Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 24. Februar 2005
Aktenzeichen: 6 U 43/04

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 24.02.2005, Az.: 6 U 43/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 24. Februar 2005 in dem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Beklagten entschieden. Die Klägerin hatte die Beklagte verklagt, da sie deren Verkaufsaktion als wettbewerbswidrig ansah. Die Verkaufsaktion der Beklagten bestand darin, eine begrenzte Anzahl von Fahrrädern zu einem deutlich reduzierten Preis anzubieten. Diejenigen, die ein Fahrrad erwerben wollten, mussten an einer Verlosung teilnehmen, um ausgewählt zu werden. Die Klägerin war der Ansicht, dass diese Verkaufsaktion verschiedene wettbewerbsrechtliche Verstöße beinhaltet.

Das Landgericht hat der Klägerin teilweise Recht gegeben und die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung verurteilt. Beide Parteien haben Berufung eingelegt.

Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Berufungen beider Parteien in der Sache keinen Erfolg haben. Die Klägerin erhält weiterhin einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte, da die Verkaufsaktion irreführend ist. Die Werbung der Beklagten stellt den Verlosungscharakter nicht deutlich genug dar. Das Gericht hat außerdem festgestellt, dass die Klägerin Anspruch auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung hat.

Allerdings hat das Gericht auch festgestellt, dass die Klägerin mit ihren weitergehenden Anträgen, die auf die Verbot von solchen Verkaufsaktionen allgemein abzielen, keinen Anspruch hat. Verkaufsaktionen dieser Art sind nach Ansicht des Gerichts nicht per se wettbewerbswidrig. Das Gericht hat die Kosten des Verfahrens zwischen den Parteien aufgeteilt und keine Revision zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 24.02.2005, Az: 6 U 43/04


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.1.2004 verkündeteUrteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. wirdzurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das genannte Urteil wird mitder Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer II. des Urteilstenors wiefolgt gefasst wird:

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zuerteilen unter Übergabe einer nach Monaten geordneten Auflistung,aus der sich ersehen lässt, in welchem Umfang Handlungen gemäßZiffer I. durch die Beklagte begangen wurden, unter Auflistung derWerbungsträger, Erscheinungszeiten, Auflagenhöhen undVerbreitungsgebiete.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinanderaufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann dieVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,- EURabwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitin gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Beide Parteien betreiben große Versandhandelshäuser.

Im März 2003 bot die Beklagte mit den im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Werbemitteln 1.000 Fahrräder eines bestimmten Typs, die sie ansonsten zu einem regulären Preis von 499,- € verkauft hat, zu einem Preis von 49,90 € an; welche der € weit über 1.000 € Kaufbewerber in den Genuss des Kaufangebotes kommen sollten, wurde im Wege der Verlosung ermittelt. Den bei der Verlosung nicht zum Zuge gekommenen Kaufinteressenten bot die Beklagte sodann das Fahrrad zu einem Preis von 299,-- € an. Vergleichbare Verkaufsaktionen führte die Beklagte in der Folgezeit auch für andere Artikel durch.

Die Klägerin hat geltend gemacht, bereits das Grundprinzip der Verkaufsaktion, nämlich die zeitlich und mengenmäßig begrenzte Abgabe von Waren zu einem deutlich unter dem üblichen Verkaufspreis liegenden Preis mit der Maßgabe, dass die Kaufberechtigten durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden, sei unter mehreren Gesichtspunkten wettbewerbswidrig. Jedenfalls sei die konkret verwendete Werbung irreführend. Die Beklagte hat ein wettbewerbswidriges Verhalten in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.01.2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen im übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die Beklagte entsprechend dem letzten Hilfsantrag hinsichtlich bestimmter Werbemittel zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, das beanstandete Grundprinzip der Verkaufsaktionen der Beklagten verstoße auch gegen die Vorschriften des UWG in der seit 08.07.2004 geltenden Fassung. Der Warenabsatz werde an die Teilnahme an einem Gewinnspiel gekoppelt (§ 4 Nr. 6 UWG n.F.) und die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers werde unsachlich beeinflusst (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.). Dies gelte jedenfalls im Hinblick auf das den bei der Werbung nicht zum Zuge gekommenen Kaufinteressenten unterbreitete nachträgliche Angebot, das Fahrrad zu einem Preis von 299,-- € zu erwerben. Darüber hinaus führe die Aktion zu einer unlauteren Marktstörung, da während deren Dauer die Nachfrage in erheblichem Umfang blockiert werde. Die Formulierung der Klageanträge diene im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes dazu, den Aktivitäten der Beklagten Einhalt zu gebieten.

