Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 16. Oktober 2006
Aktenzeichen: 9 K 2168/03

(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 16.10.2006, Az.: 9 K 2168/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Fall vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg dreht sich um die Frage, ob eine Stiftung dazu verpflichtet war, Lohnsteuer für die Tätigkeitsvergütung ihres Vorstandes einzubehalten und abzuführen. Die Klägerin ist eine gemeinnützige Stiftung, die in Deutschland ansässig ist. Der Vorstand der Stiftung hatte seinen Wohnsitz jedoch im Ausland. Das Gehalt für seine Tätigkeit wurde in Deutschland berechnet und ausgezahlt. Das Finanzamt führte bei der Stiftung eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch und stellte fest, dass die Tätigkeitsvergütung des Vorstandes ab dem 1. Juli 1999 der inländischen Lohnsteuereinbehaltungspflicht unterlag. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Haftungsbescheid gegen die Stiftung. Die Stiftung erhob Einspruch gegen den Bescheid, wurde jedoch in der Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht entschied, dass die Stiftung tatsächlich die Pflicht hatte, Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Die Stiftung argumentierte, dass die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Türkei auf ihren Fall nicht zulässig sei, da sie keine "nach dem Handelsrecht verantwortlichen Leiter" habe. Das Gericht erklärte jedoch, dass das Abkommen analog angewendet werden könne. Außerdem führte das Gericht aus, dass es keine einsichtigen Unterscheidungsgründe gebe, warum die Tätigkeitsvergütung eines Stiftungsvorstandes anders behandelt werden sollte als die eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft. Die Klage der Stiftung wurde deshalb abgewiesen, und sie wurde zu Recht als haftend für die Lohnsteuer in Anspruch genommen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 16.10.2006, Az: 9 K 2168/03


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin als privatrechtliche inländische Stiftung für das 2. Halbjahr 1999 Lohnsteuer in Bezug auf die Tätigkeitsvergütung ihres einzigen Vorstandes einzubehalten und an den Beklagten abzuführen verpflichtet gewesen ist und deshalb wegen Nichteinbehaltung und Nichtabführung dieser Abgaben für die Fehlbeträge als Arbeitgeberin haftet.

Die Klägerin ist eine inländische, gemeinnützige Stiftung i. S. von §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - i.V.m. §§ 52 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) mit Sitz in Berlin. Gegenstand der Stiftung ist die Aus- und Weiterbildung. Vorstand der Stiftung ist Herr xxx. Geschäftsführer sind Herr xxx sowie Frau xxx. Herr xxx hatte bis zum 31. Dezember 1997 seinen Wohnsitz in Deutschland inne. Während des gesamten Jahres 1998 und im 1. Halbjahr des Streitjahres 1999 befand sich sein Wohnsitz in xxx (Spanien). Ab dem 1. Juli 1999 hatte er seinen Wohnsitz in xxx (Republik Türkei). Herr xxx übte seine nichtselbständige Leitungstätigkeit für die Klägerin sowohl im Inland als auch im Ausland aus. Das Gehalt für seine Leitungstätigkeit wurde in Deutschland berechnet und ausgezahlt. Es betrug monatlich 11 181,25 DM. Diesbezüglich nahm die Klägerin in den Jahren 1998 bis 2000 keinen Lohnsteuereinbehalt vor.

In dem zwischen der Klägerin und Herrn xxx im Jahr 1994geschlossenen Anstellungsvertrag heißt es u.a.:"§ 4 - Probezeit und KündigungsfristenDer Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Rentenalters, ohne daß eseiner besonderen Kündigung bedarf.§ 5 - Arbeitszeit und UrlaubDie tägliche Arbeitszeit beträgt 8 Stunden. .... Der Sonnabendbliebt grundsätzlich frei.Der Jahresurlaub beträgt 30 Arbeitstage ".Im 2. Halbjahr 2001 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch (vgl. berichtigter Bericht vom 10. Mai 2002). Dabei vertrat er die Auffassung, dass das Gehalt des Herrn xxx gemäß Art. 16 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Türkei vom 16. April 1985 (BGBl. 1989 II S. 867; DBA Türkei) ab dem 1. Juli 1999 der inländischen Lohnsteuereinbehaltungspflicht seitens der Klägerin unterliege (Tz. 3 des o.g. Berichts).

