Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. Dezember 2001
Aktenzeichen: 4 U 143/01

(OLG Hamm: Urteil v. 13.12.2001, Az.: 4 U 143/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil bestätigt, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum rechtmäßig ist. Der Antragsteller hatte eine Abmahnung an die Antragsgegnerin geschickt, die eine Unterlassungserklärung unterschrieben hatte, in der sie sich verpflichtete, nicht mehr mit der Aussage zu werben, dass Aloe Vera die "Königin der Heilpflanzen" sei. Die Antragsgegnerin hatte jedoch gegen diese Pflicht verstoßen, indem sie auf ihrer Internetseite für ein Getränk mit dem Titel "ALOE VERA ... DIE KÖNIGIN DER HEILPFLANZEN" geworben hatte. Das Gericht entschied, dass der Antragsteller einen vertraglichen Anspruch auf Unterlassung hat und die Antragsgegnerin ihre Pflichten aus dem Unterlassungsvertrag verletzt hatte. Es konnte auch glaubhaft gemacht werden, dass der Antragsteller die beanstandete Internetseite tatsächlich aufgerufen und ausgedruckt hatte. Aufgrund dieser Tatsachen hat das Gericht entschieden, dass der Antragsteller einen gesetzlichen Anspruch auf Unterlassung hat, da die Werbung irreführend ist und gegen Vorschriften des Lebensmittelgesetzes verstößt. Der Verstoß beeinträchtigt den Wettbewerb erheblich und stellt eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher dar. Daher wurde das Urteil des Landgerichts Bochum abgeändert und die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Antragsgegnerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 13.12.2001, Az: 4 U 143/01


Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 1. August 2001 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer -Kammer für Handelssachen- des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 25. April 2001 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Das Landgericht hat die am 25. April 2001 erlassene

einstweilige Verfügung im Widerspruchsverfahren zu Unrecht aufgehoben. Diese ist

vielmehr nach § 925 Abs.1, 2 ZPO zu bestätigen, weil sie rechtmäßig erlassen wurde.

1) Dem nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugten Antragsteller steht als Verfügungsanspruch zunächst ein vertraglicher Anspruch auf Unterlassung als Folge der von der Antragsgegnerin am 4. Dezember 2000 abgegebenen Unterlassungserklärung zu. Das Vertragsangebot des Antragstellers ist in der mit der Abmahnung übersandten vorformulierten Unterlassungserklärung zu sehen. Die Antragsgegnerin hat dieses ohne jegliche Veränderung angenommen. In dem Vertrag hat sich die Antragsgegnerin auch verpflichtet, es zu unterlassen, für Aloe Vera-Produkte im geschäftlichen Verkehr damit zu werben, dass Aloe Vera die "Die Königin der Heilpflanzen" sei. Durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin war zwar die Wiederholungsgefahr zunächst ausgeräumt. Wenn die Antragsgegnerin aber gegen ihre Pflichten aus dem Unterlassungsvertrag verstoßen hätte, ist die Wiederholungsgefahr neu entstanden und hätte zugleich ein Rechtsschutzbedürfnis dafür gegeben, den vertraglichen Anspruch im Klagewege oder bei Dringlichkeit auch im Wege einer einstweiligen Verfügung titulieren zu lassen (Baumbach / Hefermehl, 22. Auflage, Einl. UWG Rdn.298). Die Antragsgegnerin hat gegen ihre Unterlassungspflicht verstoßen, weil sie am 29. März 2001 auf einer für sie registrierten Seite im Internet unter "*internetadresse*" in dem Link "B" unter der Rubrik "Getränke" einen Naturfrucht Fitness Drink unter der Überschrift "ALOE VERA ... DIE KÖNIGIN DER HEILPFLANZEN" angeboten hat.