Die Klägerin stellt zu ihrer Berufung folgende Anträge:

I. Das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 29.01.2004 wird im Umfang der Klageabweisung aufgehoben.

II. Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung zustehendes Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten € im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren € die Ordnungshaft zu vollziehen an den vertretungsberechtigten Personen der Beklagten, verboten

1. im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel, die mengenmäßig begrenzt sind, zeitlich befristet und zu Preisen, die einen Bruchteil, nämlich die Hälfte oder weniger des üblichen Marktpreises ausmachen, in der Weise zu bewerben, dass beim Eingang von den Warenvorrat übersteigenden Bestellungen die Käufer durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden;

hilfsweise (1. Hilfsantrag):

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel, die mengenmäßig begrenzt sind, zeitlich befristet und zu Preisen, die einen Bruchteil, nämlich die Hälfte

hilfsweise:

1/5 oder weniger des bisherigen eigenen Preises der Beklagten für diese Artikel oder der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers dieser Artikel ausmachen oder € in Ermangelung derartiger Preise € des üblichen Marktpreises ausmachen, in der Weise zu bewerben, dass bei Eingang von den Warenvorrat übersteigenden Bestellungen die Käufer durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden;

hilfs- hilfsweise (2. Hilfsantrag):

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel, die mengenmäßig begrenzt sind, zeitlich befristet und zu Preisen, die einen Bruchteil, nämlich die Hälfte

hilfsweise

1/5 oder weniger des bisherigen eigenen Preises der Beklagten für diese Artikel oder der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers dieser Artikel ausmachen in der Weise zu bewerben, dass bei Eingang von den Warenvorrat übersteigenden Bestellungen die Käufer durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden;

hilfs- hilfs- hilfsweise (3. Hilfsantrag):

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel, die mengenmäßig begrenzt sind, zeitlich befristet und zu Preisen, die einen Bruchteil, nämlich die Hälfte

hilfsweise

1/5 oder weniger des bisherigen eigenen Preises der Beklagten für diese Artikel oder der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers dieser Artikel ausmachen oder € in Ermangelung derartiger Preise € des üblichen Marktpreises ausmachen, in der Weise zu bewerben, dass bei Eingang von den Warenvorrat übersteigenden Bestellungen die Käufer durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden, wenn und soweit den erfolglosen Bestellern im Anschluss an die Ziehung der gleiche Artikel durch die Beklagte erneut zum Verkauf angeboten wird;

hilfs- hilfs- hilfs- hilfsweise (4. Hilfsantrag):

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Artikel, die mengenmäßig begrenzt sind, zeitlich befristet und zu Preisen, die einen Bruchteil, nämlich die Hälfte

hilfsweise

1/5 oder weniger des bisherigen eigenen Preises der Beklagten für diese Artikel oder der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers dieser Artikel ausmachen oder € in Ermangelung derartiger Preise € des üblichen Marktpreises ausmachen, in der Weise zu bewerben, dass bei Eingang von den Warenvorrat übersteigenden Bestellungen die Käufer durch Ziehung nach dem Zufallsprinzip unter allen Bestellern ermittelt werden, wenn und soweit den erfolglosen Bestellern im Anschluss an die Ziehung der gleiche Artikel durch die Beklagte erneut zum Verkauf angeboten und diesen erfolglosen Bestellern gleichzeitig mitgeteilt wird, dass sie diesen Artikel zu einem gegenüber dem früheren Preis verminderten Preis angeboten erhalten

und/oder

2. eine so angekündigte Aktion durchzuführen

und/oder

3. den so ermittelten Käufern den entsprechenden Artikel zu gewähren.