Der Bericht vom 10. Mai 2002 enthält in Anlage 3 folgende Zusammenstellung der Prüfungsergebnisse, wobei Haftungsbeträge mit Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1 AO 1977) und ohne Leistungsgebot mit "H+" bzw. "H -" sowie Schuldbeträge mit " S" gekennzeichnet wurden:

Kj.LohnsteuerTz. 3 1998H- 558,33 EUR"3 1999H- 9 331,08 EUR"3 2000H- 22 894,12 EURGesamtH-32 783,52 EURTz. 2 1999H+1 432,12 EUR"1 2000H+ 57,26 EURGesamtH+1 489,38 EURTz. 4 1999SS 122,71 EURDaraufhin erließ der Beklagte am 11. Juni 2002 gegenüber der Klägerin einen auf § 42 d des Einkommensteuergesetzes - EStG - gestützten Haftungsbescheid, mit dem er die Klägerin wegen der nicht erhobenen Lohnsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag betr. den Sachverhalt Tz. 3 des Prüfungsberichts in Haftung nahm (ohne Bekanntgabe eines Leistungsgebots i. S. von § 254 Abs. 1 AO 1977, weil zunächst das Finanzamt Neukölln-Nord als Spezialfinanzamt für die Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen wegen einer möglichen Einbeziehung der diesbezüglichen Prüfungsfeststellungen in die Besteuerung von Herrn xxx per Kontrollmitteilung von dem Sachverhalt unterrichtet werden sollte). Während des gegen die Haftung für Lohnsteuer 1999 gerichteten Einspruchsverfahrens erging am 20. September 2002 ein nach § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderter Haftungs- und Nachforderungsbescheid, mit dem die Prüfungsfeststellungen gemäß Tz. 1 uns 2 sowie 4 ergänzend ausgewertet wurden (zusätzlicher Haftungsbetrag für die Jahre 1999 und 2000, der mit einem Leistungsgebot verbunden wurde, in Höhe von 1 489,38 EUR sowie zusätzlich Nachforderungsbetrag in Bezug auf Tz. 4 des Berichts in Höhe von 122,71 DM). Beiden Bescheiden war jeweils der berichtigte Prüfungsbericht vom 10. Mai 2002 beigefügt, auf den in den Bescheiden jeweils auch ausdrücklich Bezug genommen wurde. In einer Anlage zum Bescheid vom 20. September 2002 heißt es u.a.: "Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid für den wegen vorrangiger Inanspruchnahme der Arbeitnehmer ein Leistungsgebot noch nicht erfolgt ist, wird mit Rücklauf der Kontrollmitteilungen von den örtlichen Finanzämtern weiter bearbeitet. Eine Aussetzung der Vollziehung muss in Ermangelung eines Leistungsgebotes nicht erfolgen". Der Änderungsbescheid wurde vom Beklagten nach § 365 AO 1977 zum Gegenstand des anhängigen Einspruchsverfahrens erklärt. Der Einspruch der Klägerin wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 5. März 2003 als unbegründet zurückgewiesen, nachdem das Finanzamt Neukölln-Nord mit Schreiben vom 17. September 2002 mitgeteilt hatte, dass eine Nachversteuerung von Arbeitslöhnen im Wege der Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung bei beschränkt Steuerpflichtigen wie Herrn xxx nicht möglich sei.

Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme der Klägerin führte der Beklagte im Wesentlichen aus, Art. 16 Abs. 2 DBA Türkei sei auf den Streitfall anwendbar, weil nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d dieses DBA eine in Deutschland ansässige Stiftung als "Gesellschaft" i. S. von § 16 Abs. 2 DBA Türkei einzustufen sei. Eine vorrangige Pflicht zur Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Schuldner der ihn betreffenden Lohnsteuer bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - nicht, weil Herr xxx unstreitig seinen Wohnsitz im Ausland habe und deswegen eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht möglich sei (Hinweis auf § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin sei somit auch ermessensgerecht.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass Art. 16 Abs. 2 DBA Türkei im Streitfall nicht anwendbar sei, weil eine Stiftung i. S. von §§ 80 ff. BGB keinen "nach dem Handelsrecht verantwortlichen Leiter" habe, da das Handelsgesetzbuch - HGB - oder ähnliche Gesetze (GmbHG oder AktG) auf solche Stiftungen nicht anwendbar sei. Eine analoge Anwendung von Art. 16 Abs. 2 DBA Türkei zu Lasten der Klägerin sei aber nicht zulässig.

