Landgericht Mannheim:
Beschluss vom 21. September 2007
Aktenzeichen: 1 T 61/07

(LG Mannheim: Beschluss v. 21.09.2007, Az.: 1 T 61/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Ein Rechtsanwalt erklärte seinem Mandanten den Inhalt der Gerichtsentscheidung vom 21. September 2007, Aktenzeichen 1 T 61/07 des Landgerichts Mannheim. Die Klägerin hatte Klage am Amtsgericht Klage erhoben, obwohl ihr allgemeiner Gerichtsstand weiter entfernt war. Sie hatte einen Hauptbevollmächtigten beauftragt, der jedoch in einer noch weiter entfernten Stadt ansässig war. Die Kosten für diesen Hauptbevollmächtigten sollen nun von der Gegenseite erstattet werden. Das Gericht entschied, dass die Kosten des Unterbevollmächtigten, der in der Nähe des Gerichts ansässig war, erstattet werden können, wenn sie nicht wesentlich höher waren als die Reisekosten, die bei einer Anreise des Hauptbevollmächtigten angefallen wären. In diesem Fall gab es besondere Gründe für die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten, da die Klägerin bereits seit über 20 Jahren von ihm vertreten wurde aufgrund der schwerwiegenden Folgen eines Verkehrsunfalls. Der Hauptbevollmächtigte berechnete und forderte jährlich den materiellen Schaden aus dem Unfall gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers ein. Die Kostenentscheidung des Gerichts besagt, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten hat, abzüglich einer Verringerung der Verhandlungsgebühr des Hauptbevollmächtigten. Die notwendigen Kosten für die Entscheidung werden von der Gegenseite getragen. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen und der Streitwert des Verfahrens beträgt 412,69 Euro. Seine Zusammenfassung lässt sich in drei Hauptabsätzen gliedern.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Mannheim: Beschluss v. 21.09.2007, Az: 1 T 61/07


1. Eine Partei, die nicht an ihrem allgemeinen Gerichtsstand, sondern am 25 Kilometer entfernten Amtsgericht Klage erhebt, kann die Kosten ihres Unterbevollmächtigten ausnahmsweise auch dann ersetzt verlangen, wenn sie einen Hauptbevollmächtigten beauftragt, der in einer Entfernung von 180 Kilometer zum Gericht residiert, dessen ersparte Reisekosten die Kosten der Unterbevollmächtigung annähern erreichen und besondere Gründe die Beauftragung dieses Rechtsanwalts geboten erscheinen lassen.

2. Solche besonderen Gründe liegen vor, wenn eine Partei Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen eine Kosmetikerin wegen einer unsachgemäß durchgeführten Behandlung geltend macht, die wegen einer dauerhaften Entstellung durch einen 30 Jahre zurück liegenden Verkehrsunfall erforderlich ist, wegen dem sie ständig von ihrem Hauptbevollmächtigten vertreten wird, der alle Jahre den jeweils neu entstandenen materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers berechnet und einfordert.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 18.05.2007 - 15 C 86/05 - dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 14.12.2006 der Klägerin zu erstattenden Kosten EUR 3.399,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2007 betragen, wovon EUR 233,20 auf Umsatzsteuer entfallen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 412,69 festgesetzt.

Gründe

I.

Die in Heidelberg wohnhafte Klägerin erstritt vor dem Amtsgericht Mannheim ein mittlerweile rechtskräftiges Urteil, in welchem der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Mit ihrer Vertretung hatte sie einen in Würzburg residierenden Rechtsanwalt beauftragt, der mit der Wahrnehmung von drei Terminen einen in Mannheim ansässigen Rechtsanwalt als Unterbevollmächtigten befasste.

