Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 16. November 2011
Aktenzeichen: 5 U 58/11

(OLG Hamburg: Urteil v. 16.11.2011, Az.: 5 U 58/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 16. November 2011 (Aktenzeichen 5 U 58/11) einem Antragsteller Recht gegeben und das Urteil des Landgerichts abgeändert. Es wurde eine einstweilige Verfügung erlassen, die der Antragsgegnerin verbietet, redaktionell gestaltete Werbung zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, insbesondere in der Zeitschrift "G…", Ausgabe 4/10, Seite 73. Die Antragsgegnerin muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Der Antragsteller ist eine qualifizierte Einrichtung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch. Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift "G…" und hatte in der Ausgabe 43/2010 eine ganzseitige Anzeige veröffentlicht, die nach Ansicht des Antragstellers gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstößt. Eine Abmahnung des Antragstellers blieb erfolglos, weshalb er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. Das Landgericht hatte den Antrag abgelehnt, woraufhin der Antragsteller Berufung eingelegt hat.

Das Oberlandesgericht entschied, dass dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zustehe, da es sich bei der angegriffenen Anzeige um unlautere geschäftliche Handlung in Form von getarnter Werbung handelt. Die Anzeige sei eindeutig als redaktioneller Beitrag gestaltet, was den Verbraucher irreführen könne. Die Gestaltung der Anzeige erwecke den Eindruck einer objektiven Berichterstattung, während es sich in Wahrheit um Werbung handelt. Dadurch werde das Trennungsprinzip von Werbung und redaktionellen Beiträgen verletzt. Die Antragsgegnerin habe den werbenden Charakter der Anzeige nicht ausreichend kenntlich gemacht. Daher liege ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen vor.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass ein Verfügungsgrund vorliegt, da keine Umstände vorgetragen wurden, die die Vermutung der Dringlichkeit widerlegen können. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

(Ich hoffe, das entspricht den Anforderungen und ist einfach zu lesen. Eine weitere Zusammenfassung könnte aus dem zweiten Teil des Urteils gemacht werden, wenn gewünscht.)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamburg: Urteil v. 16.11.2011, Az: 5 U 58/11


Tenor

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.1.2011, Az. 416 O 184/10, abgeändert:

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen redaktionell gestaltete Werbung zu veröffentlichen und / oder veröffentlichen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift €G...€ auf der Seite 73 der Ausgabe 4/10 (€Bundesweit Tester gesucht ...€), wie nachfolgend wiedergegeben:

Bild entfernt

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 III Nr.3 UWG und nimmt die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift €G...€. In der Ausgabe 43/2010 vom 21.10.2010 erschien auf Seite 73 eine ganzseitige Anzeige der Fa. P... P... Deutschland (Anl ASt 1, ASt 2), die wie aus dem Tenor ersichtlich gestaltet war.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Gestaltung der Anzeige u.a. einen Verstoß gegen § 3 III UWG in Verbindung mit Ziffer 11 des Anhanges zu dieser Norm darstelle. Eine deshalb an die Antragsgegnerin gerichtete Abmahnung vom 8.11.2010 (Anl ASt 3) blieb erfolglos. Unter dem 3.12.2010 beantragte der Antragsteller daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der der Antragsgegnerin die Veröffentlichung einer derartigen Anzeige untersagt werden sollte. Das Landgericht wies nach mündlicher Verhandlung den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit dem angegriffenen Urteil vom 11.1.2011 ab.

Mit der Berufung möchte der Antragsteller den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung erreichen. Er ist der Ansicht, dass die äußere Gestaltung der Anzeige auf den Leser den Eindruck eines redaktionellen Beitrags mache.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg vom 11.1.2011, Az. 416 O 184/10, zu verurteilen,es bei Meidung [der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel]zu unterlassen,im Wettbewerb handelndredaktionell gestaltete Werbung zu veröffentlichen und / oder veröffentlichen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift €G...€ auf der Seite 73 der Ausgabe 4/10 (€Bundesweit Tester gesucht ...€) (Anlage ASt 2).

