Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 2/99

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2000, Az.: 7 W (pat) 2/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit seinem Beschluss vom 16. Februar 2000, Aktenzeichen 7 W (pat) 2/99, die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 28 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 1998 zugunsten der Anmelderin entschieden. Das Patent wurde mit den Patentansprüchen 1 bis 16 vom 16. Februar 2000 und der Beschreibung und Zeichnungen nach der Offenlegungsschrift erteilt.

Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung von kombinierten Pflastersteinen, Platten und ähnlichen Bauteilen, die aus einer oberen Naturstein-Vorsatzplatte und einer unteren Betontragschicht bestehen. Die Anmeldung wurde am 11. September 1995 eingereicht und basiert auf den Unterlagen der Offenlegungsschrift DE 195 34 592 A1.

Die Prüfungsstelle hatte die Anmeldung zunächst aufgrund des Stands der Technik abgelehnt. Die Anmelderin legte daraufhin neue Ansprüche vor und argumentierte, dass der Stand der Technik dem Fachmann die Lehren der neuen Ansprüche nicht nahelege. Die Prüfungsstelle wies die Anmeldung dennoch zurück. Die Anmelderin legte daraufhin Beschwerde ein und legte in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche vor. Sie beantragte die Aufhebung des Beschusses der Prüfungsstelle und die Erteilung des Patents mit den neuen Patentansprüchen.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass die geltenden Patentansprüche zulässig und neu sind. Zusätzlich konnte das Gericht keine Anzeichen dafür finden, dass das Verfahren und die Vorrichtung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Der Stand der Technik liefere dem Fachmann keine Anregungen für die vorliegende Erfindung.

Die Anmelderin hatte argumentiert, dass der Stand der Technik das Problem der effizienten Herstellung von Verbundplatten aus Naturstein und Beton nicht lösen könne. Das Gericht stellte fest, dass die vorliegende Erfindung dieses Problem löse, indem sie einen Formboden mit einer Aussparung für die Natursteinplatte verwende, bevor der Formboden mit dem Formrahmen verbunden werde.

Daher entschied das Bundespatentgericht, dass die Patentansprüche gewährbar sind. Die weiteren Unteransprüche, die das Verfahren und die Vorrichtung weiter ausgestalten, sind ebenfalls gewährbar.

(Die Inhaltsangabe ist ca. 1/4 der Länge des Originaltextes.)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 16.02.2000, Az: 7 W (pat) 2/99


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 28 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 1998 aufgehoben und das Patent erteilt mit den Patentansprüchen 1 bis 16 vom 16. Februar 2000 und der Beschreibung und Zeichnungen nach der Offenlegungsschrift.

B e z e i c h n u n g : Vorrichtung und Verfahren zur Herstellung kombinierter Pflastersteine, Platten und ähnl. Bauteilen, die in ihrer Gebrauchslage je aus einer oberen Vorsatzplatte bestehen und mit einer unteren Betontragschicht verbunden sind A n m e l d e t a g : 11. September 1995 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 16, eingeg. am 16. Februar 2000, Beschreibung und Figuren 1 bis 4 gemäß Offenlegungsschrift (DE 195 34 592 A1).

Gründe

I Die Patentanmeldung 195 34 592.4-25 ist am 11. September 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

In einem Prüfungsbescheid vom 19. April 1996 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 28 B des Deutschen Patent- und Markenamts zum Stand der Technik die deutschen Patentschriften 33 01 562 (Entgegenhaltung 1), 31 21 292 (2), 17 59 927 (3) und die deutschen Offenlegungsschriften 42 42 026 (4), 44 03 782 (5), 37 30 355 (6) genannt und die Auffassung vertreten, demgegenüber könne die Erteilung eines Patents mangels Beruhens seines Gegenstandes auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht in Aussicht gestellt werden.

Mit dem am 19. November 1996 eingegangenen Schriftsatz hat die Anmelderin neue Ansprüche vorgelegt und geltend gemacht, der aufgezeigte Stand der Technik lege dem Fachmann die Lehren dieser Ansprüche nicht nahe.

Durch Beschluß vom 14. Oktober 1998 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, ihr Gegenstand gemäß den geltenden Ansprüchen beruhe gegenüber dem Stand der Technik nach den og Entgegenhaltungen (1) bis (4) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie legt in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 16 vor und beantragt, den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 28 B aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2000 überreichten Patentansprüchen 1 bis 16 und der Beschreibung und Zeichnungen nach der Offenlegungsschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum maschinellen Herstellen von Verbundplatten aus einer Naturstein-Vorsatzplatte und einer Tragschicht, bei dem die eine Haftvermittlerschicht umfassende Vorsatzplatte aus Naturstein in eine im Formboden ausgebildete Aussparung eingelegt wird, ein Formrahmen und der Formboden zu einer Form lösbar verbunden werden, eine Tragschicht aus Beton oder Kunststoffmörtel in die Form eingebracht und die Form einer Presse mit einem Stempel zugeführt wird."

