Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 16. Oktober 2004
Aktenzeichen: 23 W 180/03

(OLG Hamm: Beschluss v. 16.10.2004, Az.: 23 W 180/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss entschieden, dass nach der Änderung der Zivilprozessordnung im Jahr 2002 die weitere sofortige Beschwerde gegen Kostenbeschwerdebeschlüsse in FGG-Sachen vor dem Oberlandesgericht möglich ist. In dem konkreten Fall hatte das Amtsgericht Unna den Antrag des Beteiligten auf Vergütungsfestsetzung abgelehnt, da eine Rahmengebühr gemäß § 19 VIII BRAGO nicht festsetzbar sei, wenn nur die Mindestgebühr angemeldet wird. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht Dortmund ebenfalls zurückgewiesen. Das Landgericht hat jedoch die sofortige weitere Beschwerde zugelassen, da eine grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage bestehe. Die zulässige weitere Beschwerde wurde letztendlich durch das Oberlandesgericht Hamm abgelehnt.

Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass die weitere sofortige Beschwerde nach § 574 I Nr. 2 ZPO gegen Kostenbeschwerdebeschlüsse in FGG-Verfahren zulässig ist. Dabei bleibt das Verfahren der Kostenfestsetzung im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels richtet sich nach den Vorschriften des FGG über die sofortige weitere Beschwerde. Im vorliegenden Fall waren die formellen Voraussetzungen für die weitere Beschwerde erfüllt.

In der Sache hat das Oberlandesgericht entschieden, dass eine Festsetzung einer Rahmengebühr gemäß § 118 I Nr. 1 BRAGO im Verfahren nach § 19 BRAGO nicht möglich ist. Der Anwalt kann die konkrete Höhe der Gebühr (5/10 - 10/10) für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien gemäß § 12 I BRAGO bestimmen. Die Möglichkeiten zur Festsetzung von Rahmengebühren sind jedoch aus dem vereinfachten Festsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO herausgenommen worden.

Eine teleologische Reduktion des § 19 VIII BRAGO wird von dem Oberlandesgericht abgelehnt. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift sind Rahmengebühren grundsätzlich nicht im Festsetzungsverfahren anwendbar. Die Einführung einer teleologischen Korrektur durch die Rechtsprechung wäre nur dann zulässig, wenn die Anwendung des Gesetzes zu unangemessenen und ungerechten Ergebnissen führen würde. Dies ist nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall.

Somit wurde die Festsetzung der vom Beteiligten angemeldeten Rechtsanwaltsvergütung zu Recht abgelehnt. Die Kostenentscheidung folgt aus den entsprechenden Vorschriften.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Beschluss v. 16.10.2004, Az: 23 W 180/03


Nach Änderung der ZPO zum 01.01.2002 ist als Rechtsmittel gegen Kostenbeschwerdebeschlüsse in FGG-Sachen die weitere sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht unter den Voraussetzungen des § 574 I Nr. 2 ZPO eröffnet.

Eine Rahmengebühr gem. § 118 I Nr. 1 BRAGO ist wegen des eindeutigen Wortlauts des § 19 VIII BRAGO auch dann nicht in dem Verfahren nach § 19 BRAGO festsetzbar, wenn nur die Mindestebühr angemeldet wird.

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Gegenstandswert von 150,57 € kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

Gründe :

Das Amtsgericht Unna hat mit Beschluss vom 25.03.2003 den Antrag des Beteiligten zu 1. auf Vergütungsfestsetzung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Festsetzung einer Rahmengebühr gem. § 118 BRAGO im Verfahren nach § 19 BRAGO unzulässig sei. Die gegen diesen Beschluss vom Beteiligen zu 1. eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht Dortmund als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 23.04.2003 zurückgewiesen. Gleichzeitig hat das Landgericht die sofortige weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage sowie des insoweit bestehenden Streits in Rechtsprechung und Literatur zugelassen.

Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig.

Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Zivilprozessordnung zum 01.01.2002 war eine solche weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts wegen der Vorschrift des § 568 III ZPO a.F. unzulässig. Dies wurde mit § 13 a III FGG begründet, der für die Kostenfestsetzung auf die Bestimmungen der ZPO und damit auch auf die Vorschrift des § 568 III ZPO sinngemäß Bezug nahm (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 06.10.1960, VII ZB 14/60, abgedruckt in BGHZ 33, 205,207). Nach der Änderung der Zivilprozessordnung zum 01.01.2002 ist die weitere ZPO-Beschwerde entfallen und statt dessen die Rechtsbeschwerde eingeführt worden. In den neuen Vorschriften über die Rechtsbeschwerde ( §§ 574 ff ZPO ) fehlt aber eine dem § 568 III ZPO a.F. entsprechende Regelung. Hieraus hat die bisher vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung gefolgert, dass nunmehr das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen Kostenbeschwerdebeschlüsse in FGG-Verfahren eröffnet worden ist ( vgl. OLG Frankfurt/Main JurBüro 2002,656; BayObLG Rpfleger 2003,43). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Die Verfahren betreffend die Kostenfestsetzung bleiben ungeachtet der in § 13 a III FGG angeordneten Verweisung dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet. Das hat der BGH bereits in dem oben angeführten Beschluss ausdrücklich festgestellt und ist einhellige Literaturmeinung (vgl. Demharter NZM 2002,233/234 m.w.N.). Nach diesem Grundsatz sind bei gesetzlich angeordneter entsprechender Anwendung von ZPO–Vorschriften die ausdrücklich in Bezug genannten Vorschriften sowie diejenigen anzuwenden, welche die Statthaftigkeit etwaiger Rechtsmittel betreffen. Ein hiernach eröffnetes Rechtsmittelverfahren richtet sich dann als solches nach den Vorschriften des FGG-Verfahrens ( vgl. Demharter NZM 2002,233/235, Kuntze/Winkler-Zimmermann § 13 a FGG Rz.68 a).

Demzufolge hängt die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts gem. § 574 I Nr.2 ZPO davon ab, dass das Beschwerdegericht dieses zugelassen hat. Eine solche Zulassung ist in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich angeordnet worden. Im Übrigen richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach den Vorschriften des FGG über die sofortige weitere Beschwerde, insbesondere hinsichtlich Form (§ 29 FGG) und Frist (§ 22 FGG). Auch diese Voraussetzungen sind hier eingehalten worden. Über die somit zulässige sofortige weitere Beschwerde hat gem. § 28 I FGG das im Hauptsacherechtszug zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Mit Antrag vom 17.01./14.03.2003 hat der Beteiligte zu 1. für seine Tätigkeit im Betreuungsverfahren betreffend den Beteiligten zu 2. die Festsetzung einer 5/10 Prozessgebühr, hilfsweise einer 5/10 Geschäftsgebühr nach § 118 BRAGO beantragt.

Die Vergütung eines im Betreuungsverfahren tätigen Rechtsanwalts bestimmt sich nach § 118 I Nr. 1 BRAGO (vgl. AnwKom-BRAGO-Hembach § 118 Rz. 28). Diese Gebühr ist eine sog. Satzrahmengebühr, deren konkrete Höhe (5/10 – 10/10) der Rechtsanwalt für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der in § 12 I BRAGO genannten Kriterien gegenüber seinem Mandanten gem. § 315 II, III BGB zu bestimmen hat. Wegen dieses dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessensspielraums ist die Festsetzung von Rahmengebühren aus dem vereinfachten Festsetzungsverfahren gem. § 19 BRAGO ausdrücklich herausgenommen worden ( § 19 VIII BRAGO). Aufgrund der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Zielsetzung befürwortet eine im Vordringen befindliche Rechtsprechung sowie ein Teil der Literatur die teleologische Reduktion des § 19 VIII BRAGO dahingehend, dass Rahmengebühren nach § 19 BRAGO dann festgesetzt werden können, sofern der Anwalt sich gegenüber seinem Mandanten verbindlich auf die Mindestgebühr beschränkt hat (OLG Braunschweig FamRZ 97,384; OVG Lüneburg MDR 97,107; OLG Koblenz NJW-RR 01,1655; Gerold/Schmidt- von Eicken § 19 BRAGO Rz. 19; AnwKom-BRAGO–Schneider § 19 Rz. 67 ). Diese Meinung ist bisher vom Senat abgelehnt worden (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 03.08.1972 – 23 W 379/72 – NJW 72,2318(2319); ebenso : KG JurBüro 91,829; LG Osnabrück JurBüro 95,648; Hartmann Kostengesetze § 19 BRAGO Rz. 15; offengelassen vom BGH Rpfl 77, 59/60). An seiner Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

