Finanzgericht Köln:
Urteil vom 1. Dezember 2005
Aktenzeichen: 15 K 1555/05

(FG Köln: Urteil v. 01.12.2005, Az.: 15 K 1555/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Finanzgericht Köln hat in einem Urteil entschieden, dass die Klage abgewiesen wird. Der Kläger hatte Einkünfte aus juristischer Tätigkeit erzielt, war jedoch nicht als Rechtsanwalt tätig, da er seine Zulassung zurückgegeben hatte. Das Finanzamt hatte die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb eingestuft und Gewerbesteuerbescheide erlassen. Der Kläger argumentierte hingegen, dass seine Tätigkeit einer Rechtsanwaltstätigkeit ähnlich sei und somit als freiberufliche Tätigkeit zu qualifizieren sei. Das Gericht folgte jedoch der Ansicht des Finanzamts und stellte fest, dass die Tätigkeit des Klägers weder als freier Beruf noch als einer solchen ähnlich anzusehen sei. Das Gericht verwies dabei auf die Erfordernis der Zulassung als wesentliches Merkmal eines Berufs. Zudem stützte sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der ein Beruf nur dann einem Katalogberuf ähnlich sein könne, wenn er an Zulassung und staatlicher Aufsicht gebunden sei. Das Fehlen einer Zulassung schließe daher die Ähnlichkeit aus. Weiterhin wies das Gericht das Argument des Klägers zurück, dass die Tätigkeit wissenschaftlich sei. Der Kläger habe keine ausreichenden Angaben gemacht, um dies zu belegen. Das Gericht wies die Klage daher ab und wies darauf hin, dass das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt werden müsse, da keine entscheidungserheblichen Auswirkungen zu erwarten seien. Das Gericht entschied zudem, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Köln: Urteil v. 01.12.2005, Az: 15 K 1555/05


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Tatbestand

Der Kläger erzielt Einkünfte aus juristischer Tätigkeit. Bis März 1999 war der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Mit Schreiben vom 25.3.1999 beantragte der Kläger beim OLG Köln den Widerruf seiner anwaltlichen Zulassung. Diesem Antrag wurde am 13.4.1999 entsprochen. Im Anschluss an den erfolgten Widerruf arbeitete der Kläger als freier Mitarbeiter für verschiedene Rechtsanwälte.

Für den Zeitraum 1996 bis 2001 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass die vom Kläger nach dem Widerruf seiner Zulassung erzielten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb und nicht freiberufliche Einkünfte i. S. des § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG seien.

Der Beklagte schloss sich dieser Ansicht an und erließ mit Datum vom 15.4.2004 Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1999 bis 2001. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, der nur teilweise für einen hier nicht interessierenden Bereich für das Jahr 1999 (Höhe des gewerblichen Gewinns) begründet war. Hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte hielt der Beklagte an seiner Auffassung fest. Im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15. März 2005 verwiesen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, die Aufhebung der Gewerbesteuermessbescheide, weiter.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Tätigkeit des Klägers eine dem Katalogberuf des Rechtsanwalts ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 EStG sei. Für die Frage, ob die Tätigkeit des Klägers dem des Rechtsanwalts ähnlich sei, seien verschiedene Kriterien heranzuziehen. Im Streitfall seien sowohl die Berufsausbildung als auch der eigentliche Tätigkeitsbereich mit der eines Rechtsanwalts vergleichbar. Der Kläger habe ausschließlich berufstypische Arbeiten im Auftrag anderer Rechtsanwälte verrichtet. Er habe Gutachten erstellt, die Erfolgsaussichten von Klagen und Rechtsmitteln anhand einschlägiger Literatur beurteilt und entsprechende Schriftsätze vorbereitet. Er sei ferner als Assessor selbständig vor Gericht aufgetreten. Die Eigenverantwortlichkeit sei hier im Verhältnis zu den Rechtsanwälten zu sehen, die den Kläger beauftragt hätten. Mit diesen Tätigkeiten sei er selbständig im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Er sei aber auch freiberuflich tätig gewesen. Insoweit werde auf das Urteil des BFH vom 20.4.1972 verwiesen, in dem der BFH entschieden habe, dass ein Gerichtsreferendar ähnlich wie ein Rechtsanwalt tätig sei mit dem Ergebnis, dass er Einkünfte aus § 18 EStG erziele. Im vorliegenden Fall müsse dieses ebenfalls gelten, da die fachliche Qualifikation des Klägers als Volljurist mit über 20-jähriger Erfahrung als Anwalt ungleich höher einzuschätzen sei als die eines Referendars.

