Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 178/02

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2004, Az.: 29 W (pat) 178/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 17. November 2004 in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 29 W (pat) 178/02 betrifft den Widerspruch gegen die Eintragung einer Wortmarke. Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch zurückgewiesen. Das Gericht hob nun diesen Beschluss auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung zurück an das Patent- und Markenamt.

Der Widerspruch wurde von der Inhaberin einer älteren Wortmarke, "BELL", eingelegt. Die Widerspruchsmarke wurde für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42 eingetragen. Die angegriffene Marke, "pacbell", wurde für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38 und 42 eingetragen. Die Markenstelle hatte entschieden, dass trotz teilweiser Identität bzw. erheblicher Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widersprechende legte daraufhin Beschwerde ein.

Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde festgestellt, dass das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt aufgrund der Insolvenz der Markeninhaberin unterbrochen war. Mit der Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter wurde diese Unterbrechung beendet. Das Gericht hob den Beschluss des Patent- und Markenamts auf und verwies den Fall zurück, da das Verfahren vor dem Amt einen wesentlichen Mangel aufwies.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Widerspruchsmarke zumindest normale Kennzeichnungskraft habe und dass für die angegriffene Marke ein sehr geringer Grad an Kennzeichnungskraft bestehe. Zudem handele es sich bei der angegriffenen Marke um einen einheitlichen Gesamtbegriff. Es erscheine daher unwahrscheinlich, dass der Verkehr die Zeichen verwechsele.

Das Gericht wies darauf hin, dass für das weitere Verfahren das Patent- und Markenamt beachten müsse, dass der Insolvenzverwalter nun Partei in dem Verfahren ist. Falls eine Entscheidung getroffen wird, die die Markeninhaberin belastet, muss der Insolvenzverwalter vorher informiert werden und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr wurde nicht gewährt, da der Fehler nicht auf einem Fehlverhalten des Markenamts beruhte, sondern auf der mangelnden Mitwirkung der Markeninhaberin.

Das Gericht bestätigte somit den Widerspruch und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an das Patent- und Markenamt zurück.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.11.2004, Az: 29 W (pat) 178/02


Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2002 wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 399 46 145 pacbellfür verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38 und 42 wurde Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke 1 186 389 BELL eingetragen für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42.

Mit Schreiben vom 2. März 2001 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts der Markeninhaberin den Widerspruch übersandt und sie zur Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten ab Zugang aufgefordert. Nachdem keine Stellungnahme erfolgte, wurde der Widerspruch mit Beschluss vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass trotz teilweiser Identität bzw. erheblicher Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Das Publikum habe keine Veranlassung die angegriffene Marke auf den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil "bell" zu verkürzen, so dass sich die einander gegenüber stehenden Zeichen hinreichend deutlich unterschieden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsmarke als englischer Begriff im Sinne von "Glocke, Klingel" einen beschreibenden Aussagegehalt aufweise und daher nicht geeignet sei, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein zu prägen. Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Im Hinblick auf die teilweise identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen hielten die Marken nicht den erforderlichen Abstand ein. Die Widerspruchsmarke weise zumindest normale Kennzeichnungskraft auf, da der Begriff "bell" die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibe. Vielmehr spräche die Assoziation mit Alexander Graham Bell, dem berühmten Erfinder des magnetischen Telefons, und den von der Widersprechenden betriebenen Bell Laboratories, die weltweit einen hervorragenden Ruf hätten, für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft. Den weiteren Bestandteil "pac" der angegriffenen Marke verstehe ein großer Teil des angesprochenen Publikums als verkürzte Form des englischen Begriffs "Pack" im Sinne von "packen, verpacken" bzw. "Bündel". Wegen dieser beschreibenden Bedeutung komme dem Bestandteil nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft zu mit der Folge, dass der Verkehr allein in dem mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil "bell" den Herkunftshinweis erkenne. Für die Teile des Publikums, die eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "bell" nicht wahrnähmen, bestehe zumindest die Gefahr eines gedanklichen Inverbindungbringens.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.

Auf die Terminsladung vom 23. August 2004 zur mündlichen Verhandlung teilte der im Markenregister eingetragene Vertreter der Markeninhaberin dem Gericht mit, dass am 1. Mai 2001 über das Vermögen der Markeninhaberin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Der Verhandlungstermin wurde von Amts wegen aufgehoben. Auf den Hinweis des Gerichts, dass das Verfahren wegen der Insolvenz bereits vor dem Deutschen Patent- und Markenamt unterbrochen gewesen sei, erklärte der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Beschwerdeverfahrens.

Der Insolvenzverwalter beantragt, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

II.

1. Die Beschwerde ist nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthaft. Zwar wurde das Verfahren mit Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Markeninhaberin am 1. Mai 2001 unterbrochen, so dass eine wirksame Beschwerdeeinlegung nicht möglich war (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG iVm §§ 240 S. 1, 249 Abs. 2 ZPO). Durch den trotz Unterbrechung ergangenen und damit rechtsunwirksamen Beschluss vom 25. Juni 2002 hat das Deutsche Patent- und Markenamt aber den äußeren Anschein einer Entscheidung gesetzt, durch den die Widersprechende formell beschwert ist (vgl. Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, § 73 Rn 21; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl. 2003, § 66 Rn 24; Ströbele/Hacker Markengesetz, 7. Aufl. 2003, § 66 Rn 9).

2. Der Beschluss war aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, weil das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG).

