ArbG Frankfurt am Main:
Urteil vom 27. August 2008
Aktenzeichen: 2 Ga 115/08

(ArbG Frankfurt am Main: Urteil v. 27.08.2008, Az.: 2 Ga 115/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Gerichtsurteil betrifft einen Streit zwischen einem Arbeitgeberverband (Kläger) und einer Gewerkschaft (Beklagte) bezüglich Unterlassungsansprüchen wegen unlauteren Behinderungswettbewerbs und deliktsrechtlicher Handlungen. Die Gewerkschaft hat Unternehmen der Zeitarbeitsbranche aufgefordert, ein Fairness-Abkommen abzuschließen, das unter anderem die Einhaltung von Tarifverträgen und die Gleichstellung von Leiharbeitnehmern vorsieht. Die Beklagte hat dadurch versucht, Mitgliedsunternehmen des Klägers abzuwerben. Der Kläger hat daraufhin eine einstweilige Verfügung beantragt, die vom Landgericht Frankfurt am Main erlassen wurde. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung jedoch aufgehoben, da der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung habe. Das Gericht hat festgestellt, dass die Gewerkschaft durch die Mitgliederwerbung das Recht auf Betätigungsfreiheit ausübt und der Kläger die Abwerbung hinnehmen muss, solange sie nicht mit unlauteren Mitteln erfolgt oder auf die Existenzvernichtung der Koalition abzielt. Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts nicht auf die Gewerkschaft anwendbar sind, da sie kein "Unternehmen" im Sinne des Gesetzes ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

ArbG Frankfurt am Main: Urteil v. 27.08.2008, Az: 2 Ga 115/08


Tenor

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main € 2-06 O 253/08 € vom 21. Mai 2008 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 80.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um Unterlassungsansprüche des Verfügungsklägers (im Folgenden nur Kläger) gegen die verfügungsbeklagte Gewerkschaft (im Folgenden nur Beklagte) wegen unlauteren Behinderungswettbewerbs und deliktsrechtlicher Handlungen.

Der Kläger ist ein Arbeitgeberverband der Zeitarbeitsbranche. Er ging aus der im Jahr 2005 erfolgten Verschmelzung der ... und der ... hervor.

Satzungszweck des Klägers ist die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Bereich von Personaldienstleistungen. Wegen weiterer Einzelheiten der Satzung wird auf den Auszug Blatt 17 bis 24 der Akten Bezug genommen. Der Kläger schließt als Vereinigung von Arbeitgebern Verbandstarifverträge. Sein Tarifpartner sind die ... Mit der ... hat er mehrere Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche abgeschlossen, die seine Mitgliedsunternehmen den jeweils von ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträgen zugrunde legen.

Der ... und der ... weitere Arbeitgeberverbände der Zeitarbeitsbranche, haben Tarifverträge mit einer aus DGB-Gewerkschaften gebildeten Tarifgemeinschaft abgeschlossen. Dieser Tarifgemeinschaft gehört auch die Beklagte an.

Mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 18. März 2008 wandte sich die Beklagte an in Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen ansässige Mitgliedsunternehmen des Klägers (Bl. 28 d. A.). Überschrieben ist das Schreiben mit "Fairness-Abkommen Leiharbeit mit der ...".

Es lautet:

"Sehr geehrte Damen und Herren, ... die ... will "Gute Arbeit ... mehr vom Leben" für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch für Leiharbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche.

Wir möchten Ihnen heute anbieten, mit uns ein Fairness-Abkommen für die Zeitarbeit abzuschließen, um die Arbeitsbedingungen in der Branche zu regulieren.