Mit Schriftsatz vom 14.03.2007 hat der Klägervertreter die Festsetzung von EUR 3.472,65 beantragt, darunter EUR 1.826,50 angeblich verauslagter Gerichtskosten, EUR 896,10 an Kosten für den Hauptbevollmächtigten und EUR 686,45 für den Unterbevollmächtigten sowie EUR 63,60 an Reisekosten der Klägerin. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.05.2007 hat das Amtsgericht die zu erstattenden Kosten auf EUR 3.040,06 nebst Zinsen festgesetzt. In diesem Betrag sind verauslagte Gerichtskosten in Höhe von EUR 1.817,20, Auslagen der Klägerin für die notwendige Teilnahme an Terminen in Höhe von EUR 53,- sowie eigene Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.169,86 enthalten. Das Amtsgericht hält die Kosten des Unterbevollmächtigten nur insoweit für erstattungsfähig, als sie den fiktiven Kosten entsprechen, die einem Hauptbevollmächtigten aus Heidelberg zusätzlich entstanden wären, wenn er die Termine wahrgenommen hätte.

Die Klägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen, dass der Antrag auf Festsetzung der Kosten des Unterbevollmächtigten in Höhe von EUR 412,69 zurückgewiesen wurde.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten sind erstattungsfähig, wenn sie die fiktiven Reisekosten nicht wesentlich übersteigen, die angefallen und erstattungsfähig wären, wenn der Hauptbevollmächtigte selbst den Termin wahrgenommen hätte (siehe BGH NJW-RR 2005, 707ff). Dies ist hier der Fall.

Bei der Berechnung der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten berücksichtigt das Amtsgericht die Anreise zu drei Terminen nur insoweit, als sie bei einer Anreise aus Heidelberg, dem Wohnort der Klägerin, entstanden wären. Im vorliegenden Fall liegen jedoch besondere Gründe vor, die die Beauftragung des in Würzburg residierenden Hauptbevollmächtigten erforderlich machten.

Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 I 1 ZPO). Dementsprechend sind Reisekosten zur Terminswahrnehmung eines Prozessbevollmächtigten, der weder bei dem Prozessgericht zugelassen noch am Gerichtsort ansässig ist, insoweit zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 II 1 Halbs. 2 ZPO). Ob diese Notwendigkeit gegeben war, bemisst sich danach, was eine vernünftige und kostenorientierte Partei als sachdienlich ansehen durfte (BGH NJW-RR 2004, 858f). Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass eine Partei grundsätzlich einen Rechtsanwalt beauftragen darf, der an ihrem Wohnort oder Geschäftssitz residiert, und nicht verpflichtet ist, einen Rechtsanwalt am Sitz des Gerichts zu beauftragen. Beauftragt sie einen an einem dritten Ort tätigen Anwalt ihres Vertrauens, so sind dessen Reisekosten jedenfalls dann notwendig, wenn sie geringer sind als diejenigen, die bei einem am Wohnort oder Geschäftssitz der Partei wirkenden wären (BGH a.a.O; NJW-RR 2005, 707, 708).

Der I. Zivilsenat des BGH hat mit Beschluss vom 12. 12. 2002 (NJW 2003, 901) entschieden, dass die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar bei dem Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, grundsätzlich nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden kann, wenn die Partei in ihrem eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird. Dieser Rechtsprechung hat sich der VII. Zivilsenat (in NJW-RR 2007, 1071, 1072) angeschlossen. Eine vernünftige, kostenbewusste Partei, die Klage im eigenen Gerichtsstand erheben möchte, wird, wenn nicht besondere Umstände die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beauftragen, der entweder seine Kanzlei in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts oder am Gerichtsort selbst hat. Die Beauftragung eines solchen Rechtsanwalts empfiehlt sich in aller Regel nicht nur wegen der geringeren Kosten, sondern auch im Hinblick auf die erleichterte persönliche Unterrichtung und Beratung (a.a.O.). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar, bei dem die Klägerin zwar nicht an ihrem allgemeinen Gerichtsstand Klage erhoben hat, aber am 25 Kilometer entfernten benachbarten Amtsgericht.

