Landgericht Dortmund:
Urteil vom 1. Februar 2012
Aktenzeichen: 10 O 92/11

(LG Dortmund: Urteil v. 01.02.2012, Az.: 10 O 92/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Dortmund hat am 1. Februar 2012 in einem Wettbewerbsrechtsstreit ein Urteil gefällt. Die Beklagte wurde dazu verurteilt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmens anzugeben, zu unterlassen. Andernfalls wurde ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgelegt, die an den Geschäftsführern der persöhnlich haftenden Gesellschafterinnen vollstreckt werden sollten. Zusätzlich wurde die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger 166,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2011 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahren soll, indem er die Regeln des lauteren Wettbewerbs durch Wettbewerber der Mitglieder überwacht. Die Beklagte betreibt Baumärkte und warb mit einem Prospekt für Aktionsprodukte unter Preisbenennung. Auf der vorletzten Seite des Prospekts wurden die Betreiber der Profi-Baumärkte mit Adresse, E-Mail-Adresse und Telefonnummer aufgeführt, aber die Angabe des eingetragenen Namens der Beklagten fehlte. Der Kläger mahnte die Beklagte ab, erhielt jedoch keine Reaktion. Die Klage wurde aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen das UWG und eines nicht spezifizierten Unterlassungsanspruchs erhoben. Der Kläger verlangte außerdem eine Abmahnkostenpauschale in Höhe von 166,60 Euro.

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger klagebefugt ist und ihm ein Unterlassungsanspruch zusteht. Die beanstandete Prospektwerbung der Beklagten sei unlauter und irreführend, da wesentliche Informationspflichten verletzt wurden. Die Angabe der Identität und Anschrift des Unternehmens sei unzureichend, da lediglich die Geschäftsbezeichnung "W" verwendet wurde. Diese Geschäftsbezeichnung enthält keine Anschrift und ermöglicht keine Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen. Es sei erforderlich, dass der Verbraucher unmittelbar Kenntnis von Anschrift und Identität des Vertragspartners erlangt, ohne weitere Informationsquellen nutzen zu müssen. Daher wurde die Beklagte dazu verurteilt, die Informationspflichten zu erfüllen.

Außerdem wurde der Abmahnkostenerstattungsanspruch des Klägers anerkannt, da dieser aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung in pauschaler Form geltend gemacht werden kann.

Die Nebenentscheidungen wurden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen getroffen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Dortmund: Urteil v. 01.02.2012, Az: 10 O 92/11


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen jeweils an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterinnen, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmers anzugeben, sofern dies geschieht wie in Anlage K 1 wiedergegeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2011 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über wettbewerbsrechtliche Ansprüche.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, ausgestattet mit der satzungsmäßigen Aufgabe, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren. Hierzu gehört die Überwachung der Wahrung der Regeln des lauteren Wettbewerbs durch Wettbewerber der Mitglieder.

Die Beklagte betreibt Baumärkte.

Mit einem für die Zeit vom 14. bis 20. Mai 2011 geltenden Prospekt (Anlage K1, Bl. 9 ff. d. A.) warb die Beklagte für zahlreiche, dort abgebildete Aktionsprodukte unter Preisbenennung. Sie verwandte dabei den Schriftzug "W - Die Profi-Baumärkte". Auf der vorletzten Seite des Prospekts sind die jeweiligen Betreiber der Profi-Baumärkte, die sich an das beworbene Angebot halten wollen, mit Adresse, E-Mail-Adresse und Telefonnummer aufgeführt. Die Angabe des in das Handelsregister eingetragenen Namens "W Die Profi-Baumärkte GmbH & Co. KG" unter Angabe der Adresse der Verwaltung der Beklagten, an der kein Publikumsverkehr stattfindet, erfolgte nicht.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2011 ab (Anlage K2, Bl. 10ff. d. A.). Hierauf erfolgte keine Reaktion der Beklagten. Die hierfür mit der Klage geltend gemachte Abmahnkostenpauschale beläuft sich auf EUR 166,60 und ermittelt sich aus einem Durchschnittswert des Anteils der Abmahnkosten an den Gesamtkosten des Klägers in 2010.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass die Beklagte mit dem Werbeprospekt gegen § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG verstoße. Daher habe er einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Außerdem habe er einen Anspruch auf anteiligen Ersatz der mit der vorgerichtlichen Abmahnung der Beklagten verbundenen Personal- und Sachkosten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen jeweils an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterinnen, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmens anzugeben, sofern dies geschieht wie in Anlage K1 wiedergegeben, sowie

an den Kläger EUR 166,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es sei zudem notwendige Voraussetzung eines Anspruchs gemäß §§ 8, 5a Abs. 2, 3 Nr. 2 UWG, dass die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG durch das vermeintliche Vorenthalten der Information beeinflusst worden sei. Diese Beeinflussung müsse darüber hinaus auch spürbar sein. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Die geschäftliche Bezeichnung wie "W" bzw. "W - Die Profi Baumärkte" genüge bei richtlinienkonformer Auslegung des § 5a UWG den Anforderungen an die Verbraucherinformation bezüglich "Identität und Anschrift". Ferner sei den Verbrauchern durch die Angabe des Internetauftritts der Beklagten die Möglichkeit eröffnet, sich möglicherweise notwendige Informationen auch über die Webseite zu verschaffen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein gemäß § 349 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt.

Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2012 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der Kläger ist gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 5 UWG i.V.m. § 13 UKlaG, § 1 UKlaV prozessführungsbefugt. Er hat mit Schriftsatz vom 28.09.2011 substantiiert dargelegt, dass ihm eine erhebliche Anzahl an Unternehmen angehört, die im Wettbewerb zur Beklagten stehen.

II.

Ihm steht auch ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.

Die beanstandete Prospektwerbung der Beklagten ist eine unlautere, irreführende Werbung im Sinne der §§ 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG. Sie verletzt wesentliche Informationspflichten im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG und erfüllt damit unwiderleglich die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG.

1.

Die in Streit stehende Prospektwerbung unterliegt dem Anwendungsbereich des § 5a Abs. 3 UWG. Die Informationspflicht des Unternehmens setzt bereits ein, wenn dem Verbraucher die wesentlichen Punkte, die für eine mögliche Kaufentscheidung eine Rolle spielen (sog. essentialia negotii), bekannt gegeben werden. Dies sind in diesem Fall das Produkt und dessen Preis. Mit dieser Information ausgestattet, wird der potentielle Kunde in die Lage versetzt, eine Kaufentscheidung zu treffen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. 5. 2011 - C-122/10, GRUR 2011, 930f.; OLG München, Urteil vom 31.03.2011, 6 U 3517/10, zitiert nach juris; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 5a Rn. 30b).

2.

Die Angabe der Identität nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG verlangt die Nennung der Firma und der Rechtsform sowie die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, und zwar die des koordinierenden Mutterunternehmens. Die Angabe der bundesweit bekannten Geschäftsbezeichnung "W" bzw. "W - Die Profi-Baumärkte" genügt den Anforderungen ebenso wenig wie die Verweise auf die möglicherweise im Internet angegebenen Informationen. Auch die Anschriften der Filialen in C und Umgebung reichen nicht aus, um den Verbraucher mit den notwendigen Informationen auszustatten.

Zweck der Informationspflicht des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG ist es, dem Verbraucher klare und unmissverständliche Angaben darüber zu verschaffen, mit wem er in geschäftlichen Kontakt tritt. Die Geschäftsbezeichnung "W" enthält bereits keine Anschrift und genügt nicht zur Kontaktaufnahme, sondern dient - bei lebensnaher Auslegung unter Berücksichtigung der geografischen Hinweise auf die Lage der nächsten Filiale - zunächst lediglich der Zuordnung der Produkte zu einer bestimmten Verkaufsstelle, während der Hinweis auf die Filialen wiederum der Rechtsform und Identität des Vertragspartners entbehrt.

Die Vorschrift des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG bezweckt, dass der Verbraucher/Kunde unmittelbar ohne mehr oder weniger großen Aufwand die exakte Identität und Anschrift des Vertragspartners im rechtlichen und geschäftlichen Sinne erkennen kann. Im Falle einer geschäftlichen oder rechtlichen Auseinandersetzung soll der Verbraucher durch die Information in die Lage versetzt werden, beispielsweise Schriftstücke ohne weiteren Ermittlungsaufwand an den Vertragspartner zustellen zu können. Dementsprechend müssen - bei Handelsunternehmen jedenfalls - die vollständige Firma und die Rechtsform angegeben werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2011 - Az. I-4 W 66/11; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.10.2011, 5 W 134/11).

Der Verbraucher soll insbesondere auch unmittelbar Kenntnis von Anschrift und Identität des Vertragspartners erlangen. Der Umweg über das Internet oder andere Informationsquellen kann für den Einzelnen beschwerlich sein, so dass der Wert der Information durch einen Weiterverweis ungleich geschmälert würde - zumindest im vorliegenden Fall, da sich Anschrift und Identität nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben (vgl. Beschluss des OLG Hamm a.a.O; Beschluss des OLG München a.a.O.).

3.

Weiterhin ist die "Spürbarkeitsschwelle" des § 3 Abs. 2 UWG überschritten. Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen dann unzulässig, wenn sie dazu geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers spürbar zu beeinträchtigen. Dies ist wiederum bei einem Vorenthalten gesetzlich vorgeschriebener Informationen ohne weitere Prüfung stets gegeben, denn in diesem Fall hat bereits der Gesetzgeber ein Überschreiten der Schwelle festgeschrieben (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 25.05.2011, 2 U/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2011, I-20 W 110/11; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.). Wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG sind gemäß § 5a Abs. 4 UWG insbesondere auch die - in Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG "UGP-Richtlinie" - in § 5a Abs. 3 UWG aufgeführten Informationen. Damit ist die Angabe von Identität und Anschrift eine wesentliche Information. Folglich steht auch fest, dass die Verletzung der Informationspflicht zu einer Fehlvorstellung beim Verbraucher führt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 - I ZR 66/09 GRUR 2010, 852 Rn. 21; Köhler/Bornkamm, § 5a UWG Rn. 57).

III.

Der Abmahnkostenerstattungsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG und kann in pauschaler Form geltend gemacht werden (vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, 5. Auflage 2010, § 12 UWG, Rn. 21f.).

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 01.02.2012
Az: 10 O 92/11


Link zum Urteil:
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