Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 24. Juni 2008
Aktenzeichen: 21 L 1503/07

(VG Köln: Beschluss v. 24.06.2008, Az.: 21 L 1503/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Bundesnetzagentur hat einen Beschluss erlassen, in dem die Antragstellerin zur Vorlage von Zugangsvereinbarungen aufgefordert wurde. Die Antragstellerin hat dagegen Klage erhoben und gleichzeitig beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Köln hat dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Bundesnetzagentur.

Das Gericht hat entschieden, dass der Beschluss der Bundesnetzagentur offensichtlich rechtswidrig ist. Die Bundesnetzagentur hat ihre Rechtsgrundlage nicht richtig angewendet und somit kann die Antragstellerin nicht verpflichtet werden, Zugangsvereinbarungen vorzulegen, die vor dem 25. April 2007 abgeschlossen wurden.

Das Gericht stellt klar, dass die Vorlagepflicht nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) nur für Vereinbarungen gilt, die nach der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung abgeschlossen wurden. Vereinbarungen, die vor der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung abgeschlossen wurden, fallen nicht unter diese Pflicht.

Die Bundesnetzagentur hat argumentiert, dass die Vorlage der Altverträge notwendig ist, um bestimmte Aspekte der Zugangsregulierung zu überprüfen. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Bundesnetzagentur bereits über ausreichende Befugnisse nach dem TKG verfügt, um diese Informationen zu erhalten.

Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Streitwertes basieren auf den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Köln: Beschluss v. 24.06.2008, Az: 21 L 1503/07


Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 21 K 3967/07 gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 18.09.2007 (BK 3b-07/21) wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Aussetzungsantrag hat Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 137 Abs. 1 TKG) des angefochtenen Beschlusses und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Das ergibt sich daraus, dass sich der angegriffene Bescheid bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig erweist.

Die von der Bundesnetzagentur für ihre gegen die Antragstellerin gerichtete Anordnung zur Vorlage von Zugangsvereinbarungen, die vor dem 25. April 2007 abgeschlossen worden sind, in Anspruch genommene Rechtsgrundlage - § 126 Abs. 2 TKG i.V.m. § 22 Abs. 3 TKG - vermag dieses Vorlageverlangen nicht zu stützen, weil die Antragstellerin nach § 22 Abs. 3 TKG nicht verpflichtet ist, der Bundesnetzagentur die bis zum 25. April 2007 abgeschlossenen Zugangsvereinbarungen vorzulegen.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG ist ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, verpflichtet, Vereinbarungen über Zugangsleistungen, an denen er als Anbieter beteiligt ist, unverzüglich nach ihrem Abschluss der Bundesnetzagentur vorzulegen. Zwar ist mit Regulierungsverfügung vom 17. April 2007, die der Antragstellerin am 24. April 2007 zugestellt worden ist, festgestellt worden, dass die Antragstellerin auf dem Markt für die Belieferung von NE4- Clustern € 500 Wohneinheiten mit Rundfunksignalen durch Kabelnetzbetreiber einer vorgelagerten Ebene im Bundesgebiet mit Ausnahme der Gebiete Baden- Württemberg, Hessen und Nordrhein- Westfalen über beträchtliche Marktmacht verfügt. Weiter ist der Antragstellerin insoweit eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt worden. Diese Regulierungsverfügung bleibt nach dem Beschluss der Kammer vom heutigen Tage (21 L 1554/07) auch vollziehbar.

Die Zugangsvereinbarungen, die die Antragstellerin vor der Zustellung dieser Feststellung und vor dem Wirksamwerden der Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG abgeschlossen hat (im Folgenden: „Altverträge"), werden jedoch von der Vorlageverpflichtung nach § 22 Abs. 3 TKG nicht erfasst. Dafür spricht bereits der Umstand, dass nach dieser Bestimmung die Vereinbarungen „unverzüglich nach ihrem Abschluss" vorzulegen sind. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber offenbar nur solche Verträge im Blick hatte, die ein Unternehmen abschließt, das der Vorlageverpflichtung bereits unterfällt, nicht hingegen Verträge, die ein Unternehmen schon vor der Begründung der Vorlageverpflichtung nach § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG abgeschlossen hatte. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber eine Formulierung wählen können, die auch sicherstellt, dass bestehende Verträge unverzüglich nach der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung vorzulegen sind.