2) Die Antragsgegnerin hat zwar bestritten, dass sie am 29. März 2001 die beanstandete Internetseite in dieser Form unterhalten und dass der Internetausdruck den aktuellen Stand der aufgerufenen Seite richtig wiedergegeben hat. Der Antragsteller hat die geltend gemachte Verletzungshandlung aber glaubhaft gemacht im Sinne des § 294 Abs.1 ZPO. Dazu bedarf es nicht der Feststellung einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die begründete Zweifel schweigen lässt. Es genügt vielmehr die hier gegebene überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die vom Antragsteller am 29. März 2001 aufgerufene Internetseite der Antragsgegnerin von deren Server stammt und ihr Inhalt ihr deshalb zuzurechnen ist.

a) Der Antragsteller hat den Ausdruck der Internetseite der Antragsgegnerin mit dem Datum vom 29.03.01 vorgelegt (Bl.50 d.A.), auf der ein Produkt angeboten wird, das es zur fraglichen Zeit tatsächlich im B der Beklagten zu kaufen gab. Der Rahmen der Seite enthält die schlagwortartige Werbung für Aloe Vera als "Königin der Heilpflanzen" genau in der Form, in der sie früher, nämlich vor der Abmahnung des Antragstellers vom 4. Dezember 2000 von der Antragsgegnerin benutzt worden ist. Die behauptete Zuwiderhandlung ist damit dokumentiert. Dafür, dass dieses Dokument eine von der Antragstellerin erstellte Fälschung ist, spricht keinerlei Anhaltspunkt. Auch die Tatsache, dass die fünf Buttons im Kopf der Seite, mit denen verschiedene Links wie etwa zur Webseite oder zum Warenkorb angeklickt werden können, auf der am 29. März ausgedruckten Seite nicht als volle, abgegrenzte und lesbare Buttons (wie Bl.127 d.A.), sondern überlappt erscheinen, ist kein Indiz für eine Fälschung. Zum einen sind die Buttons damit in derselben Weise wiedergegeben wie in den Ausdrucken der Shopseiten vom 28.November 2000 (Bl.134 ff. d.A.), deren Inhalt zu der Abmahnung führte. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Fälschung ohne jeden Sinn gewesen. Zum anderen kann eine solche punktuell unrichtige Wiedergabe an verschiedenen "harmlosen" Ursachen aus dem Bereich des Servers, des eigenen Computers und insbesondere auch eines Browser wie etwa Netscape liegen. Wieso in Zusammenhang damit ein zwingender Schluss auf eine Manipulation möglich sein soll, der sich auch auf den weiteren Inhalt der Seite beziehen könnte, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.

b) Der Antragsteller hat außerdem zur weiteren Glaubhaftmachung eine ins einzelne gehende eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin T2 (Bl.93 d.A.) zu den Akten gereicht.

Nach dieser hat Frau T2 selbst am fraglichen Tage das Angebot der Antragsgegnerin im Internet aufgerufen, wahrgenommen und ausgedruckt. Wieso diese Erklärung nicht richtig sein sollte, ist nicht erkennbar. Gründe dafür nennt auch die Antragsgegnerin nicht. Ein Irrtum von Frau T2 erscheint wegen des klaren und eindeutigen Inhalts der Versicherung ausgeschlossen. Die Mitarbeiterin des Antragstellers müsste dann vorsätzlich eine falsche eidestattliche Versicherung abgegeben haben. Dazu hatte sie auch in Anbetracht ihres Beschäftigungsverhältnisses beim Antragsteller keine Veranlassung.

c) Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei dem von dem

Antragsteller am 29. März 2001 tatsächlich vorgefundenen Inhalt ihrer Internetseite um eine aus dem Speicher eines Dritten gelieferte veraltete Version oder eine als Irrläufer noch im Netz verbliebene alte Seite mit dem längst geänderten wettbewerbswidrigen Inhalt gehandelt hat, für den sie nicht verantwortlich zu machen wäre. Es ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dass es im Bereich des Internets zu Ausreißern kommen kann, die bewirken, dass nicht der aktuelle Stand einer Internetseite wahrgenommen werden kann. Sie sind aber ohne tatsächliche Anhaltspunkte dafür nicht hinreichend wahrscheinlich. Für eine Glaubhaftmachung insoweit reichen weder die von der Antragsgegnerin vorgelegten eidestattlichen Versicherungen ihres Geschäftsführers und ihrer Mitarbeiterin T noch die Schilderungen der denkbaren "Irrwege" im Internet aus.

