Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 261/02

(BPatG: Beschluss v. 20.04.2006, Az.: 25 W (pat) 261/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 20. April 2006 entschieden, dass die Marke "399 36 832" gelöscht werden muss. Eine andere Marke, "395 31 981", hatte Widerspruch gegen die Eintragung der Marke eingelegt. Das Gericht hat den Beschwerdebeschluss der Markenstelle aufgehoben und den Widerspruch stattgegeben. Die Marken seien verwechselbar und es bestehe Gefahr von Verwechslungen. Die Waren und Dienstleistungen der beiden Marken seien ähnlich oder identisch. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei normal und der Buchstaben-Zahlen-Bestandteil "P2" präge den Gesamteindruck der Marke. Das Gericht verneinte auch die klangliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Eine Kostenauferlegung wurde nicht angeordnet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 20.04.2006, Az: 25 W (pat) 261/02


Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen worden ist.

2. Die Marke 399 36 832 ist wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 31 981 zu löschen.

Gründe

I.

Die Markeb2 ist am 19. November 1999 unter der Nummer 399 36 832 in das Markenregister eingetragen worden und beansprucht nach einer Teillöschung Schutz noch für

"Betriebswirtschaftliche Computer-Software (enterprise resource planning) einschließlich EDV-Programmen, -Programmsystemen, -Programmbibliotheken und Datenbanken; mit betriebswirtschaftlicher Computer-Software versehene maschinenlesbare Datenträger; die vorgenannten Waren soweit in Klasse 9 enthalten; Unternehmensberatung auf dem Gebiet betriebswirtschaftlicher Computerprogramme; Installation von EDV-Software und EDV-Hardware; Schulung auf dem Gebiet der EDV; Entwicklung, Erstellung, Weiterentwicklung und Wartung (Verbesserung und Aktualisierung) von betriebswirtschaftlicher Computer-Software einschließlich EDV-Programmen, -Programmsystemen, -Programmbibliotheken und Datenbanken sowie deren Vermietung oder Überlassung in Form von besonderen Vertragsverhältnissen (lizenzweise Überlassung)".

Die Eintragung wurde am 23. Dezember 1999 veröffentlicht.

Die gemäß Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 19. November 1999 im Laufe des Verfahrens vor der Markenstelle vorgenommene Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, wonach die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistungen der Klassen 37, 41 und 42 auf "Sämtliche vorgenannten Waren/Dienstleistungen für betriebswirtschaftliche Steuerungen und nicht in Bezug zu Netzwerken" eingeschränkt worden waren, ist in der im Markenregister registrierten Fassung nicht (mehr) enthalten.

Gegen die Eintragung hat die Inhaberin der älteren, in den Farben weiß, schwarz, rot vor blauem Hintergrund gehaltenen Marke 395 31 981 Marke 395 31 981 die für

"Elektronische Datenverarbeitungsgeräte und daraus zusammengestellte Anlagen einschließlich der Ein- und Ausgabegeräte; Datenverarbeitungsprogramme in Form von Programmträgern auf optischer, optoelektronischer, elektrostatischer, magnetischer und mechanischer Basis und ähnlichen Speichermedien; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen des Informatikers, nämlich Erarbeitung von Problemlösungen im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung und der Datenverarbeitungsberatung; Programme und Informationsdienste für den Benutzer mittels EDV-Kommunikationssystemen in Form von Bildschirmtexten, Teletext und ähnlichen Medien"

