Sozialgericht Berlin:
Urteil vom 13. Oktober 2010
Aktenzeichen: S 83 KA 443/08

(SG Berlin: Urteil v. 13.10.2010, Az.: S 83 KA 443/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klage der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung gegen einen Vertrag zwischen einer Krankenkasse und einer Managementgesellschaft, die zahnärztliche Leistungen anbietet, wurde abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die Managementgesellschaft nach § 73c Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V ein zulässiger Vertragspartner sein kann, auch wenn sie nicht von vertragsärztlichen Leistungserbringern beherrscht wird. Ein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung beeinträchtigt die Wirksamkeit des Vertrages nach § 73c Abs. 3 SGB V nicht. Das Gericht entschied auch, dass die Bewerbung des Vertrages durch die Krankenkasse unter der Überschrift "Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung zum Nulltarif" sachlich angemessen ist. Die Klägein trug die Kosten des Verfahrens.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

SG Berlin: Urteil v. 13.10.2010, Az: S 83 KA 443/08


1. Es bleibt offen, ob der klagenden Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Selektivvertrag nach § 73c Abs 3 SGB 5 zusteht, an dem sie selbst nicht beteiligt ist.

2. Beteiligte eines Selektivvertrages gemäß § 73c Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB 5 kann auch eine Managementgesellschaft sein, die nicht von vertragsärztlichen Leistungserbringern beherrscht ist (hier eine Gesellschaft, die ein Dentallabor betreibt).

3. Ein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung nach § 53 Abs 9 SGB 5 beeinträchtigt die Wirksamkeit eines von der Krankenkasse geschlossenen Vertrages nach § 73c Abs 3 SGB 5 nicht.

4. Zur Wahrung des Sachlichkeitsgebots der Krankenkasse im Rahmen der Bewerbung eines Wahltarifs bzw. Selektivvertrages nach § 73c Abs 3 SGB 5 unter der Überschrift "Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung zum Nulltarif".

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen zwischen der Beklagten und der I GmbH geltenden Vertrag über die Versorgung mit zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen sowie gegen die Information hierüber durch die Beklagte.

Die BKK Beiersdorf AG schloss am 20.01.2006 mit zwei Zahnärzten sowie dem Zahnlabor I und T GmbH einen €Vertrag zur Integrierten Versorgung nach §§ 140 a ff SGB V€, der insbesondere die Erbringung von Zahnersatzleistungen und professioneller Zahnreinigung im Rahmen der Individualprophylaxe zum Gegenstand hatte. Hinsichtlich des Inhalts dieses Vertrages wird vollumfänglich auf Bl. 70 € 73 der Gerichtsakten Bezug genommen. Die Beklagte trat diesem Vertrag mit Beitrittserklärung vom 24.10.2006 bei (Bl. 73R der Akte). Sie bewarb den Vertrag unter anderem auf ihren Internetseiten gegenüber ihren Versicherten damit, dass letztere Zahnersatz ohne Zahlung eines Eigenanteils erhalten könnten.

Am 13.08.2008 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Bewerbung des vorgenannten Vertrages begehrte, wobei sie insbesondere geltend machte, dass es sich bei dem Vertrag nicht um einen zulässigen Integrationsvertrag nach § 140a SGB V gehandelt habe.

Unter dem 29.09.2008 schlossen die BKK Beiersdorf AG und die I GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die I und T GmbH ist, unter Ablösung des Vertrages vom 20.01.2006 einen €Vertrag zur Erbringung von Zahnersatzleistungen und Individualprophylaxe nach § 73c SGB V€ (im Folgenden: €I-Vertrag€). Gegenstand dieses Vertrages ist nach dessen § 2 zunächst die Versorgung mit Zahnersatz im Bereich der Regelversorgung und der gleichartigen Versorgung mit Ausnahme der Mehrleistungen, wobei die Versicherten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung eines Bonus in Höhe von 30 % (10 Jahre Vorsorgeuntersuchungen mit Bonusheft) die Regelversorgung ohne Zuzahlung erhalten sollen. Ferner regelt der Vertrag auch den implantatgestützten Zahnersatz für 4 in der Anlage 1 definierte Standardindikationen, wobei die Versicherten eine festgelegte Pauschale erhalten. Schließlich regelt der Vertrag noch die Erbringung der professionellen Zahnreinigung (PZR) im Rahmen der Individualprophylaxe, die die Versicherten einmal im Kalenderhalbjahr kostenfrei erhalten. Nach § 3 des Vertrages erbringt die I GmbH die zahnärztlichen Leistungen bei den Versicherten nicht selbst, sondern schließt mit Vertragszahnärzten bzw. zugelassenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen ihrerseits Einzelverträge ab, in denen sich diese zur Erbringung der vereinbarten Leistungen gegenüber den Versicherten der BKK Beiersdorf und den beigetretenen Krankenkassen im eigenen Namen und in eigener Verantwortung zu erbringen. Die Versicherten der Krankenkassen können freiwillig an dem Vertrag teilnehmen. Hinsichtlich der zahntechnischen Leistungen ist die I GmbH nach § 5 des Vertrages verpflichtet, durch vertragliche Vereinbarungen mit einem zahntechnischen Labor oder einer Dentalhandelsgesellschaft sicherzustellen, dass die innerhalb des Vertrages von den Versicherten in Anspruch genommenen zahntechnischen Leistungen zu einem Preis von mindestens 53 % unterhalb der BEL-Höchstpreise hergestellt bzw. geliefert werden. Mehrleistungen werden mindestens 40 % unterhalb der BEL/BEB angeboten. Die Qualität muss mindestens dem Qualitätsniveau der Regelversorgung entsprechen. Die Versicherten sind verpflichtet, die zahntechnischen Leistungen über die Vertragspartner der I GmbH zu beziehen. Die Abrechnung der zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen erfolgt nach § 6 des Vertrages direkt zwischen der I GmbH und den Krankenkassen. Gemäß § 12 des Vertrages können dem Vertrag weitere Krankenkassen beitreten, wenn die BKK Beiersdorf AG und die I GmbH dem zustimmen. Hinsichtlich der weiteren Regelungen des Vertrages wird auf Blatt 85 bis 95 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Beklagte trat dem I-Vertrag mit Beitrittserklärung vom 10.11.2008 bei. Sie nahm in § 13 h ihrer Satzung einen €Wahltarif besondere ambulante ärztliche Versorgung€ auf, nach dem die Versicherten der Beklagten freiwillig an der besonderen ärztlichen Versorgung auf der Grundlage von Verträgen nach § 73c SGB V teilnehmen können.

