Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 23/05

(BPatG: Beschluss v. 05.04.2006, Az.: 26 W (pat) 23/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 5. April 2006 entschieden, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle zurückgewiesen wird. Die Markenstelle hatte die Anmeldung der Wortmarke "KÜHLFRISCH" für verschiedene Waren der Klassen 29, 30 und 32 zurückgewiesen, da die angemeldete Marke jeglicher Unterscheidungskraft entbehre und freihaltebedürftig sei. Das Bundespatentgericht hat die Entscheidung der Markenstelle bestätigt und erklärt, dass die angemeldete Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren aufweist. Die Wortkombination "KÜHLFRISCH" bestehe aus zwei deutschen Wörtern, die sich ausschließlich in der Beschreibung der Eigenschaften der Waren erschöpfen. Sie könne auf verschiedene Arten verstanden werden, die alle auf die Frische der Waren hinweisen, jedoch keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren bieten. Zudem sei das Wort bereits von Konkurrenten beschreibend verwendet worden. Die genannten eingetragenen Marken seien nicht vergleichbar und würden keinen Eintragungsanspruch für die angemeldete Marke begründen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 05.04.2006, Az: 26 W (pat) 23/05


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 22. November 2004 die Anmeldung der Wortmarke KÜHLFRISCH für Waren der Klasse 29:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten; Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

Klasse 30:

Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

Klasse 32:

Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränkengemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die angemeldete Wortfolge für die in Anspruch genommenen Waren jeglicher Unterscheidungskraft entbehre und zudem freihaltebedürftig sei. Der angemeldeten Marke werde vom Verkehr zwanglos eine beschreibende Bedeutung zugeordnet. Die aus den Begriffen "KÜHL" und "FRISCH" zusammengesetzte Bezeichnung sei in dieser Form als Wort zwar nicht lexikalisch nachweisbar. Jedoch mache der Umstand, dass eine Marke eine neue Wortkombination darstelle, sie nicht zwangsläufig unterscheidungskräftig. Der Verkehr sei daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich einprägsam vermittelt werden sollten. Auch unbekannte Wortkombinationen könnten daher als Sachaussage und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden. So sei auch hier die Wortverbindung "KÜHLFRISCH" als nahe liegender und sprachüblicher Hinweis auf sogenannte Kühlfrisch-Produkte, nämlich Frischgerichte aus dem Kühlregal, zu verstehen. In ihrer Gesamtheit gehe die angemeldete Marke über die Aneinanderreihung beschreibender Angaben zu einer beschreibenden Gesamtaussage nicht hinaus. Zudem bestehe gerade in der Lebensmittelbranche ein Interesse der Mitbewerber, ihre Waren mit dem Begriff "KÜHLFRISCH" bezeichnen zu können, wie dies bereits bei verschiedensten Anbietern geschehe. Soweit die Anmelderin verschiedene andere Marken angeführt habe, die trotz ihres beschreibenden Gehalts eingetragen worden seien, ergebe sich daraus kein Eintragungsanspruch zugunsten der Anmelderin.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Sie ist der Auffassung, die angemeldete Marke verfüge über die erforderliche Unterscheidungskraft, denn es bleibe unklar, was genau unter der Wortfolge "kühlfrisch" zu verstehen sei. Es handele sich nicht um ein Wort der deutschen Sprache, denn es sei in den gängigen Wörterbüchern nicht aufgeführt. Das Adjektiv "frisch" werde in der deutschen Sprache durch Zusätze wie "quellfrisch", "taufrisch" usw. präzisiert, nicht aber in der Form "kühlfrisch" verwendet. Diese Form stelle eine ungewöhnliche Wortverbindung ohne jeden konkreten Aussagegehalt dar.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat die Markenstelle ausgeführt, dass der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren die absoluten Schutzhindernisse der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz und des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Marken nicht eingetragen werden, denen für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2005, 258, 259 Roximycin). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (stdg. Rspr., BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 70 m. w. N.). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist einerseits auf die in Anspruch genommenen Waren, andererseits auf die vermutete Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittverbrauchers dieser Waren abzustellen (EuGH, GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT. 2). Werden zwei (oder gar mehrere) rein beschreibende Begriffe zu einem einzigen zusammengesetzt, so bleibt der Gesamtbegriff ungeachtet des Vorliegens einer Wortneuschöpfung von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sich durch die Wortkombination kein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt (EuGH GRUR 2004, 680, 682, EG 43 - biomild).