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und zwar unter Übergabe einer nach Monaten geordneten Auflistung aus der sich ersehen lässt, in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziff. II durch die Beklagte begangen wurden, insbesondere unter Auflistung der entsprechenden Veranstaltungen, ihrer Gültigkeitsdauer, der Anzahl der zur Verlosung kommenden Waren, der Werbung für die Veranstaltungen unter Bekanntgabe der Werbungsträger, Erscheinungszeiten, Auflagenhöhen und Verbreitungsgebiete, sowie unter Bekanntgabe der Kosten der Werbung.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin all jene Schäden zu ersetzen, die dieser durch die Handlungen der Beklagten gemäß Ziff. II entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt den klageabweisenden Teil des angegriffenen Urteils.

Zu ihrer Berufung führt die Beklagte aus, das Landgericht habe gegen § 308 ZPO verstoßen, da die Irreführungsgesichtspunkte, auf die das Landgericht die Verurteilung gestützt habe, von der Klägerin selbst nicht geltend gemacht worden seien. Im übrigen werde in der Werbung in hinreichend deutlicher Form auf den Verlosungscharakter der Verkaufsaktion hingewiesen.

Die Beklagte beantragt zu ihrer Berufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Beklagte verurteilt worden ist.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben in der Sache keinen Erfolg.

1. Berufung der Beklagten

Ohne Erfolg rügt die Beklagte einen Verstoß des Landgerichts gegen § 308 ZPO. Das Landgericht hat die mit dem letzten Hilfsantrag beanstandeten konkreten Werbemittel der Beklagten ausweislich der Entscheidungsgründe € jedenfalls auch € deswegen als irreführend untersagt, weil darin der Verlosungscharakter der beworbenen Verkaufsaktion nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck komme. Die Klägerin hat in der Klageschrift (Seite 29, 30) unter anderem beanstandet, dass auch der Verbraucher, der die beschränkte Stückzahl der angebotenen Fahrräder im Internet oder in der Printwerbung zur Kenntnis nehme, meine, dass die Bestellungen in der Reihenfolge ihres Eingangs bedient würden, und nicht mit einer Verlosung rechne. Dies entspricht der Sache nach dem Irreführungsvorwurf, mit dem das Landgericht die Verurteilung begründet hat. Zwar hat die Klägerin sich zur Stützung des mit dem Hilfsantrag verlangten Verbots auf mehrere Irreführungsgesichtspunkte berufen. In einem solchen Fall ist das Gericht jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. WRP 01, 400, 403 € TCM-Zentrum) nicht gehindert, das beantragte Verbot der konkreten Werbung mit lediglich einem dieser Irreführungsgesichtspunkte zu begründen.

Das Landgericht hat der Klägerin einen Unterlassungsanspruch des genannten Inhalts auch in der Sache zu Recht zuerkannt.

Die im Tenor wiedergegebene Werbung verstieß gegen § 3 UWG in der zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung (März 2003) geltenden Fassung. Denn sie ließ den Verlosungscharakter der beworbenen Werbeaktion nicht hinreichend deutlich erkennen und war daher irreführend.

Die von der Beklagten durchgeführte Verkaufsaktion war dadurch gekennzeichnet, dass eine begrenzte Anzahl einer bestimmten Ware zu einem weit unter dem regulären Kaufpreis liegenden Sonderpreis mit der Maßgabe angeboten wurde, dass im Wege der Verlosung ermittelt wurde, welche der Kaufinteressenten in den Genuss dieses außergewöhnlich günstigen Angebots kommen sollten. Derartige als €Verkaufsverlosungen€ zu bezeichnende Verkaufsaktionen sind dem Verkehr bisher nicht geläufig. Wird ein begrenzter Warenvorrat zu einem besonders günstigen Preis angeboten, entscheidet nach bisher durchgängiger Übung vielmehr die Schnelligkeit der Kaufentscheidung darüber, wer von diesem Angebot profitieren kann. Diese durchgängige Übung hat die Verkehrserwartung in der Weise geprägt, dass auch der verständige Durchschnittsverbraucher, der auf ein außergewöhnlich günstiges, mengenmäßig begrenztes Verkaufsangebot stößt, ohne gegenteilige Hinweise davon ausgeht, dass die Nachfrage in der zeitlichen Reihenfolge der eingehenden Kaufwünsche befriedigt wird. Soll entgegen dieser allgemeinen Verkehrserwartung stattdessen das Los über die Kaufberechtigung entscheiden, kommt der damit verbundenen Gefahr der Irreführung über den Verlosungscharakter besondere Bedeutung zu. Denn von einem Angebot, das sich der Sache nach als Verlosung von Waren € für die der Gewinner zudem noch einen gewissen Kaufpreis zu zahlen hat € darstellt, geht eine deutlich geringere Attraktivität aus als von einem zufallsunabhängigen Verkaufsangebot zu einem besonders günstigen Preis, für welches sich der Verbraucher nur schnell genug entscheiden muss. Ein Verbraucher, der sich des Verlosungscharakters der €Verkaufsverlosung€ klar bewusst ist und der daher erkennt, dass er nur eine geringe Chance auf die Inanspruchnahme des Kaufangebots haben wird, ist daher von vornherein deutlich weniger geneigt, sich mit diesem Verlosungsangebot näher zu befassen als der Verbraucher, der meint, er müsse schnell zugreifen, um in den Genuss des Angebots zu kommen.