Die Beklagte bewirbt den I-Vertrag u.a. auf ihren Internetseiten gegenüber ihren Versicherten unter der Überschrift €Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung zum Nulltarif€. Die Leistungen und die Voraussetzungen nach dem Vertrag sind auf den Internetseiten dargestellt. Ferner findet sich dort eine Liste der beteiligten Zahnarztpraxen. Hinsichtlich des Inhalts der Information auf den Internetseiten der Beklagten (http://www.citybkk.de/leistungen_service/zaehne/zahnersatz_prophylaxe/, aufgerufen am 17.10.2010) wird auf Blatt 122 bis 123 der Gerichtsakten (Anlage 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 08.10.2010) Bezug genommen.

Den I-Vertrag und die Beitrittserklärung übersandte die Beklagte dem Gericht mit Schreiben vom 21.09.2010.

Mit Schreiben vom 08.10.2010, bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin die Klage unter Einbeziehung des I-Vertrages geändert.

Sie ist der Ansicht, der im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgelegte I-Vertrag sei unwirksam. Bei der I GmbH handele es sich um eine nicht von vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern getragene Managementgesellschaft, die kein zulässiger Vertragspartner i.S.d. § 73c Abs. 3 SGB V sei (Verweis auf Kazemi , MedR 2010, S. 6ff.). Ferner fehle es an der gesetzlich geforderten Ausschreibung dieses Vertrages durch die Beklagte. Selektivverträge nach § 73c SGB V seien unter Beachtung des Kartellvergaberechts auszuschreiben. Demgegenüber reiche der Beitritt der Beklagten zu dem von einer anderen Krankenkasse abgeschlossenen Vertrag nicht aus. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob die am 08.05.2008 veröffentlichte Ausschreibung der BKK Beiersdorf AG den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügt habe. Auch verstoße der von der Beklagten angebotene Wahltarif gegen das Verbot der Quersubventionierung nach § 53 Abs. 9 SGB V. Die Beklagte erbringe Leistungen, auf die die Versicherten nach den gesetzlichen Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch hätten und verlange von diesen hierfür keine gesonderten Beiträge. Angesichts der Kosten einer PZR, des über den Festzuschuss hinaus vollständig übernommenen Zahnersatzes und der teilweise übernommenen Implantatversorgung sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte diese zusätzlichen Leistungen finanziere, so dass sich ein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aufdränge. Zudem sei die Werbung mit dem Slogan €Zahnersatz zum Nulltarif€ wettbewerbswidrig. Da die von der Beklagten als Wahltarife angebotenen zahnärztlichen Versorgungsprogramme rechtswidrig seien, könne die Beklagte ferner nicht berechtigt sein, für diese rechtswidrig konditionierten Leistungsangebote öffentlich zu werben und auf ein Verzeichnis der für dieses Versorgungsprogramm selektierten Zahnarztpraxen zu verweisen. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Selektivvertrages der Beklagten. An diesen rechtswidrigen Verträgen seinen Berliner Vertragszahnärzte und damit Mitglieder der Klägerin beteiligt worden. Das gesetzwidrige Versorgungsangebot der Beklagten und die damit eröffnete Möglichkeit zur Teilnahme von Mitgliedern der Klägerin an diesen Verträgen tangiere den Sicherstellungsauftrag der Klägerin hinsichtlich der Bereitstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten durch die Mitglieder ihrer Körperschaft. Ferner werde auch das Recht und die Pflicht der Klägerin zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Krankenkassen berührt. In diesem Zusammenhang sei auch zu beanstanden, dass die Beklagte Jahre lang ein bestimmtes Vertragsmodell propagiert habe, um dann nach Jahren diese unzutreffende Rechtsgrundlage heimlich durch ein anderes rechtswidriges Vertragsmodell mit ganz anderen gesetzlichen Normen zu ersetzen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 08.10.2010 beantragt festzustellen, dass eine rechtlich zulässige Teilnahme von Mitgliedern der Klägerin an der zahnärztlichen Versorgung von Versicherten der Beklagten im Rahmen eines Wahltarifs zur integrierten Versorgung nicht gegeben war und auf der Grundlage eines Vertrages über besondere ambulante ärztliche Versorgung nicht gegeben ist und dass die Beklagte nicht berechtigt ist, mit einem Verzeichnis auf die hieran teilnehmenden Mitglieder der Klägerin hinzuweisen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage nochmals geändert.

