Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 11. November 2011
Aktenzeichen: I-3 Wx 194/11

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 11.11.2011, Az.: I-3 Wx 194/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dem vorliegenden Gerichtsverfahren geht es um die Bestellung eines Notvorstands für einen Verband. Der Verband, der die Interessen der Ägypter in Deutschland vertritt, besteht aus verschiedenen regionalen Vereinen. Die Satzung des Verbands sieht vor, dass der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht und dass der oberste Mitgliederrat die oberste Körperschaft des Verbands ist.

Im Jahr 2010 gab es erhebliche Streitigkeiten unter den Mitgliedsvereinen, woraufhin eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wurde. Bei dieser Versammlung wurde unter anderem ein neuer Aufsichtsrat gewählt und der Rücktritt des Vorstands beschlossen. Es kam jedoch zu Unstimmigkeiten darüber, ob der Rücktritt wirksam war und ob eine weitere Mitgliederversammlung einberufen werden sollte.

Das Amtsgericht Düsseldorf lehnte den Antrag auf Bestellung eines Notvorstands ab, da nach seiner Auffassung noch ein eingetragenes Vorstandsmitglied vorhanden war, das die Mitgliederversammlung einberufen konnte. Das Registergericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde des Mitgliedsvereins gegen die Bestellung eines Notvorstands ebenfalls ab.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stimmte dieser Entscheidung zu und wies das Rechtsmittel zurück. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notvorstands nicht vorlagen und dass die Einberufung einer Mitgliederversammlung durch die noch eingetragenen Vorstandsmitglieder ausreichend war.

Im Ergebnis bedeutet das, dass der Antrag auf Bestellung eines Notvorstands abgelehnt wurde und die Mitgliederversammlung wie geplant stattfinden konnte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Beschluss v. 11.11.2011, Az: I-3 Wx 194/11


Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 3.000 Euro.

Gründe

I.

Der Verband, der seinen Sitz in Düsseldorf hat, ist die Dachorganisation diverser regional organisierter Vereine, die die Interessen der Ägypter in Deutschland vertreten. Mitglieder des Verbands sind die jeweiligen regionalen Vereine.

Die Verbandssatzung lautet auszugsweise wie folgt:

"…§ 4 Mitgliedschaft

Stimmrecht haben nur Mitgliedsvereine, die den festgesetzten Beitrag

an den Verband entrichten.

Die Mitgliedschaft endet:

bei Mitgliedsvereinen: mit der Kündigung oder durch Auflösung

§ 6 der oberste Mitgliederrat

Der oberste Mitgliederrat ist die oberste Körperschaft des Verbandes.

Er besteht aus:

… delegierten Mitgliedern von jedem Mitgliederverein …

Der oberste Mitgliederrat wird jeweils einmal jährlich bis Ende November einberufen

Außerordentliche Sitzungen des obersten Mitgliederrats werden einberufen,

wenn dies der Aufsichtsrat oder der Vorstand für notwendig hält. Die schrift-

liche Einberufung hierfür erfolgt unter Berücksichtigung von einer Frist von

mindestens 14 Tagen unter Angabe der Gründe und der Tagesordnung.

Der Vorsitzende des obersten Mitgliederrates ist gleichzeitig der Vorsitzende

des Aufsichtsrates.

Der oberste Mitgliederrat beschließt über:

- die Wahl des Aufsichtsrates

- die Wahl des Vorstandes

- die Entlassung des Aufsichtsrates

- die Entlassung des Vorstandes

….

Beitragssäumige haben kein Stimmrecht.

§ 7 der Aufsichtsrat

Er besteht aus 7 Mitgliedern, die aus dem obersten Mitgliederrat

gewählt werden.

…..

Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen nicht zugleich Mitglieder des Vorstands sein.

§ 8 Der Vorstand

Der Vorstand … besteht aus:

dem Vorsitzenden

dem stellvertretenden Vorsitzenden

dem Kassenwart

dem Generalsekretär

- Beisitzer sind

- der Kulturreferent

- der Sozialreferent

- der Sportreferent

- Der oberste Mitgliederrat bestimmt mindestens ein Jahr vor der Vorstands-

wahl den Bezirk, aus dem der Vorstand gewählt wird.

Die Mitglieder des Vorstandes werden durch den obersten Mitgliederrat mit einfacher Mehrheit für die Dauer von 2 … Jahren gewählt.