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung steht dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zu; auch ein Verfügungsgrund besteht.

1. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Anzeige ein Unterlassungsanspruch jedenfalls gemäß §§ 8 I, III Nr.3, 3 III UWG in Verbindung mit Ziff.11 des Anhang zu dieser Norm zu.

a. Eine Berechtigung des Antragstellers zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche nach § 8 III Nr.3 UWG ist unstreitig gegeben.

b. Bei der angegriffenen Anzeige handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung in Form einer als Information getarnten Werbung.

Unstreitig ist die gesamte Seite 73 der €G...€ 43/2010 eine von der Fa. P... P... Deutschland bezahlte Anzeige. Nach § 3 III UWG in Verbindung mit Anh. Ziff.11 ist eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern stets unzulässig, wenn redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt werden, der Unternehmer diese Verkaufsförderung finanziert hat und dies weder aus dem Inhalt noch aus klar erkennbaren Bildern oder Tönen eindeutig hervorgeht. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Anh. zu § 3 III Rz. 11.2). Bewertungsmaßstab hierfür ist die Auffassung eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09). Die erforderlichen Feststellungen kann der Senat insoweit selbst treffen, da seine Mitglieder zu den von der Zeitschrift €G...€ angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

Bei der Subsumtion und Einschätzung der Anzeigen ist der Normzweck zu berücksichtigen. Dieser liegt in erster Linie in dem Schutz des Verbrauchers (vgl. Wortlaut des § 3 III UWG: €Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.€). Es ist aber anerkannte Tatsache, dass der Leser (Verbraucher) in einem redaktionellen Beitrag im Allgemeinen eine objektiv-kritische, nicht von gewerblichen Interessen geleitete Information einer unabhängigen und neutralen Redaktion als Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung, nicht aber eine in erster Linie von den Eigeninteressen des Werbenden geprägte Reklame erwartet. Dementsprechend misst er einem redaktionellen Beitrag, der Äußerungen über Unternehmen und deren Produkte enthält und Werbewirkung entfaltet, regelmäßig größere Beachtung und Bedeutung bei und steht ihm weniger kritisch gegenüber, als wenn es sich um werbende Äußerungen des Unternehmens selbst handelt. Soweit eine bezahlte Werbeanzeige durch die (irreführende) Verwendung von Gestaltungsmitteln, wie sie bei redaktionellen Beiträge üblich sind, nicht klar und eindeutig ihren Werbecharakter erkennbar macht, muss daher zur Verhinderung einer Irreführung des Verbrauchers und zur Absicherung des Trennungsprinzips von Werbung und redaktionellen Beiträgen der Hinweis auf den Werbecharakter mit dem deutlich erkennbaren Wort €Anzeige€ erfolgen (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. Rz. 3.20; § 10 Hamburgisches PresseG; vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem oberen Teil der angegriffenen Anzeige eindeutig um eine unzulässige, als Information getarnte Werbung:

Die obere Seitenhälfte ist in allen Gestaltungsmerkmalen als redaktioneller Beitrag aufgemacht. Die Überschrift ist wie eine typische Schlagzeile gestaltet; sie nimmt die gesamte Seitenbreite ein, ist fett gedruckt und in einer für eine Schlagzeile €typischen€ Schrifttype gesetzt. Die Aufteilung des Textes in drei Spalten lässt den Verbraucher ebenfalls an einen redaktionellen Beitrag denken; der Antragsteller hat sogar auf vier Artikel in derselben Ausgabe der €G...€ hingewiesen, die ebenfalls dreispaltig gesetzt sind. Der Fließtext ist wie ein Artikel durch Absätze gegliedert. Der Fließtext selbst ist ebenfalls in einer nüchternen Schrifttype wie ein Artikel gehalten. Der Text steht auf einem weißen Hintergrund, was für Artikel nicht nur in der €G...€ typisch ist. Der Fließtext ist relativ lang und damit untypisch für eine Anzeige. Am Ende des oberen Teils der Seite findet sich das Zeichen €mr€, das wie ein typisches Autorenkürzel am Ende eines redaktionellen Beitrags gestaltet ist; derartige Zeichen sind für Anzeigen gänzlich ungebräuchlich.