Sie beantragt nunmehr,

festzustellen,

1.dass der Vertrag zwischen der Beklagten und der I GmbH zur Erbringung von Zahnersatzleistungen und Individualprophylaxe nach § 73c SGB V vom 29.09.2008 (Beitritt der Beklagten am 10.11.2008) unwirksam ist,2.dass die Beklagte nicht berechtigt ist, mit einem Verzeichnis auf die hieran teilnehmenden Mitglieder der Klägerin hinzuweisen,3.dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den mit der I GmbH geschlossenen Vertrag gegenüber ihren Versicherten mit den Worten €Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung zum Nulltarif€ zu bewerben.Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis bzw. an der Klagebefugnis, da der Klägerin insofern kein eigenes Abwehrrecht gegen die Beklagte als Leistungsträgerin zustehe. In der Sache sei die I GmbH als €. zugelassener Leistungserbringer im Sinne des § 73c Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Auch sei der Strukturvertrag durch die BKK Beiersdorf AG, die insofern federführend auch im Namen der Beklagten gehandelt habe, ordnungsgemäß ausgeschrieben worden. Ein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung würde nicht die Unwirksamkeit des Strukturvertrages nach sich ziehen. Auch sei die Werbung bzw. Information durch die Beklagte für/über den Wahltarif nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnis wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

I. Die Kammer entscheidet gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragszahnärzte und der Krankenkassen, da es sich um eine Angelegenheit des Vertrags(zahn)arztrechts handelt. Am Rechtsstreit ist weder ein Vertrags(zahn)arzt beteiligt, noch ist eine Verwaltungsentscheidung angefochten. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem ein Rechtsverhältnis von Verwaltungsinstitutionen zueinander betroffen ist, kommt es für die Besetzung der Richterbank darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch nur Angelegenheiten der Kassen(zahn)ärzte oder Außenrechtsbeziehungen der K(Z)ÄVen zu den Krankenkassen betrifft (BSG, SozR 3-1500 § 60 Nr. 4 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.

II. Die in der Umstellung der Klageanträge und insbesondere in der Einbeziehung des I-Vertrages liegende Klageänderung ist gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG zulässig, da sich die Beklagte auf die geänderte Klage schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelassen hat.

III. Das SG Berlin ist für die Entscheidung örtlich zuständig. Gemäß § 57 a Abs. 2 SGG ist in anderen € als den in § 57a Abs. 1 SGG genannten € Vertragsarztangelegenheiten das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Vereinigung oder die Kassenzahnärztliche Vereinigung ihren Sitz hat. Vorliegend handelt es sich um eine Vertragsarztangelegenheit. § 10 Abs. 2 SGG definiert Streitigkeiten des Vertragsarztsrechts als Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände. Vorliegend streiten eine Krankenkasse und eine Vereinigung von Vertragszahnärzten, so dass eine vertragsärztliche Angelegenheit gegeben ist. Die Klägerin hat ihren Sitz in Berlin.

IV. Die Kammer lässt dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig ist. Sie ist jedenfalls unbegründet.

24Die Zulässigkeit der vorliegend hinsichtlich aller Klageanträge erhobenen Feststellungsklage setzt nach § 55 Abs. 1 SGG ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung voraus. Ob der Klägerin ein solches vorliegend zusteht, erscheint fraglich.

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V). Sie ist kein Grundrechtsträger und auf die ihr kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgaben beschränkt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.07.2009 € L 7 KA 30/08 KL, juris). Ihre Aufgabe besteht von Gesetzes wegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V) insbesondere in der Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages. In diesem Zusammenhang hat sie die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (§ 75 Abs. 2 SGB V).

Nach § 73c Abs. 2 Satz 4 SGB V ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 SGB V eingeschränkt, soweit die Versorgung der Versicherten durch Verträge nach Satz 1 durchgeführt wird. Entgegen der Ansicht der Klägerin dürfte diese Regelung nicht dahingehend auszulegen sein, dass der Sicherstellungsauftrag nur bei Vorliegen eines wirksamen Vertrages eingeschränkt ist. Die Vorschrift stellt dem Wortlaut nach nur auf die tatsächliche Durchführung der Versorgung auf der Grundlage von Verträgen über die besondere ambulante ärztliche Versorgung ab, nicht auf das Vorliegen eines wirksamen Vertrages. Auch der Sinn und Zweck der Regelung spricht für dieses Auslegungsergebnis, da anderenfalls die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet wären, in jedem Einzelfall die Wirksamkeit des Vertrages zu überprüfen, um die Reichweite ihres Sicherstellungsauftrages zu bestimmen. Dies wäre aber schon deshalb problematisch, weil sie in der Regel gar nicht Vertragspartner dieser Verträge sind und insofern auch nicht zwangsläufig Kenntnis hiervon erhalten. Damit ließe sich aus § 75 Abs. 1 SGB V ein Recht oder eine Pflicht der Klägerin zur Überprüfung der Wirksamkeit des I-Vertrages nicht herleiten.

Auch eine Herleitung aus § 75 Abs. 2 SGB V erscheint problematisch, da das danach bestehende Mandat zur Wahrnehmung der Interessen der Vertrags(zahn)ärzte gegenüber den Krankenkassen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sicherstellungsauftrag steht und eine Kompensation für die fehlenden unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen darstellt (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., bei juris Rdnr. 36, m.w.N.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.07.2001 € L 5 KA 5097/00 ER-B, bei juris Rdnr. 82). Insofern wird den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen aufgrund ihres gesetzlich genau umgrenzten Aufgabenkreises teilweise auch eine Klagebefugnis bzw. ein Feststellungsinteresse bei Klagen in Zusammenhang mit Maßnahmen oder Richtlinienbeschlüssen nach § 116 b SGB V abgesprochen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., m.w.N.).