Die Klägerin beantragt, den Haftungsbescheid vom 11. Juni 2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. September 2002 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2003 dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 608,44 EUR herabgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.

Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung 2 Bände Lohnsteuer-Akten betr. die Klägerin vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Haftungsbescheid vom 11. Juni 2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. September 2002 sowie der Einspruchsentscheidung vom 5. März 2003 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Klägerin hat ihren Pflichten im Lohnsteuer-Abzugsverfahren nach Ansicht des Gerichts verletzt und ist zu Recht als Haftende in Anspruch genommen worden.

16a.) Gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Betriebsstätten-Finanzamt abzuführen (§ 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Herr xxx war unstreitig als Arbeitnehmer i. S. von § 19 Abs. 1 EStG i.V.m. § 1 Abs. 2 und 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDVO) für die Klägerin tätig, da er als einziges Vorstandsmitglied der Klägerin zwar deren gesetzliches Vertretungsorgan nach außen war (vgl. § 86 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 und 2 BGB), aber nach dem im Jahr 1994 abgeschossenen Anstellungsvertrag typische Arbeitnehmerrechte wie feste Arbeitszeiten und Erholungsurlaub für sich beanspruchen durfte (vgl. zu dieser Abgrenzungsfrage bei gesetzlichen Vertretungsorganen von juristischen Personen jüngst FG Berlin, rkr. Urteil vom 6. März 2006 9 K 2574/03 Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006,1425, Deutsches Steuerrecht - Entscheidungsdienst - DStRE - 2006,1055, m. zahlr. Rechtsprechungsnachweisen).

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht das Besteuerungsrecht für die von Herrn xxx im 2. Halbjahr 1999 erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Dienste der Klägerin der Bundesrepublik Deutschland zu, weil Art. 16 Abs. 2 DBA Türkei auf den Streitfall analog anzuwenden ist. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Klägerin als Stiftung i. S. von §§ 80 ff. BGB um eine "Gesellschaft" i. S. des o.g. Artikels handelt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA Türkei bedeutet der Ausdruck "Gesellschaft" im Sinne dieses Abkommens "juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden". Ist die juristische Person - wie hier gegeben - wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) befreit, so steht dies der Anwendung des DBA nicht entgegen (vgl. F. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, MA Art. 3 Rz. 18).

Des weiteren hat Herr xxx auch "Gehälter" i. Sinne dieses Artikels bezogen. Er war im Streitjahr 1999 als einziges Vorstandsmitglied der Klägerin deren "verantwortlicher Leiter" im Sinne des Art. 16 Abs. 2 DBA Türkei, vergleichbar einem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. AktG) oder einem Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG), auf deren Tätigkeitsvergütungen dieser Absatz des Abkommensartikels unstreitig anwendbar ist (vgl. dazu W. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., DBA-Türkei, Art. 16 Rz. 16; Wilke, in: Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA-Kommentar, DBA-Türkei, Art. 16 Rz. 2; Prokisch, in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 16 Rz. 22 ff.