Aus den genannten Gründen sind bei der Bewerbung von €Verkaufsverlosungen€ der in Rede stehenden Art an die erforderliche Verdeutlichung des Verlosungscharakters des Angebots hohe Anforderungen zu stellen. In der Werbung muss deutlich und für jeden Adressaten unübersehbar hervorgehoben werden, dass es sich um eine Verlosung handelt, bei der der Gewinn darin besteht, eine Ware zu einem günstigen Preis erwerben zu dürfen. Es reicht nicht aus, dass der durch die Werbung aufmerksam gemachte Leser erst bei näherer Befassung mit dem Angebot den Verlosungscharakter erkennt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt WRP 2003, 379 € Preis ohne Monitor) reicht es für einen Verstoß gegen § 3 UWG a.F. (§ 5 UWG n.F.) aus, wenn von der unrichtigen Werbeaussage jedenfalls ein Anlockeffekt ausgeht (vgl. hierzu auch Baumbach/Hefermehl-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, Rdz. 2. 190 f. zu § 5). Der Vorteil für den Werbenden liegt in Fällen der vorliegenden Art schon darin, mit der irreführenden Angabe bei den Kunden überhaupt das Interesse für die Teilnahme an einer Verlosung geweckt zu haben, das in dieser Form nicht bestanden hätte, wenn der Verlosungscharakter sofort offenbart worden wäre. Zwar sind die von einer Irreführung mit bloßem Anlockeffekt ausgehenden Gefahren vergleichsweise gering, weshalb der Gesichtspunkt der Interessenabwägung (vgl. allgemein hierzu zuletzt BGH WRP 04, 904, 906 € Schlauchbeutel) gerade hier im Einzelfall dazu führen kann, eine gewisse Irreführungsgefahr hinzunehmen (vgl. Baumbach/Hefermehl-Bornkamm a.a.O., Rdz. 2. 194 zu § 5). Im vorliegenden Fall sind jedoch keine berechtigten Interessen des Werbenden erkennbar, den Verlosungscharakter der beworbenen Aktion dem Verbraucher nicht sofort und eindeutig zu offenbaren.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt werden die angegriffenen konkreten Werbemittel den Anforderungen an die hinreichende Aufklärung über den Verlosungscharakter bei weitem nicht gerecht. Der Internetauftritt der Beklagten (1. bis 3. Blatt nach Seite 2 des angefochtenen Urteils) enthält auf den ersten beiden Seiten nur den Hinweis, dass 1.000 Fahrräder angeboten werden, deren Preis von 499,-- € auf 49,90 € reduziert worden ist. Auch auf der dritten Seite wird dieser Preis blickfangartig herausgestellt. Ein Hinweis auf den Verlosungscharakter findet sich dagegen erst kleingedruckt am unteren Rand der dritten Seite, wo er leicht überlesen oder jedenfalls zu spät zur Kenntnis genommen werden kann. Der weiter beanstandete Katalogausleger (4. bis 6. Blatt nach Seite 2 des angefochtenen Urteils) lässt keinerlei Hinweis auf den Verlosungscharakter erkennen.