Wegen der ausdrücklichen Einschränkung des Sicherstellungsauftrages nach § 73c Abs. 2 Satz 4 SGB V spricht auch in diesem Zusammenhang einiges dafür, den K(Z)Ven die Befugnis zur Überwachung und ggf. gerichtlichen Anfechtung von Verträgen nach § 73c SGB V abzusprechen, sofern nicht konkrete Rechte als potentieller Vertragspartner nach § 73c Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB V geltend gemacht werden, was hier nicht der Fall ist, da die Klägerin ausweislich der eigenen Bekundung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung kein Interesse an einem dem I-Vertrag entsprechenden Vertragsschluss mit der Beklagten hat. Einer Ausweitung des Sicherstellungsauftrages steht offenbar auch der Gesetzgeber kritisch gegenüber. In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 140a SGB V heißt es insofern (BT-Drs. 15/1525, S. 130):

€Es empfiehlt sich nicht, den Sicherstellungsauftrag mit neuen zusätzlichen Aufgaben im Interesse nur einzelner Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen zu verbinden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten sich auf die Erfüllung des verbleibenden Sicherstellungsauftrags konzentrieren und sich nicht mit Hilfsfunktionen zugunsten einzelner Mitglieder bei der Erledigung von deren Aufgaben außerhalb des Sicherstellungsauftrags belasten.

A uch sind die Beiträge ihrer Mitglieder ausschließlich dazu gedacht, die gesetzlichen Aufgaben nach dem Sicherstellungsauftrag wahrzunehmen und nicht für das Aushandeln, die Überwachung und die Durchführung der Verträge zur integrierten Versorgung und damit nur für einzelne Mitglieder einzusetzen.€

Indes hat das BSG in der auf die vorgenannte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg ergangenen Revisionsentscheidung darauf hingewiesen, dass es die K(Z)V aufgrund ihrer gesetzlich begründeten Verantwortung für berechtigt hält, in allen Zulassungsangelegenheiten Rechtsmittel einzulegen, ohne dass eine konkrete, greifbare Beeinträchtigung geschützter Belange gerade durch die streitbefangene Entscheidung geltend gemacht werden müsste (BSG, Urteil vom 03.02.2010 € B 6 KA 31/09 R, bei juris Rdnr. 27 m.w.N.). Ferner lässt sich der Entscheidung wohl entnehmen, dass das BSG die K(Z)Ven gegenüber den Krankenkassen für berechtigt hält, €allgemein die (auch wirtschaftlichen) Belange der Vertragsärzte unter Hinweis auf § 75 Abs. 2 SGB V zu wahren€ (a.a.O., bei juris Rdnr. 39). Wegen der durch Verträge nach § 73c SGB V betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Vertrags(zahn)ärzte ließe sich danach möglicherweise auch ein berechtigtes (wirtschaftliches) Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit derartiger Verträge herleiten.

V. Letztlich kann die Frage, ob der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit des I-Vertrages zusteht, jedoch dahinstehen, da die Klage hinsichtlich aller drei Klageanträge jedenfalls unbegründet ist (zur Zulässigkeit einer Sachentscheidung unter Offenlassung des Feststellungsinteresses vgl. Meyer-Ladewig u.a./ Keller , SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 51 Rdnr. 13c).

1. Die von der Klägerin gegen die Wirksamkeit des Vertrages geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

35a) Die I GmbH ist zulässige Vertragspartnerin gemäß § 73c Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V.

Danach können die Krankenkassen zur Umsetzung ihres Angebots nach Absatz 1 allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen Einzelverträge schließen mit Trägern von Einrichtungen, die eine besondere ambulante Versorgung nach Absatz 1 durch vertragsärztliche Leistungserbringer anbieten. Hierunter fallen nach dem Willen des Gesetzgebers so genannte Managementgesellschaften (BT-Drs. 16/3100, S 114; vgl. auch KassKomm/ Hess , SGB V, 66. EL 2010, § 73c Rdnr. 11). Weder Wortlaut noch Systematik noch der Sinn und Zweck der Regelung erfordern eine Einschränkung der Zulassung von Managementgesellschaften dahingehend, dass diese von vertragsärztlichen Leistungserbringern beherrscht werden müssen (so aber Kazemi , MedR 2010, 6ff.).

Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss es sich lediglich um Träger von Einrichtungen handeln, die eine besondere ambulante Versorgung nach Absatz 1 durch vertragsärztliche Leistungserbringer anbieten. Die Vorschrift stellt keine besonderen Anforderungen an die Träger selbst, sondern ausschließlich an deren Leistungen, indem verlangt wird, dass diese eine besondere ambulante Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer anbieten.

Den Gesetzesmaterialien lassen sich ebenfalls keine Hinweise auf die von der Beklagten befürwortete einschränkende Auslegung entnehmen. Dort (BT-Drs. 16/3100, S 114) wird vielmehr lediglich auf die Regelung in § 140b Abs. 1 Nr. 4 SGB V Bezug genommen. Dass dort auch nach der Ansicht von Kazemi keine Einschränkung hinsichtlich der Gesellschafter der Managementgesellschaften vorzunehmen ist, spricht eher dafür, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen des § 73c SGB V keine Einschränkung wollte.

Wegen der offensichtlichen Anlehnung an die Regelung in § 140b SGB V spricht auch die Gesetzessystematik gegen eine einschränkende Auslegung. Insofern spricht zudem wegen der Aufnahme von Gemeinschaften vertragsärztlicher Leistungserbringer in § 73c Abs. 3 Nr. 2 SGB V auch die innere Systematik der Regelung gegen eine einschränkende Auslegung der Nr. 4. Da eine von vertragsärztlichen Leistungserbringern getragene Managementgesellschaft bereits eine Gemeinschaft dieser Leistungserbringer darstellen und damit nach Nr. 2 zulässiger Vertragspartner wäre, hätte Nr. 4 bei der von Kazemi befürworteten Beschränkung letztlich kaum einen Anwendungsbereich. Er würde sich auf die Möglichkeit beschränken, andere als vertragsärztliche Leistungserbringer als Minderheitsgesellschafter zu beteiligen.

