Hessisches Landessozialgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 1980
Aktenzeichen: L 1 Ar 126/79

(Hessisches LSG: Beschluss v. 18.12.1980, Az.: L 1 Ar 126/79)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klägerin hat vor dem Hessischen Landessozialgericht einen Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung gestellt. Sie begehrt Konkursausfallgeld (Kaug) für 12 Arbeitnehmer, die ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Kaug-Antrags auf sie übertragen hatten. Die Klägerin schloss am 19. Juni 1980 einen Prozessvergleich, in dem die Beklagte sich verpflichtete, ihr die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung wurde abgelehnt, da er nicht statthaft ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es keinen Wert für Gerichtsgebühren, da hier der Grundsatz der Kostenfreiheit gilt. Eine Wertfestsetzung der Rechtsanwaltsgebühren kann im sozialgerichtlichen Verfahren nur in Ausnahmefällen erfolgen, wenn die Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Gegenstandswert berechnet werden. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, da es sich um kein Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit handelt. Die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit sind nicht erfüllt, da es sich nicht um Rechtsbeziehungen handelt, die typischerweise nur zwischen einem Arbeitgeber und der Bundesanstalt für Arbeit bestehen. Da die Entscheidung nicht angefochten werden kann, ist sie rechtskräftig.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Hessisches LSG: Beschluss v. 18.12.1980, Az: L 1 Ar 126/79


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf gerichtliche Streitwertfestsetzung wird abgelehnt.

Gründe

Die Klägerin begehrte Konkursausfallgeld (Kaug) für 12 Arbeitnehmer, die ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Kaug-Antrages im Wege der Forderungsabtretung auf sie übertragen hatten. Insoweit wurde am 19. Juni 1980 ein Prozeßvergleich geschlossen, in dem die Beklagte sich unter anderem verpflichtete, der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Mit Schriftsatz vom 6. August 1980, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 7. August 1980, hat die Klägerin Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung gestellt.

Dieser Antrag war mangels Statthaftigkeit abzulehnen. Zwar kann eine selbständige Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren auch im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 10 Absatz 1 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) erfolgen, da es im sozialgerichtlichen Verfahren auf Grund des hier geltenden Grundsatzes der Kostenfreiheit (§ 183 Sozialgerichtsgesetz € SGG €) an einem Wert für Gerichtsgebühren fehlt. Voraussetzung für eine solche Wertfestsetzung ist jedoch, daß die Gebühren des Rechtsanwalts überhaupt nach dem Gegenstandswert berechnet werden. Dies ist im sozialgerichtlichen Verfahren nur ausnahmsweise der Fall. Grundsätzlich erhält der Rechtsanwalt im Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 116 Absatz 1 BRAGO eine sogenannte Rahmengebühr, die nicht nach dem Gegenstandswert berechnet wird. Lediglich in Verfahren auf Grund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (Kassenarztrecht) sowie öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger untereinander (so § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BRAGO) oder auf Grund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit oder einer Berufsgenossenschaft (so § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BRAGO) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Eine derartige Ausnahmefallgestaltung im Sinne des § 116 Absatz 2 Satz 1 BRAGO ist vorliegend jedoch nicht gegeben, wobei lediglich das Vorliegen einer €öffentlich- rechtlichen Streitigkeit zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit€ in Betracht kam.

Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zwischen einem Arbeitgeber und der Bundesanstalt für Arbeit im Sinne des § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BRAGO ist nur gegeben, wenn Gegenstand des Verfahrens öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen sind, wie sie typischerweise (nur) zwischen einem Arbeitgeber und der Bundesanstalt für Arbeit bestehen. Nicht ausreichend ist, daß es sich um Rechtsbeziehungen handelt, die nur zufälligerweise zwischen einem Arbeitgeber und der Bundesanstalt bestehen, ebenso gut mit gleicher rechtlicher Qualität aber auch zwischen jedem beliebigen Dritten, der kein Arbeitgeber ist, und der Bundesanstalt bestehen könnten. Derartige Fallgestaltungen werden nicht (mehr) von der Ausnahmeregelung des § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BRAGO erfaßt. Diese Regelung stellt auf die materiell-rechtliche Rechtsnatur der streitigen Rechtsbeziehungen ab; nicht ausreichend ist, daß am Verfahren überhaupt ein Arbeitgeber und die Bundesanstalt beteiligt sind. Insoweit ist die Vorschrift des § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BRAGO sach- und nicht nur personenbezogen. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Sie stützte ihren Kaug-Anspruch auf die Vorschrift des § 141 k Absatz 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Hiernach steht, soweit die Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Antrages auf Kaug auf einen €Dritten€ übertragen worden sind, diesem der Anspruch auf Kaug zu. Gegenstand des Verfahrens war damit nicht eine Rechtsbeziehung, wie sie typischerweise (nur) zwischen der Klägerin als dem Arbeitgeber der originär Kaug-berechtigten Arbeitnehmer bestehen konnte. Vielmehr hätte auch jeder beliebige Dritte, etwa eine Bank, als Anspruchsberechtigter im Sinne des § 141 k Absatz 1 Satz 1 AFG auftreten können, falls auf ihn die Ansprüche auf Arbeitsentgelt übertragen worden wären. Ein Arbeitgeber ist nur zufälligerweise, nicht aber typischerweise berechtigter €Dritter€ im Sinne des § 141 k Absatz 1 Satz 1 AFG. Bildet sein Leistungsanspruch den Gegenstand eines Verfahrens vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, handelt es sich nicht um ein Verfahren €auf Grund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit€ im Sinne des § 116 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BRAGO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG, § 10 Absatz 3 Satz 2 BRAGO).






Hessisches LSG:
Beschluss v. 18.12.1980
Az: L 1 Ar 126/79


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