Der infolge des begangenen Wettbewerbsverstoßes entstandene Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 3 UWG a.F. besteht auch nach Inkrafttreten des UWG in der seit 08.07.2004 geltenden Fassung fort. Er ergibt sich nunmehr aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. Das Verbot der irreführenden Werbung nach § 3 UWG a.F. ist der Sache nach unverändert in § 5 UWG n.F. übernommen worden, so dass sich an der dargestellten Beurteilung auch nach neuem Recht nichts ändert. Ob die mangelnde Erkennbarkeit einer Verlosung als solche auch unter § 4 Nr. 5 UWG n.F. fällt (ablehnend Baumbach/Hefermehl-Köhler a.a.O., Rdz. 5.13 zu § 4), kann daher dahinstehen.

Die Bagatellegrenze des § 3 UWG n.F. ist schon im Hinblick auf die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Beklagten überschritten.

Auch die vom Landgericht zuerkannten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche (Ziffern II. und III. des Tenors) stehen der Klägerin aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen zu. Den Umfang des Auskunftsanspruchs hat der Senat auf die im Tenor genannten Angaben beschränkt. Hierin liegt jedoch lediglich eine Klarstellung, weil sich die antragsgemäß zuerkannte Auskunft über den Umfang der €Handlungen gemäß Ziffer I.€ naturgemäß nur auf die nunmehr im Tenor verbliebenen Angaben über die in Ziffer I. wiedergegebenen konkreten Werbeäußerungen beschränkt und sich insbesondere nicht auf andere Werbehandlungen erstrecken kann.

2. Berufung der Beklagten

Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, stehen der Klägerin dagegen die mit den weitergehenden Klageanträgen geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche nicht zu.

Die Klägerin hat die im Berufungsverfahren weiter verfolgten Haupt- und Hilfsanträge ausdrücklich mit dem Ziel formuliert, möglichst effektiven Rechtsschutz gegen künftige Aktionen der Beklagten zu erhalten. Gegenstand der Wettbewerbsrechtlichen Überprüfung sind daher allein die in den Anträgen mit Hilfe abstrakter Merkmale beschriebenen €Verkaufsverlosungen€. Dabei ist insbesondere zu unterstellen, dass in der Werbung für diese Aktionen € anders als in der vom Landgericht untersagten konkreten Werbung € auf den Verlosungscharakter in einer Weise hingewiesen wird, die den unter 1. genannten Anforderungen gerecht wird.

a) Hauptantrag zu I. 1.

Gegen die Bestimmtheit des Antrags bestehen keine Bedenken. Zwar mag der €übliche Marktpreis€ im Einzelfall schwer zu ermitteln sein. Der Begriff dient jedoch nur dazu, die besondere Preisgünstigkeit mit Hilfe des genannten Bruchteils abstrakt zu beschreiben. Da alle von der Beklagten bisher durchgeführten Aktionen die auf diese Weise gezogene Grenze weit überschreiten, besteht zwischen den Parteien über diesen Punkt kein Streit, was die Verwendung des genannten Begriffs trotz seiner gewissen Unschärfe zu rechtfertigen vermag.

Das mit dem Hauptantrag zu I. 1. verfolgte Unterlassungsbegehren richtet sich der Sache nach generell gegen die Bewerbung von €Verkaufsverlosungen€ mit den bereits unter 1. beschriebenen kennzeichnenden Merkmalen. Derartige €Verkaufsverlosungen€ sind jedoch als solche mit dem Wettbewerbsrecht in jeder Hinsicht vereinbar; dies gilt für die Beurteilung nach dem UWG in der alten Fassung wie in der neuen Fassung.

Eine €Verkaufsverlosung€ der im Hauptantrag zu I. 1. beschriebenen Art führt nicht zu einer Koppelung der Teilnahme an einem Gewinnspiel mit dem Erwerb einer Ware (§ 1 UWG a.F.; § 4 Nr. 6 UWG n.F.). Der Tatbestand des § 4 Nr. 6 UWG n.F. setzt voraus, dass bereits die Teilnahme am Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware abhängig gemacht wird; damit soll der Gefahr begegnet werden, dass der Verbraucher die Ware nicht im Hinblick auf ihre Qualität und Preiswürdigkeit, sondern allein deshalb erwirbt, um am Gewinnspiel teilnehmen zu können (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler a.a.O., Rdz. 6.2 zu § 4). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Teilnahme an der Verlosung ist nicht in der Weise von dem Erwerb einer Ware abhängig, dass der Teilnehmer auch dann eine Ware abnehmen und bezahlen müsste, wenn er nicht zu den Gewinnern der Verlosung zählt. Eine Verknüpfung zwischen Gewinnspiel und Warenerwerb wird nur insoweit hergestellt, als im Erfolgsfall der Verlosungsgewinn nur durch Erwerb einer Ware zu einem günstigen Preis eingelöst werden kann. Dieser Sachverhalt lässt sich weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach dem dargestellten Gesetzeszweck unter § 4 Nr. 6 UWG n.F. subsumieren.