Besondere Gegebenheiten, die ausnahmsweise die Einschaltung des beauftragten auswärtigen Rechtsanwalts erforderlich machen, liegen nicht allein in der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit der Klägerin mit dem eingeschalteten Rechtsanwalt. Dass sie den Anwalt ihres Vertrauens bereits vorgerichtlich mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatte, gibt ebenfalls keinen Grund, die durch seine Prozessvertretung entstandenen Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten anzusehen. Zwar ist es im Allgemeinen für die Partei kostengünstiger, den von ihr vorgerichtlich eingeschalteten Rechtsanwalt auch mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Für die Frage der Notwendigkeit, einen auswärtigen Rechtsanwalt einzuschalten, ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich die Frage stellt, welcher Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung mandatiert werden soll, sondern auf den der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Partei. Insoweit wird eine vernünftige und kostenorientierte Partei in der Regel einen in ihrer Nähe oder am Gerichtsort tätigen Rechtsanwalt einschalten (BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall wird die Klägerin jedoch seit über 20 Jahren wegen der schwerwiegenden Folgen eines Verkehrsunfalls, die Ursache der streitgegenständlichen kosmetischen Behandlung sind, von ihrem Hauptbevollmächtigten ständig vertreten. Dieser macht alljährlich den materiellen Schaden gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers geltend. Im Zuge des erteilten Mandates war nicht nur zu prüfen, ob die Ansprüche wegen der Fehlbehandlung gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners oder gegenüber der beklagten Kosmetikerin verfolgt werden sollen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes musste die Leidensgeschichte der Klägerin in vergangenen 20 Jahren ebenfalls berücksichtigt werden, die dem Hauptbevollmächtigten bekannt war. Bei diesem umfangreichen Wissensvorsprung des Hauptbevollmächtigten in Verbindung mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit über Jahrzehnte hinweg bei der Verfolgung von Ansprüchen wegen gravierender Dauerschäden aus einem Verkehrsunfall durfte auch eine vernünftige und kostenorientierte Partei dessen Beauftragung als sachdienlich ansehen.

2. Die fiktiven Reiskosten des Hauptbevollmächtigten, die ohne Einschaltung des Unterbevollmächtigten entstanden wären, betragen EUR 384,60. Dabei sind gemäß dem hier maßgebenden § 28 BRAGO die vom Beschwerdegericht ermittelten 180 Entfernungskilometer (x 2 x EUR 0,27) mit EUR 97,20 zu berücksichtigen, sowie ein fiktives Abwesenheitsgeld von EUR 31,-. Bei drei wahrzunehmenden Terminen ergeben sich fiktive Reisekosten von (EUR 128,20 x 3) netto EUR 384,60.

Da der Klägerin somit die Reisekosten ihres Hauptbevollmächtigten, die bei einer Wahrnehmung des Verhandlungstermins beim Prozessgericht durch diesen nach § 28 BRAGO entstanden wären, zu erstatten gewesen wären, kann sie Ersatz der Kosten für den stattdessen mit der Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten insoweit beanspruchen, als diese Kosten abzüglich der mit der Vertretung durch den Unterbevollmächtigten in der Verhandlung verbundenen Verringerung der Verhandlungsgebühr des Hauptbevollmächtigten (§ 33 Abs. 3 BRAGO) die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen. Eine geringfügige Überschreitung der ersparten Reisekosten steht der Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten nicht entgegen (BGH NJW 2003, 898ff). Diese Überschreitung beträgt hier ca. 10 % und bleibt deshalb außer Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2007, 1071f.) hat entschieden, dass in Ausnahmefällen auch die Mehrkosten erstattungsfähig sein können, die durch Einschaltung eines auswärtigen nicht am Wohnort der Partei residierenden Rechtsanwaltes entstehen. Die Annahme eines solchen Ausnahmefalls beruht auf den konkreten Besonderheiten des vorliegenden Falls und hat deshalb weder grundsätzliche Bedeutung, noch kann er zur Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.






LG Mannheim:
Beschluss v. 21.09.2007
Az: 1 T 61/07


Link zum Urteil:
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