Einer teleologischen Reduktion des § 19 VIII BRAGO steht der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift entgegen, der keinerlei Ausnahmen vorsieht, insbesondere nicht eine solche für Mindestrahmengebühren. Die begrifflich umfassende Unanwendbarkeit der Vergütungsfestsetzung nach § 19 BRAGO bei Rahmengebühren besteht seit In-Kraft-Treten der BRAGO vom 26.07.1957 in unveränderter Form fort. Lediglich im Rahmen des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990 ist die Vorschrift wegen der Neueinführung des § 19 Abs. 3 BRAGO von Abs. 7 in den Abs. 8 verschoben worden (vgl. BGBl.1990 I S.2847,2860). Gerade im Rahmen dieses direkten Zugriffs, bei dem sich der Gesetzgeber auch inhaltlich mit der Materie hat auseinandersetzen müssen (vgl. § 19 III i.V.m. § 116 I BRAGO), wäre aber eine begriffliche Einschränkung des § 19 VIII BRAGO auf Rahmengebühren, die über dem Mindestsatz liegen, zu erwarten gewesen, wenn der Gesetzgeber sie gewollt hätte. Schon dass er sie trotz der damals bereits bekannten Problematik nicht in das Gesetz übernommen hat, steht einer teleologischen Korrektur dieser Vorschrift durch die Rechtsprechung entgegen.

Weiter bleibt zu berücksichtigen, dass dem Anwalt durch die Festsetzungsmöglichkeit nach § 19 BRAGO ein billiges und schnelles Verfahren eröffnet wird, um gegen seinen Mandanten einen Vollstreckungstitel zu bekommen. Von daher stellt das Festsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO eine Ausnahmeregelung dar, die als eine den Mandanten belastende Maßnahme grundsätzlich eng und damit wortgetreu auszulegen ist (vgl. BGH NJW 2003, 2834). Die von der Gegenmeinung angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigen es jedenfalls nicht, entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut die Mindestsätze von Rahmengebühren in das Festsetzungsverfahren einzubeziehen. Eine solche Vorgehensweise wäre allenfalls dann zulässig, wenn die Anwendung des geltenden Rechts zu völlig unangemessenen und ungerechten Ergebnissen führen würde. Hiervon kann aber bei den von der Gegenmeinung angeführten rein prozessökonomischen und fiskalischen Gründen nicht die Rede sein.

Im Übrigen bleibt unklar, wie der Rechtspfleger bei der von der Gegenmeinung befürworteten Auslegung des § 19 VIII BRAGO die "verbindliche" Festlegung des Rechtsanwalts auf die Mindestgebühr überprüfen soll. Denn in dem Verfahren nach § 19 BRAGO reicht der Anwalt nur seinen Festsetzungsantrag ein. Dieser - nur gegenüber dem Gericht abgegebenen - Erklärung lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich der Anwalt auch gegenüber seinem Mandanten (§ 315 III BGB) verbindlich auf die Mindestgebühr festgelegt hat (so allerdings : OLG Koblenz NJW-RR 01,1655/1656). Die Feststellung der von der Gegenmeinung geforderten verbindlichen "Festlegung auf den Mindestsatz" würde somit weiteren Prüfungsaufwand des Rechtspflegers ( Glaubhaftmachung, etc.) erfordern, der im Widerspruch zu dem vereinfachten Festsetzungsverfahren des § 19 BRAGO steht.

Damit ist die Festsetzung der von dem Beteiligten zu 1. angemeldeten Rechtsanwaltsvergütung zu Recht wegen § 19 VIII BRAGO abgelehnt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 a FGG, 131 KostO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Festsetzungsinteresse des Beteiligten zu 1.






OLG Hamm:
Beschluss v. 16.10.2004
Az: 23 W 180/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c534a8b1c089/OLG-Hamm_Beschluss_vom_16-Oktober-2004_Az_23-W-180-03




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