Auch der Gesichtspunkt der unlauteren Wertreklame durch Ausübung psychischen Kaufzwangs oder durch übertriebenes Anlocken (§ 1 UWG a.F.; § 4 Nr. 1 UWG n.F.) vermag ein Verbot von €Verkaufsverlosungen€ entsprechend dem Hauptantrag zu I. 1. nicht zu rechtfertigen. Erforderlich wäre, dass der Verbraucher im Rahmen der Teilnahme an der Aktion in einer Weise beeinflusst würde, die die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund treten ließe (vgl. BGH WRP 04, 1359, 1360 € 500 DM-Gutschein für Autokauf m.w.N.). Dies ist hier nicht ersichtlich. Soweit es um die Teilnahme an der €Verkaufsverlosung€ selbst geht, ist es nicht irrational, wenn der Verbraucher bei einem Preis, der 50% oder mehr unter dem üblichen Marktpreis liegt, sich für eine Teilnahme entscheidet. Dafür, dass er bei dieser Gelegenheit auch andere Waren bestellt, ohne deren Preiswürdigkeit zu prüfen, bestehen € zumal nach dem Inhalt des Unterlassungsantrages € keinerlei Anhaltspunkte. Auch die etwaige Einlösung des Gewinns, also der Kauf der Ware für den versprochenen Preis, kann € gerade wenn dieser Preis besonders günstig ist - nicht als unvernünftig angesehen werden.

Der Gesichtspunkt der Marktstörung, der auch nach neuem Recht als €ungeschriebener Beispielstatbestand€ unter die Generalklausel des § 3 UWG n.F. fällt (vgl. Amtl. Begründung, BT-Drucks. 15/1487, S. 19; Baumbach/Hefermehl-Köhler a.a.O., Rdz. 10.12, 10.1 f. zu § 4) greift ebenfalls nicht ein. Zwar mag nicht auszuschließen sein, dass bei der Durchführung einer besonders attraktiven und umfangreich beworbenen €Verkaufsverlosung€ die sich normalerweise auf alle Anbieter verteilende Nachfrage bis zur Bekanntgabe des Verlosungsergebnisses zu Lasten der Mitbewerber des Verlosungsveranstalters in gewissem Umfang blockiert wird. Das Marktstörungspotential hält sich aber schon deshalb in Grenzen, weil der teilnehmende Verbraucher, der € wovon aus den genannten Gründen auszugehen ist € den Verlosungscharakter erkennt, weiß, dass seine Aussichten auf den Gewinn begrenzt sind. Die Teilnahme an einer € unter Vermeidung jeder Irreführung über den Verlosungscharakter beworbenen € €Verkaufsverlosung€ wird daher nicht größer sein als an herkömmlichen Gewinnspielen, bei denen Waren sogar völlig kostenfrei erhalten werden können. Im übrigen hängt der Vorwurf einer unlauteren Marktstörung in jedem Fall von der Feststellung ab, wie und in welchem Umfang das Marktgeschehen durch die konkreten Umstände des Einzelfalls, also insbesondere Art und Anzahl der verlosten Waren sowie Art und Umfang der betriebenen Werbung, beeinflusst wird. Hierzu enthält der gestellte Klageantrag keinerlei Angaben.

Die von der Klägerin schließlich angeführten Gesichtspunkte des Verkaufs unter Einstandspreis und des unzureichenden Warenvorrats (§ 5 Abs. 5 UWG n.F.) können den Vorwurf der Unlauterkeit einer Verlosung von vornherein nicht begründen, weil die bei einer Verlosung verteilten Waren naturgemäß unter dem Einstandspreis (in der Regel sogar unentgeltlich) und nur in begrenzter Menge abgegeben werden.

b) 1. Und 2. Hilfsantrag zu I. 1.

