Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 5. Juli 2013
Aktenzeichen: 5 Ta 254/13

(LAG Hamm: Beschluss v. 05.07.2013, Az.: 5 Ta 254/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Beschluss vom 5. Juli 2013 (Aktenzeichen 5 Ta 254/13) entschieden, dass die Aufhebungsentscheidung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren die förmliche Zustellung eines Aufforderungsschreibens über eine Änderung der maßgeblichen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse voraussetzt. In dem konkreten Fall hatte das Arbeitsgericht Detmold die bewilligte Prozesskostenhilfe des Klägers aufgehoben, da er unzureichend bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse mitgewirkt habe. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger sofortige Beschwerde ein und führte an, dass ihm das Aufforderungsschreiben nicht zugegangen sei.

Das Landesarbeitsgericht Hamm stellte fest, dass der Kläger nicht wirksam zur Erklärung über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert wurde, da das Aufforderungsschreiben weder an die richtige Person noch überhaupt formell zugestellt wurde. Das Gericht betonte, dass im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren Zustellungen an den Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen. Zudem entschied es, dass die Aufforderung zur Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse förmlich zuzustellen ist und nicht formlos an den Kläger selbst gesendet werden darf.

Da eine wirksame Aufforderung zur Mitwirkung des Klägers nicht erfolgte, konnte die bewilligte Prozesskostenhilfe nicht aufgehoben werden. Das Gericht hob daher den Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Detmold auf. Es begründete seine Entscheidung damit, dass eine Zustellung an den Kläger persönlich nur dann ausreicht, wenn eine wirksame Zustellung an den Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat. Die Nichtabhilfe des Arbeitsgerichts wurde ebenfalls aufgehoben, da das Gericht der Auffassung war, dass eine ausdrückliche Entscheidung darüber vorliegt, dass die Aufforderungen zur Auskunftserteilung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren an den Prozessbevollmächtigten zu erfolgen haben. Das Gericht betonte zudem, dass die Erfordernisse für eine wirksame Fristsetzung keine unnötige Erschwerung des Verfahrens darstellen, sondern die Verfahrensgestaltung verbessern. In diesem Fall konnte aufgrund fehlender Zustellungsnachweise weder das Vorbringen des Klägers widerlegt noch eine konkrete Fristberechnung vorgenommen werden. Aufgrund dieser Sachlage wäre es angebracht gewesen, dem Kläger die Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Hamm: Beschluss v. 05.07.2013, Az: 5 Ta 254/13


Die Aufhebungsentscheidung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren gem. § 124 Ziff. 2 ZPO setzt die förmliche Zustellung des Aufforderungsschreibens gem. § 120Abs. 4 S. 2 ZPO, sich über eine Änderung der maßgeblichen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse zu erklären, voraus.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29.05.2013 wird der Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.04.2013 - 2 Ca 881/11 - aufgehoben.

Gründe

I. Dem Kläger war zunächst für ein Auskunfts- und Zahlungsverfahren mit Beschluss vom 10.08.2011 Prozesskostenhilfe ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden.

Im September 2012 wurde der Kläger aufgefordert, sich im Rahmen der Überprüfung gem. § 120 Abs. 4 ZPO über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären. Dieses formlos übersandte Schreiben wurde als unzustellbar zurückgesandt; eine Einwohnermeldeamtsanfrage ergab, dass der Kläger verzogen war. Mit weiterem formlos übersandten Schreiben an die neue Adresse des Klägers vom 29.01.2013 wurde der Kläger aufgefordert, eine erneute Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzugeben und hierfür eine Frist gesetzt bis zum 15.02.2013. Dieses Schreiben wurde nicht zurückgesandt. Nachdem eine Stellungnahme nicht einging, wurde mit Beschluss vom 24.04.2013 die bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben gem. § 124 Nr. 2 ZPO wegen unzureichender Mitwirkung bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse.

Gegen diesen seiner Prozessbevollmächtigten am 29.04.2013 zugestellten Beschluss legte der Kläger vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 29.05.2013, bei Gericht eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Er führte aus, ein Aufforderungsschreiben sei ihm auch unter der neuen Adresse nicht zugegangen. Zudem vertrete die Prozessbevollmächtigte den Kläger auch im Überprüfungsverfahren, so dass auch Aufforderungsschreiben an sie hätte übersandt werden müssen.

Mit Nichtabhilfebeschluss vom 31.05.2013 legte das Arbeitsgericht den Sachverhalt der Beschwerdekammer vor. Es begründete die Nichtabhilfe damit, dass nach der Rechtsprechung des BAG und des BGH lediglich der Aufhebungsbeschluss an den Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müsse.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist gem. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist gewahrt.

