durch den Arbeitgeber uneingeschränkt in Anspruch genommen worden. Sie übersandte ihm einen €Erfindervergütungs-Grundvertrag€ mit der Bitte um Rücksendung des unterzeichneten Vertragsexemplars und kündigte für diesen Fall die Auszahlung der dort vorgesehen Pauschalvergütung i.H.v. € 1.000,- an (Anlage AS 4, Bl. 18 ff. d.A.).

Ausgehend von einer zumindest als ordnungsgemäß geltenden Meldung vom 24.09.2009, hätte die Antragsgegnerin ihre Inanspruchnahme nicht rechtzeitig und formgemäß erklärt.

Gemäß § 6 Abs. 2 AerbEG a.F. musste ein Arbeitgeber die Erfindung bis zum Ablauf von vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen (bzw. als ordnungsgemäß fingierten) Meldung schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer in Anspruch nehmen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller erst mit Schreiben vom 12.04.2012 mit, sie habe die Erfindung uneingeschränkt in Anspruch genommen (Anlage AS 4).

Konsequenz einer nicht form- und fristgemäßen Inanspruchnahme ist, dass die Erfindung gemäß § 8 a) AerbEG a.F. frei geworden ist und der Antragsteller über diese Erfindung ohne die Beschränkungen der §§ 18 und 19 AerbE disponieren kann.

(2) Der Antragsteller ist jedoch nur insoweit materieller Berechtigter der Patentanmeldung/en, als sich der Gegenstand seiner Erfindung mit der PCT-Anmeldung deckt und diese Erfindung bereits Gegenstand der Erfindermeldung war oder aber sich auf Seiten der Antragsgegnerin weitere Informationen erübrigten.

Die Frage inwieweit der Kläger Allein- oder zumindest Miterfinder ist, ist (jedenfalls zu Verfahrensbeginn) zwischen den Parteien streitig (gewesen). Gegen Verfahrensende hat sich die Antragsgegnerin darauf fokussiert, eine rechtzeitige Meldung der streitgegenständlichen Erfindung noch unter Geltung des ArbEG a.F. in Abrede zu stellen. Sie behauptet, die zum Patent angemeldete Erfindung sei weder den Unterlagen zur Erfindungsmeldung zu entnehmen noch ihr bis zum Jahr 2012 anderweitig offenbart worden.

(a) Diesbezüglich gilt, dass sich das Vorliegen sämtlicher oder auch nur eines Teils der von der Antragsgegnerin zum Patent angemeldeten Ansprüche für die Kammer nicht evident aus den vom Antragsteller mit seiner Erfindungsmeldung übersandten Unterlagen entnehmen lässt. Aus diesen folgt zwar, dass Gegenstand der Erfindung € entsprechend der Patentameldung € eine verbesserte Möglichkeit zur Überwachung v.a. von Druckveränderungen von Infusionen oder sonstigen technischen Geräten, die Menschen Flüssigkeiten zuführen, im medizinischen Bereich, u.a. im Bereich der Überwachung von Neugeborenen ist, allerdings ist die Erfindung, die Gegenstand der PCT-Anmeldung ist, auf dem Gebiet der Physik ergangen. Die Kammer kann im Eilverfahren mangels sachverständiger Hilfe u.a. nicht die Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers verifizieren, in der Skizze auf S. 20 zu den Kernmodulen der Software des IDPG (Intelligent Dynamic Pressure Guard) werde bereits ein solcher Teil einer Auswerteeinrichtung dargestellt und sodann im übrigen Text ausführlich beschrieben; entsprechendes gelte für die weiteren, der Antragsgegnerin bereits vom dem ... offenbarten Ansprüche der PCT-Anmeldung (vgl. Bl. 216 d.A. i.V.m. Anlage AS 29, Bl. 247 ff. (266) d.A.). Die Erfindung setzt auf physikalischen Formeln auf, die für die Mitglieder der Kammer nicht nachzuvollziehen sind und die in den Unterlagen zur Erfindungsmeldung und zu den Patentanmeldungen auch nicht vollkommen deckungsgleich sind.

(b) Für eine Alleinerfinderschaft des Antragstellers spricht allerdings dessen Benennung als Alleinerfinder in der PCT-Anmeldung wie auch in der prioritätsbegründenden deutschen Patentanmeldung.

Jedenfalls sprechen gute Gründe dafür, dass dieser zumindest Miterfinder ist.