Auch der Sinn und Zweck des § 73c SGB V erfordert eine Beschränkung hinsichtlich der Managementgesellschaften nicht. Sinn und Zweck der Zulassung von Managementgesellschaften ist, dass bei den Leistungserbringern selbst und bei einzelnen Krankenkassen offensichtlich ein Defizit an betriebswirtschaftlichem €know how€ unterstellt wird, das durch derartige Dienstleister als potentielle Vertragspartner der Krankenkassen ausgeglichen werden soll (KassKomm/ Hess , a.a.O., § 140b Rdnr. 3). Die Managementgesellschaften sollen insofern die vertrags(zahn-)ärztliche Leistungserbringerseite bündeln (so Kazemi , a.a.O.). Für die Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich aber auch ausreichend, dass seitens der Gesellschaft das bereits erwähnte betriebswirtschaftliche €know how€ und ausreichende Kenntnisse der Leistungserbringerstrukturen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen. Wer als Gesellschafter hinter der Gesellschaft steht und diese damit beherrscht, ist insofern unerheblich.

Kazemi beruft sich zur Begründung der von ihm befürworteten einschränkenden Auslegung im Wesentlichen auf das Umgehungsverbot und auf Qualitätssicherungsaspekte (a.a.O., S. 9ff.). Beide Argumente verfangen nicht.

Eine Umgehung des Ausschlusses anderer als vertragsärztlicher Leistungserbringer im Rahmen des § 73c SGB V (anders als bei §§ 140a ff. SGB V) ist schon deshalb nicht zu befürchten, weil Gegenstand der Verträge nach § 73c Abs. 1 SGB V ausschließlich die ambulante vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sein kann. Insofern wird dem begrenzten Anwendungsbereich des § 73c SGB V in Abgrenzung zu anderen Arten von Selektivverträgen (insbesondere von Intergrationsverträgen) bereits durch die Begrenzung des Leistungsgegenstandes ausreichend Rechnung getragen, so dass es der Vorbeugung einer Umgehung durch strikte Begrenzungen hinsichtlich der beteiligten Vertragspartner nicht bedarf. Im Übrigen ist € wie die Klägerin hinsichtlich des ursprünglich streitgegenständlichen Integrationsvertrages selbst vorgetragen hat € die Erbringung zahntechnischer Leistungen Bestandteil der Gesamtleistung des Zahnarztes (vgl. jurisPK-SGB V/ Freudenberg , § 88 Rdnrn. 8ff.), so dass die zahntechnischen Leistungen auch zum zulässigen Inhalt eines Selektivvertrages nach § 73c SGB V gemacht werden können. Insofern spricht nichts dagegen, wenn auch zahntechnische Unternehmen an Managementgesellschaften im Sinne des § 73c Abs. 3 Nr. 4 SGB V beteiligt sind. Dass der Gesetzgeber zahntechnische Unternehmen durch die Nichtaufnahme in den Katalog der Vertragspartner bewusst von Verträgen nach § 73c SGB V ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich. Dem Zweck der Vorschrift, den Wettbewerb unter den Leistungserbringern und unter den Krankenkassen zu intensivieren und Raum für eine dezentrale, innovative Systemerweiterung zu schaffen (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 113; BT-Drs. 15/1525, S. 97), entspricht es vielmehr, auch die zahntechnischen Leistungen als zulässigen Regelungsgegenstand von Verträgen nach § 73c SGB V anzusehen und zu diesem Zweck auch die zahntechnischen Leistungserbringer in die Verträge über die besondere ambulante (zahn)ärztliche Versorgung einzubeziehen, um dies diesbezüglichen vertragszahnärztlichen Leistungen zu bündeln. Der Weg über die Managementgesellschaften, die die zahnärztlichen Leistungen bündeln und den Krankenkassen sowohl die originär zahnärztlichen als auch die zahntechnischen Leistungen aus einer Hand anbieten, ist insofern eine nach dem Gesetz zulässige Gestaltungsmöglichkeit.

Auch der Aspekt der Qualitätssicherung vermag die einschränkende Auslegung des § 73c Abs. 3 Nr. 4 SGB V nicht zu tragen. Kazemi beruft sich insofern insbesondere darauf, dass die Managementgesellschaften €die Suche nach Spezialisten€ übernehmen sollen, dass jedoch bei mehrheitlicher Beteiligung nicht nach § 73c SGB V zugelassener Vertragspartner hierbei zu befürchten sei, dass weniger die Qualität als vielmehr der Gewinn im Vordergrund stehe und dass dadurch der Grundsatz €Gesundheit vor Gewinn€ gefährdet sei. Die rein kaufmännische Denkweise sei mit der Zielsetzung des § 73c SGB V weitgehend unvereinbar ( Kazemi , a.a.O., S. 11). Dem ist entgegenzuhalten, dass die Qualität der im Rahmen eines Vertrages nach § 73c SGB V erbrachten zahnärztlichen Leistungen bereits dadurch sichergestellt ist, dass die die Leistungen nach § 73c SGB V gegenüber den Versicherten erbringenden Leistungserbringer ihrerseits Vertragsärzte oder MVZ sein müssen, so dass auch Managementgesellschaften, die eine Versorgung nach § 73c SGB V anbieten wollen, nur Ärzte an sich binden können, die für das Fachgebiet, auf dem sie tätig werden sollen, zugelassen sind (vgl. Wenner , Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 11 Rdnr. 17). Da diese dieselben Leistungen auch im Bereich der kollektivvertraglichen Regelversorgung erbringen, ist die Qualität der Leistungserbringung hierdurch ausreichend sichergestellt. Auch enthält § 73c SGB V selbst in verschiedenen Regelungen konkrete Vorgaben zur Qualitätssicherung, durch die sichergestellt ist, dass auch die Leistungen selbst den erforderlichen medizinischen Qualitätsstandards entsprechen (vgl. § 73c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 SGB V). Überdies erscheint es eher lebensfremd, dass eine Managementgesellschaft, die Leistungen nach § 73c SGB V anbietet, allein deshalb mehr qualitätsorientiert und weniger gewinnorientiert tätig ist, weil sie mehrheitlich von vertragsärztlichen Leistungserbringern beherrscht wird. Sofern sich vertragsärztliche Leistungserbringer als Gesellschafter an einer solchen Managementgesellschaft beteiligen, ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass sie dies aus wirtschaftlichen Gründen tun. Da die Gesellschafter selbst an der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch gar nicht zwingend beteiligt sind, ist allein das Abstellen auf die Mehrheitsverhältnisse unter den Gesellschaftern auch kaum ein geeignetes Kriterium für das Maß der Qualitätssicherung. Insofern wäre es zumindest erforderlich, dass auch die Führung der Geschäfte, jedenfalls die Auswahl der Leistungserbringer, in der Hand von vertragsärztlichen Leistungserbringern liegt.

