Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 29. Juli 2016
Aktenzeichen: AnwZ(Brfg) 9/16

(BGH: Beschluss v. 29.07.2016, Az.: AnwZ(Brfg) 9/16)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs abgelehnt wird. Der Kläger hatte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls verloren und klagte dagegen, jedoch ohne Erfolg. Der Kläger beantragte nun die Zulassung der Berufung und Prozesskostenhilfe, was jedoch ebenfalls abgelehnt wurde. Der BGH entschied, dass die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Berufung nicht vorliegen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass seine Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nachhaltig geordnet waren. Die Vermutung des Vermögensverfalls bestand weiterhin, da der Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen war. Dass die Eintragung dort rechtmäßig war, wurde im Widerrufsverfahren nicht geprüft. Die Behauptung des Klägers, seine Immobilie habe einen höheren Wert als seine Schulden, war nicht relevant, da es auf die Verfügbarkeit des Vermögenswerts zum maßgeblichen Zeitpunkt ankam. Da der Kläger weiterhin als Einzelanwalt tätig war, konnte eine Ausnahmesituation nicht festgestellt werden. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte und der Kläger die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hatte. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung des BGH hat die vorherige Entscheidung des Hessischen Anwaltsgerichtshofs bestätigt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 29.07.2016, Az: AnwZ(Brfg) 9/16


Tenor

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 7. Dezember 2015 verkündete Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 23. Juli 1967 geborene Kläger ist seit Dezember 2000 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 22. Juli 2015 widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3 und vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 2, jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger mit seiner Antragsbegründung nicht darzulegen.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO; § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Bescheid vom 22. Juli 2015 - abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 4. April 2012, aaO Rn. 4; vom 14. November 2013, aaO Rn. 5 und vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 3).

Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Soweit er bezüglich der Eintragung vom 21. August 2013 deren Unzulässigkeit geltend macht, ist dies bereits deshalb nicht entscheidungserheblich, weil drei weitere Eintragungen vom 4. Februar 2014 bestanden. Im Übrigen hat jede Eintragung Tatbestandswirkung; ob sie rechtmäßig war, wird im Verfahren über den Widerruf der Zulassung nicht geprüft (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2016 - AnwZ (Brfg) 18/14, juris Rn. 7). Aufgrund der Eintragung bestand die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Zwar kommt die Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der jeweiligen Eintragung zugrundeliegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (Senatsbeschluss vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Dies ist aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht der Fall. Soweit der Kläger geltend macht, die der Beklagten erteilten Auskünfte aus dem Schuldnerverzeichnis und vom Gerichtsvollzieher seien wegen "Umgehung des Datenschutzes" nicht verwertbar, ist dies angesichts der gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 2 BRAO (siehe auch Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - AnwZ (Brfg) 6/14, juris Rn. 6) nicht nachvollziehbar. Grundsatzfragen (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stellen sich in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. nur Beschlüsse vom 4. April 2012, aaO Rn. 3; vom 14. November 2013, aaO Rn. 4; vom 6. Februar 2014, aaO Rn. 5 und vom 22. März 2016, aaO Rn. 8) muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und - ggfs. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans - dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nachhaltig geordnet sind. Dies hat der Kläger nicht getan.

Soweit der Kläger - im Übrigen ohne Belege - darauf verweist, dass die von ihm bewohnte Immobilie in einen Schätzwert von ca. 150.000 € habe und dieser Betrag die bestehenden Schulden bei weitem überwiege, ist diese Behauptung nicht entscheidungserheblich. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. nur Beschlüsse vom 14. November 2013, aaO Rn. 4 und vom 6. Februar 2014, aaO Rn. 6, jeweils mwN) kommt es darauf an, ob die Immobilie dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt als liquider Vermögenswert zur Verfügung gestanden hat. Dies ist - wie bereits der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - weder vom Kläger dargetan noch anderweitig ersichtlich.

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, juris Rn. 8 und vom 17. März 2016, AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 4, jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist weiter als Einzelanwalt tätig. Sein Vortrag beschränkt sich insoweit auch nur auf die pauschale und unsubstantiierte Behauptung, eine Gefährdung "bestand und besteht zu keinem Zeitpunkt".

III.

Prozesskostenhilfe konnte dem Kläger nicht bewilligt werden, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Abgesehen davon hat der Kläger entgegen seiner Ankündigung bis heute nicht die nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 117 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen vorgelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg Roggenbuck Seiters Schäfer Lauer Vorinstanz:

AGH Frankfurt, Entscheidung vom 07.12.2015 - 2 AGH 9/15 -






BGH:
Beschluss v. 29.07.2016
Az: AnwZ(Brfg) 9/16


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9854282e3d4a/BGH_Beschluss_vom_29-Juli-2016_Az_AnwZBrfg-9-16




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