Nach Ansicht des Klägers ändere die fehlende Zulassung an der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes nichts an der Einordnung als freiberuflich. Auch ohne die Zulassung sei die vom Kläger verrichtete Tätigkeit der eines Rechtsanwalts ähnlich.

Eine für die Berufsausübung des Rechtsanwalts notwendige Zulassung könne allenfalls Indizwirkung für das Vorliegen eines vergleichbaren Berufes entfalten, nicht aber notwendige Voraussetzung sein. Dies ergebe sich schon aus der Formulierung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, welcher lediglich einen ähnlichen Beruf nenne. Im Übrigen könne sich die Ähnlichkeit nur auf die ausgeübte Tätigkeit an sich beziehen, nicht jedoch auf formale Kriterien, wie hier die Zulassung als formale Qualifikation. Diese Sichtweise spiegele sich überdies in dem Grundsatz wider, dass sich die Zuordnung von Einkünften zu einer bestimmten Einkunftsart stets nach der Tätigkeit als solche richte. Würde man die Zulassung als notwendiges Ähnlichkeitsmerkmal ansehen, gäbe es keine arztähnlichen oder rechtsberatungsähnlichen Tätigkeiten. Es sei aber auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine solche Eingrenzung der katalogähnlichen Berufe auf einige wenige Berufe habe vornehmen wollen.

Als Vergleichbarkeitskriterien könnten somit ausschließlich die Ausbildung und die ausgeübte Tätigkeit herangezogen werden. Würde man eine erlaubnispflichtige, freiberufliche Tätigkeit nur deshalb in eine gewerbliche Tätigkeit umqualifizieren, weil sie ohne Erlaubnis ausgeübt werde, dann käme dem Formalismus ein ungebührlicher Rang bei der steuerrechtlichen Zuordnung zu. Vor diesem Hintergrund sei auch die Entscheidung des BFH zum Gerichtsreferendar zu verstehen.

Soweit der BFH in seiner früheren Rechtsprechung das Vorliegen eines ähnlichen Berufs nur bei staatlicher Prüfung oder Anerkennung bejaht habe, sei der BFH in seiner neueren Rechtsprechung zu § 4 Nr. 14 UStG für sog. Heilhilfs- und Gesundheitsberufe hiervon abgerückt. Demnach sei bei Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten lediglich die Berufsbezeichnung geschützt, so dass es für die Ähnlichkeit des Vergleichsberufs nur darauf ankomme, dass die zuständige Berufsorganisation insoweit mittels einer Erlaubnis einmalig Kenntnisse bescheinige, die mit den staatlich geregelten Heilhilfsberufen vergleichbar seien. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall sei somit festzuhalten, dass mit der erstmalig erteilten Erlaubnis zur Berufsausübung dokumentiert worden sei, dass entsprechende Kenntnisse vorhandenen gewesen seien und die Qualität der Beratungsleistung dauerhaft gewährleistet sei. Die freiwillige Rückgabe der Rechtsanwaltszulassung ändere hieran nichts.

Weiterhin sei die Zulassung nicht zu den nach außen in Erscheinung tretenden Merkmalen zu rechnen.

Des Weiteren weist der Kläger darauf hin, dass beispielsweise ein ausländischer Rechtsanwalt aus einem Mitgliedstaat der EU als sog. niedergelassener europäischer Rechtsanwalt tätig sein könne, indem er in eine deutsche Rechtsanwaltskammer aufgenommen werde.