Sofern es die Qualität der zahntechnischen Leistungen betrifft und von Kazemi insofern die Befürchtung geäußert wird, dass die von Dentallaboren bzw. Zahntechnikern getragenen Managementgesellschaften nicht nach dem besten Anbieter, sondern in erster Linie den Vertragsschluss mit €sich selbst€ bzw. € im vorliegenden Fall € mit der Muttergesellschaft (I GmbH), können sich hierdurch möglicherweise verdrängte zahntechnische Unternehmen hiergegen ggf. mit wettbewerbsrechtlichen bzw. vergaberechtlichen Rechtsmitteln zur Wehr setzen. Die Qualität der zahntechnischen Leistungen wird ferner hinreichend durch die Regelungen des I-Vertrages sichergestellt (vgl. z.B. § 5 Ziff. 2 a.E., wonach die Qualität mindestens dem Qualitätsniveau der Regelversorgung entsprechen muss sowie die Regelungen über die Gewährleistung in § 9 des Vertrages, die unter anderem eine gegenüber der gesetzlichen Gewährleistungsfrist deutlich erhöhte fünfjährige Gewährleistungsfrist vorsehen und ggf. eine Begutachtung durch den MDK). Wegen der strengen Gewährleistungsregelungen und der mit Nachbesserungen bzw. Neuanfertigungen verbundenen Kosten wird auch die I GmbH ein erhebliches eigenes Interesse an der Erbringung qualitätsgerechter Leistungen haben. Schließlich ist auch insofern nicht ersichtlich, warum allein dadurch, dass an der Managementgesellschaft mehrheitlich vertragszahnärztliche Leistungserbringer beteiligt sind, die Auswahl der €besten€ Leistungserbringer besser sichergestellt sein sollte.

Sofern Kazemi (a.a.O., S. 11 a.E.) schließlich noch einwendet, dass der gesetzgeberische Zweck des § 73c SGB V durch die mehrheitliche Beteiligung nicht vertragsärztlicher Leistungserbringer an Managementgesellschaften konterkariert würde, zeigt der streitgegenständliche Vertrag, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Durch die insbesondere im Bereich der zahntechnischen Leistungen erzielten erheblichen Einsparungen sind die an dem I-Vertrag beteiligten Krankenkassen in der Lage, ihren Versicherten kostenneutral deutlich weitergehende Leistungen zur Verfügung zu stellen, als im Rahmen der gesetzlichen Regelversorgung. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, mehr Wettbewerb unter den Leistungserbringern und unter den Krankenkassen zu schaffen, der letztlich den Versicherten zugute kommt (vgl. BT-Drs 16/3100, S. 87).

b) Unabhängig davon, ob der Vertrag zwischen der BKK Beierdorf AG und der I GmbH ordnungsgemäß ausgeschrieben wurde und ob die Beklagte dem Vertrag ohne gesonderte Ausschreibung beitreten konnte, hätte das Fehlen einer ordnungsgemäßen Ausschreibung auf die Wirksamkeit des Vertrages und des Beitritts der Beklagten keinen Einfluss und wäre überdies im Vergabeverfahren geltend zu machen gewesen (vgl. dazu und zu der € auch vorliegend relevanten € nicht möglichen rückwirkenden Anwendung des § 101b Abs. 2 GWB Brandenburgisches OLG, Urteil vom 22.04.2010 € Verg W 5/10, juris). Überdies wäre die Klägerin insofern auch gar nicht antragsbefugt i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB, da sie zwar als potentieller Vertragspartner des streitgegenständlichen Vertrages gemäß § 73c Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB V grundsätzlich in Betracht käme, es ihr jedoch ausweislich der Bekundungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung nur um die Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen durch den Selektivvertrag geht bzw. der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder, nicht aber um ein eigenes Interesse an dem Auftrag. Da die Klägerin in dem über § 69 Abs. 2 Satz 1, 2. HS SGB V hier anwendbaren und vorrangigen vergaberechtlichen Verfahren nicht antragsbefugt wäre, kann sie vergaberechtliche Pflichtverletzungen auch nicht im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren gegenüber der Beklagten geltend machen.

