Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. Juli 2004
Aktenzeichen: 26 K 4163/03

(VG Düsseldorf: Urteil v. 09.07.2004, Az.: 26 K 4163/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 9. Juli 2004 entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Einsicht in den Verwaltungsvorgang "Amtskette des Bürgermeisters der Stadt E" zu gewähren. Dabei müssen jedoch personenbezogene Daten abgetrennt oder geschwärzt werden. Der Beklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger hatte zunächst einen Antrag auf Einsicht in den Vorgang gestellt, da in der Presse über die Spender der Amtskette diskutiert wurde. Dieser Antrag wurde vom Beklagten abgelehnt mit der Begründung, dass die Offenlegung der Informationen zu wirtschaftlichen Schäden führen könnte. Auch der Widerspruch des Klägers gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen. Das Gericht hält diese Ablehnung jedoch für rechtswidrig, da nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW jeder Anspruch auf Zugang zu vorhandenen amtlichen Informationen hat. Weiterhin stellt das Gericht fest, dass in diesem Fall kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offengelegt wird und auch kein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Das überwiegende Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs überwiegt hier. Einzige Ausnahme sind die personenbezogenen Daten der Spender, die abgetrennt oder geschwärzt werden müssen. Die Klage wird daher unter Berücksichtigung dieser Einschränkung stattgegeben.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Düsseldorf: Urteil v. 09.07.2004, Az: 26 K 4163/03


Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 5. Mai 2003 und seines Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in den Verwaltungsvorgang €Amtskette des Bürgermeisters der Stadt E" zu gewähren mit der Maßgabe, dass etwa enthaltene personenbezogene Daten abzutrennen oder zu schwärzen sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Im Jahre 2002 wurde für den Beklagten eine von Sponsoren finanzierte neue Amtskette zum Preise von ca. 5.200,00 Euro beschafft. Bei der Vorstellung der Kette und in der Zeit danach teilte der Beklagte der Öffentlichkeit lediglich mit, dass die Amtskette den Steuerzahler nichts gekostet habe und das Geld von Sponsoren aus der Eer Wirtschafts- und Finanzwelt zur Verfügung gestellt worden sei.

Unter dem 3. April 2003 beantragte der Kläger bei dem Beklagten unter Hinweis auf die rege Diskussion über die Spender der Amtskette des Bürgermeisters der Stadt E in der lokalen Presse, ihm gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz NRW Einsicht in die entsprechende Akte zu gewähren und/oder ihm mitzuteilen, wer die Spender der Amtskette seien. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2003 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Eine Einsicht in den Vorgang „Amtskette des Bürgermeisters" sei gemäß § 8 IFG NRW nicht möglich, da mit der Einsicht oder Auskunft Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart würden, durch deren Offenbarung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. Mai 2003 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen geltend machte: Die von dem Beklagten gegebene Begründung für die Ablehnung seines Antrages stehe in einem krassen Widerstreit zu einer ihm schriftlich erteilten Auskunft der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, der zu Folge lediglich die Namen natürlicher Personen nicht bekannt gegeben werden dürften. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, welcher wirtschaftliche Schaden bei den Spendern im Falle ihres Bekanntwerdens überhaupt entstehen könne. Mit der von dem Beklagten gegebenen Begründung könne im Übrigen jedes Begehren eines Bürgers auf Akteneinsicht einfach so abgelehnt werden, sofern eine Akte Firmendaten enthalte. Wäre die Auffassung des Beklagten zutreffend, so müsse man zu der Erkenntnis kommen, dass das Gesetz seinen Zweck nicht erfülle.

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2003 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Das Geschäftsgeheimnis, das es zu schützen gelte, sei die „Hergabe von Finanzmitteln eines wirtschaftlich tätigen Betriebes". Es drohe bei Bekanntgabe ein wirtschaftlicher Schaden für die Stadt E und die Allgemeinheit. Auch erwarteten die Spender, im Anschluss an eine Spende nicht durch zusätzlichen Aufwand - wie zum Beispiel durch weitere Anfragen nach Spenden - belästigt zu werden. Nur durch die Verweigerung der Akteneinsicht lasse sich die Spendenbereitschaft erhalten. Dies gelte vorliegend in besonderem Maße, weil es sich bei den Spendern um vielfältig tätige und großherzige Sponsoren handele.