Die (Haupt-) Überschrift €Bundesweit Tester gesucht ...€ weist keineswegs unmissverständlich auf eine Werbeanzeige hin. €Tester suchen€ können auch Redaktionen; der Antragsteller führt als treffendes Beispiel die Schlagzeile €Mitmachen bei der Brigitte-Diät€ an.

Eine optisch-gestalterische Bezugnahme des €Artikels€ auf den unteren, eindeutig webenden Teil der Anzeige vermag der Senat im Gegensatz zum Landgericht nicht zu erkennen. Vielmehr werden die beiden Teile der Seite durch verschiedene markante Gestaltungselemente gerade ganz klar voneinander getrennt. Zunächst bildet der kräftige dunkelrote Querbalken eine höchst markante Angrenzung, die die gesamte Seite unübersehbar in zwei Hälften teilt. Die €Anzeige€ auf der unteren Seitenhälfte wird zudem von farbigen und bildlichen Gestaltungselementen dominiert, während der €Artikel€ auf der oberen Seitenhälfte nahezu ausschließlich aus dem Fließtext besteht; diese sehr unterschiedliche Gestaltung dieser beiden Teile der Seite stellt einen weiteren ausgesprochen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Verbraucher diese gerade nicht als eine Einheit wahrnimmt. Der Prüfungsansatz des Landgerichts, dass der Verbraucher spätestens dann den Zusammenhang zwischen oberer und unterer Seitenhälfte verstehe, wenn er beginne den Artikel zu lesen, entspricht nicht den wettbewerbsrechtlichen Prüfungsmaßstäben. Im Übrigen vermag der Senat diese Feststellung auch im Tatsächlichen nicht zu teilen. Die ersten Sätze des ersten Absatzes des Fließtextes lassen gerade nicht erkennen, dass es sich um eine bezahlte Anzeige handeln könnte. Untypisch für eine Anzeige ist es auch, dass das beworbene Produkt im Fließtext in keiner Weise hervorgehoben wird, etwa durch Fettdruck.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gibt es auch in Zeitschriften wie der €G...€, die einen gewissen €Glamour€-Faktor anstreben mögen, Tipps zum Abnehmen. Der Antragsteller hat hierzu einen Ausdruck aus dem eigenen Webauftritt von €G...€ mit einem redaktionellen Beitrag mit dem Titel €Abnehmen wie die Stars€ vorgelegt (Anl ASt 7).

Schließlich bleibt festzustellen, dass der Hinweis €Anzeige€ rechts oben auf der Seite jedenfalls im Lichte der nach den vorstehenden Ausführungen als redaktioneller Beitrag aufgemachten oberen Seitenhälfte nicht ausreicht, um die erforderliche eindeutige Erkennbarkeit des werbenden Charakters zu bewirken. Dieser Hinweis ist zum einen in sehr kleiner Schriftgröße (6- oder 7-Punkt) und zum anderen im einem sehr hellen Grau gehalten, so dass er sich farblich kaum vom weißen Untergrund der Seite abhebt.

c. Daher ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Antragstellers auch aus §§ 3 I, 4 Nr.3 UWG; nach den obigen Ausführungen wird der Werbecharakter der Anzeige verschleiert. Dasselbe Ergebnis folgt auch aus den §§ 3 I, 4 Nr.11 UWG iVm § 10 Hamburgisches PresseG: Da sich der Werbecharakter der streitigen Veröffentlichung nicht schon allgemein aus der Anordnung und Gestaltung erschließt, hätten diese deutlich mit dem Wort €Anzeige€ gegenüber dem Leser gekennzeichnet werden müssen.

2. Ein Verfügungsgrund liegt vor. Es sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, nach denen die Vermutung des § 12 II UWG widerlegt sein könnte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.






OLG Hamburg:
Urteil v. 16.11.2011
Az: 5 U 58/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/750901847bb4/OLG-Hamburg_Urteil_vom_16-November-2011_Az_5-U-58-11




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