Vor allem aber streitet gegen die Erstreckung der Vorlagepflicht nach § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG auf Altverträge der Umstand, dass dem mit „Zugangsvereinbarungen" überschriebenen § 22 TKG ein einheitlicher Begriff der „Zugangsvereinbarungen" zu Grunde zu legen ist. Gemeint sind damit nach Absatz 1 dieser Bestimmung Vereinbarungen, die ein Unternehmen abschließt, dem eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt worden ist, denn erst nach der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung bestehen die Pflicht zur Abgabe eines Angebots nach § 22 Abs. 1 TKG und das Schriftformerfordernis nach § 22 Abs. 2 TKG. Verträge über Zugangsleistungen, die das Unternehmen vor der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG abgeschlossen hat, unterliegen naturgemäß nicht diesem Regime; für sie bestand weder die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots nach § 22 Abs. 1 TKG noch das Schriftformerfordernis nach § 22 Abs. 2 TKG. Es kann deswegen auch nicht angenommen werden, dass sie gleichwohl der Vorlageverpflichtung nach § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG und der in § 22 Abs. 3 Satz 2 TKG vorausgesetzten Veröffentlichungspflicht unterliegen. Mit „Vereinbarungen über Zugangsleistungen" im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG können mithin nur die Vereinbarungen gemeint sein, die von § 22 Abs. 1 TKG erfasst werden. Vereinbarungen, die von einem Unternehmen abgeschlossen wurden, bevor diesem Unternehmen eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt wurde, sind damit auch dann keine „Vereinbarungen über Zugangsleistungen" im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG, wenn ihnen materiell Zugangsleistungen zu Grunde liegen.

Dieses aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 Satz 1 TKG und der Systematik des § 22 TKG gewonnene Ergebnis begegnet auch nicht deswegen durchgreifenden Zweifeln, weil es mit dem Sinn und Zweck der in Abschnitt 2 des Telekommunikationsgesetzes geregelten Zugangsregulierung nicht vereinbar wäre bzw. die vom Gesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 16 ff. TKG intendierte effektive Zugangsregulierung in systemwidriger Weise erschweren würde. Zwar weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass die Vorlage auch der Altverträge notwendig sein kann, um etwa die Einhaltung von Diskriminierungsverboten zu überprüfen und um Ermittlungen im Zusammenhang mit der Überprüfung des Standardangebotes nach § 23 TKG zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Diese Zwecke lassen sich jedoch auch unter Inanspruchnahme der allgemeinen - und weitreichenden - Befugnisse aus § 127 TKG erreichen. Auch nach dieser Bestimmung ist es der Bundesnetzagentur möglich, die entsprechenden Auskünfte von der Antragstellerin zu verlangen und geschäftliche Unterlagen einzusehen und zu prüfen.

Eine Umdeutung der auf § 126 Abs. 2 TKG i.V.m. § 22 Abs. 3 TKG gestützten Verfügung in eine solche nach § 127 Abs. 1 oder Abs. 2 TKG kommt vorliegend allerdings nicht in Betracht. Auskünfte nach § 127 Abs. 1 TKG können nur insoweit verlangt werden als sie für die in § 127 Abs. 1 TKG im Einzelnen genannten Zwecke erforderlich sind. Auch ein Auskunftsbegehren nach § 127 Abs. 2 TKG setzt voraus, dass die verlangten Informationen für die Erfüllung der der Regulierungsbehörde übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Wie sich aus § 127 Abs. 3 TKG ergibt, sind bei einer auf § 127 TKG gestützten Verfügung u.a. die Rechtsgrundlagen und der Zweck des Auskunftsverlangens anzugeben, was eine besondere Begründungspflicht hinsichtlich des mit dem Auskunftsverlangen verbundenen behördlichen Ermittlungsziels bewirkt. Daran fehlt es bei der hier in Rede stehenden Anordnung vom 18. September 2007. Zwar enthält auch diese unter Ziffer 2 c) Ausführungen zur Erforderlichkeit der Vorlage der Altverträge. Diese wird auf Seite 6 des Beschlusses jedoch allein damit begründet, dass es um die Sicherstellung der aus § 22 Abs. 3 TKG folgenden Verpflichtungen gehe. Diese Erwägung ist nach Vorstehendem für ein auf § 127 TKG gestütztes Auskunftsverlangen ersichtlich nicht tragfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs.1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 137 Abs. 3 Satz 1 TKG).






VG Köln:
Beschluss v. 24.06.2008
Az: 21 L 1503/07


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