geschützt ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 42 hat mit Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes vom 31. Juli 2002 die Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Trotz möglicher Warenidentität hielten die Marken einen ausreichend großen Abstand zueinander ein. Der Schutzbereich der Widerspruchsmarke sei dabei auf die Eigenprägung beschränkt, da Buchstaben-Zahlen-Kombinationen als Hinweis auf bestimmte Versionen auf dem vorliegenden EDV-Bereich üblich seien. Die gewählte grafische Gestaltung finde in der angegriffenen Marke keine Entsprechung. Auch reiche der klangliche Unterschied in den Vokalen "b" gegenüber "P" aus, zumal die jeweiligen Waren bzw. Dienstleistungen vom Verkehr mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit beachtet würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 31. Juli 2002 dem Widerspruch stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markenstelle billige der Widerspruchsmarke zu unrecht eine geringe Kennzeichnungskraft zu. Dies sei nur gerechtfertigt, wenn ein konkretes Freihaltungsbedürfnis entgegenstehe. Das Markengesetz enthalte eine entsprechende Formulierung im Hinblick auf Buchstaben und Zahlen nicht mehr. Zum einen bestehe die Widerspruchsmarke nicht "ausschließlich" aus diesen Zeichen. Zum anderen spreche eine unmittelbare beschreibende Bedeutung als Größen- oder Typenbezeichnung nicht automatisch gegen die Annahme, es liege kein Hinweis auf einen Hersteller vor, wie im KFZ-Bereich aus Typenbezeichnungen "A-Klasse" oder "S-Klasse" zu erkennen sei. Auch zeigten die von der Markenstelle herangezogenen Typenbezeichnungen, die ohne Zusammenhang mit den Gerätetypen stünden, allenfalls einen rein betriebsinternen Bezug. Vielmehr sei die Buchstaben-Zahlen-Kombination der Widerspruchsmarke unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Die zitierten Entscheidungen des BPatG E 44, 77 - ATM und E 38, 116 - L stünden dem nicht entgegen. Im Übrigen wäre dann auch die angegriffene Marke nicht schutzfähig, weil die herangezogenen Kriterien auch für diese gelten müssten. Die Marken seien in jedem Fall verwechselbar, wobei der Bestandteil "P2" den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke präge. In klanglicher Hinsicht sei der Unterschied in den Konsonanten "b" bzw. "P" nicht wahrnehmbar. Dies gelte insbesondere im Bereich identischer Waren und Dienstleistungen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und regt hilfsweise an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Bei den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke handele es sich um hochwertige Produkte, bei denen eine besondere Aufmerksamkeit der relevanten Verkehrskreise bei der Auswahl und Inanspruchnahme vorausgesetzt werden könne. Schriftbildliche Verwechslungen seien nicht zu befürchten. Dies hätten auch das HABM in einem Parallelverfahren und der 27. Senat des BPatG so beurteilt. Auch klangliche Verwechslungsgefahr sei zu verneinen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei auf dem EDV-Gebiet sehr schwach, da es eine Vielzahl von Kombinationen des Buchstabens "P" mit einer Zahl gebe. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke müsse daher auf den Identitätsbereich beschränkt werden, wie dies auch das HABM so gesehen habe. Die dialektgefärbte Aussprache könne bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr kein Kriterium auf dem vorliegenden Waren- und Dienstleistungsgebiet sein. Im Hinblick auf die "OKV / DKV"- Entscheidung des BGH (GRUR 2002, 1067) reiche der Unterschied von "b" gegenüber "P" aus. Dies gelte erst recht, wenn man den Bildmarkencharakter der Widerspruchsmarke berücksichtige.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalls und vor allem nach der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Ähnlichkeit der Marken sowie nach der Kennzeichnungskraft der älteren Marke vorzunehmen, wobei der Gesamteindruck der Marken eine maßgebliche Rolle spielt (zur st. Rspr. vgl. BGH MarkenR 2002, 332 - DKV / OKV).

Die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen sind bezüglich "Software" gegenüber "Datenverarbeitungsprogramme", "mit Programmen versehene Datenträger" gegenüber "Datenverarbeitungsprogramme in Form von Programmträgern auf ...Basis" und "Entwicklung und Erstellung von Computer-Software" gegenüber "Dienstleistungen des Informatikers ..." identisch und können sich im Übrigen recht ähnlich sein. Die Ähnlichkeit besteht im vorliegenden Fall auch im Verhältnis zwischen Waren und Dienstleistungen, da sich die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke mit Software bzw. mit Programmen versehenen Datenträgern der angegriffenen Marke in der Regel ergänzen und nebeneinander angeboten werden (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl. 2005, S. 355, re. Sp., Stichwort "Datenverarbeitungsprogramme").

Ob es sich bei der Beschränkung der angegriffenen Marke auf "betriebswirtschaftliche Software" um eine tatsächliche warengegenständliche Beschränkung oder doch eher um eine reine Zweckbestimmung handelt, kann offen bleiben. An der Bewertung der Waren-Dienstleistungsähnlichkeit ändert sich auch dann nichts, wenn die oben erwähnte Beschränkung "Sämtliche vorgenannten Waren/Dienstleistungen für betriebswirtschaftliche Steuerungen und nicht in Bezug zu Netzwerken" berücksichtigt wird. Da das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke in diesem Zusammenhang den Oberbegriff "Datenverarbeitungsprogramme in Form von Programmträgern ..." enthält, kann die entsprechende betriebswirtschaftliche Computersoftware der angegriffenen Marke davon umfasst sein. Dies gilt auch insoweit, als die Inhaberin der angegriffenen Marke eine spezielle Enterpriseresourceplanning-Software anbietet, denn eine solche Software ist nicht nur für den Einsatz in großen Unternehmen konzipiert, sondern kann auch in kleineren und mittleren Betrieben zum Einsatz kommen. Ob dieses Programm tatsächlich nur großen Unternehmen angeboten und dort eingesetzt wird, ist im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren unerheblich. In keinem Fall wird durch die Beschränkungen des Waren-Dienstleistungsverzeichnisses der angegriffenen Marke ein ausreichend großer Abstand zum Waren-Dienstleistungsverzeichnis der älteren Marke hergestellt, der zu einer Verringerung der Anforderungen an den markenrechtlichen Abstand führen könnte.

