Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. Dezember 2001
Aktenzeichen: KZB 12/01

(BGH: Beschluss v. 11.12.2001, Az.: KZB 12/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss über eine weitere sofortige Beschwerde entschieden. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um eine Klage eines pharmazeutischen Unternehmens gegen eine Krankenkasse und eine ärztliche Vereinigung. Das Unternehmen hat ein Verfahren zur Vorbeugung von Herzerkrankungen entwickelt und verlangt von den Beklagten die Unterlassung der Zahlung einer Pauschale sowie die Zahlung von Schadensersatz. Die Beklagten haben die Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts geltend gemacht und behauptet, dass sie im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem öffentlichen Recht gehandelt hätten.

Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten als zulässig erklärt, und das Oberlandesgericht hat die Beschwerden der Beklagten zurückgewiesen. Die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten ist zwar zulässig, hatte aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Zuständigkeit der Kartellgerichte zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben war, da es sich um eine Kartellstreitsache handelt. Die Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten bleibt trotz einer Gesetzesänderung bestehen. Der Bundesgerichtshof hat die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten mit den Kostenfolgen zurückgewiesen und den Wert der Beschwerde auf ein Viertel des Werts der Hauptsache festgesetzt.

Diese Entscheidung bedeutet, dass der Rechtsstreit vor den Zivilgerichten fortgesetzt wird und die Kartellgerichte für diese Art von Streitigkeit zuständig sind.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 11.12.2001, Az: KZB 12/01


Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zu 2 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie hat ein Behandlungsverfahren zur Vorbeugung von Herzerkrankungen, die sogenannte LDL-Eliminations-Behandlung, entwickelt. Die Beklagte zu 1 ist die für Baden-Württemberg zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse. Sie hat mit der Beklagten zu 2, der für Südbaden zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, eine Vereinbarung getroffen, wonach für ambulante LDL-Eliminations-Behandlungen eine Pauschale von 1.700 DM zu zahlen ist. Mit ihrer im Jahre 1999 erhobenen, auf Art. 81 Abs. 1 EG, § 1 UWG und § 823 BGB gestützten Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch und begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei eröffnet, da Gegenstand der Klage kartellrechtliche Unterlassungsansprüche seien. Dagegen haben die Beklagten die Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt; insbesondere seien die ordentlichen Gerichte für den vorliegenden Streit nicht zuständig. Die Beklagten haben sich darauf berufen, daß sie bei Abschluß der beanstandeten Vereinbarung im Rahmen der ihnen durch das öffentliche Recht zugewiesenen Aufgaben tätig geworden seien.

Das Landgericht hat durch Beschluß den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die sofortigen Beschwerden der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 ist infolge ihrer Zulassung durch das Oberlandesgericht statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht für die Frage der Rechtswegzuständigkeit auf die Rechtslage zu dem Zeitpunkt abgestellt, in dem die vorliegende Klage rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GVG). Der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit ("perpetuatio fori") gilt auch in Fällen einer nachträglichen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen. Dies entspricht nicht nur ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ 103, 102, 103 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1978 - IV ZR 142/77, NJW 1978, 949; BGHZ 114, 218, 221 f.

- Einzelkostenerstattung), sondern auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 17 GVG Rdn. 1; Musielak/Wittschier, ZPO, 2. Aufl., § 17 GVG Rdn. 4; Kissel, NJW 1991, 945, 948; Piekenbrock, NJW 2000, 3476). Durch den von den Parteien angeführten Senatsbeschluß vom 14. März 2000 (KZB 34/99, WuW/E DE-R 469 - Hörgeräteakustik) sollte dies nicht in Frage gestellt werden.

2. Nach der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Rechtslage war für den vorliegenden Rechtsstreit die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (WuW/E DE-R 233) u.a. geltend, in der zwischen den Beklagten getroffenen Vereinbarung über den für die fragliche LDL-Behandlung zu zahlenden Preis liege ein nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotenes Kartell. Da die Klägerin - gestützt auf diesen behaupteten Kartellverstoß - Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB) geltend macht, handelt es sich - ungeachtet der Rechtsnatur des zwischen den Beklagten geschlossenen Vertrages - um eine bürgerlichrechtliche Streitigkeit, genauer um eine Kartellstreitsache i.S. von §§ 96, 87 GWB (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 87 GWB Rdn. 9 und § 96 GWB Rdn. 2). Hieran ändert nichts, daß die Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche auch nichtkartellrechtliche Anspruchsgrundlagen (§ 1 UWG, § 823 Abs. 1 BGB) heranzieht.

Zwar sind den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 SGG, und zwar schon in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung, neben den in § 51 Abs. 1 SGG bezeichneten öffentlichrechtlichen Streitigkeiten auch bürgerlichrechtliche Streitigkeiten zugewiesen, die "in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch entstehen ... auf Grund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände" (vgl. BGH, Beschl. v. 5.6.1997

- I ZB 26/96, WRP 1997, 1199 - Hilfsmittellieferungsvertrag). § 87 Abs. 1 GWB enthält jedoch für bürgerlichrechtliche Kartellstreitigkeiten eine spezielle Rechtswegzuweisung, die bis zur entsprechenden Änderung des § 51 Abs. 2 SGG und des § 87 Abs. 1 GWB durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626) auch der Zuweisung bürgerlichrechtlicher Streitigkeiten an die Sozialgerichte vorging (BGHZ 114, 218, 224 ff. - Einzelkostenerstattung).

3. Im Streitfall war daher zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Rechtsweg zu den Kartellgerichten eröffnet. Bei dieser Rechtswegzuweisung verbleibt es trotz der inzwischen eingetretenen Gesetzesänderung. Auch in anderen Fällen ist der Senat davon ausgegangen, daß für kartellrechtliche Streitigkeiten nach § 87 GWB (ggf. i.V. mit § 96 GWB) in der bis Ende 1999 geltenden Fassung ausschließlich die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründet war und daß die ei nmal begründete Rechtswegzuständigkeit durch eine Gesetzesänderung nicht berührt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2001 - KZR 31/99, WuW/E DE-R 747 - Festbeträge).

III. Danach ist die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Den Wert der weiteren sofortigen Beschwerde hat der Senat - ebenso wie das Beschwerdegericht - auf ein Viertel des Wertes der Hauptsache festgesetzt (BGH, Beschl. v. 19.12.1996 - III ZB 105/96, NJW 1998, 909, 910; Beschl. v. 30.9.1999 - V ZB 24/99, NJW 1999, 3785).

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BGH:
Beschluss v. 11.12.2001
Az: KZB 12/01


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