Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 28. November 2000
Aktenzeichen: X ZR 237/98

(BGH: Beschluss v. 28.11.2000, Az.: X ZR 237/98)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 28. November 2000 (Aktenzeichen X ZR 237/98) entschieden, dass den Patentanwälten K. und W. in M. Akteneinsicht in das Schutzzertifikats-Nichtigkeitsverfahren gewährt wird. Allerdings kann die Einsicht in die beim Europäischen Gerichtshof vorgelegten Akten erst nach deren Rückleitung beim Bundesgerichtshof erfolgen.

In dem Verfahren haben die Patentanwälte K. und W. Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens X ZR 237/98 beantragt. Die Klägerin hat sich dazu nicht geäußert, während die Beklagte dem Antrag widersprochen hat. Sie hat argumentiert, dass keine Angabe zum Auftraggeber gemacht wurde und dass bereits frühere Einsichtsgesuche Einschränkungen unterlagen. Sie hat sich auch gegen die Einsicht in die beim Europäischen Gerichtshof vorgelegten Akten gewehrt.

Dem Antrag der Patentanwälte wird teilweise stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Akteneinsicht durch einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt nicht mehr von der Nennung des Auftraggebers abhängig ist. Es genügt ein formeller Antrag auf Einsicht, ohne die Darlegung eines berechtigten Interesses. Eine solche Darlegung ist nur erforderlich, wenn von Seiten des Patentinhabers oder des Nichtigkeitsklägers ein schutzwürdiges Interesse dargelegt wird. Erst dann können die Interessen des Antragstellers bei der Abwägung berücksichtigt werden. Eine pauschale Behauptung eines Gegeninteresses reicht nicht aus, um das Recht auf Einsicht in die Akten zu Fall zu bringen.

Für den anwaltlichen Vertreter gelten dieselben Bestimmungen. Er kann ohne Einschränkungen selbst Einsicht in die Akten verlangen, unabhängig davon, ob er ein eigenes Interesse an den Informationen hat.

Die Antragsteller haben daher Anspruch auf Einsicht in die beim Bundesgerichtshof entstandenen Akte des Nichtigkeitsverfahrens. Eine Entscheidung darüber, ob bestimmte Teile der Akten ausgenommen werden, ist nicht erforderlich. Es fehlt jedoch eine rechtliche Grundlage für die Einsicht in die beim Europäischen Gerichtshof vorgelegten Akten. Diese Einsicht kann erst nach deren Rückleitung gewährt werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 28.11.2000, Az: X ZR 237/98


Tenor

Den Patentanwälten K. und W. in M. wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags Akteneinsicht in die beim Bundesgerichtshof entstandenen Akten des Schutzzertifikats-Nichtigkeitsverfahrens X ZR 237/98 mit der Maßgabe gewährt, daß die Einsicht in die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Aktenteile beim Bundesgerichtshof erst nach deren Rückleitung erfolgen kann.

Gründe

I. Die Patentanwälte K. und W. haben -ohne Nennung des Auftraggebers -Einsicht in die Akten des Schutzzertifikats-Nichtigkeitsverfahrens X ZR 237/98 begehrt, die nach Einlegung der Berufung dem beschließenden Senat vorgelegt wurden, sich derzeit aber überwiegend auf Grund einer Vorlage nach Art. 234 EG beim Europäischen Gerichtshof befinden. Die Klägerin hat sich nicht geäußert; die Beklagte hat dem Antrag mit der Begründung widersprochen, daß eine Angabe darüber fehle, für welche Auftraggeber Akteneinsicht begehrt werde. Im übrigen hat sie darauf verwiesen, daß die Gewährung von Akteneinsicht nur mit den Einschränkungen in Betracht komme, die bereits bei früheren Gesuchen angeordnet worden seien. Einer Einsicht in die dem Europäischen Gerichtshof in dieser Sache vorgelegten Akten hat sie sich widersetzt.