47c) Sofern die Klägerin einen Verstoß der Beklagten gegen das Verbot der Quersubventionierung gemäß § 53 Abs. 9 SGB V rügt, ist dies im vorliegenden Verfahren schon deshalb unerheblich, weil durch einen derartigen Verstoß die Wirksamkeit des I-Vertrages nicht beeinträchtigt wäre, sondern allenfalls die satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten hinsichtlich des ihren Versicherten angebotenen Wahltarifs. Überdies wird die Einhaltung des Verbots der Quersubventionierung durch die Aufsichtsbehörden überwacht (vgl. auch den in der Satzungsgenehmigung durch das Bundesversicherungsamt enthaltenen Widerrufsvorbehalt [Bl. 128 der Gerichtsakten]) und über die Rechenschaftspflicht nach § 53 Abs. 9 Satz 2 SGB V gesichert (vgl. jurisPK-SGB V/ Schlegel , § 53 Rdnr. 169). Insofern kommt es auf die Richtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin nicht an, an denen zu zweifeln zudem vor allem deshalb Anlass bestünde, weil durch den I-Vertrag offensichtlich erhebliche Einsparungen im Rahmen der zahntechnischen Leistungen erzielt werden und weil die von der Beklagten an die I GmbH zu zahlenden Pauschalen nach der Vergütungsregelung in § 7 Ziff. 1 des Vertrages den Festzuschüssen nach § 55 SGB V zzgl. des Bonus von 30 % entsprechen. Warum die durch den Vertrag erzielten Einsparungen im Rahmen des § 53 Abs. 9 SGB V keine Berücksichtigung finden sollten, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, erschließt sich der Kammer nicht. Insbesondere ist insofern irrelevant, dass die Einsparungen im Bereich der Regelversorgung erzielt werden, während Mehrkosten im Bereich der zusätzlichen Versorgung entstehen, da beides im Rahmen desselben Wahltarifs stattfindet und die Einsparungen gerade dadurch erzielt werden, dass sich die Versicherten durch die Teilnahme an dem Wahltarif an bestimmte Leistungserbringer binden, mit denen die Beklagte bzw. die I GmbH Verträge geschlossen haben.

2. Da der I-Vertrag wirksam ist und der Klageantrag zu 1) mithin jedenfalls unbegründet, ist auch der Klageantrag zu 2) unbegründet, da die Beklagte ihre Versicherten nach § 73c Abs. 5 SGB V über die an der besonderen ambulanten (zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte zu informieren hat.

493. Schließlich ist auch der gegen die Art und Weise der Bewerbung des Vertrages durch die Beklagte gerichtete Klageantrag zu 3) jedenfalls unbegründet, so dass es insofern auch nicht auf die Frage eines eventuellen Vorrangs der Unterlassungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG ankommt.

Die Regelungen des UWG finden im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern nach der abschließenden Regelung in § 69 Abs. 1 SGB V keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2001 € B 3 KR 3/01 R; BGH, Urteil vom 23.02.2006 € I ZR 164/03, zitiert jeweils nach juris). Die Grenzen des Wettbewerbs zwischen Krankenkassen sind allein anhand des gesetzlichen Auftrags und der zu seiner Verwirklichung erlassenen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1998, B 1 KR 9/95 R, BSGE 82, 78, 79). Beschränkungen hinsichtlich Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitgliederwerbung ergeben sich aus der Pflicht der Krankenkassen zur Aufklärung, Beratung und Information der Versicherten (§§ 13 bis 15 SGB I) sowie dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten. Wird deshalb bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet, kann sich daraus im Umkehrschluss ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben (BSG a.a.O.). Dabei handelt es sich um eine eigenständige öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage, die nicht auf den Vorschriften des UWG beruht (vgl. BSG, Stellungnahme vom 11.10.1988, 3 S 1/88, juris, für einen Unterlassungsanspruch der Krankenkassen untereinander). Ob ein solcher Unterlassungsanspruch über § 75 Abs. 1 oder 2 SGB V auch der klagenden KZV zustehen kann, kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte durch die Bewerbung des I-Vertrages gegenüber ihren Versicherten nicht gegen das Gebot zur sachbezogenen Information verstoßen hat.

Rechtsgrundlage für die Information der Versicherten über den I-Vertrag ist § 73c Abs. 5 SGB V. Danach haben die Krankenkassen ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung nach Absatz 1 sowie der daran teilnehmenden Ärzte zu informieren. Diesen Anforderungen werden die Informationen der Beklagten auf ihren Internetseiten gerecht. Dort wird in verständlicher Form das von der Beklagten im Rahmen des Wahltarifs erbrachte Angebot geschildert und es werden die Voraussetzungen dargestellt, unter denen die Versicherten das Angebot erhalten können.

Die Überschrift €Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung zum Nulltarif€ hält sich noch im Rahmen des Sachlichkeitsgebots und verstößt nicht gegen das Verbot irreführender Werbung. Aus Sicht der Versicherten als Adressaten der Werbung suggeriert diese Aussage für sich genommen, dass sie Zahnersatz und professionelle Zahnreinigung ohne Zuzahlung erhalten können. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen wohl nur ein relativ geringer Teil der Versicherten der Beklagten erfüllen wird, weil hierfür erforderlich ist, dass die Vorsorgeuntersuchungen in den letzten 10 Jahren lückenlos kalenderjährlich durchgeführt wurden und dass sich der Zahnersatz im Rahmen der Regelversorgung hält (vgl. auch LG Düsseldorf, Urteil vom 25.03.2010 € 38 O 21/10, nicht veröffentlicht, Seite 9 des Urteilsabdrucks). Indes unterscheidet sich die Werbung der Beklagten von der der Entscheidung des LG Düsseldorf (bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2010 € I-20 U 52/10, auszugsweise veröffentlicht unter http://www.medi-ip.de/olg-duesseldorf-werbung-mit-ae-zahnersatz-ohne-zuzahlung-ae-und-ae-zahnersatz-garantiert-40-guenstig/id_1284822245) zu Grunde liegenden Werbung der I GmbH dadurch, dass die Beklagte sogleich unter der vorgenannten Überschrift ausführlich und in auch für den Laien verständlicher Form über Angebot und Voraussetzungen des Wahltarifs informiert. Während die I GmbH über die Voraussetzungen lediglich mit dem Sternchenzusatz €Bei Regelleistung der GKV Plus 30 % Bonus€ informierte, was das LG und das OLG Düsseldorf jeweils zu recht als aus Sicht der Adressaten unzureichende und unverständliche Information hinsichtlich der sehr engen Voraussetzungen des Wahltarifs ansahen, weist die Beklagte ihre Versicherten unter der Unterüberschrift €Voraussetzungen€ sogleich in verständlicher Form auf die zentrale Bedingung des zuzahlungsfreien Zahnersatzes hin. Dort heißt es (vgl. Bl. 129 der Gerichtsakten und http://www.citybkk.de/leistungen_service/zaehne/zahnersatz_prophylaxe/):