Unser Fairness-Abkommen enthält drei Verabredungen:

1.Die Einhaltung der ... Tarifverträge.2.Die Bereitschaft, auf Verlangen des Betriebsrates oder der ... so genannte dreiseitige Vereinbarungen zwischen der ... und/oder Betriebsrat, dem Verleihbetrieb und dem Entleihbetrieb zu schließen, die Leiharbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmerinnen und Stammbeschäftigte im jeweiligen Entleihbetrieb gleichstellt.3.Leiharbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmerinnen es zu ermöglichen, einen eigenen Betriebsrat zu wählen.Die ... Bezirksleitung Frankfurt hat mit den Arbeitgeberverbänden ... und ... Kontakt aufgenommen, um auch auf dieser Ebene eine flächendeckende Regelung zu erreichen.

Das Fairness-Abkommen wird in den Betrieben der Verleih- und Entleihunternehmen umgesetzt. In Zukunft werden wir nur noch mit den Unternehmen zusammenarbeiten, die das Fairness-Abkommen abgeschlossen haben. Dazu setzen wir eine Erklärungsfrist bis 1. Mai 2008."

Den Schreiben war ein zur Unterzeichnung durch die Mitglieder des Klägers vorformuliertes "Fairness-Abkommen" mit den vorgenannten Regelungsgegenständen beigefügt.

Am 9. April 2008 veröffentlichte die Beklagte im Internet unter ... Pressemitteilung Nr. ... Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts dieser Pressemitteilung wird auf Blatt 29 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich die Beklagte erneut an Mitgliedsunternehmen des Klägers. Dieses Schreiben ist überschrieben mit: "Fairness-Abkommen Leiharbeit mit der ... Unser Schreiben vom 18. März 2008 € Anmahnung einer Antwort".

Es lautet:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 18. März 2008 haben wir Ihnen unser Fairness-Abkommen Leiharbeit vorgestellt und Sie aufgefordert, mit uns eine solche Vereinbarung zu treffen. Bis heute haben Sie sich nicht geäußert. Wir möchten Sie hiermit letztmalig auffordern, sich zu erklären.

Unser Fairness-Abkommen enthält drei Verabredungen:

1.Die Einhaltung der ...-Tarifverträge.2.Die Bereitschaft, auf Verlangen des Betriebsrates oder der ... so genannte dreiseitige Vereinbarungen zwischen der ... und/oder Betriebsrat, dem Verleihbetrieb und dem Entleihbetrieb zu schließen, die Leiharbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmerinnen und Stammbeschäftigte im jeweiligen Entleihbetrieb besser stellt als im Flächentarifvertrag geregelt ist.3.Leiharbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmerinnen es zu ermöglichen, einen eigenen Betriebsrat zu wählen.Sollten Sie sich nicht bis zum Freitag, 18. April 2008 bei uns gemeldet haben, werden wir Sie künftig als "unfaires" Leiharbeitsunternehmen einordnen und behandeln."

Am 11. April 2008 veröffentliche die Beklagte eine gemeinsame Pressemitteilung der ... und ... zum Abschluss eines Fairnessabkommens. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 31, 32 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15. April 2008 wandte sich die Firma ... wegen begehrter Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung an die ... (vgl. Bl. 33 bis 35 d. A.).

Des Weiteren hat die Beklagte auf ihrer Internetplattform ... einen Artikel mit dem Titel ... . Dort heißt es unter Bezugnahme auf die vom Kläger mit der ... abgeschlossenen Tarifverträge: "Diese Dumping-Tarife sind Vergelts-Gott-Tarife da sie nicht geeignet sind, dem Arbeitnehmer ein sozial gesichertes Einkommen zu bieten." Dem Artikel folgt die Veröffentlichung einer Liste der Mitglieder des Klägers "damit sich Arbeitnehmer und Betriebsräte in den Entleihunternehmen über die Verbandszugehörigkeit informieren können, bevor sie sich bei einem Zeitarbeitsunternehmen bewerben bzw. einer Zusammenarbeit zustimmen" (vgl. Bl. 36 bis 38 d. A.).