Miterfinder ist jeder, der einen schöpferischen Beitrag zur Erfindung geleistet hat. Dieser Beitrag muss nicht selbstständig erfinderisch sein, es ist mithin nicht erforderlich, dass er für sich allein betrachtet sämtliche Voraussetzungen einer patentfähigen Erfindung erfüllt. Es begründen nur solche Beiträge, die den Gesamterfolg nicht beeinflusst haben, also unwesentlich in Bezug auf die Lösung sind, sowie solche, die auf Weisung eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen worden sind, keine Miterfinderschaft (vgl. z.B. BGH (Urteil vom 16.09.2003 € X ZR 142/01) € Verkranzungsverfahren, juris, Rdnr. 21). Für die Abgrenzung muss der Blick auf die gesamte in dem Patent/Gebrauchsmuster unter Schutz gestellte Erfindung und deren Zustandekommen gerichtet und geprüft werden, welche Leistung der Einzelne zur Erfindung beigesteuert hat. Ausschlaggebend für die Zuerkennung einer Mitberechtigung und für die Bemessung der Größe des Erfinderanteils ist das Gewicht, das den Einzelbeiträgen der an der Erfindung Beteiligten zueinander und im Verhältnis zur erfinderischen Gesamtleistung zukommt. Dies kann nur erschöpfend beurteilt werden, wenn zunächst der Gegenstand der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung ermittelt, sodann die Einzelbeiträge (Einzelleistungen) der Beteiligten am Zustandekommen dieser Erfindung festgestellt und schließlich deren Gewicht im Verhältnis zueinander und zur erfinderischen Gesamtleistung abgewogen werden (BGH (Urteil vom 20.02.1979 € X ZR 63/77) € Bidermayermanschetten € juris, Rdnr. 23). Aus der Tatsache, dass der €entscheidende Gedanke€ nur von einem Beteiligten stammt, folgt nicht, dass andere als Miterfinder ausscheiden. Im Fall einer Kombinationserfindung (hinzufügen eines Erfindungsbestandteils durch den/die Nichtberechtigten) ist zu prüfen, inwieweit beide Seiten ursächlich für den Enderfolg sind. Eine Alleininhaberschaft des Berechtigten ist nur anzunehmen, wenn dem beigefügten Teil lediglich unwesentliche oder untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. BGH (Urteil vom 17.01.1995 € X ZR 130/93) € Gummielastische Masse, juris, Rdnr. 43).

Auf die Neuheit und das Vorliegen eines erfinderischen Schritts kommt es, wie ausgeführt, im Ergebnis nicht an. Im Rahmen einer Patentvindikation ist unmaßgeblich, ob tatsächlich ein erfinderischer Beitrag vorlag, die behauptete Erfindung also eigenständig schutzfähig ist (BGH (Urteil vom 27.10.1962 € I ZR 53/60), NJW 1962, 297, 298; BGH (Urteil vom 17.05.2011 € X ZR 53/08) € Atemgasdrucksteuerung, juris). Dies gilt insbesondere im Stadium der Anmeldung, in dem € wie der Streitfall anschaulich illustriert € noch gar nicht absehbar ist, inwieweit der Erfindung überhaupt Schutz zuteil wird (BGH (Urteil vom 15.05.2001 € X ZR 227/99) € Schleppfahrzeug, juris, Rdnr. 50 ff). Kommt (nur) eine Miterfindung in Betracht, ist allerdings zu klären, ob überhaupt ein hinreichend qualifizierter Beitrag vorliegt (BGH (Urteil vom 17.01.1995 € X ZR 130/93) € Gummielastische Masse, juris, Rdnr. 41 ff).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es nicht so, dass der Antragsteller nicht hinreichend dargetan hätte, dass er Allein- oder zumindest Miterfinder wäre.

Den Antragsteller trifft nicht die volle Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast dafür, dass die Erfindung, wie behauptet, allein von ihm stammt. Nach den vom BGH zu § 8 PatG entwickelten Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweis- respektive Glaubhaftmachungslast ist es grundsätzlich Sache des Patentanmelders, die Umstände, aus denen eine von ihm behauptete Erfindung hergeleitet werden soll, eingehend zu substantiieren, wenn feststeht, dass der auf Abtretung der Rechte Klagende im Besitz der streitigen Erfindung war, zwischen den Parteien Erörterungen über deren Auswertung stattfanden und der Anmelder im Anschluss daran die Erfindung zum Patent anmeldete.

Dies ist vorliegend zwar nicht der Fall, jedoch hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in den Patentanmeldungen selbst als Alleinerfinder benannt.

Sie teilte ihm mit Schreiben vom 12.04.2012 mit, seine Erfindung €I21182€ sei durch den Arbeitgeber uneingeschränkt in Anspruch genommen worden, übersandte ihm einen €Erfindervergütungs-Grundvertrag€ und bot ihm eine Pauschalzahlung i.H.v. € 1.000,- an (Anlage AS 4, Bl. 18 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 06.05.2014 teilte die Antragsgegnerin dem Antragssteller zudem mit, sie habe die Erfindung in Ansehung des eindeutig patenschädlichen Standes der Technik fallen gelassen, eine Nutzung der Erfindung sei nur in sehr geringem Umfang erfolgt, mangels schutzfähigen Arbeitserzeugnisses bestehe keine Vergütungspflicht (Anlage AS 5, Bl. 25 f. d.A.).