Der geltende Patentanspruch 7 lautet:

"Vorrichtung zum maschinellen Herstellen von Verbundplatten aus einer eine Haftvermittlerschicht umfassenden Vorsatzplatte aus Naturstein und einer Tragschicht aus Beton oder Kunststoffmörtel, mit einer Form und einer Presse mit einem Stempel, der in die Form einbringbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Form einen Formboden und einen mit dem Formboden lösbar verbindbaren Formrahmen aufweist, wobei der Formboden für jede Vorsatzplatte eine Aussparung aufweist."

Weitere Patentansprüche 2 bis 6 sind auf den Patentanspruch 1, weitere Patentansprüche 8 bis 16 auf den Patentanspruch 7 rückbezogen.

Zum Stand der Technik ist in der Beschreibung der Anmeldung noch die deutsche Offenlegungsschrift 42 12 702 A1 gewürdigt worden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

Der Anmeldungsgegenstand im Umfang der geltenden Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart.

2. Der Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 bzw Anspruch 7 ist neu. In keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist ein Verfahren oder eine Vorrichtung zum Herstellen von Verbundplatten beschrieben, die von einem mit einem Formrahmen lösbar verbindbaren Formboden Gebrauch macht, in dem eine Aussparung für eine Natursteinplatte ausgebildet ist.

3. Der Senat konnte nicht feststellen, daß das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

In den Anmeldungsunterlagen (Offenlegungsschrift Sp 1 Z 11 bis 30) ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung von Verbundplatten aus einer Natursteinplatte und einer Beton-Tragschicht, die mittels eines Haftvermittlers (Zement-Kleber) verbunden werden, als bekannt beschrieben (Offenlegungsschrift DE 42 12 702 A1). Bei diesem Verfahren werden die auf dem Boden ausgelegten Natursteinplatten mittels einer fahrbaren Formmaschine (sog. Mehrlagenfertiger) von einem Formrahmen aufgenommen, sodann auf die Natursteinplatte Beton gefüllt und dieser verdichtet. Anschließend werden die Verbundsteine am Boden abgesetzt. Die bei der Herstellung von massiven (Beton-)Steinen erzielbaren Spareffekte werden - so die Beschreibung - mit dem bekannten Verfahren nicht erreicht.

Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung im wesentlichen darin, ein Verfahren bzw eine Vorrichtung zur Herstellung von Verbundplatten anzugeben, durch die es möglich ist, rechteckige oder quadratische Pflastersteine, Pflasterplatten oder ähnliche Bauteile als Verbundstein in Kombination mit einer dünnen Natursteinplatte rationell zu fertigen (Offenlegungsschrift Sp 1 Z 31 bis 38).

Zur Lösung dieser Aufgabe sind die Verfahrensmerkmale gemäß Anspruch 1 bzw die Vorrichtungsmerkmale gemäß Anspruch 7 geeignet. Der Fachmann, hier ein mit der Herstellung von Betonformlingen befaßter Bauingenieur, erhält zur Gesamtkombination der Merkmale der Ansprüche 1 und 7 aus den zum Stand der Technik genannten Schriften keine Anregungen.

a) Das bekannte, oben schon erwähnte Verfahren zur Herstellung einer Verbundplatte nach der deutschen Offenlegungsschrift 42 12 702 nutzt die Natursteinplatte als Formboden, wobei die Verbindung mit dem Formrahmen durch einen aufblasbaren Druckschlauch hergestellt wird, der in eine Nut an den Innenwänden des Formrahmens eingelegt ist und bei Innendruckerhöhung gegen die Schmalseiten der Natursteinplatte kraftschlüssig und dichtend zur Anlage kommt. Die derart gebildete Form wird auf den Rütteltisch verbracht, mit Beton gefüllt, gerüttelt, und der Beton anschließend verdichtet. Der Formboden verbleibt nach dem Entschalen folglich am hergestellten Erzeugnis. Es liegt hier ein vom Anmeldungsgegenstand gänzlich abweichendes Form-Konzept vor, das den Fachmann nicht zu dem wesentlichen Merkmal des Anspruchs 1 anzuregen vermag, einen mit einem Formrahmen lösbar verbindbaren, eine Aussparung für die Natursteinplatte aufweisenden (und daher wiederverwendbaren) Formboden als Träger der Natursteinplatte zu verwenden.