In der Sache ist die sofortige Beschwerde auch begründet, da der Kläger nicht wirksam zur Erklärung darüber aufgefordert worden ist, ob eine Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. ( § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO) Da eine wirksame Aufforderung unter Fristsetzung nicht erfolgt ist, kommt eine Aufhebung gem. § 124 Ziff. 2 ZPO nicht in Betracht.

1. Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung der zu leistenden Zahlungen im Prozesskostenhilfe-Verfahren ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Zu diesem Zweck ist das Gericht berechtigt, entsprechende Erklärungen von der Partei einzuholen. Diese ist zur Abgabe derartiger Erklärungen bis zum Ablauf von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens verpflichtet.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung herrscht Einigkeit, dass auch im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren Zustellungen an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen haben, da dieses eng mit dem Hauptsacheverfahren verbunden ist und deshalb in den Anwendungsbereich des § 172 ZPO fällt. Weiterhin besteht insoweit Einigkeit, als das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren auch über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus als zur Instanz gehörendes Verfahren angesehen wird (siehe hierzu ausführlich BGH Beschl. v. 08.12.2010, XII ZB 38/09, MDR 2011, 183 unter Darstellung der gegensätzlichen Meinungen; so auch im Anschluss BGH Beschl. v. 08.09.2011, VII ZB 63/10, MDR 2011, 1314; so bereits vorher BAG Beschl. v. 19.07.2006, 3 AZB 18/06, - juris -). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Partei auch im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat. Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer ausdrücklich an, sie entspricht auch seit der Entscheidung des BAG aus 2006 bezüglich der Zustellung der Beschlüsse der Handhabung im Bezirk.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch gegeben, da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellt worden ist, diese auch das Bewilligungsverfahren im Übrigen begleitet hat und die Mitteilung des Arbeitsgerichts vom 16.08.2011, wonach sie auch für das Überprüfungsverfahren als Zustellungsbevollmächtigte angesehen wird, von ihr unwidersprochen blieb.

2. Die Ansicht des Arbeitsgerichts Detmold, wonach eine ausdrückliche Entscheidung darüber, ob auch bereits die Aufforderungen zur Auskunftserteilung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren an den Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen, nicht vorliegt, teilt die Beschwerdekammer nicht.

Dies ist vielmehr nach Ansicht der Beschwerdekammer der Fall und ergibt sich aus zwei Aspekten:

a) Insbesondere der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.12.2010 (a.a.O., Rz. 13) die Problematik vorangestellt, dass in Rechtsprechung und Literatur streitig sei, ob die Aufforderung zur Erklärung über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse und der Beschluss, durch den nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens die für dieses Verfahren bewilligte Prozesskostenhilfe gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO aufgehoben wird, der Partei persönlich oder gemäß § 172 Abs. 1 ZPO deren (früheren) Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssten.

Der BGH (a.a.O., Rz. 23 -25) hat hierzu ausgeführt:

Die Prozesskostenhilfe hängt eng mit dem Hauptsacheverfahren zusammen. Ihre Bewilligung setzt gemäß § 114 ZPO die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung voraus. Außerdem schafft die Prozesskostenhilfe für die bedürftige Partei erst die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür, einen Prozess in der Hauptsache zu führen bzw. sich darin zu verteidigen. Auch wirkt sich eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 ZPO auf die Kostentragungspflicht und damit auf die wirtschaftliche Grundlage der Prozessführung aus. Mit der Aufhebung der Prozesskostenhilfe entfallen für die Partei rückwirkend die Vergünstigungen des § 122 ZPO. Die Staatskasse kann insbesondere die Gerichtskosten und die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Anwalts gegen die Partei geltend machen, auch kann der Rechtsanwalt nunmehr die volle Wahlanwaltsgebühr von der Partei fordern.

Entsprechend besteht ein Interesse der Partei daran, dass das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren in den Händen ihres Prozessbevollmächtigten zusammengeführt und dieser dadurch in die Lage versetzt wird, die Partei über den jeweiligen Stand dieses Verfahrens auf dem Laufenden zu halten und die notwendigen Schritte zu unternehmen.

Diese Interessenlage ändert sich durch den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht. Hat die Partei ihren Prozessbevollmächtigten für das Prozesskostenhilfeverfahren beauftragt, rechnet sie nicht damit, in diesem Verfahren selbst tätig werden zu müssen. Vielmehr geht sie davon aus, dass ihr Prozessbevollmächtigter sie informieren und beraten wird, wenn Handlungsbedarf besteht. Dabei wird sie nicht danach differenzieren, ob das Hauptsacheverfahren bereits beendet ist oder nicht. Dem Interesse der Partei kann der Prozessbevollmächtigte aber nur dann Rechnung tragen, wenn das Gericht ihm auch über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus Kenntnis von der Fortführung des Prozesskostenhilfeverfahrens im Überprüfungsverfahren verschafft.