Die Antragsgegnerin hat demnach von 2009 bis Frühjahr 2014 keinen Zweifel daran gelassen, dass sie den Antragsgegner als Alleinerfinder ansieht. Im Rahmen dieses Prozesses hat sie überdies die Möglichkeit nicht explizit in Abrede gestellt, dass zumindest Teile der von ihr angemeldeten Erfindung vom Antragsteller stammen (z.B. €mindestens fünf Kraft-Zeit-Tupel€).

Vor diesem Hintergrund genügt ihr Bestreiten mit Nichtwissen nicht, um Zweifel an der Erfindereigenschaft des Antragstellers zu begründen, die eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung rechtfertigen würden. Die Beklagte kann sich nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen, da das Zustandekommen der von ihr angemeldeten Erfindung in ihren eigenen Wahrnehmungsbereich fällt (§ 138 Abs. 4 ZPO).

Es genügt auch nicht, dass sie behauptet, bis zur Prioritätsanmeldung vom 02.04.2012 hätten zahlreiche, zur Erfindung führende Entwicklungen stattgefunden, die der Meldung des Antragstellers vom 24.02.2009 zugrunde liegende Erfindung habe €nahezu nichts€ mit der der Prioritätsanmeldung zugrunde liegenden Erfindung gemeinsam (S. 2). Die Antragsgegnerin hätte schon substantiert dartun müssen, wer anstelle des Antragstellers Erfinder sein soll. Die Fertigung einer Zeichnung durch ihren Patentanwalt genügt hierfür evident nicht. Die Antragsgegnerin behauptet auch nicht (explizit), ihr Patentanwalt oder der Leiter ihre Patentabteilung hätte/n die Erfindung getätigt oder jedenfalls einen validen schöpferischen Beitrag zu dieser geleistet.

bb) Vor diesem Hintergrund war das Sicherungsinteresse des Antragstellers deutlich höher zu bewerten als etwaige Interessen der Antragsgegnerin an einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung und an einer Aufhebung der Sequesterbestellung.

(1) Die einstweilige Verfügung ist per se nur auf eine temporäre Sicherung von Rechten des Antragstellers angelegt. Aus den oben dargestellten Gründen hätte dem Antragsteller ohne ihren Erlass ein endgültiger Rechtsverlust gedroht, sofern die Antragsgegnerin die PCT-Anmeldung zurückgenommen und/oder die nationalen Phasen nicht fristgerecht eingeleitet hätte. Diesem Risiko war nur durch die Untersagungsverfügung und die Sequesterbestellung effektiv zu begegnen.

Ob der Antragsteller tatsächlich als Alleinerfinder einen Anspruch auf Einräumung der Inhaberschaft an der/den Patentanmeldungen hat, wird im Hauptsacheverfahren € ggf. unter Hinzuziehung sachverständiger Hilfe € zu klären sein.

(2) Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin an der Aufhebung der einstweiligen Verfügung ist selbst für den Fall nicht zu erkennen, dass die Erfindung nicht zu Gunsten des Antragstellers frei geworden wäre.

In diesem Fall wäre die Antragsgegnerin als Alleininhaberin der Erfindung berechtigt, die Patentanmeldung(en) entweder weiterzuverfolgen oder aber sich gegen deren Aufrechterhaltung zu entscheiden. Letzterenfalls müsste sie dem/den Erfinder(n) die Übertragung ihres Rechts andienen (vgl. z.B. § 16 ArbEG).

Bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder bis einer anderweitigen Erledigung des Rechtsstreits wird die Antragsgegnerin durch die Sequesterbestellung nicht nachteilig in ihren Rechten beschnitten.

Die Kammer hat den Sequester ausschließlich zur Sicherung der Rechte des Antragstellers an der Erfindung bestellt. Mit dieser Bestellung war nicht verbunden, der Antragsgegnerin deren Recht zu nehmen, eigenständig von dieser gewünschte nationale oder regionale Patentanmeldungen vorzunehmen oder voranzutreiben. Die Kammer hat die PCT-Anmeldung nicht gepfändet und dem Sequester überwiesen, so dass das Recht der Antragsgegnerin an der Anmeldung nicht auf diesen übergegangen ist.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 22.10.2014
Az: 2-06 O 214/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cd8d80489ba7/LG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_22-Oktober-2014_Az_2-06-O-214-14


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