Der oberste Mitgliederrat bestimmt mindestens ein Jahr vor der Vorstands-

wahl den Bezirk, aus dem der Vorstand gewählt wird."

Im Jahre 2010 rekrutierte sich der Vorstand aus dem Verein Ä. G. in H. e. V, dem u. A. S. R. vorstand.

Im Jahre 2010 kam es zu erheblichen Streitigkeiten unter den Mitgliedsvereinen.

In einem Schlichtungsverfahren vereinbarten die Mitgliedsvereine am 31. Oktober 2010, eine außerordentliche Mitgliederversammlung am 12. Dezember 2010 stattfinden zu lassen.

Zu der außerordentlichen Mitgliederversammlung "oberste Mitgliederrat-Sitzung" lud der Vorstandsvorsitzende (S. R.) mit Schreiben vom 22. November 2010 ein. Auf der Tagesordnung stand u. A. die Wahl eines neuen Aufsichtsrates.

Unter dem 27. November 2010 beantragte die "Ä. -D. G. N." (Beschwerdeführer) zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 12. Dezember 2010 "die Absetzung des gesamten Vorstandes" des Verbandes.

Mit Schreiben an den Vorsitzenden der Schlichtungssitzung und die "Herren Mitglieder der Vollversammlung des Ägyptischen Hauses" vom 11. Dezember 2010 erklärten der Vorsitzende (S. R.), der Stellvertreter (A. A.) sowie der Generalsekretär (K. A. -R.), der Vorstand des Verbandes habe beschlossen, seinen sofortigen Rücktritt ab heutigem Datum zu erklären; mit an die "Herren Mitglieder der Vollversammlung des Ägyptischen Hauses" gerichtetem Schreiben vom selben Datum erklärten der Vorstandsvorsitzende und sein Stellvertreter, der Vorstand der Ä. G. in H. habe beschlossen, seine Mitgliedschaft in der Vollversammlung des Verbandes ab heutigem Datum zu beenden.

An der Versammlung am 12. Dezember 2010 in Darmstadt nahmen Delegierte von Mitgliedsvereinen teil, deren Mitgliedschaft ruhte, bzw. deren Ruhen der Vorstand wegen Beitragssäumigkeit bzw. vereinsschädigenden Verhaltens ausgesprochen hatte; ferner war ein "D. -Ä. V. O. e. V." vertreten, der nicht im Vereinsregister des Amtsgerichts Bielefeld eingetragen ist.

Ausweislich der Versammlungsniederschrift vom 12. Dezember 2010 wurde u. A. unter TOP 3 der Antrag auf Aufhebung des vom Vorstand verhängten Ruhens der Mitgliedschaft von vierzehn Mitgliedsvereinen einstimmig angenommen, unter TOP 5 mit Stimmenthaltung der Betroffenen einstimmig ein neuer Aufsichtsrat gewählt, zu TOP 6 der Antrag auf Annahme des Rücktritts des Vorstandes des Verbandes einstimmig angenommen, auf Antrag des Sitzungsleiters einstimmig beschlossen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Geschäftsführung des Verbandes kommissarisch übernimmt und eine Mitgliederversammlung innerhalb von zwei Monaten anberaumt, in der ein neuer Vorstand gewählt werden soll.

In dem Protokoll heißt es weiter unter TOP 9:

"Antrag auf Suspendierung bzw. Ruhenlassen der Mitgliedschaft der DAEG-Hannover.

Während der Diskussion über diesen Antrag erklärte Herr M. A., der Vorsitzende der DAEG-Hannover, den sofortigen Austritt dieses Vereins aus dem Verband ÄHD. Auf Anfrage, ob dies nicht eines Beschlusses der Mitgliederversammlung der DAEG bedürfe, erklärte er, dass er allein berechtigt sei, darüber zu bestimmen.

Die Annahme des Austritts von DAEG-Hannover wurde daraufhin vom Sitzungsleiter beantragt.

Der Antrag wurde mit 21 gegen 4 Stimmen angenommen."

Entgegen der im Protokoll ausgewiesenen einstimmigen Beschlussfassung trat M. A., der Vorsitzende der DAEG-Hannover (D. -Ä. G. in H. e. V.) sämtlichen Anträgen entgegen.