2.1. Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt führt die Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten zum einen zur Verfahrensunterbrechung (vgl. Widerspruchsrichtlinien B. III., BlPMZ 1998, 1, 2), zum anderen geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die in die Insolvenzmasse fallenden Rechte, wozu auch die streitgegenständliche Marke gehört, auf den Insolvenzverwalter über mit der Folge, dass nicht mehr die Markeninhaberin, sondern allein der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes ist (§ 80 Abs. 1 iVm § 35 InsO). Die während der Unterbrechung den Parteien gegenüber vorgenommenen Prozess- bzw. Verfahrenshandlungen, wie z.B. Fristsetzungen, Ladungen oder Zustellungen, sind daher unwirksam und müssen gegenüber dem Insolvenzverwalter wiederholt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung in Kenntnis der Insolvenz vorgenommen wurde (Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, § 249 Rn 11; Schumacher, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 1, 2001, vor §§ 85 bis 87 InsO, Rn 70;Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2004, § 249 Rn 8; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 85 Rn 38). Auch im Falle einer Heilung etwaiger Zustellungsmängel sind diese Handlungen an den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes als Adressaten zu richten. Maßgeblicher Zeitpunkt der Verfahrensunterbrechung ist der im Insolvenzeröffnungsbeschluss nach § 27 Abs. 2 Nr.3 InsO angegebene Zeitpunkt (Schumacher, a.a.O., vor §§ 85 bis 87 InsO, Rn 58; Thomas/Putzo, a.a.O., § 240 Rn 7; Uhlenbruck, a.a.O., § 85 InsO Rn 6). Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2001 an die Markeninhaberin gerichtete Beschluss vom 25. Juni 2002 ist daher trotz Unterbrechung ergangen. Eine Heilung kam nicht in Betracht, da der Adressat des Beschlusses nicht der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes, sondern die in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkte Markeninhaberin war. Die nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen für die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts notwendige Bekanntgabe an den Adressaten ist damit nicht erfolgt, so dass es sich insoweit um einen Nicht-Verwaltungsakt handelt.

2.2. Aufgrund dessen war es auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung mehr, dass die Unterbrechungswirkung bereits während der der Markeninhaberin gesetzten zweimonatigen Äußerungsfrist eingetreten ist. Die Frist wurde mit Zugang des Schreibens vom 2. März 2001 in Lauf gesetzt und war daher am 1. Mai 2001, dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgelaufen. Zwar hätte auch diese Frist dem Insolvenzverwalter gegenüber neu bestimmt werden müssen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 59 Abs. 2 MarkenG liegt insoweit aber nicht vor, weil die Markenstelle den Widerspruch zurückgewiesen und damit zu Gunsten der Markeninhaberin entschieden hat.

3. Mit der wirksamen Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter wurde die Verfahrensunterbrechung vor dem Bundespatentgericht beendet (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG iVm §§ 240 S. 1, 250 ZPO). Da die angegriffene Marke als Immaterialgüterrecht Bestandteil des Aktivvermögens der Markeninhaberin ist, war die Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters zulässig und führte zur Beendigung der Unterbrechung (§ 85 Abs. 1 S. 1 InsO). Für das weitere Verfahren wird das Amt zu beachten haben, dass der Insolvenzverwalter die Verfahrensaufnahme nur gegenüber dem Bundespatentgericht erklärt hat. Im Fall der Verfahrensaufnahme vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens die Entscheidung über den Widerspruch an den Insolvenzverwalter zu adressieren und zuzustellen. Sofern eine die Markeninhaberin belastende Entscheidung ergeht, ist der Insolvenzverwalter zuvor zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren (§ 59 Abs. 2 MarkenG). Wird das Verfahren nicht aufgenommen, bleibt es bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens unterbrochen (§ 240 S. 1 ZPO).

4. Hinsichtlich der Prüfung der Verwechslungsgefahr weist der Senat darauf hin, dass für die Widerspruchsmarke von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen sein wird, da sich eine beschreibende Verwendung des englischen Begriffs "bell" für die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht feststellen lässt. Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft ergeben sich aus dem bisherigen Vortrag der Widersprechenden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere erlauben die Hinweise auf den gleichnamigen Erfinder Alexander Graham Bell und die Bell Laboratories keine Rückschlüsse auf einen Bekanntheitsgrad, der infolge der Benutzung als Marke erlangt wurde. Auch die von der Widersprechenden vorgetragene Üblichkeit des Bestandteils "pac" als Kurzform des englischen Wortes "pack" hat der Senat bisher nicht ermitteln können. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die angegriffene Marke einen einheitlichen Gesamtbegriff darstellt. Die Annahme, der Verkehr werde in dem Bestandteil "bell" das Unternehmenskennzeichen der Widersprechenden erkennen und trotz der deutlichen Zeichenunterschiede von einer wirtschaftlichen oder organisatorischen Verflechtung ausgehen und die Zeichen daher im weiteren Sinne verwechseln, erscheint aus diesem Grund fernliegend (vgl. Ingerl/Rohnke, § 14 Rn 752 ff; Ströbele/Hacker, § 9 Rn 500 ff).

5. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht, weil der Verfahrensfehler nicht auf einer fehlerhaften Sachbehandlung des Deutschen Patent- und Markenamts, sondern auf der mangelnden Mitwirkung der Markeninhaberin beruht, die das Amt nicht, wie es die prozessuale Sorgfaltspflicht geboten hätte, unverzüglich von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens benachrichtigt hat.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 17.11.2004
Az: 29 W (pat) 178/02


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