Mit Schreiben vom 30. April 2008, gerichtet an den Vorstand der Beklagten, mahnte der Kläger die Beklagte ab. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts dieses Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird auf Blatt 39 bis 46 der Akten Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2008, der am Folgetag beim Landgericht Frankfurt am Main einging, leitete der Kläger das Verfahren ein.

Er hat beantragt,

1.Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt im geschäftlichen Verkehr Unternehmen der Zeitarbeitsbranche (Personaldienstleister) aufzufordern, ein Abkommen für die Zeitarbeit abzuschließen, das folgende Verpflichtungen enthält:1.Die Einhaltung der ...-Tarifverträge.2.Die Bereitschaft, auf Verlangen des Betriebsrates oder der ... so genannte dreiseitige Vereinbarungen zwischen der ... und/oder Betriebsrat, dem Verleihbetrieb und dem Entleihbetrieb zu schließen, die Leiharbeitnehmer bzw. Lehrarbeitnehmerinnen und Stammbeschäftigte im jeweiligen Entleihbetrieb gleichstellt.3.Leiharbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmerinnen es zu ermöglichen, einen eigenen Betriebsrat zu wählen,und im Zusammenhang mit dieser Aufforderung anzudrohen, dass im Falle des Nichtabschlusses in Zukunft nur noch mit solchen Unternehmen zusammengearbeitet wird, die das Abkommen abgeschlossen haben, und die aufgeforderten Unternehmen, die das Abkommen nicht abgeschlossen haben, künftig als "unfaires" Leiharbeitsunternehmen einzuordnen und zu behandeln.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 21. Mai 2008 die beantragte einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung, ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs an die Beklagte und ohne Begründung erlassen (vgl. Bl. 60 bis 64 d. A.). Der Beschluss wurde dem Kläger am 26. Mai 2008 zugestellt (vgl. Bl. 64 d. A.). Die Zustellung an die Beklagte erfolgt am 29. Mai 2008 (vgl. Bl. 172 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2008, der am Folgetag beim Landgericht Frankfurt am Main einging, erhob die Beklagte Widerspruch (vgl. Bl. 70 ff d. A.). Den darin enthaltene Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (vgl. Bl. 71 d. A.) hat das Landgericht mit Beschluss vom 3. Juni 2008 zurückgewiesen (vgl. Bl. 161 d. A.). Auf die im Widerspruchsschriftsatz außerdem erhobene Rechtswegrüge der Beklagten hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und mit Beschluss vom 25. Juni 2008 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen (vgl. Bl. 219 bis 223 d. A.).

Der Kläger behauptet, die Kampagne der Beklagten habe bereits dazu geführt, dass zahlreiche Vertragsunternehmen seiner Mitglieder Aufträge entzogen hätten und dass seine Mitgliedsunternehmen die Mitgliedschaft gekündigt hätten. Er behauptet, bereits in der Vergangenheit habe die Beklagte erheblichen Druck auf die von ihr beherrschten Betriebsräte ausgeübt mit der Androhung, ihre gemäß § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung für den Fall zu verweigern, dass ein solches Zeitarbeitsunternehmen beauftragt werde, das den Arbeitsverträgen mit seinen Mitarbeitern die vom Kläger abgeschlossenen Tarifverträge zugrunde lege.

Er ist der Auffassung, durch die gezielt gegen ihn gerichtete Kampagne "Gute Arbeit € Gutes Geld" betreibe die Beklagte zu Gunsten der beiden im Wettbewerb mit ihm stehenden Arbeitgeberverbände ... und ... unlauteren Behinderungswettbewerb und greife darüber hinaus widerrechtlich in seine geschäftliche Tätigkeit und seinen Bestand als Arbeitgeber in deliktsrechtlich relevanter Weise ein. Hierdurch verstoße die Beklagte gegen §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG, 823 Abs. 1, 2, 826 iVm 1004 Abs. 1 a BGB analog iVm 240, 22, 23 StGB.