€Jeder Versicherte kann am Programm teilnehmen. Um in den vollen Genuss des €Nulltarifes€ zu kommen, gibt es nur eine Bedingung: Sie müssen die zahnärztliche Vorsorgeuntersuchung in den letzten zehn Jahren ohne Unterbrechung mindestens einmal im Kalenderjahr in Anspruch genommen haben.

Ein Nachweis in Ihrem Bonusheft ist erforderlich (mindestens zehn zusammenhängend quittierte Vorsorgeuntersuchungen vor Beginn der Behandlung).

Sollten Sie kein vollständiges Bonusheft haben, können Sie trotzdem am Programm teilnehmen. Allerdings wird dann ein Eigenanteil berechnet, der sich nach der Anzahl Ihrer nachgewiesenen Vorsorgeuntersuchungen richtet. Dabei werden nur die letzten Untersuchungen berücksichtigt, die ohne Unterbrechung vor Beginn der Behandlung durchgeführt wurden.€

Diese Erläuterungen sind € anders als der bloße Zusatz €Plus 30 % Bonus€ ausführlich und auch für den durchschnittlich vorgebildeten Versicherten leicht verständlich.

Auch weist die Beklagte an mehreren Stellen darauf hin, dass zuzahlungsfrei lediglich der Zahnersatz im Rahmen der Regelversorgung bzw. Regelleistung ist. Zwar ist insofern zuzugeben, dass der durchschnittlich vorgebildete Versicherte kaum wissen wird, welche Leistungen von der Regelleistung bzw. der Regelversorgung konkret umfasst sind (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Indes wird auch der durchschnittlich vorgebildete Versicherte mit den Begriffen Regelleistung bzw. Regelversorgung insofern etwas anfangen können, als er diese als von den Krankenkassen grundsätzlich anerkannte Standard- bzw. Grundversorgung versteht in Abgrenzung zu der grundsätzlich nicht übernommenen höherwertigen Versorgung etwa mit höherwertigen Zahnersatzmaterialien. Zu berücksichtigen ist in diesem Rahmen auch, dass der Begriff Regelversorgung der vom Gesetz selbst gewählten Begrifflichkeit entspricht (vgl. §§ 55 Abs. 2, 56 SGB V). Von der Beklagten kann insofern nicht verlangt werden, im Einzelnen aufzuführen, welche Leistungen von der Regelversorgung umfasst sind und welche nicht, zumal dies zu erheblicher weiterer Verwirrung beitragen würde, da die vom Gemeinsamen Bundesausschuss jeweils befundbezogen festgelegte Regelversorgung (vgl. § 56 SGB V und die Zahnersatz-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses) sich kaum allgemeinverständlich mit angemessenem Textaufwand im Rahmen einer Versicherteninformation über einen Wahltarif darstellen lässt. Insofern ist die Art der insofern von der Beklagten gewählten Information, nämlich das Angebot eines €Zahnersatz-Eigenanteilsrechners€ (http://www.citybkk.de/leistungen_service/zaehne/zahnersatz_eigenanteilsrechner/), mit dem die Versicherten an Hand des Heil- und Kostenplans, der von der Krankenkasse vor jeder Zahnersatzleistung zu genehmigen ist (§ 87 Abs. 1a Satz 3 SGB V) ausrechnen können, welchen Eigenanteil sie €eigentlich zu zahlen hätten€, nicht zu beanstanden. Eine weitergehende Information über den Begriff Regelversorgung ist in allgemeinverständlicher Form im Rahmen einer Werbung kaum denkbar.

Zu berücksichtigen ist insofern auch, dass sich die Werbung der Beklagten in erster Linie an Versicherte richtet, bei denen gerade konkret Zahnersatzleistungen anstehen (vgl. den ersten Satz nach der Überschrift: €Sie brauchen Zahnersatz und scheuen sich vor den Kosten€€), d.h., dass diese sich häufig mit den Grundlagen und mit der Höhe der von ihnen zu leistenden Zuzahlungen bereits auseinandergesetzt haben werden. Dieser Kreis der so vorinformierten Versicherten wird in der Regel wissen, dass sie bei Zahnersatzleistungen in jedem Fall, d.h. auch bei Inanspruchnahme der einfachen Standard- bzw. Regelversorgung einen verbleibenden Eigenanteil bezahlen müssen. Diese Versicherten werden die Aussage €Zahnersatz zum Nulltarif im Rahmen der Regelversorgung€ dann auch in dem tatsächlich gemeinten Sinne verstehen, dass sie die einfache Standard- bzw. Regelversorgung, für die sie ansonsten bereits einen Eigenanteil bezahlen müssen (den sie in dem Eigenanteilsrechner ausrechnen können), von der Beklagten unter den aufgeführten Voraussetzungen ohne Zahlung eines Eigenanteils bekommen können, d.h., dass sie den in dem Eigenanteilsrechner ausrechenbaren Eigenanteil sparen können, wenn sie in den letzten zehn Jahren regelmäßig die Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt haben und an dem angebotenen Wahltarif teilnehmen.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.






SG Berlin:
Urteil v. 13.10.2010
Az: S 83 KA 443/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cd2d850125d0/SG-Berlin_Urteil_vom_13-Oktober-2010_Az_S-83-KA-443-08




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