Der (zurückgetretene) Vorstandsvorsitzende S. R. lud am 26. Januar 2011 per Email verschiedene Mitgliedsvereine zu einer Mitgliederversammlung des obersten Mitgliederrates des Verbandes am 12. Februar 2011 in Hannover ein. Mit Anwaltsschreiben vom 31. Januar 2011 ließ der Verband A. und R. jeweils auffordern, bis zum 03. Februar 2011 eine Erklärung abzugeben, es zu unterlassen, eine außerordentliche Versammlung des obersten Mitgliederrates des Verbandes am 12. Februar 2011 durchzuführen und zu weiteren Versammlungen des obersten Mitgliederrates einzuladen. A. antwortete darauf mit Schreiben vom 02. Februar 2011, die Einladung durch R. sei mit seiner Zustimmung ausgesprochen worden. Er, A., habe als Vertreter eines Mitgliedsvereins zusammen mit R. der Satzung des Verbandes gemäß gehandelt. Auf gleiche Weise wie am 26. Januar 2011 lud R. am 05. Februar 2011 die angeschriebenen Mitgliedsvereine um auf den 20. Februar 2011. Die E-Mail war von A. und R. unterzeichnet.

Am 15. Februar 2011 beantragten der Verband sowie weitere Antragsteller (Dr. N., Dr. Ah. und der Mitgliedsverein des Verbandes Ä. G. N. e.V.) - dort ist Dr. N. Vorstandsmitglied - im Wege der einstweiligen Verfügung, den Herren R. und A. zu verbieten, am 20. Februar 2011 eine außerordentliche Versammlung des obersten Mitgliederrates des Verbandes durchzuführen und ihnen darüber hinaus zu verbieten, sich bis zu einer etwaigen neuen Bestellung gegenüber Mitgliedern des Verbandes oder Dritten als Vorstand des Verbandes zu bezeichnen, insbesondere durch Verwendung des Briefkopfes des Verbandes.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2011 beriefen Dr. N. ("Der kommissarische Vorstand des Ä. H. D.") und Dr. Ah. ("für den Aufsichtsrat des Ä. H. D.") eine Mitgliederversammlung für den 27. Februar 2011 ein, wobei Dr. N. in dem Schreiben erklärte, dass er bis zur Neuwahl des Vorstands seine Funktion als Aufsichtsrat ruhen lasse.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat am 17. Februar 2011 die einstweilige Verfügung auf Antrag des Verbandes erlassen und die Anträge der weiteren Antragsteller zurückgewiesen.

Die Mitgliederversammlung wählte am 27. Februar 2011 einen neuen Vorstand. Die dort gewählten Vorstandsmitglieder Ad. und S. unterzeichneten für den Verband am 17. März 2011 eine Verfahrensvollmacht [an Rechtsanwälte L. "insbesondere wegen einstweiliges Verfügungsverfahren AG Düsseldorf, AZ 29 C 2031/11"].

Auf den Widerspruch der Antragsteller R. und A. gegen die einstweilige Verfügung erkannte das Amtsgericht Düsseldorf - 29 C 2031/11- am 19. April 2011, dass sich der Verfügungsantrag des Verbandes auf Verbot der Durchführung einer außerordentlichen Versammlung des Mitgliederrates nicht erledigt habe und lehnte den Antrag des Verbandes, dem Verfügungsbeklagten zu 1 (R.) zu verbieten, sich gegenüber Mitgliedern des Verbandes oder Dritten als Vorstand des Verbandes zu bezeichnen, unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses ab.

In der Begründung führte das Amtsgericht beiläufig aus, letztendlich hätte bei der verfahrenen Situation nach dem Sachvortrag der Parteien in diesem Verfügungsverfahren ein Notvorstand bestellt werden müssen, was der Verband indes nicht beantragt habe.

Der beteiligte Mitgliedsverein hat unter Bezugnahme auf seine Gesuche vom 03. Februar 2011, ergänzt am 01. April 2011, unter dem 16. Mai 2011, 21. Juni 2011 und 06. Juli 2011 beim Amtsgericht - Registergericht - wegen Verworrenheit der rechtlichen und tatsächlichen Lage um Bestellung eines Notgeschäftsführers für den Verband nachgesucht.

Das Amtsgericht hat mit Beschlusses vom 07. Juli 2011 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Voraussetzung für die Bestellung eines Notvorstandes gemäß § 29 BGB sei, dass der Verein ohne Vorstand sei oder bei einem mehrgliedrigen Vorstand einzelne Vorstandsmitglieder fehlen und ein dringender Fall vorliege.