Er beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt,

1.die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main € 2 06 O 253/08 € vom 21. Mai 2008 wird aufgehoben;hilfsweise,

2.der Antragsteller hat binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist Klage zur Hauptsache zu erheben.Sie ist der Auffassung, es gehe um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes und um Fragen der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie um Fragen ihres grundrechtliche garantierten Betätigungsrechts. Sie habe von ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit, die Mittel des Arbeitskampfes im Einzelnen kampftaktisch zu wählen, Gebrauch gemacht. Bei den an die Mitgliedsunternehmen des Klägers gerichteten Schreiben, handele es sich um nichts anderes, als um eine an mögliche Tarifpartner gerichtete Aufforderung zum Abschluss eines Tarifvertrages mit ihr. Es gehe ihr nicht darum, Mitgliedsunternehmen des Klägers zu Gunsten der mit ihr kooperierenden Verbände abzuwerben. Die von ihr gewählten Maßnahmen, seien deutlich milder, als z. B. Streik- oder Boykottmaßnahmen. Ihr Handeln unterfalle nicht dem UWG. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich aus §§ 823 ff BGB iVm 1004 BGB analog nicht, denn es fehle an einem rechtswidrigen Handeln.

Im Übrigen sei mit der einstweiligen Verfügung einem so genannten Globalantrag stattgegeben worden, weil nicht nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern des Klägers unterschieden werde.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. August 2008 (Bl. 259 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die vom Landgericht Frankfurt am Main € 2 06 O 253/08 € mit Beschluss vom 21. Mai 2008 erlassene einstweilige Verfügung war aufzuheben. §§ 936, 925 ZPO. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu.

Den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hat das Landgericht rechtskräftig für zutreffend angesehen.

Der Antrag ist nur zum Teil bestimmt genug. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO soweit aus ihm deutlich wird, dass es der Beklagten untersagt werden soll, gegenüber sämtlichen Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, diese zum Abschluss eines Abkommens für die Zeitarbeit mit dem im Antrag genannten bestimmten Inhalt aufzufordern. Soweit mit dem Antrag die Untersagung gefordert wird, sämtlichen Unternehmen der Zeitarbeit im Falle des Nichtabschlusses gegenüber "anzudrohen" in Zukunft nicht mit ihnen "zusammenzuarbeiten" sowie sie € in diesem Fall € als "unfaires" Leiharbeitsunternehmen "einzuordnen und zu behandeln", ist nicht ersichtlich, welche konkrete Handlung die Beklagte unterlassen soll. Weder wird deutlich, was der Kläger unter der "Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und diesen Unternehmen" verstanden wissen will, noch ist ersichtlich, was unter "Einordnung oder Behandlung" als unfaires Leiharbeitsunternehmen zu verstehen ist.

Der Antrag ist € soweit er hinreichend bestimmt ist € unbegründet. Ein Anspruch des Klägers darauf, dass die Beklagte es unterlässt, die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche (Personaldienstleister) aufzufordern mit ihr ein Abkommen für die Zeitarbeit mit den im Antrag (Ziffer 1. bis 3.) genannten Verpflichtungen abzuschließen, folgt weder aus den Bestimmungen des UWG noch aus der entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG.

Unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten kann es zunächst dahinstehen, ob es sich um einen Globalantrag handelt, weil der Anspruch nicht auf das UWG gestützt werden kann. Die Bestimmungen des UWG sind im Verhältnis der Parteien zueinander nicht anwendbar.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG kann derjenige, der § 3 UWG zuwiderhandelt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Gemäß § 3 UWG sind unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, unzulässig. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist "Wettbewerbshandlung" jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern.

Die Kammer teilt die Zweifel des Bundesarbeitsgerichts, dass eine Gewerkschaft ein "Unternehmen" iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist (vgl. BAG v. 31. Mai 2005 € 1 AZR 141/04 € BAGE 115, 58; nach juris Rz. 25).