aa) Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass sie am 4. oder 5. Dezember 2000 ihre gesamte Internetwerbung für Aloe Vera-Produkte im Hinblick auf die abgemahnten Werbeaussagen vollständig geändert hat. Die Antragsgegnerin hat zwar in erheblichem Umfang Änderungen vorgenommen. Damit ist aber nicht glaubhaft gemacht, dass sich diese Änderungen auch auf nicht unmittelbar vom Antragsteller beanstandete Seiten wie die Getränkeseiten bezogen haben, bei denen nur die Überschrift zu ändern gewesen wäre. Für eine umfassende Änderung spricht auch nicht entscheidend, dass es einen einheitlichen Rahmen für alle Seiten mit einem sich ständig ändernden Warenangebot jedenfalls im B gegeben haben soll. Der Rahmen ist zwar geändert worden. Die Überschrift lautet jetzt "B" und ist in Grün gehalten. Sie hat die alte, beanstandete Überschrift "Aloe Vera ... Königin der Heilpflanzen" ersetzt. Darin hat der Geschäftsführer der Antragsgegnerin im Senatstermin erklärt, dass es jedenfalls zwei Änderungen gegeben hat. Zunächst sei der Rahmen kurzfristig dahin geändert worden, dass die beanstandete Bezeichnung der Aloe Vera als "Königin der Heilpflanzen" in "Königin der Naturpflanzen" geändert worden sei, wie es sich auch aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt. Später, aber noch vor dem 29. März 2001 sei dann die Überschrift im Bereich des Rahmens bei einer vollständigen Umgestaltung in "B" geändert worden. Die Erklärung von Frau T, dass nur eine Änderung erfolgt sei, die dann bei einer Überprüfung im März 2001 unverändert Geltung gehabt habe, kann damit nicht richtig sein. Auch der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 7. Dezember 2001 (Bl.194) unrichtig erklärt, dass die für alle Seiten identische Überschriftsleiste am 4. Dezember 2000 in B geändert worden sei. Dabei ist ungesagt geblieben, dass zunächst eine Änderung in "Königin der Naturpflanzen" erfolgt ist. Da der Senat davon ausgeht, dass weder der Geschäftsführer noch die zuständige Mitarbeiterin bewusst die Unwahrheit gesagt haben, um der Antragsgegnerin einen prozessualen Vorteil zu verschaffen, ergibt sich aus den Erklärungen des Geschäftsführers und den eidesstattlichen Versicherungen, dass beide bei der Antragstellerin tätigen Personen keine genaue und zuverlässige Erinnerung mehr haben, in welchem Umfang, in welcher Weise und zu welchem genauen Zeitpunkt die Seiten geändert wurden. Dem entspricht es auch, dass die Antragsgegnerin nach der erneuten Abmahnung am 3. April 2001 ihre Internetseiten nochmals kontrolliert haben will, das Ergebnis dieser Kontrolle, das in einem Ausdruck festgehalten worden sein soll, aber nicht vorgelegt hat.