Nach dem Schriftsatz vom 16. Mai 2011 sei der dringend zu erledigende Fall die Einberufung der Mitgliederversammlung. Wenn aber die Notlage darin bestehe, eine neue Mitgliederversammlung einzuberufen, gelte der eingetragene Vorstand in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 2 Satz 2 AkG als hierzu befugt. Daher bestehe keine Notwendigkeit einen Notvorstand zu bestellen.

Hiergegen haben die - vom Verband und von mehreren Mitgliedsvereinen, u. A. dem Beschwerdeführer, bevollmächtigten - Rechtsanwälte L. ("im Auftrage unseres Mandanten") mit am 25. Juli 2011 eingegangener Schrift Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, die Begründung des Registergerichts werde den Umständen des Einzelfalls - seit mehr als einem 3/4 Jahr stritten die Parteien über das Zustandekommen einer ordnungsgemäßen Mitgliederversammlung - nicht gerecht, berücksichtige nicht die eine Verpflichtung zur Einsetzung eines Notvorstands bejahende Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf am 19. April 2011. Der Verband habe nach dem Rücktritt des Vorsitzenden (S. R.), der Stellvertreter (A. Ah.) sowie des Generalsekretärs (K. Ab. -Ra.) keinen handlungsfähigen Vorstand mehr; die Mitgliederversammlung könne nicht rasch genug einberufen werden.

Im Übrigen habe der eingetragene Vorstand, der aus dem Verband ausgetreten sei, zahlreiche Verfehlungen gegenüber dem Verband begangen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde (des Mitgliedsvereins Ä. D. G. N. e.V.) durch Beschluss vom 01. August 2011 nicht abgeholfen und ergänzend u. A. ausgeführt,

im Vereinsregister seien vier Vorstandsmitglieder eingetragen. Es werde davon ausgegangen, dass drei von ihnen von ihrem Amt zurückgetreten sind.

Für eine durchzuführende Neuwahl des Vorstands, solle eine Mitgliederversammlung einberufen werden. Hierfür solle durch das Vereinsregister ein Notvorstand bestellt werden.

Auch S. [Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Auflage Rn 421, 423] vertrete die Auffassung, dass gemäß § 121 Absatz 2 Satz 2 AktG analog der noch im Vereinsregister eingetragene Vorstand zur Berufung der Versammlung befugt sei, selbst wenn er sein Amt bereits niedergelegt hat.

Die Schwierigkeiten in diesem Verein könnten nicht auf die Einberufung einer Mitgliederversammlung reduziert werden. Eine solche müsse auch beschlussfähig sein. Im vorliegenden Fall sei überdies streitig, inwieweit Mitgliedschaftsrechte ruhen, weil Beiträge nicht bezahlt worden seien.

Es sei nicht Aufgabe des Verfahrens nach § 29 BGB, vereinsinterne Auseinandersetzungen zu lösen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Das zulässige (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 2; 63, 64; 68; 69; 374 Nr. 4 FamFG) Rechtsmittel des Beteiligten hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Beteiligte ist formell beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 2 FamFG), weil die Bestellung eines Notvorstandes - von Ausnahmefällen abgesehen (vgl. hierzu Schöpflin in BeckOK Bamberger/Roth Stand: 01.03.2011 BGB § 29 Rdz. 7) - nur auf Antrag erfolgt (vgl. § 29 BGB; Palandt-Ellenberger, BGB 70. Auflage 2011, § 29 Rdz. 4) und das Registergericht dieselbe abgelehnt hat.

Der Beteiligte ist auch materiell beschwert, weil er durch die erstinstanzliche Entscheidung in einem subjektiven Recht, nämlich seinem Mitgliedschaftsrecht beeinträchtigt ist (vgl. BGH NJW 2003, 3772; Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Auflage 2009 § 59 Rdz. 39). Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Mitgliedschaft des Beteiligten "ruht". Denn ein "Ruhen" würde zum Einen die Mitgliedschaft als solche nicht in Frage stellen, zum Anderen soll die Mitgliederversammlung, zu welcher der nach Meinung des Beschwerdeführers zu bestellende Notvorstand einladen soll, gerade darüber beschließen, ob das das Ruhen der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers (u. A.) wirksam beschlossen oder "angeordnet" worden ist.

2.

Das Registergericht hat im Ergebnis beanstandungsfrei und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung die beantragte Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft abgelehnt.

a)

Nach § 29 BGB hat das Amtsgericht des Sitzes einem Verein auf Antrag eines Beteiligten Vorstandsmitglieder zu bestellen (Notvorstand), soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen und ein dringender Fall vorliegt, der das Tätigwerden des Vorstands unaufschiebbar macht (BayObLGZ 1985, 24).