Jedenfalls wäre € entgegen dem erklärten Kampagneziel der Beklagten € selbst die Abwerbung von Mitgliedern des Klägers zu Gunsten der mit der Beklagten Tarifverträge abschließenden Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit keine Wettbewerbshandlung im Sinne des UWG. Diese insoweit zu Gunsten des Klägers unterstellte Abwerbung bezweckt nicht den Absatz oder den Bezug von Waren oder Dienstleistungen. Der Umstand, dass eine Vereinsmitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband mit Ansprüchen auf bestimmte Leistungen des Vereins verbunden ist, hat allein noch nicht zur Folge, dass die Mitgliederwerbung eine auf den Absatz dieser Leistung gerichtete (Wettbewerbs-)Handlung wäre. Dies gilt zumindest in den Fällen, in denen die Erbringung der Leistung nicht den Hauptzweck oder gar den alleinigen Zweck der Vereinstätigkeit darstellt. Die unterstellte Mitgliederabwerbung durch die Beklagte zu Gunsten anderer Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit zielte nämlich nicht in erster Linie oder gar ausschließlich auf den Absatz der Dienstleistung "Rechtsschutz" für die Mitgliedsarbeitgeber. Dessen Gewährung ist zwar regelmäßig vom Satzungszweck eines Arbeitgeberverbandes gedeckt. Er ist aber weder Haupt- noch gar alleiniger Zweck eines Arbeitgeberverbandes. Dessen Hauptaufgabe ist es, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen seiner Mitglieder, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen, zu wahren und zu fördern.

Auf die vom Kläger insoweit vertretene Auffassung zu den besonderen Unlauterkeitsumständen kommt es daher nicht an.

Der Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG. Insoweit handelt es sich um einen unbegründeten Globalantrag, weil dem Kläger jedenfalls für Nichtmitglieder ein solcher Anspruch nicht zusteht und er seinen Antrag € trotz der Rüge der Beklagten € insoweit nicht beschränkt hat.

Teilt man die Auffassung im Hinblick auf einen unbegründeten € weil zu weit gefassten Globalantrag € nicht, besteht dennoch kein die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung rechtfertigender Grund.

Zwar kann sich ein Arbeitgeberverband gegen rechtswidrige Eingriffe in seine durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB mit Hilfe von Unterlassungsklagen wehren. Die Mitgliederwerbung eines konkurrierenden Verbandes muss er aber hinnehmen, solange diese nicht mit unlauteren Mitteln erfolgt oder auf die Existenzvernichtung der Koalition gerichtet ist. Gleiches gilt für die € unterstellte € Mitgliederabwerbung durch Dritte, die ebenfalls Koalition ist.

Durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG wird sowohl die Freiheit des Einzelnen, Koalitionen zu bilden, als auch der Bestand, die organisatorische Ausgestaltung und die spezifische Betätigung der Koalitionen geschützt (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 € 1 BvR 779/85 € AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 97; ErfK/Dieterich 8. Aufl. Art. 9 GG Rn. 6 ff mwN). Der Schutz der Koalitionsfreiheit richtet sich gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG auch gegen privatrechtliche Beschränkungen. Auf Grund dieser Vorschrift entfaltet Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG unmittelbare Wirkung in Verhältnissen privater Rechtssubjekte (vgl. BAG v. 20. April 1999 € 1 ABR 72/98 € BAGE 91, 210; 10. Dezember 2002 € 1 AZR 96/02 € BAGE 104, 155). Die Koalition, in deren Betätigungsfreiheit durch ein anderes Privatrechtssubjekt in unzulässiger Weise eingegriffen wird, kann von diesem in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG die Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen (BAG v. 20. April 1999 € 1 AZR 72/98 € aaO). Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG gilt auch im Verhältnis rivalisierender Koalitionen untereinander.