bb) Die Antragsgegnerin hat dem Senat auch keine plausible Möglichkeit dartun können, wie es zu einer Präsentation von einem aktuellem Datenbestand, der sich auf die ständige Änderung der Produktpalette bezog, in einem veralteten Rahmen hätte kommen können. Der Warenbestand und damit der Inhalt der Seite ist häufig und damit unstreitig auch in der fraglichen Zeit geändert worden ist, wofür auch das Datum der letzten Änderung auf der beanstandeten Seite vom 19. März 2001 spricht. Im Übrigen entsprach das angebotene Getränk auch dem Warenbestand von März 2001. Warum dieser Inhalt dann im alten Rahmen aus November 2000 trotz der von der Antragsgegnerin behaupteten Änderung übermittelt worden ist, ist auch ansonsten nicht nachvollziehbar. Dem Vortrag der Antragsgegnerin, dass sich der alte Rahmen nach diesem Zeitablauf von weit mehr als einem Monat noch im Cache eines Proxy-Servers befunden haben soll, steht schon entgegen, daß der Antragsteller durch die eidesstattliche Versicherung seines Mitarbeiters T3 glaubhaft gemacht hat, dass der Computer der Mitarbeiterin T2 so konfiguriert worden ist, dass die zu kontrollierenden Adressen nicht vom Proxy-Server geladen werden sollten, um bei jedem Zugriff ins Internet eine aktuelle Seite vorgelegt zu bekommen.

Auch das Vorhandensein des alten Rahmens in einem Browser Cache ist als weitere technische Erklärung des Vorgangs durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend plausibel gemacht worden. Aufgrund des "modernisierten" Angebots auf der besagten Internetseite hätte dann lediglich der "alte" Rahmen gespeichert sein müssen. Darüberhinaus ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller den Browser über die Einstellung bei den "Temporären Internet-Dateien" nicht so vorgenommen haben sollte, dass der Befehl "aktualisieren bei jedem Zugriff" gewählt worden sein sollte.

3) Dem Antragsteller steht wegen der glaubhaft gemachten Verletzungshandlung auch ein gesetzlicher Verfügungsanspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung nach §§ 1, 3 UWG, 17, 18 LMBG zu. Der angebotene Saft ist ein Lebensmittel im Sinne von § 1 Abs.1 LMBG. Es stellt eine Irreführung im Sinne des § 17 Abs.1 Nr. 5 c LMBG dar, ein solches Lebensmittel mit Aussagen zu bewerben, die ihm den Anschein eines Arzneimittels geben. Durch den Hinweis darauf, dass die Pflanze, deren Bestandteile das Getränk enthält, die Königin der Heilpflanzen sei, wird der Eindruck erweckt, dass der Trunk selber heilende Kräfte entfalte. Darin liegt wegen der wettbewerbsrechtlichen Relevanz auch eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG. Ein Verstoß auch gegen § 18 Abs.1 Nr.1 LMBG ergibt sich daraus, dass für ein Lebensmittel mit dem Hinweis geworben wird, dass es geeignet sei, Krankheiten vorzubeugen, diese zu heilen oder zu lindern. Der Verstoß gegen die Vorschriften des Lebensmittelgesetzes ist zugleich sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil es um wertbezogene Normen geht, die dem Schutz der Gesundheit dienen.

4) Der Verstoß ist auch geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt im Sinne von § 13 Abs.2 Nr.2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen. Das folgt daraus, dass es um eine nicht unerhebliche Irreführung der Verbraucher geht, die wegen der Täuschung und den daraus entstehenden Gefahren einer Selbstmedikation auch zu einer Beeinträchtigung des hohen Schutzgutes der Gesundheit führen kann (vgl. BGH WRP 1997, 940 -Politikerschelte).

5) Weil ein Verfügungsanspruch auch nach §§ 1, 3 UWG gegeben ist, ist die Dringlichkeit nach § 25 UWG zu vermuten und die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes entbehrlich. Es gibt hier auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vermutung widerlegt sein könnte. Insbesondere ist der Antragsteller nicht mehr als einen Monat nach Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß untätig geblieben. Der Antragsteller hat erstmals durch den Aufruf der Seite am 29. März 2001 über seine Mitarbeiterin T2 Kenntnis von dem Verstoß erlangt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist bereits am 20. April 2001 bei Gericht eingegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 13.12.2001
Az: 4 U 143/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8c5daf4e388b/OLG-Hamm_Urteil_vom_13-Dezember-2001_Az_4-U-143-01




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