Voraussetzung ist also das Fehlen eines zur wirksamen Beschlussfassung oder Vertretung erforderlichen Vorstandsmitgliedes, das u. A. auf Absetzung, Amtsniederlegung, Amtsablauf oder Abwesenheit beruhen kann (Palandt-Ellenberger, BGB 70. Auflage 2011 § 29 Rdz. 2; Schöpflin in BeckOK Bamberger/Roth Stand: 01.03.2011 BGB § 29 Rdz. 4; Reuter in MuekoBGB 5. Auflage 2006, § 29 Rn 8; Staudinger-Weick, BGB 2005 § 29 Rn 7). Auch wenn sich die in verschiedenen Mitgliederversammlungen gewählten rivalisierenden Vereinsvorstände gegenseitig bei der Amtsführung blockieren, ist der Verein handlungsunfähig, so dass die Bestellung eines Notvorstands möglich ist (OLG Köln, FGPrax 2002, 264; Schöpflin, a.a.O.). Das Registergericht darf aber keinen Notvorstand zur Schlichtung des Machtkampfs zwischen auf verschiedenen Mitgliederversammlungen gewählten revalisierende Vorständen oder zur Überwindung von Differenzen zwischen mehreren Vorstandsmitgliedern bestellen (Reuter, a.a.O. Rn 9; Staudinger-Weick, a.a.O.).

Ein dringender Fall liegt vor, wenn der Verein sich nicht durch eigene Maßnahmen helfen kann (Staudinger-Weick, a.a.O.) und ohne die Notbestellung dem Verein oder einem Beteiligten Schaden droht (OLG Frankfurt FGPrax 2006, 81; Palandt-Ellenberger, a.a.O. Rdz. 3; Reuter, a. a. O. Rn 11). Für die Wahrnehmung der regulären, nicht dringlichen, Geschäftsführung kommt dagegen die Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht in Betracht. So bedarf es für die Einberufung einer Mitgliederversammlung keiner Notbestellung, wenn ein eingetragener Vorstand vorhanden ist, da dieser analog § 121 Abs. 2 AktG zur Einberufung befugt ist (BayOBLG NJW-RR 1996, 991; Palandt-Ellenberger, a.a.O. Rdz. 3; Schöpflin, a.a.O. Rdz. 6; Staudinger-Weick, a.a.O.), und zwar unabhängig davon, ob der Eingetragene das Amt noch inne hat, insbesondere also auch nach Ablauf der Amtszeit oder Niederlegung des Amts (Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Auflage 2010 Rdz. 2145).

Antragsberechtigter Beteiligter ist jeder dessen Rechte und Pflichten durch die Bestellung unmittelbar beeinflusst werden, insbesondere also alle Vereinsmitglieder sowie alle Vorstandsmitglieder (Palandt-Ellenberger, a.a.O. Rdz. 4; Schöpflin, a.a.O. Rdz. 7).

b)

Hiernach hat das Registergericht ein Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Notvorstandes zu Recht verneint.

Zu Recht ist das Registergericht davon ausgegangen, dass derzeit nur die Einberufung einer Mitgliederversammlung dringlich sei. Die Einberufung kann von den eingetragenen Vorstandsmitgliedern, herbeigeführt werden, ohne dass es der Bestellung eines Notvorstandes bedarf.

c)

Der Beteiligte ist als Mitgliedsverein antragsberechtigt. Das Antragsrecht entfällt zwar grundsätzlich, wenn das einen Antrag auf Bestellung eines Notvorstand stellende Vereinsmitglied im Laufe des Bestellungsverfahrens aus dem Verein ausscheidet (BayObLG NJW-RR 1994, 832; BeckOK-BGB Schöpflin, Stand 01.03.2011 § 29 Rdz. 7). Es mag offen bleiben, inwieweit dies auch bei einem "Ruhen" der Mitgliedschaft gelten kann. Jedenfalls ist dies nicht der Fall, solange die erstrebte Bestellung des Notvorstand gerade darauf abzielt, Verhältnisse zu schaffen, die es erlauben, die fraglich gewordene Stellung als Mitglied in einer von diesem einzuberufenden Mitgliederversammlung zu klären.

d)

Es fehlt indes an den Voraussetzungen für die Bestellung eines Notvorstandes, weil es nicht im Rechtssinne an einem Vorstand fehlt.

aa)

Laut § 8 der Satzung des Verbandes besteht der Vorstand aus sieben Personen, nämlich dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden, dem Kassenwart dem Generalsekretär sowie drei Beisitzern (Kulturreferent Sozialreferent Sportreferent). Im Vereinsregister als Vorstand eingetragen sind S. R. als 1.Vorsitzender, A. Ah. A. als stellvertretender Vorsitzender, S. K. als Kassenwart sowie Dr. Kh. Ab-R. als Generalsekretär.