Durch die € unterstellte € Mitgliederabwerbung ist das kollektive Daseins- und Betätigungsrecht anderer, konkurrierender Arbeitgeberverbände betroffen. Sie gefährdet den Mitgliederbestand. Allein daraus folgt jedoch nicht die Unzulässigkeit jeglicher (Ab-)Werbung. Die Mitgliederwerbung der Arbeitgeberverbände ist vielmehr ebenfalls durch die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Betätigungsfreiheit geschützt. Zu dieser gehört gerade auch das Recht einer Koalition, ihre Schlagkraft durch Maßnahmen mit dem Ziel der Mitgliedererhaltung und der Mitgliederwerbung zu stärken (vgl. BAG 11. November 1968 € 1 AZR 16/68 € BAGE 21, 201, zu 4 der Gründe). Damit führt die € unterstellte € Mitgliederwerbung zu einer Kollision der Grundrechte der bei der Mitgliederwerbung und Mitgliedererhaltung konkurrierenden Koalitionen. Dem Abwehrrecht des Klägers aus Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG steht das Betätigungsrecht der Beklagten und der konkurrierenden Arbeitgeberverbände aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gegenüber.

Die Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechte muss im Wege der praktischen Konkordanz zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen hergestellt werden (BAG v. 31. Mai 2005 € 1 AZR 141/04 € a. a. O.; v. 25. Januar 2005 € 1 AZR 657/03 € AP GG Art. 9 Nr. 123). Dabei ist der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Koalitionspluralismus von Bedeutung (BAG GS v. 29. November 1967 € GS 1/67 € BAGE 20, 175; v. 11. November 1968 € 1 AZR 16/68 € BAGE 21, 201). Zu ihm gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten und wechselseitig um Mitglieder werben können. Daher hat ein Arbeitgeberverband € ebenso wie eine Gewerkschaft € grundsätzlich die mit der Mitgliederwerbung eines konkurrierenden Verbandes bzw. einer Gewerkschaft verbundene Gefährdung seines bzw. ihres Mitgliederbestands hinzunehmen. Andernfalls würde ein einmal erreichter Status quo als unveränderlich zementiert und die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit der Bildung auch neuer Koalitionen gravierend erschwert.

Die Freiheit der Mitgliederwerbung ist allerdings, ebenso wie die Betätigungsfreiheit der Koalitionen überhaupt, nicht schrankenlos (BAG 25. Januar 2005 € 1 AZR 657/03 € AP GG Art. 9 Nr. 123). Ihre Grenzen liegen dort, wo sie mit unlauteren Mitteln erfolgt oder auf die Existenzvernichtung der konkurrierenden Koalition gerichtet ist. Unlauter sind insbesondere Werbemaßnahmen, die auf Unwahrheiten beruhen, beleidigend oder hetzerisch sind oder unsachliche, in keinerlei Zusammenhang mit der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen stehende Angriffe gegenüber Konkurrenzorganisationen zum Inhalt haben. Auch darf die Mitgliederwerbung nicht auf die Vernichtung einer anderen Koalition angelegt sein (BAG v. 14. Februar 1967 € 1 AZR 494/65 € BAGE 19, 217). Für eine derartige Zielsetzung gibt es jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Existenz des Klägers objektiv gefährdet wäre. Seinen tatsächlichen Vortrag, die Kampagne der Beklagten habe bereits dazu geführt, dass seine Mitgliedsunternehmen die Mitgliedschaft gekündigt hätten, hat er trotz Bestreitens nicht glaubhaft gemacht.

Letztlich übersieht der Kläger bei seiner Argumentation nach Auffassung der Kammer insgesamt, dass jeder einzelne Arbeitgeber Tarifvertragspartei sein kann, " 2 Abs. 1 TVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO, 17 b GVG; der Kläger ist die im Verfahren unterlegene Partei.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Der festgesetzte Wert entspricht dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse der Parteien an der Entscheidung unter Berücksichtigung ihrer Vorläufigkeit.






ArbG Frankfurt am Main:
Urteil v. 27.08.2008
Az: 2 Ga 115/08


Link zum Urteil:
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