Der Kläger hat am 25. Juni 2003 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Die spendenden natürlichen oder juristischen Personen könnten sich nicht auf § 8 S. 1 IFG NRW berufen, weil eine Spende keine wirtschaftliche Tätigkeit im wettbewerbsrechtlichen Sinne darstelle. Ebenso wenig könne sich die Stadt auf § 8 S. 5 IFG NRW berufen. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 8 S. 3 IFG NRW vor, da die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszuganges habe und der eintretende Schaden nur gering wäre. Das Interesse folge aus der regen politischen Diskussion innerhalb der Ratsfraktionen sowie aus zahlreichen in der Presse veröffentlichten Leserbriefen. Nur durch den Zugang zu dem Beschaffungsvorgang könne das Vertrauen in die Lauterkeit und Verlässlichkeit der öffentlichen Verwaltung wieder hergestellt werden, weil sonst Zweifel an der Nichtkäuflichkeit der Verwaltung verblieben. Soweit Spender natürliche Personen seien, rechtfertige dies nicht die vollständige Verweigerung der Akteneinsicht; in diesem Falle seien vielmehr die betreffenden Namen vor der Einsichtnahme zu schwärzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 5. Mai 2003 und seines Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 zu verpflichten, ihm Einsicht in den Verwaltungsvorgang „Amtskette des Bürgermeisters der Stadt E" zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Gründe der mit der vorliegenden Klage angegriffenen Verwaltungsentscheidungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Ablehnung des Beklagten, dem Kläger auf seinen Antrag vom 3. April 2003 hin Einsicht in den die Beschaffung der Amtskette betreffenden Verwaltungsvorgang zu gewähren, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht nach § 4 Abs. 1 IFG NRW. Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen gegenüber den in § 2 des Gesetzes genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Informationen i. S. des IFG NRW sind gemäß § 3 dieses Gesetzes alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden. Damit sind sämtliche dienstlichen Zwecken dienende Unterlagen gemeint, die dazu bestimmt sind, zu einem Vorgang zu gehören.

vgl. Beckmann, Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW, DVP 2003, S. 142.

Da der Kläger als natürliche Person von dem Beklagten, einer Gemeindebehörde und damit einer Stelle i. S. des § 2 Abs. 1 IFG NRW, Informationen über die Beschaffung einer Sache im Verwaltungsgebrauch (Amtskette) durch Einsicht in den hierüber geführten Verwaltungsvorgang begehrt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 IFG NRW erfüllt. Dass die Beschaffung der Amtskette auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Hersteller der Kette erfolgt ist, steht der Anwendbarkeit des IFG NRW nicht entgegen. Denn der Begriff der Verwaltungstätigkeit (§ 2 Abs. 1 S.1 IFG NRW) ist nicht beschränkt auf ein Handeln der Exekutive in den Formen des öffentlichen Rechts.

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 - .NWVBl 2002, S. 441, 442; Beckmann, a.a.O., S. 144; Bischopink, Das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2001, NWVBl 2003, S. 245, 246; a. A. Stollmann, das Informationsfreiheitsgesetz NRW, NWVBl 2002, S. 216, 217.

Schließlich hat der Kläger den gem. § 5 Abs. 1 S. 1 erforderlichen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht auch hinreichend bestimmt i. S. des Satzes 3 des § 5 Abs. 1 IFG NRW gestellt.

Dem nach alledem auf der Grundlage des § 4 IFG NRW gegebenen Anspruch des Klägers steht schließlich auch nicht die - vorliegend allein in Betracht zu ziehende - Schutzvorschrift des § 8 IFG NRW entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde (S. 1). Entsprechendes gilt für Informationen, die wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse geheim zu halten sind (S. 2). Die Sätze 1 und 2 gelten jedoch nach Satz 3 des § 8 IFG NRW nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszuganges hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Im Zweifelsfalle ist der oder dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (S. 4). Betroffen sein kann auch eine öffentliche Stelle (S. 5).

Die vorliegend von dem Beklagten vertretene Auffassung, bei der „Hergabe von Finanzmitteln eines wirtschaftlich tätigen Betriebes" in Form einer Spende handele es sich um ein Geschäftsgeheimnis, begegnet durchgreifenden Bedenken.

Das IFG NRW enthält keine eigenständige Definition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, sondern setzt diesen Begriff so voraus, wie er in der Rechtsprechung entwickelt worden ist.

vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 13/1311 zu § 8 IFG NRW.