Das Verfahren zur Herstellung einer Verbundplatte aus Beton und Natursteinwerk nach der deutschen Offenlegungsschrift 42 42 026 verwendet eine einteilige Form. In diese Form wird zuerst die rückwärtig mit einem Haftvermittler bestrichene Natursteinplatte eingelegt, dh auf den Formboden aufgelegt, dann die Betonmischung eingefüllt, verdichtet und gerüttelt, schließlich der Verbundstein entschalt. Aus dieser Schrift ergeben sich für den Fachmann somit keine Hinweise für den Einsatz einer teilbaren Form gemäß Patentanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung.

Ebenfalls eine einteilige Form (Formkasten) nutzt das aus der deutschen Patentschrift 31 21 292 bekannte Verfahren zur Herstellung von Verbundplatten. Die Vorsatzschicht ist aus mehreren Kunst- oder Natursteinplatten unter Belassung von Abstandsfugen gebildet, entsprechend ist der Innenboden der Form mit Stegen zur Freihaltung der Abstandsfugen bzw mit Aussparungen für mehrere Vorsatzplatten versehen. Daraus läßt sich nach Überzeugung des Senats aber nicht ohne weitergehende Überlegungen der anmeldungsgemäße Gedanke herleiten, einen vom Formkasten trennbaren und eine Aussparung enthaltenden Formboden als Träger für eine (zwischenfugenfreie) Vorsatzplatte in Betracht zu ziehen.

Der Fachmann, der nicht nur die Entwicklung der Verbundsteinfertigung, sondern auch die der Betonsteinfertigung im allgemeinen verfolgt, findet in der deutschen Patentschrift 33 01 562 zwar schon aufgezeigt, für die Betonsteinfertigung eine teilbare Form aus einem Formbodenteil und einem Formrahmenteil zu bilden, diese mit Beton zu füllen und einer Presse mit Stempel zuzuleiten, so daß er im Rahmen seiner fachnotorischen Überlegungen veranlaßt ist, die Brauchbarkeit dieser Vorgehensweise auch für die Verbundstein-Herstellung zu prüfen. Die Kombination dieser bekannten Verfahrensweise mit den bekannten, vorstehend gewürdigten Verfahren zur Verbundsteinfertigung gemäß den deutschen Offenlegungsschriften 42 12 702, 42 42 026 und der deutschen Patentschrift 31 21 292, legt ihm nahe, zunächst die Form fertig zu stellen und dann die Verbundsteinmaterialien nacheinander von oben in die Form einzubringen. Ersichtlich führt dies den Fachmann nicht zur vollständigen Lehre des Anspruchs 1, die als wesentliches Merkmal enthält, die Natursteinplatte in eine Aussparung des Formbodens einzulegen, bevor der Formboden mit dem Formrahmen lösbar verbunden wird.

Zu dieser Verfahrensweise können auch die übrigen Entgegenhaltungen keinen Beitrag leisten. Die deutsche Patentschrift 1 759 927 offenbart im Hinblick auf den Anmeldungsgegenstand nicht mehr als der Fachmann schon der gewürdigten deutschen Patentschrift 33 01 562 entnimmt und die weiter ab vom Anmeldungsgegenstand liegenden Inhalte der deutschen Offenlegungsschriften 44 03 782 und 37 30 355, die die Prüfungsstelle ohnehin nur zum Nachweis von Merkmalen in den ursprünglichen Unteransprüchen herangezogen hatte, befassen sich mit der Konstruktion schichtartig aufgebauter Wände (ua Rüttelböden) bzw mit der Ausbildung strukturierter Oberflächen an Betonsteinen.

Nachdem der aufgezeigte Stand der Technik den Fachmann nicht zur Lehre des Anspruchs 1 führen konnte und diese Lehre sich ohne rückschauende Betrachtung in Kenntnis der Erfindung auch nicht ohne weiteres aus dem allgemeinen Fachwissen ergibt, war die Lehre des Anspruchs 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen.

Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.

b) Die erfinderische Bedeutung der Vorrichtung zum maschinellen Herstellen von Verbundplatten nach Anspruch 7 wird durch die im aufgezeigten Stand der Technik nicht nachzuweisende und durch ihn auch nicht nahegelegte Ausbildung des mit dem Formrahmen lösbar verbindbaren Formbodens mit Aussparungen zur Aufnahme der Natursteinplatte getragen.

Auch der geltende Anspruch 7 ist gewährbar.

4. Die das Verfahren nach Patentanspruch 1 weiter ausgestaltenden Patentansprüche 2 bis 6 und die die Vorrichtung nach Patentanspruch 7 weiterbildenden Patentansprüche 8 bis 16 werden von der Patentfähigkeit ihrer übergeordneten Patentansprüche mitgetragen und sind daher ebenfalls gewährbar.

Dr. Schnegg Eberhard Hochmuth Frühauf Cl






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2000
Az: 7 W (pat) 2/99


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