Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. März 2013
Aktenzeichen: VII ZB 13/12

(BGH: Beschluss v. 21.03.2013, Az.: VII ZB 13/12)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dem vorliegenden Fall geht es um einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. März 2013 mit dem Aktenzeichen VII ZB 13/12. In dem Verfahren wendet sich der Beklagte gegen die Kostenfestsetzung, die ihm im Zusammenhang mit einem Berufungsverfahren auferlegt wurde, in dem er sich selbst als Rechtsanwalt vertrat. Das Berufungsgericht hatte die Berufung des Beklagten verworfen und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Landgericht hat daraufhin die von der Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten festgesetzt. Der Beklagte hält den Kostenfestsetzungsbeschluss für rechtswidrig, da die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses erst nach dem Entzug seiner Anwaltszulassung erfolgt sei. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass mangels wirksamer Zustellung des Verwerfungsbeschlusses der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts keine Wirkungen entfaltet. Der Beschluss des Beschwerdegerichts und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts werden daher aufgehoben. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 21.03.2013, Az: VII ZB 13/12


Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Januar 2012 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12. September 2011 aufgehoben.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich gegen die zu Gunsten der Klägerin erfolgte Festsetzung von Prozesskosten, die in einem Berufungsverfahren angefallen sind, in dem der Beklagte sich selbst als damals noch zugelassener Rechtsanwalt vertreten hatte.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 14. April 2011 die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts verworfen und ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 12. September 2011 die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten des genannten Berufungsverfahrens auf 730,60 € festgesetzt. 1 Der Beklagte hält den Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses für rechtswidrig, weil die am 15. April 2011 erfolgte Zustellung des Verwerfungsbeschlusses erst nach dem Entzug seiner Anwaltszulassung erfolgt sei. Der Verwerfungsbeschluss sei deshalb unwirksam, so dass die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss fehle.

Dem liegt zugrunde, dass die zuständige Rechtsanwaltskammer die Zulassung des Beklagten zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 widerrufen hatte. Der Anwaltsgerichtshof hat den dagegen gerichteten Antrag des Beklagten auf gerichtliche Entscheidung im zweiten Halbjahr 2009 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des hiesigen Beklagten ist vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Februar 2011 zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss ist am 7. Februar 2011 in Abwesenheit des Beklagten verkündet, diesem aber erst am 15. April 2011 zugestellt worden.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Aufhebung des genannten Beschlusses weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die im Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. April 2011 enthaltene Kostengrundentscheidung stelle 3 einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel im Sinne von § 103 Abs. 1 ZPO dar. Dies gelte unabhängig davon, ob der genannte Beschluss wegen des vom Beklagten vorgetragenen Verlusts der Anwaltszulassung im Hinblick auf § 244 Abs. 1, § 249 Abs. 2 ZPO hätte ergehen dürfen. Selbst wenn man der Rechtsauffassung des Beklagten folge, wäre der Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts nicht nichtig, sondern nur mit den allgemeinen Rechtsmitteln anfechtbar.

Allerdings läge kein für die Zwangsvollstreckung geeigneter Titel im Sinne von § 103 Abs. 1 ZPO vor, wenn die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses, der die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss sei, unwirksam gewesen wäre, weil der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung die Zulassung als Anwalt verloren gehabt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2011, mit dem dessen sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs zurückgewiesen worden sei, noch nicht mit dessen Verkündung am 7. Februar 2011, sondern erst mit der Zustellung an den Beklagten am 15. April 2011 rechtskräftig geworden (Tagesablauf). Die Bestandskraft der Entscheidung der Rechtsanwaltskammer vom 14. Dezember 2006, mit der die Zulassung des Beklagten zur Rechtsanwaltschaft widerrufen worden sei, sei somit erst mit Wirkung ab 16. April 2011 eingetreten. Auch wenn der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2011 mit dessen Verkündung wirksam geworden und nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar gewesen sei, habe dessen Rechtskraft erst mit der Bekanntgabe an den Beklagten, d.h. mit der Zustellung, eintreten können. Die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts am 15. April 2011 sei folglich noch wirksam gewesen.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mangels wirksamer Zustellung des vom Berufungsgericht erlassenen Verwerfungsbeschlusses entfaltet der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts keine Wirkungen.

a) Grundlage der Kostenfestsetzung ist ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel (§ 103 Abs. 1 ZPO). Der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 - X ZB 36/07, NJW-RR 2008, 1082 Rn. 5 m.w.N.). Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist deshalb sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestandes von der Kostengrundentscheidung abhängig. Wird sie aufgehoben oder abgeändert, verliert ein auf ihrer Grundlage erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Aufhebung oder Abänderung seine Wirkung. Nichts anderes gilt, wenn der die Kostengrundentscheidung enthaltende Titel mangels wirksamer Zustellung nicht zur Zwangsvollstreckung geeignet ist und es damit an einer notwendigen Voraussetzung für einen Kostenfestsetzungsbeschluss fehlt. Die Akzessorietät bewirkt in einem solchen Fall, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss von Beginn an keine rechtlichen Wirkungen entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 - X ZB 36/07, NJW-RR 2008, 1082 Rn. 5 m.w.N.; BAG, NJW 1963, 1027, 1028). Aus Gründen der Rechtsklarheit ist er aufzuheben.