Es ist daher auf die allgemein geltende zu § 17 UWG entwickelte Begriffsbestimmung zurück zu greifen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse umfassen danach nur einem begrenztem Personenkreis bekannte und damit nicht offenkundige Tatsachen, die sich auf einen bestimmten Gewerbebetrieb beziehen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein schutzwürdiges wirtschaftliches Interesse hat.

vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 StR 764/94 -, in Juris.

Hiervon ausgehend ist bereits nicht ersichtlich, dass es sich bei der Hergabe von Spendengeldern an eine Kommune um ein Unternehmensgeheimnis in dem vorstehend beschriebenen Sinne handelt. Denn hierdurch ist weder die technische Seite eines Unternehmens, die z. B. Produktionsverfahren sowie den Bereich der Produktentwicklung und der Forschung erfasst, noch etwa der kaufmännische Bereich eines Unternehmens, zu dem z. B. die Geschäftsverbindungen, Handelsstrategien aber auch seine wirtschaftliche Situation gehören, angesprochen. Hinzu kommt, dass durch den Beklagten noch nicht einmal im Ansatz aufgezeigt worden ist, dass im Falle der Herausgabe der von dem Kläger begehrten Information den Spendern überhaupt ein wirtschaftlicher Schaden i. S. des § 8 S. 1 IFG NRW entstehen könnte. Denn soweit der Beklagte darauf hingewiesen hat, dass die Spender nicht durch weitere Spendenanfragen belästigt werden wollten, handelt es sich hierbei bereits nicht um einen wirtschaftlichen Schaden. Auch für den Beklagten sind die Namen der Spender kein Geschäftsgeheimnis. Die Behauptung des Beklagten, durch die Nennung der Spender in Zukunft weniger Spenden zu erhalten, begründet ein solches nicht. Die Entgegennahme von Spenden gehört nämlich weder dem Bereich der Verwaltung im materiellen Sinne noch etwa demjenigen der wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde an.

Selbst wenn man jedoch das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und einen aus dessen Offenbarung resultierenden wirtschaftlichen Schaden bejahen würde, so wäre jedenfalls i. S. des § 8 S. 3 IFG NRW ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszuganges zu bejahen, wobei ein (allerdings nicht ernstlich in Betracht zu ziehender) geringfügiger Schaden hinzunehmen wäre. Das „Interesse der Allgemeinheit" ist dabei entsprechend dem Zweck des Gesetzes - nämlich interessierten Personen Zugang zu einer bestimmten Information zu verschaffen - anhand des Kreises der von einem Verwaltungshandeln im weitesten Sinne Betroffenen zu bestimmen. Damit bilden vorliegend jedenfalls die Einwohner der Stadt E die „Allgemeinheit" im Sinne des Gesetzes. Das überwiegende Interesse der so verstandenen Allgemeinheit ergibt sich vorliegend daraus, dass - worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat - die Beschaffung der Amtskette nicht nur seit geraumer Zeit in der lokalen Presse Gegenstand der Berichterstattung und von Leserbriefen ist, sondern sich auch die Ratsfraktionen des Rates der Stadt E mit diesem Thema befasst haben. Zudem sind Spenden Leistungen ohne Gegenleistung. Wenn die Person des Spenders nicht bekannt ist, so kann der öffentliche Eindruck entstehen, dass doch auf irgendeine Weise eine Gegenleistung erbracht wurde. Allein dieser mögliche Zweifel in der Öffentlichkeit an dem rechtmäßigen Handeln der Verwaltung und der damit einhergehende Vertrauensverlust sind ein größerer Schaden, als eine eventuelle finanzielle Einbuße z.B. durch den Ausfall potenzieller Spender. Es ist gerade Sinn und Zweck des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen, das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Verwaltung zu erhöhen.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11,15/83 - BVerfGE 67, 100 (142 f)

Allerdings war der Klage nur mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung statt zu geben. Sollten nämlich einzelne Spender natürliche Personen sein, so wäre auf Grund der fehlenden Einwilligung gem. § 10 Abs. 1 IFG NRW dem Antrag nur nach Abtrennung oder Schwärzung der personenbezogenen Daten - vgl. diesbezüglich die Legaldefinition in § 3 DSG NRW - statt zu geben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Düsseldorf:
Urteil v. 09.07.2004
Az: 26 K 4163/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/75975f62c1b7/VG-Duesseldorf_Urteil_vom_9-Juli-2004_Az_26-K-4163-03




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