Der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit kommt eine normale Kennzeichnungskraft zu. Soweit für die Verwechslungsgefahr der Bestandteil "P2" heranzuziehen ist, da nach der Erfahrung der Verkehr im Falle einer Wort-Bild-Marke sich des Wortbestandteils als der einfachsten Bezeichnungsart bedient, ist eher nur von einer am unteren Rand liegenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Auch wenn unter Geltung des Warenzeichengesetzes die Eintragung von Buchstaben und Zahlen wegen eines gesetzlich normierten Freihaltungsbedürfnisses nicht möglich war, hat dies nach den Bestimmungen des Markengesetzes keine präjudizielle Wirkung auf die Beurteilung der Kennzeichnungskraft. In diesem Punkt hält der Senat im Gegensatz zur Entscheidung des HABM vom 19. November 2002 eine andere Bewertung der Kennzeichnungskraft des in Frage stehenden Elements der älteren Marke für angemessen, zumal die Widerspruchsabteilung des HABM die "ausgesprochen geringe Kennzeichnungskraft" eher pauschal unter Berufung darauf festgestellt hat, dass "den betroffenen Abnehmerkreisen bei den hier betroffenen technischen Gütern bekannt (sei), dass Buchstaben und Zahlen oft als Typen- oder Serienbezeichnung verwendet werden." Zwar sind auf dem hier zu untersuchenden Waren-Dienstleistungsbereich Kombinationen von Buchstaben und Zahlen zur Kennzeichnung von Programmen oder Prozessoren nicht selten. Die Zitate in "Computer und Informationstechnologie, F.A. Brockhaus 2003", "Lexikon der Kommunikations- und Informationstechnik, 3. Aufl. 2001, Hüttig Verlag Heidelberg" oder "Computer-Lexikon, 7. Aufl. 2003 Microsoft Press" beziehen sich allerdings auf einen bestimmten Anwendungsfall im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Pentium-Prozessoren und erscheinen insoweit nicht geeignet, um die Kennzeichnungskraft des hier zu beurteilenden Bestandteils der älteren Marke entscheidend herabzusetzen.

Vor dem Hintergrund, daß es sich um Produkte handelt, die auch von Durchschnittsverbrauchern eher nicht im Vorbeigehen, sondern nach besonderer Auswahl bestellt und erworben werden, müssen keine strengen Anforderungen mehr an den Abstand der Marken zueinander gestellt werden.

Die farbig eingetragene Widerspruchsmarke besteht aus der Buchstaben-Zahl-Kombination "P2" und Bildelementen in Form eines quer liegenden Rechtecks als Rahmen, eines kleineren quer liegenden Rechtsecks und eines Hakens, der rechts neben "P2" angebracht ist und in das größere Rechteck hineinragt. Den Bildelementen als solchen kommt eher eine untergeordnete Rolle im Gesamteindruck der älteren Marke zu, zumal es sich um einfach gehaltene grafische Elemente handelt, die der üblichen Werbegrafik entnommen sind und hauptsächlich der Hervorhebung von "P2" dienen. Zur Benennung der Marke eignen sie sich kaum. Hierfür kommt nach dem oben erwähnten Erfahrungssatz nur die Buchstaben-Zahl-Kombination "P2" in Frage, denn der Verkehr sucht sich zur Bezeichnung von Wort-Bild-Marken den Wortbestandteil heraus, weil dies die einfachste Form der Benennung darstellt (st. Rspr., vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 434 m. w. N.; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 592 m. w. N.). Insoweit kommt diesem Markenbestandteil eine den Gesamteindruck dominierende Bedeutung mit eigener Kennzeichnungskraft zu (vgl. BGH GRUR 2004, 778 - URLAUB DIREKT), so dass nach den Umständen des Falles mündliche Benennungen der beiden Marken in der Form "b2" bzw. "P2" nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern in entscheidungserheblichem Umfang zu berücksichtigen sind.

Selbst wenn ein größerer Waren-Dienstleistungsabstand und die überwiegende Beteiligung des Fachverkehrs unterstellt würden, was nur geringe Anforderungen an den Abstand der Marken erforderte, besteht die Gefahr klanglicher Verwechslungen zwischen "b2" und "P2". Die allein auf die Klangstärke bezogene Abweichung eines stimmhaften bzw. stimmlosen Lippenlauts reicht zu Unterscheidbarkeit der Marken nicht aus, weil sie in klanglicher Hinsicht auch bei hochdeutscher Aussprache nicht hinreichend zuverlässig zu erfassen ist. In diesem Punkt besteht ein Unterschied zu der von der Inhaberin der angegriffenen Marke genannten "OKV / DKV"-Entscheidung des BGH (GRUR 2002, 1067). Dort hatte der BGH die Gefahr klanglicher Verwechslungen verneint, weil die klangliche Wiedergabe des Bestandteils "DKV" der angegriffenen Marke "De-Ka-Fau" gesprochen werde und sich dadurch ausreichend von der wie "O-Ka-Fau" gesprochenen Widerspruchsmarke absetze. Einen solch deutlichen Unterschied weisen die hier zu beurteilenden Marken nicht auf.

Einen Anlass für die von der Inhaberin der angegriffenen Marke angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat nicht, da es sich hier um die Beurteilung eines Einzelfalls handelt und die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 MarkenG nicht vorliegen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anhaltspunkt, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 20.04.2006
Az: 25 W (pat) 261/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c205411e2170/BPatG_Beschluss_vom_20-April-2006_Az_25-W-pat-261-02




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