Beide Hilfsanträge verwenden lediglich andere Bestimmungen für den Begriff des €üblichen Marktpreises€. Dadurch ändert sich an der unter a) dargelegten Beurteilung nichts.

c) 3. Hilfsantrag zu I. 1.

Der Antrag entspricht dem 1. Hilfsantrag mit dem weiteren Merkmal, dass den erfolglosen Teilnehmern an der Verlosung (überhaupt) ein nachträgliches Angebot zum Erwerb der Ware unterbreitet wird. Auch dies ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist es verkaufsförderlich, den Verbraucher zunächst durch ein Gewinnspiel auf eine bestimmte Ware aufmerksam zu machen, für die er sich ansonsten vielleicht gar nicht interessiert hätte, und ihm dann, nachdem der Verbraucher sein Interesse gezeigt und seine Daten mitgeteilt hat, die Ware zum regulären Verkauf anzubieten. Solange dabei aber keine falschen Vorstellungen erweckt oder ausgenutzt werden, handelt es sich lediglich um eine geschickte Form der Aufmerksamkeitswerbung, die insbesondere nicht den Charakter unsachlicher Beeinflussung (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.) aufweist.

d) 4. Hilfsantrag zu I. 1.

Der Antrag enthält gegenüber dem dritten Hilfsantrag das weitere Erfordernis, dass im €Nachfassangebot€ ein gegenüber dem früheren Preis verminderter Preis verlangt wird. Auch dieser Umstand allein rechtfertigt noch keine andere rechtliche Beurteilung. Der von der Preisreduzierung ausgehende zusätzliche Kaufanreiz ist € wenn kein Fall des § 5 Abs. 2, Abs. 4 UWG n.F. vorliegt € als solcher nicht zu beanstanden und führt auch im Zusammenhang mit den übrigen im Klageantrag genannten Umständen nicht ohne weiteres zu einer unsachlichen Beeinflussung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG n.F. Insoweit könnte zwar eine andere Bewertung geboten sein, wenn € wie in dem Anschreiben der Beklagten gemäß Anlage K 7 € mit dem €Nachfassangebot€ der Eindruck vermittelt wird, der nunmehr angebotene Sonderpreis stelle sozusagen eine Entschädigung für die berechtigte Enttäuschung des Kunden dafür dar, bei der Verlosung nicht zum Zuge gekommen zu sein. Dadurch könnte der Verbraucher durchaus von einer sachgerechten Prüfung der Preiswürdigkeit des Angebots abgehalten werden, weil er meint, ihm werde wegen der besonderen Situation ein kaufmännisch eigentlich gar nicht zu rechtfertigendes Angebot gemacht. Dieser zusätzliche Gesichtspunkt ist jedoch € worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat € nach der Fassung des Klageantrages nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

e) Weitere Klageanträge

Mangels Wettbewerbswidrigkeit des mit den Haupt- und Hilfsanträgen zu I. 1. erfassten Verhaltens haben auch die darauf rückbezogenen Unterlassungsanträge zu I. 2. und I. 3. sowie die Folgeanträge zu II. und III. keinen Erfolg.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. In Übereinstimmung mit der bereits vom Landgericht vorgenommene Kostenquotelung erscheint es sachgerecht, den zugesprochenen und den abgewiesenen Teil des Klagebegehrens gleich hoch zu bewerten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass €Verkaufsverlosungen€, bei denen der Verlosungscharakter in der gebotenen Form deutlich herausgestellt wird, als Marketinginstrument deutlich weniger attraktiv sind als die von der Beklagten konkret beworbene Aktion, bei der dieser Verlosungscharakter nicht hinreichend offenbart wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Zwar handelt es sich bei €Verkaufsverlosungen€ der in Rede stehenden Art um eine neuartige Verkaufsförderungsmaßnahme. Die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts wirft jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats keine Zweifelsfragen auf, die der Sache eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verleihen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 24.02.2005
Az: 6 U 43/04


Link zum Urteil:
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