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke die Eignung zur Identifizierung der Herkunft der beanspruchten Waren. Sie entbehrt jeder Unterscheidungskraft, weil die in ihr enthaltene beschreibende Aussage vollständig im Vordergrund steht. Sie besteht aus zwei deutschen Wörtern, die sich ausschließlich in der Beschreibung der Eigenschaften der angemeldeten Waren erschöpfen. So kann die Wortkombination "KÜHLFRISCH" zum einen darauf hinweisen, dass es sich bei den damit gekennzeichneten Waren um Frischwaren handelt, auf deren kühle Lagerung vor der Präsentation am Verkaufsort besonders geachtet worden ist und die daher einen besonderen Frischegrad aufweisen (Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Eier, Milch und Milchprodukte; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren), oder andere Waren bezeichnen, die frisch aus der Kühlung kommen (Speiseöle und -fette; Fleischextrakte; Speiseeis, Kühleis), oder in der Kühlung zum Verkauf angeboten werden und deshalb für den Genuss besonders erfrischend sind (Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken) oder aus solchen gekühlten und demnach frischen Ausgangsprodukten hergestellt worden sind (konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten; Konfitüren, Fruchtmuse), oder aber die nach der Ernte, Herstellung oder Abfüllung kühl gelagert worden und im Zeitpunkt des Abverkaufs noch immer frisch sind (Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Hefe, Honig, Melassesirup; Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze). Selbst wenn man zugunsten der Anmelderin von einer Wortneuschöpfung - die tatsächlich nicht vorliegt, worauf sogleich einzugehen ist - ausgehen wollte, bestünde doch kein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Wortbestandteile. Die Wortkombination "kühlfrisch" weist keinen über die Summe dieser Bestandteile hinausgehenden Eindruck auf, der ihr allein die erforderliche Unterscheidungskraft verleihen könnte (vgl. EuGH a. a. O., Rz. 41 - biomild). Insoweit ist der von der Anmelderin zitierte Beschluss der 1. Beschwerdekammer des HABM vom 20. Februar 2002 - R 367/2000-1 MULTIMIX - überholt.

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht. Die angesprochenen Verkehrskreise werden mit dieser Wortkombination bezeichnete Waren als mit einem anpreisenden Werbewort mit Blick auf die vom Verbraucher geschätzte Frische versehen betrachten, dem sie aber keinen Herkunftshinweis entnehmen können.

Hinzu kommt aber auch, dass - worauf die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung nicht eingegangen ist - aus den von der Markenstelle bereits übersandten Unterlagen (Internet-Ausdrücke betreffend das Wort "KÜHLFRISCH") ohne weiteres erkennbar ist, dass das Wort von Konkurrenten bereits beschreibend verwendet wird und insoweit auch ein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist.

Die von der Anmelderin zudem benannten eingetragenen Marken "EIS FRISCH", "ICE FRESH", "SPRING FRESH", "AQUA FRESH" "BON FRAICHE" und "SIMPLY FRESH" sind zum einen in einer mit der vorliegenden Wortkombination nicht vollständig vergleichbaren Art und Weise gebildet, zum anderen ergäbe sich selbst bei einer identischen Bildung anderer Marken kein Eintragungsanspruch zugunsten der Anmelderin.






BPatG:
Beschluss v. 05.04.2006
Az: 26 W (pat) 23/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9d25313db332/BPatG_Beschluss_vom_5-April-2006_Az_26-W-pat-23-05




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