Darüber hinaus verweist der Kläger auf § 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Dieser Norm sei zu entnehmen, dass mittlerweile die Vergütung von Assessoren, sofern sie als Bevollmächtigte eines Rechtsanwalts Mandanten desselben vertreten, der Vergütung von Rechtsanwälten gleichgestellt sei. Insoweit werde die Leistung des Assessors genauso bewertet wie diejenige des Rechtsanwalts.

Die Berichterstatterin bat um nähere Darstellung der einzelnen Tätigkeiten des Klägers, da nicht auszuschließen sei, dass eine wissenschaftliche Tätigkeit vorliege. Im Einzelnen wird auf das Schreiben des Gerichts vom 22.8.2005 (Bl. 38 der FG-Akte) verwiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom 29.9.2005 mit, dass nach Durchsicht der entsprechenden Unterlagen eine wissenschaftliche Tätigkeit nicht vorliege.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 15.4.2004 für die Jahre 1999 bis 2001 über den Gewerbesteuermeßbetrag in der Form der Einspruchsentscheidung vom 15.3.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger sei unstreitig kein selbständiger Rechtsanwalt, da die Zulassung widerrufen worden sei. Ein Katalogberuf im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz EStG liege daher nicht vor. Auch eine ähnliche einem Rechtsanwalt vergleichbare Tätigkeit könne nicht angenommen werden. Ein Beruf sei einem Katalogberuf nur dann ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden könne. Das sei der Fall, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit allen seinen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar sei. Zur Anerkennung der Berufsähnlichkeit genüge nicht, dass die Tätigkeiten vergleichbar seien. Das Berufsbild werde durch sämtliche Berufsmerkmale geprägt. Zu diesen Berufsmerkmalen gehörten neben der Ausbildung auch Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des vergleichbaren Berufs knüpfe (vgl. BFH V R 97/84). Ein Zulassungserfordernis gehöre aber zu den wesentlichen Merkmalen eines Berufs. Denn die Notwendigkeit der Zulassung, die in erster Linie bei medizinischen und rechtsberatenden Berufen anzutreffen sei, diene dazu, die Qualität der Behandlung oder Beratung, die das Publikum bei einem Angehörigen dieser Berufe voraussetzen könne, zu gewährleisten (BFH, BStBl II 1982, 281). Der Ähnlichkeitsbegriff knüpfe an das Berufsbild der im Einzelnen bestimmten Katalogberufe an, nicht aber an einzelne Tätigkeiten. Die Bindung an gesetzliche Regelungen, wie hier die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, sei zulässig.

Unmaßgeblich sei somit, dass der Kläger eine qualifizierte Ausbildung besitze, da er ohne die Zulassung die Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht ausüben könne. Beim Fehlen einer Berufsausübungserlaubnis könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger trotz Fachkenntnisse tatsächlich selbst nicht eigenverantwortlich tätig werde. Er arbeite nur an bestimmten Aufträgen für eine Rechtsanwaltskanzlei. Er könne seine Tätigkeit aber nicht öffentlich anbieten.

Des Weiteren weist der Beklagte darauf hin, dass die Umsatzsteuerbefreiung im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG den Zweck beinhalte, die Sozialversicherungsträger zu entlasten. Diese Regelung sei nicht auf die einkommen- und gewerbesteuerliche Rechtslage übertragbar (1 BvR 2341/95).

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht in der Tätigkeit des Klägers einen Gewerbebetrieb gemäß § 2 Gewerbesteuergesetz (- GewStG -), § 15 Abs. 2 EStG gesehen und damit die Gewinne - der Höhe nach unstreitig - der Gewerbesteuer unterworfen, § 2 Abs. 1 GewStG. Der Kläger übte in dem hier streitigen Zeitraum keinen freien Beruf und keine dem freien Beruf ähnliche Tätigkeit aus.

1. Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Der Kläger erfüllt -wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist- die positiven Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG, da er eine selbständige, nachhaltige Betätigung unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht ausübt. Eine solche Tätigkeit ist jedoch kein Gewerbebetrieb, wenn sie in Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit anzusehen ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

2. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört zur freiberuflichen Tätigkeit insbesondere die selbständig ausgeübte Berufstätigkeit der Rechtsanwälte und ähnlicher Berufe.

a. Der Kläger war in dem hier streitigen Zeitraum nicht als Rechtsanwalt tätig, da es an der erforderlichen Zulassung fehlte.

b. Die Tätigkeit des Klägers war aber auch der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht ähnlich.

Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt (siehe schon Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1998, 15 K 3707/98, EFG 1998, 486), kann einem Beruf, der eine Berufszulassung erfordert und der einer Überwachung durch die Behörden unterliegt, nur ein ebenso an Zulassung und Überwachung gebundener Beruf ähnlich sein (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1997 IV R 19/97, BStBl II 1998, 139; vom 29. November 2001, IV R 65/00, BFHE 197, 228, BStBl II 2002, 149: vom 16. Mai 2002 IV R 94/99, BStBl II 2002, 565, vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BStBl II 2004, 509).

aa. Ein ähnlicher Beruf liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 16. Mai 2002 aaO). Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 28. August 2003, IV R 21/02, BFHE 203, 152; BStBl II 2003, 919, m.w.N.). Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. September 1989 IV R 117/87, BFHE 158, 372, BStBl II 1990, 153 und vom 15. Mai 1997 IV R 33/95, BFH/NV 1997, 751 und vom 22. Januar 2004 aaO; Brandt in Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 18 EStG Anm. 67 mwN). Die notwendige staatliche Gestattung der Berufsausübung ist ein das Berufsbild des Katalogberufs derart prägendes Merkmal dar, dass eine Tätigkeit, die ohne Erlaubnis ausgeübt wird, diesem Katalogberuf nicht ähnlich sein kann. Diese Rechtsprechung ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebilligt worden, indem es die gegen das Urteil des BFH vom 7. Juli 1976 I R 218/74 /BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621) gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 26. November 1976 1 BvR 408/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR- 1977, 96).

bb. Diese Rechtsprechung wird auch nicht durch die jüngste Rechtsprechung des BVerfG aufgehoben.

Das BVerG hat in zwei Beschlüssen (vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90 und vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92 in BStBl II 2000, 158 bez. eines medizinischen Fußpflegers, und in BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155 bez. eines Heileurythmisten) entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht allein wegen Fehlens einer berufsrechtlichen Regelung versagt werden könne. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht auf die Einkommensteuer/Gewerbesteuer übertragbar (BFH-Beschluss vom 13. Dezember 1999 IV B 68/99, BFH/NV 2000, 705; BFH-Urteil vom 2. Februar 2000 XI R 38/98, BFH/NV 2000, 839, die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 15. März 2000 1 BvR 742/00). Das BVerfG stellt in den o.g. Entscheidungen auf den erkennbaren Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG ab, der allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer beinhaltet (vgl. auch Weymüller, in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar [Stand: 1. April 2001], § 4 Nr. 14 Rz. 1; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, 3. Aufl. 1998, II Rz. 457 [Stand: August 2001]; Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes, zu BTDrucks V/1581, S. 5, 12). Diese speziell für die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer konzipierte Regelung spielt aber bei der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer keine Rolle, da § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG von einem anderen Normzweck ausgeht. Eine Entlastung der Sozialversicherungsträger wird dadurch nicht verfolgt. Durch die Schaffung der freien Berufe wollte der Gesetzgeber einzelne Berufsgruppen steuerlich anders behandeln, wie z.B. von der Gewerbesteuerpflicht ausnehmen. Diese Bevorzugung der freien Berufe im Gegensatz zu den Gewerbetreibenden ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 47/98, BStBl II 2000, 31; BFH-Beschluss vom 5. April 2005 IV B 89/03, BFH/NV 2005, 1865 mwN).