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die Tätigkeitsvergütungen des Herrn xxx gleichwohl vom Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 DBA-Türkei nicht erfasst werden, weil seine Funktion als gesetzlicher Vertreter der Klägerin nicht auf Vorschriften des "Handelsrechts" beruht, sondern sich nach Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts (§§ 80 ff. BGB) richtet. Die Anwendung dieser Abkommensbestimmung auch auf seine Tätigkeitsvergütungen würde somit eine Analogie zu Lasten von Herrn xxx als potentiellen Schuldner der Lohnsteuer sowie zu Lasten der Klägerin als Haftungsschuldnerin i. S. von § 42 d EStG darstellen. Zudem sollen Doppelbesteuerungsabkommen aus Gründen der Praktikabilität der Rechtsanwendung grundsätzlich vorrangig nach ihrem Wortlaut und nicht nach dem dahinterstehenden Willen der Vertragsparteien ausgelegt werden (F. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Vor Art. 1 MA Rz. 31 m.w.N.). Eine Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen ist im Steuerrecht - anders als im Strafrecht (vgl. Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -) jedoch nicht grundsätzlich unzulässig, sondern zum Zwecke der Ausfüllung einer Gesetzeslücke durchaus statthaft, wenn die Lückenausfüllung der Verwirklichung des Gleichheitssatzes zu dienen bestimmt ist, nicht einer ausdrücklichen, entgegenstehenden Absicht des Gesetzgebers zuwiderläuft und auf Grund des analog angewandten Gesetzes vorhersehbar ist (vgl. dazu nur Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFHE - 139,561, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1984,221 sowie Birk, Steuerrecht, 8. Aufl., Rz. 144, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall musste Herr xxx und die Klägerin mit einer solchen Lückenschließung durch richterliche Rechtsfortbildung rechnen, weil im "Handelsrecht" der Bundesrepublik Deutschland, d.h. im Handelgesetzbuch - HGB - nur die Verantwortlichkeit der "Leiter" von Personengesellschaften (offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft; vgl. §§ 105 ff. bzw. 161 ff. HGB) geregelt ist, solche Personengesellschaften aber unstreitig gerade nicht unter den Begriff der "Gesellschaft" i. S. von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Türkei fallen. Ohne die hier vertretene Analogie gäbe es daher für Art. 16 Abs. 2 DBA-Türkei keinen praktisch relevanten Anwendungsbereich. Die Anwendung dieser Abkommensbestimmung auf die Tätigkeitsvergütungen von Vorständen von Aktiengesellschaften und GmbH-Geschäftsführern, die ebenfalls nicht den Bestimmungen des "Handelsrechts", sondern des deutschem "Gesellschaftsrechts" unterliegen, ist im Übrigen - wie oben gesehen - im Schrifttum unstreitig. Aus den Materialien zum deutschen Zustimmungsgesetz betr. das DBA-Türkei ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen dezidierten Willen beider Vertragsparteien zu einer streng auf den Wortlaut des Abkommenstextes beschränkten Anwendung von Art. 16 Abs. 2 (vgl. Denkschrift zum DBA, BT-Drucks. 11/5288, S. 29 zu Art 16 = Recht der Internationalen Wirtschaft - RIW - 1990,216). Es spricht im Übrigen viel dafür, dass mit der einschränkenden Formulierung "nach Handelsrecht verantwortliche Leiter" nur eine definitorische Abgrenzung des Kreises der Betroffenen von anderen, verantwortlich handelnden Personen in einem Unternehmen (z.B. Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten) gemeint ist (vgl. dazu Ministerialrat a.D. (BMF) Krabbe, in: Debatin/Wassermeyer, DBA-Dänemark, Art. 16 Rz. 17).

Für die analoge Anwendung von Art. 16 Abs. 2 DBA-Türkei auf die Tätigkeitsvergütungen von Herrn xxx im Streitjahr 1999 sprechen auch Gesichtspunkte des deutschen Verfassungsrechts (Art. 3 Abs. 1 GG), denn es sind keine einsichtigen Unterscheidungsgründe erkennbar, warum die Tätigkeitsvergütung eines Stiftungsvorstandes abkommensrechtlich anders behandelt werden sollte als die Tätigkeitsvergütung des Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft (vgl. zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Kapitalgesellschaften und sonstigen juristischen Personen des Privatrechts wie z.B. Vereinen oder Stiftungen im Rahmen des Art. 16 Abs. 1 MA = Art. 16 Abs. 1 DBA-Türkei F. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 16 Rz. 25 und 27 m.w.N.). Dementsprechend enthalten einige Doppelbesteuerungsabkommen wie z.B. das DBA-Schweden (Art. 16) sowie das DBA-Jugoslawien (Art. 17) weiter gefasste Formulierungen, die die Tätigkeitsvergütungen von Stiftungsvorständen eindeutig miterfassen und damit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot schon von ihrem Wortlaut her Rechnung tragen (Vergütungen "als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft" bzw. "Mitglied eines gemeinsamen Geschäftsführungsorgans einer Gesellschaft").

2. Wegen der weiteren Begründung für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte wird zur Entlastung des Gerichts auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in dessen Einspruchsentscheidung verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 13 und 25 des Gerichtskostengesetzes - GKG - a.F.

4. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.






FG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 16.10.2006
Az: 9 K 2168/03


Link zum Urteil:
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