II. Dem Antrag war mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßgabe stattzugeben, soweit er die beim Bundesgerichtshof entstandenen Aktenteile betrifft. Soweit der beschließende Senat in der Vergangenheit die Akteneinsicht durch einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt davon abhängig gemacht hat, daß dieser seinen Auftraggeber benennt (vgl. BGHZ 42, 19, 29 -Akteneinsicht I; zum früheren Recht vgl. auch Benkard/ Schäfers, PatG, GebrMG, 8. Aufl., § 99 PatG Rdn. 16; Busse, PatG, 5. Aufl., § 99 PatG Rdn. 36 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats und des BPatG), hat er hieran nicht mehr festgehalten (Sen.Beschl. vom 17.10.2000 -X ZR 4/00 - Akteneinsicht XV, zur Veröffentlichung vorgesehen). Er hat hierzu ausgeführt: Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft. Danach ist die Einsicht in diese Akten lediglich von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch auch von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Die Notwendigkeit einer solchen Darlegung kann sich nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann stellen, wenn von seiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers (vgl. dazu BGH GRUR 1972, 441, 442 -Akteneinsicht IX; Busse, aaO, Rdn. 37) ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst nach einer solchen Darlegung bedarf es einer Abwägung unter den beteiligten Interessen (BGH GRUR 1972, 441 -Akteneinsicht IX; Benkard/Schäfers, aaO, Rdn. 18; Busse, aaO, Rdn. 36), in die die Belange desjenigen, der Akteneinsicht begehrt, nur dann eingestellt werden können, wenn sie dem Gericht dargelegt worden und deshalb bekannt sind. Aus der Notwendigkeit dieser Darlegung kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß der um Akteneinsicht Nachsuchende schon im Vorgriff auf mögliche Einwände gehalten ist, die von ihm verfolgten Interessen offenzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Ein solches Verlangen wäre mit Wortlaut und Zweck der Regelung nach § 99 Abs. 3 PatG nicht zu vereinbaren. Es hätte zur Folge, daß die Akteneinsicht gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung im Ergebnis doch von der Darlegung und Glaubhaftmachung eines eigenen Interesses abhängig gemacht und damit die vom Gesetz vorgenommene Wertung in ihr Gegenteil verkehrt würde. Danach ist der Akteneinsicht Begehrende allenfalls dann zu weiteren Darlegungen gehalten, wenn eine der Parteien des Nichtigkeitsverfahrens ein schutzwürdiges Gegeninteresse darlegt und gegebenenfalls glaubhaft macht. Dazu genügt es nicht, daß sie der Akteneinsicht widerspricht. Schon nach dem Wortlaut der Regelung bedarf es vielmehr der Darlegung eines eigenen Interesses, das dem Begehren entgegengehalten werden kann und soll. Erst wenn dieses vorliegt, kann nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Akteneinsicht Begehrende seinerseits gehalten sein, sein Interesse an der Gewährung der Akteneinsicht vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Kommt er dem nicht nach, hat das lediglich zur Folge, daß die von ihm verfolgten Interessen bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden können und so auch eine pauschalere Behauptung eines Gegeninteresses genügen kann, das von ihm geltend gemachte Recht auf Einsicht in die Akten zu Fall zu bringen.

Für den durch einen anwaltlichen Vertreter gestellten Akteneinsichtsantrag gilt insoweit nichts anderes. Wenn weder von ihm noch von der von seinem Mandanten die Darlegung des eigenen Interesses an der Akteneinsicht verlangt werden kann, besteht insoweit auch kein Anlaß, seinen Mandanten namhaft zu machen (so auch im Ergebnis Sen.Beschl. v. 8.10.1998 -X ZB 12/98, GRUR 1999, 226 -Akteneinsicht XIV für die Einsichtnahme in die Beschwerdeakten in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren). Bei ihm kommt hinzu, daß er ohnehin auch im eigenen Namen Einsicht in die Akten verlangen könnte. In § 99 Abs. 3 PatG ist das Recht auf Einsicht in die Akten jedermann zugestanden worden; dieses Recht kann auch der anwaltliche Vertreter ohne Einschränkung selbst in Anspruch nehmen. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob er ein eigenes Interesse an den durch die Einsichtnahme vermittelten Kenntnissen besitzt.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist den Antragstellern auch im vorliegenden Fall Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens zu gewähren, soweit diese beim Bundesgerichtshof entstanden sind. Damit erübrigt sich eine Entscheidung darüber, ob - wie die Beklagte geltend macht und dies der Praxis des Senats in dieser Sache entspricht - bestimmte, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten betreffende Teile von der Akteneinsicht auszunehmen sind.

Für die Bewilligung der Einsicht in die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Akten des Patentamts und des Patentgerichts fehlt vor deren Rückleitung an den Bundesgerichtshof eine rechtliche Grundlage. Einsicht in die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Akten des Bundesgerichtshofs kann aus tatsächlichen Gründen erst nach deren Rückleitung gewährt werden.






BGH:
Beschluss v. 28.11.2000
Az: X ZR 237/98


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