b) So liegt der Fall hier. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 12. September 2011 entfaltet nach diesen Maßstäben keine rechtlichen Wirkungen. Die am 15. April 2011 erfolgte Zustellung des Verwerfungsbeschlusses ist unwirksam, weil das Berufungsverfahren zu diesem Zeitpunkt unterbrochen war (§§ 244, 249 ZPO).

aa) Der - nicht verkündete - Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts war zuzustellen, weil durch ihn die Frist für die Rechtsbeschwerde in Lauf gesetzt wurde (§ 525 Satz 1 ZPO, § 329 Abs. 2 Satz 2, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

bb) Während der Unterbrechung eines Verfahrens sind, wie § 249 ZPO zu entnehmen ist, Zustellungen seitens des Gerichts grundsätzlich unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107 m.w.N.; Urteil vom 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107). Im Anwaltsprozess tritt nach § 244 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens ein, wenn der Rechtsanwalt einer Partei unfähig wird, die Vertretung der Partei fortzuführen (BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 106). Das ist unter anderem der Fall bei bestandskräftigem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 244 Rn. 8 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch bei Eigenvertretung des Rechtsanwalts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 244 Rn. 8 m.w.N.).

cc) Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts unwirksam. Denn der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2011, mit dem die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs zurückgewiesen worden ist, wurde mit der Verkündung am 7. Februar 2011 rechtskräftig, ohne dass es noch der Zustellung bedurfte.

(1) Im Ansatz zutreffend und von den Parteien unbeanstandet geht das Beschwerdegericht davon aus, dass sich das gerichtliche Verfahren betreffend den genannten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2011 nach bisherigem Verfahrensrecht (§ 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 BRAO a.F.) richtet 13

(vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2011 - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 2), wobei gemäß § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sinngemäß gelten.

(2) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich mit der Bekanntmachung, bei befristeter Anfechtungsmöglichkeit mit der Zustellung wirksam, § 16 FGG (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), NJW 1955, 503, 504, insoweit in BGHZ 16, 159 nicht abgedruckt). Unanfechtbare Entscheidungen werden im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit indes unbeschadet des § 16 FGG bereits mit ihrem Erlass rechtskräftig, ohne dass es noch der Zustellung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), aaO m.w.N.; KG, RzW 1967, 116 f.; Keidel/Zimmermann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 31 Rn. 1). Für den Erlass ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung der Außenwelt kundgegeben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), aaO). Dies kann auch der Zeitpunkt der Verkündung sein, wobei unerheblich ist, ob nur die Entscheidungsformel verkündet wird oder ob auch die Entscheidungsgründe verkündet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), aaO; KG, RzW 1967, 116 f.). Das Fehlen einer Begründung macht die Verkündung nicht unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), aaO).

Die vorstehenden Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu den Ausführungen in dem von der Beschwerdeerwiderung herangezogenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1990 - AnwZ (B) 18/90, juris Rn. 5. In diesem Beschluss ging es im Zusammenhang mit der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Beschluss des Ehrengerichtshofs um die anders gelagerte Frage, ob ein bei diesem Gerichtshof anhängiges Verfahren vor In-Kraft-Treten der maßgeblichen Fassung des § 223 BRAO a.F. am 17 20. Dezember 1989 abgeschlossen war, was nicht der Fall war, weil der betreffende Beschluss an dem genannten Stichtag noch nicht einmal erlassen, geschweige denn zugestellt war.

(3) Entsprechend den genannten Grundsätzen gemäß dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 1955 - V ZB 39/54 (BoR), NJW 1955, 503, 504 war der Beklagte seit der Verkündung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs am 7. Februar 2011 rechtlich gehindert, die Eigenvertretung in dem Berufungsverfahren des Ausgangsrechtsstreits fortzuführen. Dieser Beschluss ist mit der Verkündung erlassen, und mit dem Erlass am 7. Februar 2011 rechtskräftig geworden; damit ist der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bestandskräftig geworden. Die Möglichkeit, gegen den Beschluss vom 7. Februar 2011 Anhörungsrüge zu erheben (vgl. § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. i.V.m. § 29a FGG), ändert an dem Eintritt der Rechtskraft mit Erlass des genannten Beschlusses des Bundesgerichtshofs am 7. Februar 2011 nichts (vgl. Briesemeister in Jansen, FGG, 3. Aufl., § 29a Rn. 2).

dd) Dass der Mangel der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses nach § 189 ZPO geheilt worden sein könnte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Eine Heilung ist nicht dadurch eingetreten, dass der - anwaltlich nicht mehr vertretene - Beklagte den Verwerfungsbeschluss am 15. April 2011 erhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 22/10, NJW-RR 2011, 997 Rn. 17). Dass die Voraussetzungen für eine Zustellung an die Partei nach § 244 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgelegen hätten, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

III.

Der Beschluss des Beschwerdegerichts kann somit nicht bestehen bleiben. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Danach sind der Beschluss des Beschwerdegerichts vom 9. Januar 2012 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12. September 2011 aufzuheben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Kniffka Safari Chabestari Eick Kosziol Kartzke Vorinstanzen:

LG München II, Entscheidung vom 12.09.2011 - 11 O 5163/00 -

OLG München, Entscheidung vom 09.01.2012 - 11 W 2036/11 - 21






BGH:
Beschluss v. 21.03.2013
Az: VII ZB 13/12


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