cc. Die oben dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BFH vom 20. April 1972 (IV R 7/72, BStBl II 1972, 615), auf die der Kläger hingewiesen hat. In jenem Urteil wurde die Tätigkeit eines Referendars, der als freier Mitarbeiter bei einem Rechtsanwalt tätig war, als der des Rechtsanwalts ähnlich angesehen. Dabei hielt der BFH es für unschädlich, dass er nicht zum Rechtsanwalt zugelassen war. Der Referendar wird indessen nicht ohne staatliche Erlaubnis tätig. Er bedarf vielmehr der Ernennung zum Referendar durch das zuständige OLG und im Falle seiner Mitarbeit beim Rechtsanwalt der Genehmigung des OLG-Präsidenten (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1989 IV R 117/87, BStBl II 1990, 153).

dd. Soweit der BFH in seinem Urteil vom 20. April 1972 (aaO) ausgeführt hat, dass das Kriterium der Ähnlichkeit nicht im Sinne der Gleichartigkeit verstanden werden dürfte, weil es ansonsten leer laufen würde, ist nach Ansicht des erkennenden Senats in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH eine differenzierende Betrachtungsweise angebracht (vgl. BFH-Urteil vom 28.8.2003 IV R 69/00, BFHE 203, 429, BStBl II 2004, 954).

Soweit die Erlaubnis oder staatliche Genehmigung nur dem Schutze der Berufsbezeichnung dient, ist sie nicht vergleichbar mit einer in einer Berufsordnung geregelten Zulassung oder Erlaubnis. Die Berufsordnung der Rechtsanwälte, die BRAO, will insbesondere die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege gewährleisten (§ 1 BRAO) und damit auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrechterhalten. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ist ein Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung, der den Eingriff beispielsweise des Widerrufs der Zulassung als Einschränkung der Berufsfreiheit legitimiert (vgl. BGH Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 13. Oktober 2003 AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212; BGH Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 17. März 2003 AnwZ (B) 3/02, NJW 2003, 1527 mwN)).

Das Berufsbild des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege wird geprägt von der Aufgabe, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich Rechtsrat zu erteilen und für Rechtssuchende deren Rechtsangelegenheiten innerhalb und außerhalb der Gerichte zu besorgen (BverfG-Beschluss vom 15. Februar 1989 1 BvR 1696/88, HFR 1990, 149). Die für Rechtsanwälte geltende Berufsordnung (BRAO) regelt nicht nur die Voraussetzungen für die Zulassung, sondern sie reglementiert auch die Berufsausübung und unterwirft diese der staatlichen Beaufsichtigung (sog. verkammerte Berufe). Berufsordnungen sind auf wenige Berufsgruppen beschränkt, bei denen der Gesetzgeber der Sicherung fachgerechter Berufsausübung besondere Bedeutung zumessen. Die BRAO dient dazu, die Qualität der Behandlung oder Beratung, die der Rechtssuchende bei einem Angehörigen dieses Berufes voraussetzen kann, zu gewährleisten (BFH-Urteil vom 21. September 1989 aaO). Insbesondere geht es nicht nur um die erforderliche Sachkunde, sondern auch um die persönliche Zuverlässigkeit. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft darf daher versagt oder widerrufen werden, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Die gesetzliche Ausgestaltung eines solchen Berufs bestimmt dessen Berufsbild in der Weise, dass daneben eine vergleichbare (ähnliche), aber zulassungsfreie Tätigkeit nicht vorstellbar ist, die zu einem eigenen Berufsbild führen könnte (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BStBl II 1988, 273).

Aufgrund dieser Erwägungen ist auch in der Entscheidung des BFH zur Entbehrlichkeit einer Zulassung bei Heilhilfsberufen (Urteil vom 28.8.2003 IV R 69/00, BFHE 203, 249, BStBl II 2004, 954) keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu erblicken, soweit Rechtsanwälte, Steuerberater oder Ärzte betroffen sind. Der BFH bestätigt in dieser Entscheidung den Grundsatz, dass eine Ähnlichkeit nur dann gegeben sein kann, wenn eine Erlaubnis vorliegt, sofern für die Ausübung des Katalogberufs eine solche erforderlich ist. Eine Ausnahme wird erstmals nur dann gemacht, wenn das Gesetz, welches die Erlaubnis regelt, nur die Berufsbezeichnung schützt. Insoweit ist lediglich die Berufsbezeichnung, nicht aber die eigentliche Tätigkeit erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis, eine Tätigkeit auszuüben, könne somit nicht anders gesehen werden, als beispielsweise die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Diese Erwägungen gelten nach Ansicht des Senats aus den o.g. Erwägungen aber nicht für die sog. verkammerten Berufe (vgl. zur Bedeutung der Verkammerung eines Rechtsbeistands BVerfG-Beschluss vom 12. Februar 1998 1 BvR 272/97, AnwBl 1998, 410).