Die Genannten sind befugt, die Mitgliederversammlung einzuberufen, weil sie noch als Vorstandsmitglieder im Vereinsregister eingetragen sind.

Nach § 8 der Satzung sind je zwei Vorstandsmitglieder, darunter einer der beiden Vorsitzenden, gemeinsam vertretungsberechtigt und ist der Vorstand beschlussfähig, wenn mindestens vier seiner Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden anwesend sind.

Hierbei ist ohne Belang, ob der Vorstand insgesamt oder lediglich einzelne Mitglieder den Rücktritt erklärt haben und ob dieser wirksam erklärt worden ist. Denn wer als Vorstand im Vereinsregister eingetragen ist, gilt zur Einberufung der Mitgliederversammlung auch dann als befugt, wenn feststeht, dass er nicht Vorstand ist. Hierbei handelt sich um eine unwiderlegbare Vermutung. Würde es sich um eine widerlegbare Vermutung handeln, so würde der innere Grund der Regelung verfehlt. Denn dieser ist in erster Linie darin zu sehen, dass die Wirksamkeit der Einberufung der Mitgliederversammlung und damit insbesondere die Gültigkeit ihrer Beschlüsse durch Unsicherheiten über die Vorstandseigenschaft nicht in Frage gestellt werden kann, wenn der Einberufende bei der Einberufung als Vorstand im Register eingetragen war (so BayObLG, OLGZ 1985, 496).

bb)

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass die eingetragenen Vorstandsmitglieder einem Mitgliedsverein ("Ä. G. H. e.V.") angehören, der inzwischen (laut Schreiben vom 11.12.2010) aus dem Verband ausgetreten ist.

Es kann offen bleiben, ob die eingetragenen Vorstandsmitglieder in dieser Situation noch für den Vorstand kandidieren könnten. Die unwiderlegbare Vermutung der Befugnis zur Einberufung gilt auch in diesem Falle. Wäre dies nicht der Fall, so hinge die Einberufungsbefugnis z. B. von der Wirksamkeit der Austrittserklärung ab. Solche Unsicherheiten sollen aber dadurch, dass auf die Registerlage abgestellt wird, gerade vermieden werden.

cc)

Dafür, dass die eingetragenen Vorstandsmitglieder - zumal, wenn ihre Berechtigung hierzu gerichtlich festgestellt wird - nicht willens oder in der Lage sind, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, besteht kein Anhalt.

e)

Auch unter praktischen Gesichtspunkten besteht kein Grund, die Bestellung eines Notvorstandes zur Einberufung der Mitgliederversammlung der Möglichkeit vorzuziehen, die Einberufung durch die Tätigkeit von Personen herbeizuführen, die als Vorstandsmitglieder (noch) im Vereinsregister eingetragen sind. Die Bestellung eines Notvorstandes hat nie den Zweck, Streit innerhalb verschiedener Gruppen des Vereins oder rivalisierender Vorstände zu lösen (BayObLG, a. a. O.; MünchKomm-Reuter, a.a.O., Rdz. 9; Staudinger-Weick, a.a.O.). Über die Vorstellungen der verschiedenen Gruppen innerhalb des Vereins wird die Mitgliederversammlung zu entscheiden haben. Es genügt daher, wenn zunächst diese herbeigeführt wird. Das kann, wie dargelegt ohne Notvorstandsbestellung erreicht werden. Das Registergericht hat die Bestellung eines Notvorstandes daher mit Recht abgelehnt.

III.

Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen, da sich die Verpflichtung, die Gerichtskosten zu tragen aus dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO) ergibt und weitere Beteiligte im Beschwerdeverfahren nicht hinzugezogen worden sind.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht nicht.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 11.11.2011
Az: I-3 Wx 194/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8b459f9878c4/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_11-November-2011_Az_I-3-Wx-194-11




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