Daraus ergibt sich, dass eine Beteiligung des/der Prozessbevollmächtigten nicht erst dann erfolgen kann, wenn ein die Prozesskostenhilfe aufhebender Beschluss mangels tätiger Mitwirkung der Prozesspartei ergeht, sondern der/die Prozessbevollmächtigte bereits im Vorfeld die Möglichkeit erhalten soll, dass Verfahren im Sinne seiner Mandantschaft weiter zu betreiben. Der ausdrücklichen Beantwortung der Frage, ob im zu entscheidenden Fall das Verfahren ggf. bereits deshalb an einem Mangel litt, da die Aufforderung nicht an den/die Prozessbevollmächtigten gesandt wurde, bedurfte es durch den BGH nicht, da dort, ebenso wie in den vom BGH in 2011 und vom BAG in 2006 (jeweils a.a.O.) entschiedenen Fällen bereits eine Rechtmittelfrist mangels ordnungsgemäßer Zustellung des Aufhebungsbeschlusses nicht in Gang gesetzt worden war. Die vorangestellte Frage ist aber durch die folgenden Ausführungen des BGH nach Ansicht der Beschwerdekammer insgesamt beantwortet worden, so dass das Zustellerfordernis für die Aufforderung zur Erklärung über die wirtschaftlichen Voraussetzungen ebenfalls an den/die Prozessbevollmächtigten gegeben ist (so jetzt wohl auch Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 120 Rz. 28; § 124 Rz. 23; LSG NRW, Beschl. v. 25.05.2012, L 7 AS 752/12 B, juris). Da sich die Prozessvollmacht des/der Prozessbevollmächtigten auch auf das Überprüfungsverfahren erstreckt, kann er sich dem auch nicht durch eine Mandatsniederlegung entziehen, vielmehr muss er gem. § 48 BRAO entpflichtet werden(LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02. Juni 2010, 1 Ta 99/10, juris).

b) Für diese Auffassung spricht weiterhin der zweite zu berücksichtigende Aspekt, der vorliegend zur Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichtes führt. Zwar hat dies formal wirksam den Beschluss über die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe an die Prozessbevollmächtigte des Klägers zugestellt, die Aufforderungen zur Erklärung über die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse ist aber weder an die richtige Person, noch überhaupt - wie erforderlich - zugestellt worden, so dass eine Erklärungsfrist für den Kläger nicht rechtswirksam in Gang gesetzt worden ist, weshalb die aufgrund Fristversäumung angedrohte Rechtsfolge nicht eintreten kann.

Die Aufforderung zur Erklärung über eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO ist förmlich zuzustellen.

Da das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren auch über das Instanzende hinaus als zur Instanz gehörendes Verfahren anzusehen ist (BHG, Beschl. v. 08.12.2010, a.a.O.), ist auch § 329 ZPO entsprechend anwendbar. Gem. § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO sind nicht verkündete Beschlüsse, die eine Frist in Lauf setzen, zuzustellen. Dies gilt im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren auch für die Aufforderung zur Erklärung über eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO ( ausdrücklich ebenso OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.07.2007, 10 WF 187/07, MDR 2007, 1391; in diesem Sinne wohl auch die oben ausführlich dargestellte Rechtsprechung des BGH). Dies ist vorliegend nicht geschehen, die Aufforderungen sind formlos jeweils an den Kläger direkt erfolgt.

3. Dass die oben aufgestellten Erfordernisse für eine wirksame Fristsetzung keine bloße Förmelei und unnötige Erschwerung des Überprüfungsverfahrens, sondern ganz im Gegenteil eine Verbesserung der Verfahrensgestaltung darstellen, zeigt sich auch im vorliegenden Fall anschaulich, da der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde ausdrücklich vortragen lassen hat, dass ihn das Aufforderungsschreiben des Arbeitsgerichtes weder unter der ehemaligen noch unter der neuen Anschrift erreicht hat. Mangels Zugangsnachweis lässt sich weder dieses Vorbringen widerlegen noch eine konkrete Fristberechnung anstellen. Allein der Umstand, dass das Aufforderungsschreiben, nachdem es an die ermittelte neue Adresse des Klägers gesandt wurde, nicht zurückgesandt worden ist, belegt einen tatsächlichen Zugang bei dem Kläger nicht.

Unter diesen Voraussetzungen wäre es ohnehin angezeigt gewesen, im Hinblick auf die sofortige Beschwerde dem Kläger noch die Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen einzuräumen, da die Voraussetzung für die Aufhebung der Prozesskostenhilfe, nämlich die zuvor erfolgte Aufforderung zur Erklärung über die Veränderung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse gem. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO auch insoweit objektiv nicht vorlag.






LAG Hamm:
Beschluss v. 05.07.2013
Az: 5 Ta 254/13


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