ee. Entgegen der Ansicht des Klägers führt auch nicht das Europäische Gemeinschaftsrecht zu einer anderen Rechtsauffassung. Soweit ein europäischer Rechtsanwalt in Deutschland die Zulassung aufgrund der Eingliederungsvoraussetzungen nach dem am 14. März 2000 in Kraft getretenen Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EURAG) erreicht hat, unterliegt er wie ein deutscher Rechtsanwalt der Berufsordnung.

Die Tätigkeit des Klägers, der keine Zulassung mehr für die Ausübung einer Rechtsanwaltstätigkeit besitzt, kann somit nicht als der des Rechtsanwalts ähnlich angesehen werden. Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn der Rechtsanwalt seine Zulassung zurückgegeben hat. Denn diese Person hat entweder freiwillig oder, um dem Ausschluss zuvor zu kommen, den Bereich der staatlichen Aufsicht verlassen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1990 IV R 141/88, BFH/NV 1990, 438).

c. Der Kläger war auch nicht wissenschaftlich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig.

Wissenschaftlich tätig ist zwar nicht nur, wer schöpferische oder forschende Arbeit leistet (reine Wissenschaft), sondern auch, wird das aus der Forschung hervorgegangene Wissen und Erkennen auf konkrete Vorgänge anwendet (angewandte Wissenschaft). Wissenschaft i.S. der angewandten Wissenschaft liegt aber nur dann vor, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden, wie z.B. in einem wissenschaftlichen Gutachten über schwierige Fragen (BFH-Urteil vom 27.. Februar 1992 IV R 27/90, BStBl II 1992, 826, 829 mwN). Eine Tätigkeit hat dann keinen wissenschaftlichen Charakter, wenn sie im Wesentlichen in einer laufenden, mehr praxisorientierten Beratung besteht (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1981 IV R 79/80, BStBl II 1982, 267).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger vorgetragen, dass er ausschließlich berufstypische Arbeiten eines Rechtsanwalts erledigt habe. Auf Nachfrage des Gerichts, ob einzelne Arbeiten ggfls. wissenschaftlich angelegt worden seien, hat der Kläger nur erklärt, dass er nicht wissenschaftlich tätig sei. Mangels entgegenstehender Angaben geht das Gericht daher davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers aus einer laufenden praxisorientierten Beratung bestand und auch die Wahrnehmung von Gerichtsterminen umfasste. Dafür, dass er zumindest teilweise wissenschaftlich tätig geworden ist, hat der Kläger, der insoweit darlegungspflichtig ist, nichts vorgetragen.

Die Klage war somit abzuweisen.

3. Das Verfahren war auch nicht gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG über das Verfahren 1 BvL 2/04 (Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21. April 2004 4 K 317/91, EFG 2004, 1065) auszusetzen.

Selbst wenn das BVerfG die Gewerbeertragsteuer für verfassungswidrig halten sollte, erscheint es nach Ansicht des erkennenden Senats und des BFH ausgeschlossen, dass die betreffende Entscheidung entscheidungserhebliche Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren haben könnte, da nicht davon auszugehen ist, dass eine normverwerfende Entscheidung des BVerfG zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes führen wird (BFH-Beschluss vom 15. März 2005 IV B 91/04, BStBl II 2005, 647 mit weiteren Ausführungen, denen der Senat sich anschließt).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.






FG Köln:
Urteil v. 01.12.2005
Az: 15 K 1555/05


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